Urteilskopf

127 I 97

12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Juni 2001 i.S. W. gegen Einwohnergemeinde Olten und Regierungsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 97

BGE 127 I 97 S. 97

Am 25. Februar 1999 verlangte W. (geb. 1943) die Auszahlung ihrer Freizügigkeitsleistung aus beruflicher Vorsorge, weil sie beabsichtige, ihren Wohnsitz (definitiv) nach Italien zu verlegen. Die Vorsorgeeinrichtung lehnte eine Barauszahlung ab, offenbar weil W. keine Abmeldebestätigung der Behörden ihres Schweizer Wohnorts beibringen konnte. W. hatte zwar bei der Einwohnergemeinde Olten
BGE 127 I 97 S. 98

eine solche verlangt, diese weigerte sich jedoch, ein entsprechendes Dokument auszustellen. Die Einwohnerkontrolle begründete ihre Haltung mit Steuerschulden von W.; für die Steuerrechnungen der Jahre 1995-1997 waren offenbar Verlustscheine in einer Höhe von insgesamt über Fr. 20'000.- ausgestellt worden. Daraufhin veranlasste W. die Überweisung ihres Freizügigkeitsguthabens auf ein Freizügigkeitskonto und versuchte weiterhin vergeblich, von der Einwohnerkontrolle der Gemeinde Olten eine Abmeldebestätigung zu erhalten. Am 14. Juni 2000 gelangte sie schliesslich an den Regierungsrat des Kantons Solothurn, machte eine Rechtsverweigerung durch die Gemeinde Olten geltend und verlangte die Ausstellung einer Abmeldebestätigung rückwirkend auf den 29. Februar 2000. Mit Beschluss vom 12. September 2000 wies der Regierungsrat ihre Beschwerde ab. Hiergegen hat W. am 16. Oktober 2000 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, den Beschluss des Regierungsrats aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Tritt ein Versicherter aus einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge aus, ohne dass sich ein Versicherungsfall ereignet hat, steht ihm eine Freizügigkeitsleistung zu (Art. 2 Abs. 1
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 2 Austrittsleistung - 1 Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), haben Anspruch auf eine Austrittsleistung.
1    Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), haben Anspruch auf eine Austrittsleistung.
1ter    Ebenso haben Versicherte, deren Rente der Invalidenversicherung nach Verminderung des Invaliditätsgrades herabgesetzt oder aufgehoben wird, am Ende der provisorischen Weiterversicherung und Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs nach Artikel 26a Absätze 1 und 2 BVG Anspruch auf eine Austrittsleistung.8
2    Die Vorsorgeeinrichtung bestimmt in ihrem Reglement die Höhe der Austrittsleistung; diese muss mindestens so hoch sein wie die nach den Bestimmungen des 4. Abschnitts berechnete Austrittsleistung.
3    Die Austrittsleistung wird fällig mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung. Ab diesem Zeitpunkt ist sie nach Artikel 15 Absatz 2 BVG zu verzinsen.9
4    Überweist die Vorsorgeeinrichtung die fällige Austrittsleistung nicht innert 30 Tagen, nachdem sie die notwendigen Angaben erhalten hat, so ist ab Ende dieser Frist ein Verzugszins nach Artikel 26 Absatz 2 zu bezahlen.10
des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [FZG; SR 831.42]). Diese Austrittsleistung wird in der Regel auf eine neue Vorsorgeeinrichtung übertragen (Art. 3
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 3 Übertragung an die neue Vorsorgeeinrichtung - 1 Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so hat die frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen.
1    Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so hat die frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen.
2    Muss die frühere Vorsorgeeinrichtung Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen erbringen, nachdem sie die Austrittsleistung an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen hat, so ist ihr diese Austrittsleistung soweit zurückzuerstatten, als dies zur Auszahlung der Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nötig ist.
3    Die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen der früheren Vorsorgeeinrichtung können gekürzt werden, soweit eine Rückerstattung unterbleibt.
FZG) oder auf ein Freizügigkeitskonto bzw. eine Freizügigkeitspolice einbezahlt (Art. 4
