Urteilskopf

139 V 289

37. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Eidgenössische Ausgleichskasse (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_336/2012 vom 6. Mai 2013

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 291

BGE 139 V 289 S. 291

A. Die 1922 geborene S. leidet beidseitig an fortgeschrittenem grünem Star und einer schweren Hornhauterkrankung (vollständige Erblindung des rechten Auges), an ausgeprägter Altersschwerhörigkeit, kognitiven Defiziten im Sinne einer dementiellen Entwicklung vom Alzheimertyp, Diabetes mellitus, Osteoporose im Frakturstadium sowie zeitweise an Harn- und Stuhlinkontinenz. Im April 2009 reichte ihr Sohn das Anmeldeformular für den Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV ein. Mit Verfügung vom 2. September 2010 und Einspracheentscheid vom 14. Januar 2011 sprach die Eidgenössische Ausgleichskasse S. mit Wirkung ab 1. April 2008 eine Hilflosenentschädigung wegen schwerer Hilflosigkeit zu. Es sei unbestritten, dass die Versicherte seit mehreren Jahren und weiterhin in schwerem Grade hilflos sei. Es könne indes offenbleiben, ob die Hilfsbedürftigkeit bereits seit 2003 oder erst ab 2004 bestehe. Zufolge verspäteter Geltendmachung könne die Hilflosenentschädigung ohnehin lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate nachbezahlt werden. Die Voraussetzungen für eine weitergehende Nachzahlung seien nicht erfüllt.

B. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 29. Februar 2012 ab (Dispositiv-Ziffer 2), soweit sie nicht gegenstandslos geworden war (Dispositiv-Ziffer 1).
C. S. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Nachzahlung der Hilflosenentschädigung bereits ab 1. Januar 2005. Ausgleichskasse, kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Art. 24 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 24 Erlöschen des Anspruchs - 1 Der Anspruch auf ausstehende Leistungen oder Beiträge erlischt fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung, und fünf Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, für welches der Beitrag geschuldet war.
1    Der Anspruch auf ausstehende Leistungen oder Beiträge erlischt fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung, und fünf Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, für welches der Beitrag geschuldet war.
2    Hat sich eine beitragspflichtige Person ihren Verpflichtungen durch eine strafbare Handlung entzogen, für die das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist festsetzt, so ist für das Erlöschen der Beitragsforderung diese Frist massgebend.
ATSG (SR 830.1) lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen (Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
erster Satz AHVG). Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt (zweiter Satz von Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
AHVG).
BGE 139 V 289 S. 292

4.2 Unter dem anspruchsbegründenden Sachverhalt ist in Anlehnung an Art. 4
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
und 5
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 5 Sonderfälle - 1 Bei Versicherten mit vollendetem 20. Altersjahr, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, bestimmt sich die Invalidität nach Artikel 8 Absatz 3 ATSG50.51
1    Bei Versicherten mit vollendetem 20. Altersjahr, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, bestimmt sich die Invalidität nach Artikel 8 Absatz 3 ATSG50.51
2    Bei nicht erwerbstätigen Personen vor dem vollendeten 20. Altersjahr bestimmt sich die Invalidität nach Artikel 8 Absatz 2 ATSG.
IVG sowie Art. 8
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
1    Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2    Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12
3    Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14
und 9
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 9 Hilflosigkeit - Als hilflos gilt eine Person, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf.
ATSG der körperliche, geistige oder psychische Gesundheitsschaden zu verstehen, der eine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Hilfs- oder Überwachungsbedürftigkeit bei alltäglichen Lebensverrichtungen zur Folge hat. Mit der Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts ist nicht das subjektive Einsichtsvermögen der versicherten Person gemeint, sondern es geht nach dem Wortlaut von Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
zweiter Satz AHVG vielmehr darum, ob der anspruchsbegründende Sachverhalt objektiv feststellbar ist oder nicht (BGE 114 V 134; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 22/02 vom 8. Juli 2002 E. 2b; vgl. auch die analog anwendbare Rechtsprechung zu Art. 48 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 48 Nachzahlung von Leistungen - 1 Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
1    Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
2    Die Leistung wird für einen längeren Zeitraum nachgezahlt, wenn die versicherte Person:
a  den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte; und
b  den Anspruch spätestens zwölf Monate, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, geltend macht.
IVG [in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung]: BGE 120 V 89 E. 4b S. 94; BGE 102 V 112 E. 1a S. 113; BGE 100 V 114 E. 2c S. 119; ZAK 1984 S. 403, I 132/83 E. 1; Urteil 8C_262/2010 vom 12. Januar 2011 E. 4.2). Dass ein objektiv gegebener anspruchsbegründender Sachverhalt nicht erkennbar gewesen ist oder dass die versicherte Person trotz entsprechender Kenntnis krankheitsbedingt daran gehindert wurde, sich anzumelden oder jemanden mit der Anmeldung zu betrauen, wird von der Rechtsprechung nur sehr zurückhaltend angenommen, so namentlich bei Schizophrenie (BGE 108 V 226 E. 4 S. 228; Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 824/05 vom 20. Februar 2006 E. 4.3; I 705/02 vom 17. November 2003 E. 4.3; I 141/89 vom 1. März 1990 E. 2b; vgl. auch RDAT 2003 I Nr. 71 S. 277, I 125/02 E. 3), bei einer schweren narzisstischen, depressiven Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Borderlinezustandes an der Grenze zur schizophrenen Psychose (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 418/96 vom 12. November 1997 E. 3b), bei einer schweren Persönlichkeitsstörung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 205/96 vom 21. Oktober 1996 E. 3c), bei Urteilsunfähigkeit zufolge einer (nicht näher bezeichneten) schweren psychischen Erkrankung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 71/00 vom 29. März 2001 E. 3a); allenfalls auch in Fällen von schwerer Depression (BGE 102 V 112 E. 3 S. 118) oder Persönlichkeitsstörungen mit sekundärem chronischem Alkoholismus (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 149/99 vom 16. März 2000 E. 3b).
BGE 139 V 289 S. 293

5. Das kantonale Gericht hat festgestellt, weitergehende, d.h. sich auf einen Zeitraum vor April 2008 erstreckende Nachzahlungen im Sinne des dargelegten zweiten Satzes von Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
AHVG fielen schon deshalb ausser Betracht, weil ein früherer Anspruch auf die Hilflosenentschädigung gar nicht rechtsgenüglich nachweisbar sei.
5.1 Diese Schlussfolgerung lässt sich angesichts der bestehenden Aktenlage nicht halten: Nachdem der Sohn der Beschwerdeführerin im April 2009 im Anmeldeformular für eine Hilflosenentschädigung der AHV angekreuzt hatte, dass seine Mutter bei sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen der Hilfe ihrer beiden im selben Haus wohnenden Kinder sowie der dauernden Pflege und persönlichen Überwachung bedürfe, präzisierte er diese Angaben im Januar 2010 u.a. dahingehend, dass die Hilfsbedürftigkeit seit 2004, die Pflegebedürftigkeit (Verabreichen von Medikamenten und diversen Augentropfen, Wechseln der Inkontinenzhosen) seit 2002 und die Überwachungsbedürftigkeit seit ca. 2004 bestehe. Die Versicherte könne zufolge ihrer Verwirrung kaum allein gelassen werden; die meiste Zeit verbringe sie auf dem Bett oder dem Sofa liegend. Der Allgemeinmediziner Dr. E., der die Beschwerdeführerin seit März 2001 hausärztlich betreut, bescheinigte die eingangs angeführten Diagnosen (lit. A hievor) und bestätigte die Angaben des Sohnes. Für aufwändige pflegerische Verrichtungen (intensive Dekubitusbehandlung, Verbände anlegen usw.) werde die Spitex beigezogen (Bericht vom 17. Januar 2010). In Ergänzung zu den bisherigen Angaben klärte die zuständige Sachbearbeiterin der IV-Stelle des Kantons St. Gallen am 16. Juni 2010 die Hilflosigkeit im Gespräch mit dem Sohn einlässlich weiter ab und hielt im entsprechenden Bericht fest, dass die Versicherte seit mehreren Jahren an fortschreitender Demenz, starker Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, Schwerhörigkeit sowie an Bewegungseinschränkungen zufolge Osteoporose leide. Sie müsse bei sämtlichen Aktivitäten des Alltags geführt und begleitet werden; von sich aus würde sie "kaum mehr etwas machen". Ferner lag der Verwaltung ein Zeugnis von Dr. R., stellvertretender Chefarzt an der Augenklinik des Spitals X., vom 9. Januar 2006 vor, wonach die Sehfunktion der von ihm ophthalmologisch betreuten Beschwerdeführerin seit Behandlungsbeginn im April 2002 stark eingeschränkt sei; sie sei auf fremde Hilfe angewiesen. Schliesslich lässt sich dem im Verlaufe des Einspracheverfahrens eingereichten Schreiben des Hausarztes Dr. E. an Prof. Dr. O., Facharzt
BGE 139 V 289 S. 294

