Urteilskopf

129 III 200

33. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. Bank B. (Beschwerde) 7B.184/2002 vom 10. Januar 2003

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Erwägungen ab Seite 201

BGE 129 III 200 S. 201

Aus den Erwägungen:

1. Das Konkursamt Zug erstellte im Konkurs der R. AG am 13. Februar 2002 die Verteilungsliste bezüglich verschiedener in X. gelegener Grundstücke, an denen der Gemeinschuldnerin ein Miteigentumsanteil von einem Fünftel zugestanden hatte. Vom Steigerungserlös von Fr. 36'750.- wies es darin vorab Fr. 1'450.- sich selbst (Ziff. 1; Verwaltungs- und Verwertungskosten) und Fr. 1'214.- der Eidgenössischen Steuerverwaltung (Ziff. 2; Mehrwertsteuerforderung gemäss Abrechnung), den verbleibenden Betrag von Fr. 34'086.- der Bank B. als Grundpfandgläubigerin (Ziff. 3) zu. Die von der Bank B. gegen Ziffer 2 der Verteilungsliste (Behandlung der Mehrwertsteuerforderung) erhobene Beschwerde wies das Obergericht (Justizkommission) des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 17. September 2002 ab. Dieses Urteil nahm die Bank B. am 19. September 2002 in Empfang. Mit einer vom 27. September 2002 datierten und am 28. September 2002 zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie verlangt, Ziffer 2 der Verteilungsliste aufzuheben und festzustellen, dass für die Mehrwertsteuerforderung der Eidgenössischen Steuerverwaltung keine Rangprivilegierung bestehe und jene in der 3. Klasse zu kollozieren sei. (...)

2.

2.1 Das Obergericht geht davon aus, dass die Verwertung einer Liegenschaft eine steuerbare Lieferung im Sinne von Art. 5 lit. a
SR 641.20 Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) - Mehrwertsteuergesetz
MWSTG Art. 5 Indexierung - Der Bundesrat beschliesst die Anpassung der in den Artikeln 31 Absatz 2 Buchstabe c, 37 Absatz 1, 38 Absatz 1 und 45 Absatz 2 Buchstabe b genannten Frankenbeträge, sobald sich der Landesindex der Konsumentenpreise seit der letzten Festlegung um mehr als 30 Prozent erhöht hat.
in Verbindung mit den Art. 6
SR 641.20 Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) - Mehrwertsteuergesetz
MWSTG Art. 6 Steuerüberwälzung - 1 Die Überwälzung der Steuer richtet sich nach privatrechtlichen Vereinbarungen.
1    Die Überwälzung der Steuer richtet sich nach privatrechtlichen Vereinbarungen.
2    Zur Beurteilung von Streitigkeiten über die Steuerüberwälzung sind die Zivilgerichte zuständig.
und 8
SR 641.20 Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) - Mehrwertsteuergesetz
MWSTG Art. 8 Ort der Dienstleistung - 1 Als Ort der Dienstleistung gilt unter Vorbehalt von Absatz 2 der Ort, an dem der Empfänger oder die Empfängerin der Dienstleistung den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, für welche die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte der Wohnort oder der Ort seines oder ihres üblichen Aufenthaltes.
1    Als Ort der Dienstleistung gilt unter Vorbehalt von Absatz 2 der Ort, an dem der Empfänger oder die Empfängerin der Dienstleistung den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, für welche die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte der Wohnort oder der Ort seines oder ihres üblichen Aufenthaltes.
2    Als Ort der nachfolgend aufgeführten Dienstleistungen gilt:
a  bei Dienstleistungen, die typischerweise unmittelbar gegenüber physisch anwesenden natürlichen Personen erbracht werden, auch wenn sie ausnahmsweise aus der Ferne erbracht werden: der Ort, an dem die dienstleistende Person den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte der Wohnort oder der Ort, von dem aus sie tätig wird; als solche Dienstleistungen gelten namentlich: Heilbehandlungen, Therapien, Pflegeleistungen, Körperpflege, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Sozialleistungen und Sozialhilfeleistungen sowie Kinder- und Jugendbetreuung;
b  bei Dienstleistungen von Reisebüros und Organisatoren von Veranstaltungen: der Ort, an dem die dienstleistende Person den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine Betriebsstätte hat, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte der Wohnort oder der Ort, von dem aus sie tätig wird;
c  bei Dienstleistungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sportes, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnlichen Leistungen, einschliesslich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter und der gegebenenfalls damit zusammenhängenden Leistungen: der Ort, an dem diese Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt werden;
d  bei gastgewerblichen Leistungen: der Ort, an dem die Dienstleistung tatsächlich erbracht wird;
e  bei Personenbeförderungsleistungen: der Ort, an dem die Beförderung gemessen an der zurückgelegten Strecke tatsächlich stattfindet; der Bundesrat kann bestimmen, dass bei grenzüberschreitenden Beförderungen kurze inländische Strecken als ausländische und kurze ausländische Strecken als inländische Strecken gelten;
f  bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück: der Ort, an dem das Grundstück gelegen ist; als solche Dienstleistungen gelten namentlich: Vermittlung, Verwaltung, Begutachtung und Schätzung des Grundstückes, Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Bestellung von dinglichen Rechten am Grundstück, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder der Koordinierung von Bauleistungen wie Architektur-, Ingenieur- und Bauaufsichtsleistungen, Überwachung von Grundstücken und Gebäuden sowie Beherbergungsleistungen;
g  bei Dienstleistungen im Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe: der Ort, für den die Dienstleistung bestimmt ist.
MWSTG (SR 641.20) darstelle. Die strittige Mehrwertsteuerforderung sei im Zwangsvollstreckungsverfahren, mit der Liquidation der Konkursmasse, begründet worden. Als öffentlichrechtliche Verpflichtung, die ihren Entstehungsgrund in einer Tatsache habe, die sich erst nach der Eröffnung des Konkurses verwirklicht habe, bilde sie nach der Rechtsprechung, die

