Urteilskopf

140 III 231

36. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_704/2013 vom 15. Mai 2014

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 231

BGE 140 III 231 S. 231

X. (Beschwerdeführerin) und Y. (Beschwerdegegner) heirateten 1995 und wurden Eltern der Kinder A., geboren 1996, und B., geboren 1998. Mit Gesuch vom 8. Januar 2013 ersuchte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin um Eheschutz mit einer Vielzahl von Haupt- und Unterbegehren zur Regelung des Getrenntlebens. Sie beantragte unter anderem, die Kinder unter ihre Obhut zu stellen, den Beschwerdegegner zur Zahlung von monatlichen Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 1'000.- zu verpflichten, den Beschwerdegegner zur Zahlung von Fr. 785.- monatlich an ihren persönlichen Unterhalt zu verpflichten und die Unterhaltsbeiträge gerichtsüblich zu indexieren. An der Eheschutzverhandlung vom 12. März 2013 nahmen beide Parteien ohne Rechtsvertreter teil. Streitig war insbesondere die Zuteilung der Obhut über die Kinder. Die wiederum anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin beantragte am 11. April 2013 ergänzend
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zum Eheschutzgesuch, gerichtlich den ausserordentlichen Güterstand der Gütertrennung per 8. Januar 2013 anzuordnen. Weiter nahm sie am 6. Mai 2013 zum Bericht über die Anhörung der Kinder Stellung, wonach sich beide Kinder klar zu Gunsten eines Verbleibs beim Vater äusserten. Das Bezirksgericht teilte die elterliche Obhut über die Kinder dem Beschwerdegegner zu (Dispositiv-Ziff. 3), verpflichtete den Beschwerdegegner, der Beschwerdeführerin an deren persönlichen Unterhalt ab dem 18. Juni 2013 monatlich Fr. 785.- zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 4), und ordnete die Gütertrennung auf den 11. April 2013 an (Dispositiv-Ziff. 5). Zum Ehegattenunterhalt hielt das Bezirksgericht fest, rechnerisch betrage der Anspruch der Beschwerdeführerin Fr. 1'647.-, doch dürfe ihr nicht mehr zugesprochen werden, als sie im Eheschutzgesuch beantragt habe. Mit kantonaler Berufung focht die Beschwerdeführerin die Dispositiv-Ziff. 4 des bezirksgerichtlichen Entscheids an. Sie beantragte, den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr an den persönlichen Unterhalt monatlich Fr. 2'044.-, eventualiter Fr. 1'647.- zu bezahlen. Das Obergericht wies die Berufung ab, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerdeführerin erneuert ihre Berufungsanträge vor Bundesgericht, das die Beschwerde abweist, soweit darauf einzutreten ist. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.5 Der Unwägbarkeit, dass bei beschränkten bis durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen die Regelung der Kinderbelange, namentlich die Bestimmung der Kinderunterhaltsbeiträge, die Höhe des Ehegattenunterhalts beeinflusst, kann mit Eventualanträgen begegnet werden. Auch im Eheschutzverfahren ist es zulässig und oftmals notwendig, für den Fall, dass eigene Hauptbegehren nicht durchdringen sollten, ein oder mehrere Eventualbegehren zu stellen, die - im vorliegenden Zusammenhang - auch weiter gehen können als das entsprechende Hauptbegehren (für ein Beispiel: Urteil 5A_906/2012 vom 18. April 2013 Sachverhalt Bst. C, in: FamPra.ch 2013 S. 715; vgl. zum Begrifflichen: STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 44 S. 156 und § 14 Rz. 9 S. 214). Wie die kantonalen Gerichte willkürfrei annehmen durften, hat zu Eventualbegehren für die Beschwerdeführerin ausreichend Anlass bestanden, da die Zuteilung der Obhut über die Kinder streitig war
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und die Kinder beim Beschwerdegegner bleiben wollten. Spätestens in ihrer Stellungnahme zum Bericht über die Anhörung der Kinder hätte die erneut anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin für den Fall, dass die Kinderbelange abweichend von ihren Vorstellungen gerichtlich geregelt werden sollten, Eventualbegehren zum Ehegattenunterhalt stellen können. Geänderte und neue Begehren wie z.B. ihr Antrag auf Gütertrennung sind denn auch nach der Eheschutzverhandlung zugelassen worden und wären noch bis zur Urteilsberatung zulässig gewesen (SPYCHER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 7, und SUTTER-SOMM/VONTOBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 16, je zu Art. 272
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 272 Untersuchungsgrundsatz - Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.
ZPO). Vor dem Hintergrund, dass die Obhutszuteilung streitig und der diesbezügliche Wunsch der Kinder den Parteien bekannt war, hat das Eheschutzgericht der Beschwerdeführerin nicht eigens Gelegenheit geben müssen, sich vor dem Entscheid nochmals zum Ehegattenunterhalt zu äussern und allenfalls geänderte oder neue Begehren zu stellen. Mit der Rechtsanwendung konnte und musste die Beschwerdeführerin aufgrund der veröffentlichten Rechtsprechung vielmehr rechnen, so dass ein verfassungsmässiger Anspruch auf vorgängige Anhörung dazu nicht bestanden hat (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV; BGE 114 Ia 97 E. 2a S. 99; Urteil 5A_561/2011 vom 19. März 2012 E. 10.1, nicht publ. in: BGE 138 III 289, wohl aber in: Pra 101/2012 Nr. 119 S. 853). Anders verhielte es sich im - hier nicht zutreffenden - Fall, wo die Parteien übereinstimmende Anträge zur Regelung der Kinderbelange stellen, das Gericht aber davon abzuweichen gedenkt. Unter dieser Voraussetzung wäre den Parteien vorgängig die Möglichkeit einzuräumen, ihre Rechtsbegehren anzupassen (vgl. zum Fall teilgenehmigter Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen: BGE 93 II 156 E. 7 S. 160 f.).