an der Augenklinik des Spitals Y., vom 21. Februar 2007 entnehmen, dass sich in den letzten Jahren in zunehmendem Masse kognitive Defizite im Sinne einer dementiellen Entwicklung eingestellt hätten. Aufgrund des schleichenden, progredienten Verlaufs und bisher fehlender begleitender neurologischer Symptome sowie Ereignisse akuter cerebrovaskulärer Ischämien müsse am ehesten von einer Demenz vom Alzheimertyp ausgegangen werden. Im Oktober 2006 sei die Versicherte mittels Minimentaltest (Ergebnis: 23 von 30 Punkten) und Uhrentest (Resultat: fünf von sieben Punkten) evaluiert worden; weitere Abklärungen seien bisher nicht veranlasst worden.

5.2 Wenn die Vorinstanz im Lichte der angeführten Unterlagen von Beweislosigkeit einer vor April 2008 (zwölf Monate vor der Anmeldung) eingetretenen leistungsbegründenden Hilflosigkeit ausgeht, muss diese Beweiswürdigung als willkürlich bezeichnet werden. Sie ist vom Bundesgericht zu korrigieren (nicht publ. E. 1). Obgleich dem kantonalen Gericht darin beizupflichten ist, dass "ein dementielles Syndrom (...) - zumindest im Anfangsstadium - nicht zwingend eine Hilflosigkeit in den massgeblichen Lebensverrichtungen" begründet, darf nicht ausgeblendet werden, dass der Hausarzt bereits in seinem Schreiben von Anfang 2007 von einer mehrjährigen Entwicklung gesprochen hat; sie veranlasste ihn auch zu den Abklärungsmassnahmen von Herbst 2006. Bei diesen Gegebenheiten durfte jedenfalls schon längere Zeit vor April 2008 nicht mehr vom "Anfangsstadium" einer dementiellen Entwicklung ausgegangen werden. Entscheidend ist jedoch, dass die Hilfsbedürftigkeit anfänglich in erster Linie auf die fortschreitende Beeinträchtigung der Sehfunktion beider Augen zurückzuführen war, welche fachärztlich schon im Jahre 2002 als stark eingeschränkt qualifiziert wurde. Die weitere Verschlechterung führte denn auch zur rechtsseitigen Erblindung. Unter diesen Umständen geht es - entgegen der vorinstanzlichen Auffassung - nicht an, von der hausärztlichen Bestätigung einer spätestens seit 2004 bestehenden Hilfs-, Pflege- und Überwachungsbedürftigkeit abzuweichen, ohne zu begründen, weshalb auf die Angaben seitens Dr. E. und die anderen hievor zitierten Unterlagen nicht abgestellt werden kann. Wird die zusätzliche gesundheitliche Fragilität der betagten Beschwerdeführerin aufgrund der Osteoporose, des medikamentös nicht immer optimal eingestellten Diabetes mellitus vom Typ 2, der früheren rezidivierenden Lungenembolien sowie der wiederkehrenden Harnwegsinfekte berücksichtigt, ist in Übereinstimmung mit der Ausgleichskasse (im Einspracheentscheid vom
BGE 139 V 289 S. 295

14. Januar 2011) von einer (spätestens) 2004 vorliegenden Hilflosigkeit schweren Grades auszugehen.
6. Eine andere Frage ist, ob und - bejahendenfalls - wieweit der Beschwerdeführerin die ihr an sich seit Anfang 2005 zustehende (Art. 43bis Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 43bis - 1 Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung haben Personen, die ihre ganze Altersrente beziehen, oder Bezüger von Ergänzungsleistungen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG211) in der Schweiz, die in schwerem, mittlerem oder leichtem Grad hilflos (Art. 9 ATSG) sind.212
1    Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung haben Personen, die ihre ganze Altersrente beziehen, oder Bezüger von Ergänzungsleistungen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG211) in der Schweiz, die in schwerem, mittlerem oder leichtem Grad hilflos (Art. 9 ATSG) sind.212
1bis    Der Anspruch auf die Entschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades entfällt bei einem Aufenthalt im Heim.213
2    Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung entsteht am ersten Tag des Monats, in dem sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind und die Hilflosigkeit schweren, mittleren oder leichten Grades ununterbrochen während mindestens sechs Monaten bestanden hat. Er erlischt am Ende des Monats, in dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr gegeben sind.214
3    Die monatliche Entschädigung für eine Hilflosigkeit schweren Grades beträgt 80 Prozent, für eine Hilflosigkeit mittleren Grades 50 Prozent und für eine Hilflosigkeit leichten Grades 20 Prozent des Mindestbetrages der Altersrente nach Artikel 34 Absatz 5.215
4    Hat eine hilflose Person am Ende des Monats, in dem sie das Referenzalter erreicht, oder bis zum Zeitpunkt, ab dem sie eine ganze Rente vorbezieht, eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung bezogen, so wird ihr die Entschädigung mindestens im bisherigen Betrag weiter gewährt.216
4bis    Der Bundesrat kann eine anteilmässige Leistung an die Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung vorsehen, falls die Hilflosigkeit nur zum Teil auf einen Unfall zurückzuführen ist.217
5    Für die Bemessung der Hilflosigkeit sind die Bestimmungen des IVG218 sinngemäss anwendbar.219 Die Bemessung der Hilflosigkeit zuhanden der Ausgleichskassen obliegt den Invalidenversicherungs-Stellen220. Der Bundesrat kann ergänzende Vorschriften erlassen.
AHVG) Hilflosenentschädigung gemäss Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
zweiter Satz AHVG über April 2008 hinaus nachgezahlt werden kann. Die Ausgleichskasse verneinte jegliche Nachzahlung, weil dem Sohn der Versicherten deren prekärer Gesundheitszustand bekannt gewesen sei und er demzufolge seine Mutter bereits früher hätte anmelden können.