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in BGE 120 III 153 E. 2b (S. 156) für die Grundstückgewinnsteuer bestätigt worden sei, eine Masseverbindlichkeit. In BGE 122 III 246 ff. habe das Bundesgericht festgehalten, dass die Grundstückgewinnsteuer bei genauerer Betrachtung unter die Kosten der Verwertung im Sinne von Art. 262 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 262 - 1 Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
1    Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
2    Aus dem Erlös von Pfandgegenständen werden nur die Kosten ihrer Inventur, Verwaltung und Verwertung gedeckt.
SchKG falle; sie entstehe erst mit dem Zuschlag, weshalb sie wie andere Verwertungskosten vom Bruttoerlös abzuziehen und zu bezahlen sei, bevor der Nettoerlös an die Gläubiger verteilt werde. Sodann hält die Vorinstanz dafür, dass aus der Sicht der hier gestellten Frage die massgeblichen Verhältnisse bei Mehrwertsteuer und Grundstückgewinnsteuer vergleichbar seien. Steuersubjekt und Steuerdestinatar, d.h. durch die Steuer definitiv belastete Person, hier die Konkursmasse, seien in beiden Fällen die gleichen. Unter den dargelegten Umständen sei nicht einzusehen, weshalb die beiden Steuern im Konkurs unterschiedlich zu behandeln sein sollten. Auch bei der durch die Zwangsverwertung einer Liegenschaft anfallenden Mehrwertsteuer handle es sich mithin um Massekosten, die vorab aus dem betreffenden Gesamterlös zu bezahlen seien. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gehe es nicht um eine Rangprivilegierung der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber den Grundpfandgläubigern, für die eine gesetzliche Grundlage im Zivilgesetzbuch fehlen würde. In der angefochtenen Verteilungsliste sei die Mehrwertsteuer zwar nicht unter dem Titel "Verwertungskosten" aufgeführt, sondern als separate Position, doch ändere dies nichts daran, dass sie wie Betreibungskosten behandelt worden seien.
2.2 Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die in Frage stehende Mehrwertsteuerforderung zu Recht als Verwertungskosten qualifiziert, die nach Art. 262 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 262 - 1 Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
1    Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
2    Aus dem Erlös von Pfandgegenständen werden nur die Kosten ihrer Inventur, Verwaltung und Verwertung gedeckt.
SchKG aus dem Erlös der betreffenden Grundstücke vorab gedeckt werden. Was in der Beschwerde eingewendet wird, ist unbehelflich:
2.2.1 Die Ausführungen zur Sicherung und zum Vollzug von Mehrwertsteuerforderungen stossen von vornherein ins Leere. Die von der Beschwerdeführerin angerufenen Bestimmungen der Art. 69 ff
SR 641.20 Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) - Mehrwertsteuergesetz
MWSTG Art. 69 Auskunftsrecht - Auf schriftliche Anfrage der steuerpflichtigen Person zu den mehrwertsteuerlichen Konsequenzen eines konkret umschriebenen Sachverhalts erteilt die ESTV innert angemessener Frist Auskunft. Die Auskunft ist für die anfragende steuerpflichtige Person und die ESTV rechtsverbindlich; sie kann auf keinen anderen Sachverhalt bezogen werden.
. MWSTG beziehen sich auf Forderungen, die auf einem Tatbestand beruhen, der sich vor einem allfälligen Konkurs verwirklicht hat.
2.2.2 Dass es sich bei der Mehrwertsteuer im Gegensatz zur Grundstückgewinnsteuer um eine Konsumsteuer handelt, ist auf die hier massgebenden Kriterien ohne Einfluss. Aus dem gleichen Grund unbehelflich sind die Vorbringen, die Mehrwertsteuer werde nicht in einem ordentlichen Verfahren festgelegt und es handle sich
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bei ihr nicht um eine kantonale Steuer wie bei der Grundstückgewinnsteuer, sondern um eine Bundessteuer. Die Beschwerdeführerin zieht ferner in Zweifel, ob die strittige Mehrwertsteuerforderung tatsächlich durch die Zwangsverwertung ausgelöst worden sei. Das in diesem Zusammenhang Vorgebrachte betrifft Fragen des materiellen Steuerrechts, die zu entscheiden einzig die zuständigen Verwaltungsinstanzen, nicht aber die erkennende Kammer befugt sind. Was die Beschwerdeführerin schliesslich zum Begriff der Verwertungskosten ausführt, vermag ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung zur Behandlung von Grundstückgewinnsteuer-Forderungen indessen nicht zu rechtfertigen.