Urteilskopf

125 IV 269

41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1999 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 270

BGE 125 IV 269 S. 270

Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach F. im Appellationsverfahren am 27. Mai 1999 der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
StGB, der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
al. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20), der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
ANAG sowie der Fälschung von Ausweisen im Sinne von Art. 252
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 252 - Wer in der Absicht, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern,
StGB schuldig und bestrafte ihn mit 15 Monaten Gefängnis, abzüglich 118 Tage erstandener Untersuchungshaft, sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde nicht aufgeschoben. F. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung vom Vorwurf der Förderung der Prostitution an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss Art. 195 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
StGB wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt.
BGE 125 IV 269 S. 271

Strafbar macht sich somit einerseits, wer die Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, wer also kontrolliert, ob, wie und in welchem Mass sie dem Gewerbe obliegt, oder auch nur schon von ihr regelmässig Rechenschaft darüber verlangt. Andererseits ist strafbar, wer Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, so dass sie in ihrer Entscheidung nicht mehr vollständig frei ist, ob und wie sie der Prostitution nachgehen will. Ein solcher Druck kann eben darin bestehen, dass der Täter kontrolliert, ob die Prostituierte genügend "anschafft", dass er Rechenschaft über die Einkünfte verlangt oder die Umstände, wie sie ihrer Tätigkeit nachzugehen hat, näher festlegt (vgl. JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Band: Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, 1997, Art. 195 N. 11 f.; REHBERG, Strafrecht III, 7. Aufl. 1997, S. 412 lit. b; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5. Aufl. 1995, § 9 N. 11; WIPRÄCHTIGER, Aktuelle Praxis des Bundesgerichts zum Sexualstrafrecht, ZStrR 117/1999 S. 146 f. mit Hinweis auf einen unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts).

2. a) Der Verurteilung wegen Förderung der Prostitution liegt im vorliegenden Fall folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Beschwerdeführer betrieb zusammen mit einem Partner von 1993 bis Juli 1995 den Begleitservice "E.", der über drei Wohnungen in Zürich und Aarau verfügte. Die dort beschäftigten Frauen gingen der Prostitution nach und hatten sich praktisch rund um die Uhr und während sieben Tagen in der Woche zur Verfügung zu halten, damit sie vom Beschwerdeführer jederzeit - entsprechend den vom Kunden am Telefon geäusserten Wünschen - eingesetzt werden konnten. Die Frauen wurden in den Wohnungen von den jeweils gerade anwesenden Chauffeuren, die sie nach den Anweisungen des Beschwerdeführers auch an ihren Einsatzort und wieder zurück brachten, beaufsichtigt und durften die Wohnung grundsätzlich nicht verlassen. Wollten sie Einkäufe tätigen oder für kurze Zeit ein Restaurant aufsuchen, hatten sie vorgängig die Einwilligung eines Chauffeurs oder des Beschwerdeführers einzuholen. Zumeist wurden sie dabei von einem Chauffeur begleitet. Dauerte die bewilligte Abwesenheit - in der Regel eine halbe Stunde - länger als vorgesehen, hatten sie Veränderungen ihres Standorts telefonisch zu melden, um ihre Verfügbarkeit zu gewährleisten. Die Chauffeure überwachten überdies am Einsatzort per Natel, wie lange der Einsatz dauerte und ob die Kunden den Preis im Voraus bezahlt hatten. Die
BGE 125 IV 269 S. 272

Frauen mussten das einkassierte Geld umgehend dem Chauffeur abliefern, der später mit dem Beschwerdeführer oder dessen Partner abrechnete. Die Preise für die von den Frauen erbrachten Dienste waren nach der zeitlichen Dauer abgestuft und als fixer Tarif vorgegeben. Die Frauen erhielten, wenn sie auf Provisionsbasis arbeiteten, zwanzig Prozent des Entgeltes als Lohn. In den ersten Monaten wurden sie allerdings, unabhängig von der Anzahl der bedienten Kunden, mit einem fixen Monatslohn von Fr. 2'000.-- zuzüglich Kost und Logis entschädigt. Es wurden ihnen auch in anderer Hinsicht Weisungen erteilt. So kam es - wenn auch selten - vor, dass sie abartige Sexualpraktiken ausführen mussten, selbst wenn ihnen dies nicht genehm, vom Kunden aber ausdrücklich gewünscht worden war. Sie hatten also weder die Möglichkeit, sich gewissen, ihnen widerstrebenden sexuellen Wünschen der Kunden zu widersetzen, noch, missliebige Kunden abzuweisen. Auch wenn eine der Frauen einmal unpässlich war, hatte sie sich zur Verfügung zu halten, wenn ein Kunde namentlich nach ihr verlangte. b) Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Schuldspruch bundesrechtlich offensichtlich nicht zu beanstanden. Die Frauen wurden im Begleitservice E. bei der Ausübung der Prostitution insbesondere durch die Chauffeure überwacht, und es war in allen Einzelheiten von vornherein festgelegt, wo, mit wem und zu welchen Konditionen welche Liebesdienste ausgeführt werden mussten. Verschiedene von ihnen gaben nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz an, sie seien sich "wie in einem Gefängnis" vorgekommen. Gerade diese letzte Feststellung verdeutlicht nochmals, dass Druck im oben umschriebenen Sinn auf die Frauen ausgeübt worden ist. Die Hauptargumente des Beschwerdeführers, die Frauen hätten in kürzester Zeit möglichst viel Geld verdienen wollen, sie hätten den Service jederzeit verlassen können und seien bei einer Unbotmässigkeit mit keinen eigentlichen Strafen bedroht worden, gehen an der Sache vorbei, da sie nicht die Tatbestandsmerkmale des Art. 195 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
StGB betreffen. Um Geld zu verdienen, blieben die Frauen zwar in einem gewissen Sinne "freiwillig" beim Service, obwohl sie sich "wie in einem Gefängnis" fühlten. Solange sie jedoch aus welchen Gründen auch immer dabei blieben und keine Entlassung riskieren wollten, wurden sie kontrolliert und wurden ihnen die Modalitäten der Arbeit in allen Einzelheiten vorgeschrieben. Dies reicht für eine Verurteilung nach Art. 195 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 195 - Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  eine minderjährige Person der Prostitution zuführt oder in der Absicht, daraus Vermögensvorteile zu erlangen, ihre Prostitution fördert;
b  eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder wegen eines Vermögensvorteils der Prostitution zuführt;
c  die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt;
d  eine Person in der Prostitution festhält.
StGB aus (s. WIPRÄCHTIGER, a.a.O.). Die Beschwerde ist unbegründet und wird deshalb abgewiesen.