Urteilskopf

130 V 445

66. Auszug aus dem Urteil i.S. M. gegen IV-Stelle Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern I 690/03 vom 5. Juli 2004

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 446

BGE 130 V 445 S. 446

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemei nen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September 2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im Invalidenversicherungsrecht verschiedene materiellrechtliche Bestimmungen geändert worden.
1.2 Zu beurteilen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Invalidenrente hat, wobei allfällige Rentenleistungen frühestens ab 1. Juli 2000 zugesprochen werden könnten. Dies wurde mit Einspracheentscheid vom 7. März 2003 verneint. Fraglich ist mithin, da das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 7. März 2003) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, BGE 129 V 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), ob die Bestimmungen des ATSG auf den vorliegenden Fall Anwendung finden.
1.2.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in BGE 130 V 329 erkannt, dass sich aus der Übergangsbestimmung des Art. 82 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 82 Übergangsbestimmungen - 1 Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
1    Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
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ATSG, mit Ausnahme der darin speziell geregelten Sachverhalte, keine allgemein gültigen intertemporalrechtlichen Schlüsse ziehen lassen. Art. 82 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 82 Übergangsbestimmungen - 1 Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
1    Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
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ATSG hat - wie in Erw. 2.2 des Urteils erwogen wird - nur eine beschränkte Tragweite und will lediglich Fälle von der Anwendbarkeit des neuen Gesetzes ausnehmen, in welchen über die Rechte und Pflichten vor dem 1. Januar 2003 rechtskräftig verfügt worden ist (" ... bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen ..." [Satz 1: Regel]); dies vorbehältlich der Anpassung von rechtskräftig verfügten Leistungskürzungen an Art. 21
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG mit Wirkung ab 1. Januar 2003 (Satz 2: Ausnahme). Insbesondere lässt sich daraus somit nicht ableiten, dass der Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung oder - bei Durchführung des Einspracheverfahrens - des
BGE 130 V 445 S. 447

Einspracheentscheides für die Anwendung der materiellen Normen des neuen Gesetzes in Bezug auf Leistungen, welche bei dessen In-Kraft-Treten (1. Januar 2003) noch nicht rechtskräftig festgelegt worden sind, massgebend ist. Vielmehr muss diesbezüglich - von den in Art. 82 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 82 Übergangsbestimmungen - 1 Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
1    Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
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ATSG spezifisch normierten Tatbeständen abgesehen - von den allgemeinen Regeln ausgegangen werden, welche im Bereich des Übergangsrechts entwickelt worden sind. Danach sind in zeitlicher Hinsicht - auch bei einer Änderung der gesetzlichen Grundlage - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze relevant, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes in Geltung standen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, BGE 129 V 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen). An diesem Ergebnis vermag der Umstand, dass in BGE 130 V 332 nicht, wie im vorliegenden Fall, über Dauerleistungen, sondern über den Anspruch auf Verzugszinsen gestützt auf eine im Jahr 2001 fällig gewordene, aber erst 2003 ausbezahlte einmalige Pauschalentschädigung zu befinden war, nichts zu ändern. Die zuvor dargelegte Lösung stellt zufolge ihres allgemein gültigen Bedeutungsgehaltes einen für alle Rechtsverhältnisse - und somit auch für Dauerleistungen - geltenden intertemporalrechtlichen Grundsatz auf.
1.2.2 Liegen demnach keine laufenden Leistungen im Sinne des Art. 82 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 82 Übergangsbestimmungen - 1 Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
1    Materielle Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bei seinem Inkrafttreten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht anwendbar. Wegen Selbstverschulden gekürzte oder verweigerte Invaliden- oder Hinterlassenenrenten werden jedoch auf Antrag überprüft und gegebenenfalls frühestens vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an auf Grund von Artikel 21 Absatz 1 und 2 neu festgesetzt.
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ATSG vor und werden - bedingt durch den fragmentarischen Charakter der übergangsrechtlichen Ordnung des ATSG - folglich die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln herangezogen, ist der Rentenanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen.