Urteilskopf

130 III 765

105. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. X. gegen Obergericht des Kantons Aargau (Beschwerde) 7B.122/2004 vom 10. September 2004

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Sachverhalt ab Seite 765

BGE 130 III 765 S. 765

A. Das Betreibungsamt A. vollzog am 9. Februar 2004 in der gegen X. laufenden Betreibung Nr. 1 eine Lohnpfändung. Es ermittelte ein monatliches Existenzminimum der Schuldnerin von
BGE 130 III 765 S. 766

insgesamt Fr. 3'828.- (Grundnotbedarf von Fr. 775.- und Zuschläge von insgesamt Fr. 3'053.-) und setzte bei einem monatlichen Einkommen von Fr. 4'957.- die pfändbare Lohnquote auf Fr. 1'129.- fest (Pfändungsurkunde vom 9. Februar 2004). Hiergegen erhob X. unter Hinweis, dass sie im Konkubinat ohne gemeinsame Kinder lebe, Beschwerde und verlangte, dass der Grundnotbedarf auf Fr. 1'000.- festzusetzen sei. Das Gerichtspräsidium Muri als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die Beschwerde mit Entscheid vom 30. März 2004 ab. Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die Beschwerde von X. mit Entscheid vom 27. Mai 2004 ebenfalls ab.
B. X. hat den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 23. Juni 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, ihren Grundnotbedarf auf Fr. 1'000.- festzusetzen. Weiter verlangt sie aufschiebende Wirkung.
C. Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf Gegenbemerkungen (Art. 80
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
OG) verzichtet. Weder der Betreibungsgläubiger (Beschwerdegegner) noch das Betreibungsamt haben sich vernehmen lassen. Mit Präsidialverfügung vom 15. Juni 2004 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Erwerbseinkommen kann soweit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig ist (Art. 93 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG). Mit Beschwerde gemäss Art. 19 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529.
SchKG kann gerügt werden, dass bei der Ausübung des im Gesetz eingeräumten Ermessens, das Existenzminimum des Schuldners festzusetzen, sachfremde Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen worden sind (BGE 128 III 337 E. 3a).

2.2 Nach der Rechtsprechung darf beim Konkubinatsverhältnis der Beitrag, der zu Lasten des Lebenspartners an die Kosten des
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gemeinsamen Haushaltes berücksichtigt wird, deren Hälfte nicht übersteigen, da sich sonst die Gläubiger aus dem Gut einer anderen Person befriedigen könnten, ohne dass der Schuldner dieser gegenüber einen Anspruch auf Unterhalt hat (BGE 128 III 159 E. 3b; BGE 109 III 101 E. 2 S. 102). Hingegen ist das Konkubinatsverhältnis, aus dem Kinder hervorgegangen sind, unter dem Gesichtspunkt der Notbedarfsermittlung im Wesentlichen gleich zu behandeln wie ein eheliches Familienverhältnis (BGE 106 III 11 E. 3c und d S. 16 f.).
Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner im Konkubinat leben und dass keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind. Aus dem angefochtenen Entscheid geht nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner das Existenzminimum gemeinsam im Verhältnis ihrer Nettoeinkommen zu tragen hätten. Vielmehr lässt sich der Berechnung entnehmen, dass der Notbedarf für die Beschwerdeführerin alleine festgesetzt wurde. Die Beschwerdeführerin behauptet sodann selber nicht, dass der Anteil, der zu Lasten des Lebenspartners an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes berücksichtigt worden sei, deren Hälfte übersteige. Strittig ist einzig, ob das Betreibungsamt den Grundbetrag für die Beschwerdeführerin auf Fr. 775.-, die Hälfte des für Ehegatten als massgeblich erachteten Grundbetrages, festsetzen darf.
2.3 Die Richtlinien der Aufsichtsbehörde des Kantons Aargau (wie diejenigen anderer Kantone) stützen sich in Ziffer I.3. auf die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 24. November 2000 (BlSchK 2001 S. 14). Diese setzen in Ziffer I.3. den monatlichen Grundbetrag "für ein Ehepaar oder zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen" auf Fr. 1'550.- fest. Nach der Praxis hierzu wird bei beidseitig verdienenden, kinderlosen Konkubinatspaaren dem Schuldner im Minimum der hälftige Grundbetrag belassen (Vonder Mühll, BlSchK 2002 S. 129; anderer Meinung Bühler, Aktuelle Probleme bei der Existenzminimumsberechnung, SJZ 100/2004 S. 25 f.; Guidicelli/Piccirilli, Il pignoramento di redditi ex art. 93 LEF nelle pratica ticinese, 2002, S. 38 Rz. 118 Anm. 124: Grundbedarf für einen alleinstehenden Schuldner und eventuell Reduktion).
2.4 Ob für einen im Konkubinatsverhältnis lebenden Schuldner in der Existenzminimumsberechnung der hälftige Ehegatten-Grundbetrag eingesetzt werden kann, ist einzig unter dem Gesichtspunkt
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der gesetzmässigen Ermessensausübung (vgl. E. 2.1) zu beurteilen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist nicht zu übersehen, dass für zwei erwachsene Personen, die in einer Hausgemeinschaft von Dauer leben, für die im Grundbetrag enthaltenen Positionen (Nahrung, etc.; vgl. Ziffer I. der Richtlinien der Konferenz) Kosten entstehen, die mit denjenigen eines Ehepaares in Hausgemeinschaft vergleichbar sind. Insoweit erscheint es angebracht, für ein Konkubinatspaar, das eine dauernde Hausgemeinschaft bildet, den gleichen Grundbetrag wie für ein Ehepaar zu nehmen und für den im Konkubinat lebenden Schuldner grundsätzlich den halben Ehegatten-Grundbetrag einzusetzen (vgl. Schreiben der Aufsichtsbehörde des Kantons Luzern vom 1. Juni 2001, BlSchK 2003 S. 89). Damit werden die konkreten Vorteile des Konkubinates erfasst, wobei der Betreibungsbeamte stets zu prüfen hat, ob die Anwendung der Richtlinie auch zu einem den konkreten Umständen angemessenen Ergebnis führt (BGE 86 III 10 S. 11). Allerdings trifft - in unterhaltsrechtlicher Hinsicht - den Konkubinatspartner des Schuldners keine Unterstützungspflicht (vgl. Art. 163 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
ZGB), weshalb dem Schuldner im Minimum die Hälfte des Ehepaar-Grundbetrages belassen werden muss. Vorliegend hat die obere Aufsichtsbehörde festgestellt (Art. 63 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
i.V.m. Art. 81
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
OG), dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner im Konkubinat zusammenleben, und geschlossen, in der von ihr geführten dauernden Hausgemeinschaft entstehe eine vergleichbare Verbilligung der Lebenskosten wie bei Ehegatten in Hausgemeinschaft. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, die obere Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht angenommen, ihre Gemeinschaft sei in einer mit der Ehe vergleichbaren Weise auf Dauer angelegt. Ebenso wenig bestreitet sie, dass durch ihre dauernde Hausgemeinschaft eine Verbilligung der Lebenskosten in einem Mass entstehe, wie dies bei Ehegatten in Hausgemeinschaft der Fall sei. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die obere Aufsichtsbehörde bei der Festsetzung des Existenzminimums sachfremde Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen habe, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, das Betreibungsamt habe für den Grundnotbedarf der Beschwerdeführerin den hälftigen Ehegatten-Grundbetrag einsetzen dürfen.