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 4 Erhaltung des Vorsorgeschutzes in anderer Form - 1 Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen.
1    Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen.
2    Bleibt diese Mitteilung aus, so hat die Vorsorgeeinrichtung frühestens sechs Monate, spätestens aber zwei Jahre nach dem Freizügigkeitsfall die Austrittsleistung samt Zins der Auffangeinrichtung (Art. 60 BVG11) zu überweisen.12
2bis    Treten die Versicherten in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so müssen die Freizügigkeitseinrichtungen das Vorsorgekapital für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes der neuen Vorsorgeeinrichtung überweisen. Die Versicherten melden:
a  der Freizügigkeitseinrichtung den Eintritt in die neue Vorsorgeeinrichtung;
b  der neuen Vorsorgeeinrichtung die bisherige Freizügigkeitseinrichtung sowie die Form des Vorsorgeschutzes.13
3    Bei der Ausübung der Aufgabe gemäss Absatz 2 wird die Auffangeinrichtung als Freizügigkeitseinrichtung für die Führung von Freizügigkeitskonten tätig.
FZG in Verbindung mit Art. 10 ff
SR 831.425 Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung, FZV) - Freizügigkeitsverordnun
FZV Art. 10 Formen - 1 Der Vorsorgeschutz wird durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten.
1    Der Vorsorgeschutz wird durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten.
2    Als Freizügigkeitspolicen gelten besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- oder Rentenversicherungen, einschliesslich allfälliger Zusatzversicherungen für den Todes- oder Invaliditätsfall bei:
a  einer der ordentlichen Versicherungsaufsicht unterstellten Versicherungseinrichtung oder einer durch diese Versicherungseinrichtungen gebildeten Gruppe; oder
b  einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung nach Artikel 67 Absatz 1 des BVG23.
3    Als Freizügigkeitskonten gelten besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Verträge mit einer Stiftung, welche die Voraussetzungen nach Artikel 1924 erfüllt. Diese Verträge können durch eine Versicherung für den Todes- oder Invaliditätsfall ergänzt werden.
. der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [FZV; SR 831.425]). Eine Auszahlung in bar ist nur für Ausnahmefälle vorgesehen (vgl. Art. 5
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 5 Barauszahlung - 1 Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
1    Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
a  sie die Schweiz endgültig verlassen; vorbehalten bleibt Artikel 25f;
b  sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen; oder
c  die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt.
2    An Anspruchsberechtigte, die verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, ist die Barauszahlung nur zulässig, wenn der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner schriftlich zustimmt.15
3    Kann die Zustimmung nicht eingeholt werden oder wird sie ohne triftigen Grund verweigert, so kann das Zivilgericht angerufen werden.16
FZG); der Versicherte kann eine solche unter anderem dann verlangen, wenn er die Schweiz endgültig verlässt (Art. 5 Abs. 1 lit. a
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 5 Barauszahlung - 1 Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
1    Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
a  sie die Schweiz endgültig verlassen; vorbehalten bleibt Artikel 25f;
b  sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen; oder
c  die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt.
2    An Anspruchsberechtigte, die verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, ist die Barauszahlung nur zulässig, wenn der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner schriftlich zustimmt.15
3    Kann die Zustimmung nicht eingeholt werden oder wird sie ohne triftigen Grund verweigert, so kann das Zivilgericht angerufen werden.16
FZG). Um Missbräuchen vorzubeugen, hat er diesfalls den Nachweis zu erbringen, dass seiner Ausreise aus der Schweiz definitiver Charakter zukommt. Die Absicht, auszuwandern, kann er mittels Urkunden bekräftigen (vgl. CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 257; Botschaft des Bundesrates vom 19. Dezember 1975 zum Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
BGE 127 I 97 S. 99

Invalidenvorsorge, in: BBl 1976 I 239), wobei es der Vorsorgeeinrichtung obliegt, vom Versicherten die geeigneten Belege zu verlangen. Eine Abmeldebestätigung der letzten schweizerischen Wohnsitzgemeinde ist ein solches Beweismittel. Daneben kommen etwa ein Arbeitsvertrag, den der Versicherte mit einem (neuen) ausländischen Arbeitgeber geschlossen hat, der Miet- bzw. Kaufvertrag für eine Wohnung oder ein Haus im Ausland, die Bestätigung der Anmeldung der zuständigen ausländischen Behörde sowie - bei einem Ausländer - eine Bescheinigung der Fremdenpolizei über den Verzicht auf Niederlassung bzw. Aufenthalt in der Schweiz in Frage (vgl. BGE 119 III 18 E. 3b/bb S. 20 f., mit Hinweisen; Urteil vom 9. Dezember 1996, in: SZS 1998 S. 120 f.).

3. a) Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat den angefochtenen Entscheid damit begründet, dass die Beschwerdeführerin der Gemeinde Olten Steuern im Betrag von Fr. 25'000.- schulde, ohne sich zu bemühen, diese Summe zu bezahlen; wenn sie ihren Pflichten nachkomme, werde sie von der Gemeinde die Abmeldebestätigung erhalten und auf ihre Freizügigkeitsleistung greifen können. Weil die Vorsorgegelder inzwischen auf dem Freizügigkeitskonto sicher angelegt seien, würden keine schützenswerten Interessen der Beschwerdeführerin verletzt. Im Übrigen sei es dieser "mit der Wohnsitzverlegung nicht sehr ernst", halte sie sich doch angeblich häufig in Olten auf und ihre Adresse in Italien sei "auch nur eine 'c/o Adresse'". Solange nicht Gewissheit darüber bestehe, dass der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin im Ausland liege, sei die Weigerung der Gemeinde, eine Abmeldebestätigung auszustellen, begründet. b) Die Beschwerdeführerin rügt vorab, der Regierungsrat hätte sie zur Frage anhören müssen, ob sie tatsächlich endgültig nach Italien ausgewandert sei; indem er unbesehen vom Gegenteil ausgegangen sei, habe er ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV; vgl. BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f.). Überdies sei er in Willkür (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV) verfallen, weil er die Feststellung, sie habe ihren Wohnsitz nicht wirklich ins Ausland verlegt, gestützt auf unüberprüfte Behauptungen der Gemeindebehörden getroffen habe. Die Beschwerdeführerin verkennt mit ihrer Argumentation, dass der Regierungsrat seinem Entscheid keineswegs eine entsprechende Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt hat. In den Erwägungen kommen lediglich gewisse Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Auswanderungsabsichten zum Ausdruck. Die diesbezüglich erhobenen Rügen sind mithin unbegründet.
BGE 127 I 97 S. 100