6.1 In seinen in BGE 108 V 226 und BGE 102 V 112 E. 2c S. 117 publizierten Urteilen vom 25. März 1982 und 5. Mai 1976 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht für den Anwendungsbereich von Art. 48 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 48 Nachzahlung von Leistungen - 1 Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
1    Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
2    Die Leistung wird für einen längeren Zeitraum nachgezahlt, wenn die versicherte Person:
a  den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte; und
b  den Anspruch spätestens zwölf Monate, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, geltend macht.
zweiter Satz IVG (ab 1. Januar 2012: Art. 48 Abs. 2 lit. a
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 48 Nachzahlung von Leistungen - 1 Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
1    Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG298 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
2    Die Leistung wird für einen längeren Zeitraum nachgezahlt, wenn die versicherte Person:
a  den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte; und
b  den Anspruch spätestens zwölf Monate, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, geltend macht.
und b IVG) und - in Analogie dazu (vgl. E. 4.2 hievor) - auch für denjenigen von Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
zweiter Satz AHVG Folgendes festgelegt: Massgebend für die Nachzahlung hinsichtlich eines Zeitraums, welcher über die der Anmeldung vorangehenden zwölf Monate zurückreicht, ist die Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts vonseiten der versicherten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters. Einem Nachzahlungsanspruch für mehr als zwölf Monate vor der Anmeldung steht der Umstand nicht entgegen, dass die in Art. 66
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 66 Legitimation - 1 Befugt zur Geltendmachung des Anspruchs sind der Versicherte, sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder Dritte, die den Versicherten regelmässig unterstützen oder dauernd betreuen.
1    Befugt zur Geltendmachung des Anspruchs sind der Versicherte, sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder Dritte, die den Versicherten regelmässig unterstützen oder dauernd betreuen.
1bis    Wird der Anspruch nicht durch die versicherte Person geltend gemacht, so hat sie die in Artikel 6a IVG erwähnten Personen und Stellen zu ermächtigen, den Organen der Invalidenversicherung alle Auskünfte zu erteilen und alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Abklärung von Leistungs- und Regressansprüchen erforderlich sind.291
2    Ist die versicherte Person urteilsunfähig, so erteilt ihre gesetzliche Vertretung die in Artikel 6a IVG erwähnte Ermächtigung durch Unterzeichnung der Anmeldung.292
IVV (SR 831.201) und Art. 67
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 67 - 1 Der Anspruch auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung wird geltend gemacht durch Einreichen eines ausgefüllten Anmeldeformulars bei der gemäss den Artikeln 122 ff. zuständigen Ausgleichskasse. Zur Geltendmachung befugt sind der Rentenansprecher bzw. für ihn sein gesetzlicher Vertreter, sein Ehegatte, seine Eltern oder Grosseltern, seine Kinder oder Enkel, seine Geschwister sowie die Drittperson oder die Behörde, welche die Auszahlung an sich verlangen kann.292 293
1    Der Anspruch auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung wird geltend gemacht durch Einreichen eines ausgefüllten Anmeldeformulars bei der gemäss den Artikeln 122 ff. zuständigen Ausgleichskasse. Zur Geltendmachung befugt sind der Rentenansprecher bzw. für ihn sein gesetzlicher Vertreter, sein Ehegatte, seine Eltern oder Grosseltern, seine Kinder oder Enkel, seine Geschwister sowie die Drittperson oder die Behörde, welche die Auszahlung an sich verlangen kann.292 293
1bis    Der Anspruch auf den Vorbezug der ordentlichen Altersrente kann nur durch den Rentenansprecher oder dessen gesetzlichen Vertreter angemeldet werden. Der Anspruch kann nicht rückwirkend geltend gemacht werden.294
1ter    Für die Geltendmachung von Hilflosenentschädigungen oder Hilfsmitteln gilt Artikel 66 IVV295.296
1quater    Stirbt eine Person, die Anspruch auf eine Altersrente hat, so kann der Antrag um Neuberechnung nach Artikel 29bis Absätze 3 und 4 AHVG von ihren Hinterlassenen eingereicht werden.297
2    Die kantonalen Ausgleichskassen haben mindestens einmal jährlich durch Publikationen auf die Leistungen der Versicherung, die Anspruchsvoraussetzungen und die Anmeldung hinzuweisen.298
AHVV (SR 831.101) genannten, zur Geltendmachung des Anspruchs befugten Drittpersonen den leistungsbegründenden Sachverhalt (vgl. E. 4.2 hievor) allenfalls bereits in einem früheren Zeitpunkt gekannt haben (BGE 108 V 226 E. 3 S. 228; BGE 102 V 112 E. 2c S. 117). Beiden in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteilen lagen Beschlüsse des Gesamtgerichts zugrunde.
6.2 Entgegen der Auffassung der Verwaltung ist diese Rechtsprechung keineswegs "offensichtlich überholt". Im Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 22/02 vom 8. Juli 2002 E. 2a erfuhr sie insofern eine Präzisierung, als der Anspruch auf eine weiter gehende Nachzahlung der Hilflosenentschädigung der AHV abgelehnt wurde, weil die Hilflosigkeit als anspruchsbegründender Sachverhalt dem Ehemann als Beistand der Versicherten (welche an seniler Demenz vom Alzheimertyp litt) erkennbar war. Ansonsten wurde die dargelegte Rechtsprechung seit Erlass der beiden Grundsatzentscheide in gegen einem Dutzend Urteilen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und (seit 1. Januar 2007) des Bundesgerichts
BGE 139 V 289 S. 296

bestätigt (vgl. etwa ZAK 1984 S. 403, I 132/83 E. 1 in fine; Urteile 9C_670/2009 vom 11. Dezember 2009 E. 2; I 705/02 vom 17. November 2003 E. 4.3; I 199/02 vom 20. August 2002 E. 2.2; I 71/00 vom 29. März 2001 E. 2a; vgl. auch ANDRÉ PIERRE HOLZER, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, 2005, S. 92; ULRICH MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Murer/Stauffer [Hrsg.], 1997, S. 284). Für eine Änderung der Rechtsprechung besteht kein Anlass, zumal sich eine solche grundsätzlich nur begründen liesse, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspräche (BGE 138 II 162 E. 2.3 S. 166; BGE 138 III 270 E. 2.2.2 S. 273, BGE 137 V 359 E. 6.1 S. 361; BGE 137 III 352 E. 4.6 S. 360; BGE 137 V 133 E. 6.1 S. 137, BGE 137 V 210 E. 3.4.2 S. 252, 282 E. 4.2 S. 291, 314 E. 2.2 Ingress S. 316). Solches wird denn auch von keiner Seite geltend gemacht. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht in seinem von Verwaltung und Vorinstanz erwähnten Urteil H 374/00 vom 9. August 2002 E. 4 - ohne Auseinandersetzung mit seiner ständigen Gerichtspraxis in dieser Frage - anders entschieden hat. Für den vorliegenden Fall lässt sich daraus nichts ableiten.
6.3 Nach dem Gesagten spielt es für den geltend gemachten Nachzahlungsanspruch ab 1. Januar 2005 keine Rolle, dass der Sohn der Beschwerdeführerin den Gesundheitszustand, welcher zur schweren Hilflosigkeit geführt hatte, zweifellos kannte und seine Mutter bereits viel früher hätte anmelden können (einzig seine Rechtsunkenntnis verhinderte dies). Hingegen ist der Frage nachzugehen, inwiefern oder besser: wie lange die Beschwerdeführerin selber den anspruchsbegründenden Sachverhalt trotz ihrer kognitiven Defizite (noch) erkennen konnte (vgl. E. 4.2 hievor). Denkbar ist auch, dass die Versicherte (anfänglich) trotz (noch) vorhandener objektiver Kenntnis (bereits) krankheitsbedingt daran gehindert wurde, sich für eine Hilflosenentschädigung anzumelden oder jemanden mit der Anmeldung zu betrauen. In diese Richtung weisen etwa die Ausführungen des Dr. E. zur ablehnenden Haltung der Beschwerdeführerin gegenüber einem Beizug der Spitex: Die diesbezügliche Malcompliance sei auf die dementielle Störung zurückzuführen (bereits erwähntes Schreiben vom 21. Februar 2007). Das kantonale Gericht, an welches die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen und anschliessender neuer Entscheidung
BGE 139 V 289 S. 297

über die weiter gehende Nachzahlung der Hilflosenentschädigung im Sinne von Art. 46 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 46 Nachzahlung nicht bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen - 1 Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
1    Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG235.
2    Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen. Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt.
3    Der Bundesrat kann die Nachzahlung ordentlicher Altersrenten, für die der Aufschub in Betracht kommt, in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG einschränken oder ausschliessen.
zweiter Satz AHVG zurückzuweisen ist, wird am ehesten beim (seit Anfang 2001 behandelnden) Hausarzt der Versicherten Antworten auf die noch offenen Fragen finden. Soweit die Vorinstanz auch mit Bezug auf die spezifisch kognitiven Auswirkungen der dementiellen Entwicklung im Zeitraum vor April 2008 Beweislosigkeit annimmt, liegt wiederum eine (letztinstanzlich zu korrigierende) Bundesrechtsverletzung vor. Das kantonale Gericht übersieht nämlich, dass von Beweislosigkeit erst ausgegangen werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes anhand einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264 mit Hinweis). Von einer derartigen beweisrechtlichen Pattsituation kann indessen im hier zu beurteilenden Fall solange nicht gesprochen werden, als noch von keiner Seite Abklärungen darüber getätigt wurden, wie weit und gegebenenfalls wie lange die Beschwerdeführerin trotz ihrer dementiellen Erkrankung überhaupt in der Lage war, sich um die Anmeldung für die Hilflosenentschädigung zu kümmern (vgl. die im zweiten Abschnitt von E. 4.2 hievor angeführten Urteile).