c) Im Übrigen ist es weder Sache der Einwohnerkontrolle noch des Regierungsrats, zu prüfen, ob eine Person, welche sich polizeilich abmeldet, die Schweiz endgültig verlassen will. Beim Ausstellen einer Abmeldebestätigung ist grundsätzlich lediglich die Tatsache der Abmeldung als solche zu bestätigen, ohne die damit verfolgten Zwecke zu beurteilen. Der Entscheid, ob die Voraussetzungen für eine Barauszahlung des Freizügigkeitsguthabens im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a
SR 831.42 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) - Freizügigkeitsgesetz
FZG Art. 5 Barauszahlung - 1 Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
1    Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn:
a  sie die Schweiz endgültig verlassen; vorbehalten bleibt Artikel 25f;
b  sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen; oder
c  die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt.
2    An Anspruchsberechtigte, die verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, ist die Barauszahlung nur zulässig, wenn der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner schriftlich zustimmt.15
3    Kann die Zustimmung nicht eingeholt werden oder wird sie ohne triftigen Grund verweigert, so kann das Zivilgericht angerufen werden.16
FZG erfüllt sind, steht allein der Vorsorgeeinrichtung zu. Bezweifelt die Behörde, dass der Betroffene wirklich ausgewandert ist, oder vermutet sie sonstwie ein missbräuchliches Vorgehen, kann sie allenfalls die Abmeldebestätigung zuhanden der Vorsorgeeinrichtung mit entsprechenden Hinweisen ergänzen.
4. a) In materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, der angefochtene Entscheid greife auf verfassungswidrige Weise in ihre Niederlassungs- bzw. Auswanderungsfreiheit (Art. 24
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 24 Niederlassungsfreiheit - 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
1    Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2    Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen.
BV) ein und sei willkürlich. Ohne Abmeldebestätigung sei es ihr unmöglich, die Freizügigkeitsleistung in bar zu beziehen, weshalb sie ihren Lebensabend vorläufig nicht im Ausland verbringen könne bzw. diesen dort nicht (selbständig) zu finanzieren vermöge. Bis zum Erreichen des AHV-Alters sei sie auf das Freizügigkeitskapital angewiesen, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. b) Die Abmeldebestätigung ist gemäss unbestrittener Darstellung des Regierungsrats weder im kantonalen noch im kommunalen Recht ausdrücklich geregelt, sondern wird offenbar von den für die Einwohnerkontrolle zuständigen kommunalen Behörden routinemässig erstellt, wenn sich eine registrierte Person abmeldet. Es handelt sich um eine blosse administrative Erfassung der Mutation, weshalb die Einwohnerkontrolle die Tatsache der polizeilichen Abmeldung zu bestätigen hat, wenn dies verlangt wird. Der Bürger hat von Verfassungs wegen einen allgemeinen (ungeschriebenen) Anspruch darauf, dass ihm die zuständige Behörde einen ihrer Kontrolle unterliegenden Vorgang auf Verlangen bescheinigt; dies ergibt sich unmittelbar aus dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
BV) sowie aus der Verpflichtung der staatlichen Organe auf Treu und Glauben (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV). Vorausgesetzt ist, dass die verlangte Bestätigung für anderweitig zu treffende Rechtsvorkehren notwendig oder von wesentlicher Bedeutung ist und dass das Ausstellen von Erklärungen der betreffenden Art üblich ist. Diese Bedingungen erscheinen vorliegend hinsichtlich der streitigen Bestätigung der polizeilichen Abmeldung als erfüllt: Zum einen hat die Beschwerdeführerin erfolglos die Auszahlung ihrer Freizügigkeitsleistung verlangt,
BGE 127 I 97 S. 101

wobei die Vorsorgeeinrichtung dem Barauszahlungsbegehren offenbar deshalb nicht entsprochen hat, weil ihr keine Abmeldebestätigung vorgelegt wurde. Der Regierungsrat und die Beschwerdeführerin gehen übereinstimmend davon aus, dass es der Letzteren ohne Bestätigung ihrer Abmeldung durch die Einwohnerkontrolle Olten nicht möglich sei, die Freizügigkeitsleistung erhältlich zu machen. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin gegenüber der Vorsorgeeinrichtung allenfalls auch auf andere Weise den Nachweis erbringen könnte, die Schweiz endgültig verlassen zu haben. Zum anderen ist unstreitig, dass die Einwohnerkontrolle Olten die Tatsache, dass sich eine bei ihr registrierte Person polizeilich abmeldet, routinemässig schriftlich bestätigt. Sind die dargestellten Voraussetzungen erfüllt, so kann die zuständige Behörde, vorliegend die Einwohnerkontrolle, die verlangte Bestätigung nur verweigern, wenn sachliche Gründe dies gebieten. Es ist unzulässig, das Ausstellen einer Abmeldebestätigung vom Begleichen bestehender Steuerschulden abhängig zu machen: Steuerausstände sind auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg einzutreiben, selbst wenn das - wie offenbar vorliegend der Fall - mit Schwierigkeiten verbunden sein sollte. Es geht nicht an, dass die kantonalen und kommunalen Behörden versuchen, säumige Steuerzahler mit zweckfremden Mitteln zum Tilgen ihrer Schulden zu zwingen. Dies umso weniger, wenn im konkreten Fall die Niederlassungsfreiheit des Betroffenen in Frage steht. c) Die Niederlassungsfreiheit gemäss Art. 24
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 24 Niederlassungsfreiheit - 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
1    Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2    Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen.
BV gewährleistet die Möglichkeit persönlichen Verweilens an jedem beliebigen Ort der Schweiz; sie gebietet den Kantonen und Gemeinden, jedem Schweizerbürger die Niederlassung auf ihrem Gebiet zu erlauben, und verbietet ihnen gleichzeitig, die Verlegung des einmal gewählten Wohnsitzes in einen anderen Kanton, eine andere Gemeinde oder ins Ausland zu verhindern oder zu erschweren (BGE 108 Ia 248 E. 1 S. 249 mit Hinweisen). Zwar ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin die erforderlichen Papiere erhalten hat und die Schweiz verlassen konnte. Die Abmeldebestätigung, welche sie von der Einwohnerkontrolle verlangt, zählt nicht zu den Reisedokumenten im engeren Sinne. Dennoch können Auswanderungswillige für die Wohnsitznahme im Ausland aus dem einen oder anderen Grund auf eine entsprechende Bescheinigung angewiesen sein; sei dies, wie vorliegend, zur Erhältlichmachung der Freizügigkeitsleistung als faktische Voraussetzung für die Auswanderung oder sei es allenfalls
BGE 127 I 97 S. 102

als Beleg gegenüber den Behörden am neuen Wohnort. Es fragt sich deshalb, ob die Abmeldebestätigung als eine Art Reisedokument im weiteren Sinne zu betrachten ist, zu dessen Ausstellung die Behörden - wie bei den Reisedokumenten im engeren Sinne (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 156; ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Vol. II, Bern 2000, N. 904) - bereits aufgrund der Niederlassungs- bzw. Auswanderungsfreiheit (Art. 24 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 24 Niederlassungsfreiheit - 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
1    Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2    Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen.
BV) verpflichtet sind. Die Ausstellung solcher Dokumente darf nur verweigert werden, wenn dem Wegzug des Betroffenen besondere öffentlichrechtliche Pflichten entgegenstehen (so z.B. eine Passsperre im Rahmen einer hängigen Strafuntersuchung), nicht aber wegen ungetilgter Steuerschulden (vgl. FRITZ FLEINER/ZACCARIA GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 255 f.). d) Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob Auswandernden bereits gestützt auf Art. 24 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 24 Niederlassungsfreiheit - 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
1    Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2    Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen.
BV ein Anspruch auf Ausstellung der Abmeldebestätigung zukommt und der angefochtene Entscheid deshalb die Niederlassungs- bzw. Auswanderungsfreiheit der Beschwerdeführerin verletzt: Nach dem Gesagten steht fest, dass sich die Verweigerung der Abmeldebestätigung - die üblicherweise jedem (auf Verlangen) ausgehändigt wird, der sich polizeilich abmeldet - nicht sachlich begründen lässt. Obschon das Ziel der Einwohnergemeinde Olten, Steuerausstände einzutreiben, durchaus legitim erscheint, darf es nicht mit den gewählten Mitteln verfolgt werden. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrats des Kantons Solothurn, welcher das Verhalten der Einwohnerkontrolle Olten schützt, ist unhaltbar und verstösst mithin gegen das Willkürverbot von Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV (vgl. BGE 123 I 1 E. 4a S. 5 mit Hinweisen); die staatsrechtliche Beschwerde ist gutzuheissen, soweit auf sie einzutreten ist.