Urteilskopf

119 V 468

67. Urteil vom 23. April 1993 i.S. A. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 469

BGE 119 V 468 S. 469

A.- Der 1958 geborene J. A. arbeitete seit 1982 bei der Firma R. und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 4. November 1985 stürzte er bei der Arbeit aus einer Höhe von 5 bis 6 m von einem Dach, wobei er sich eine LWK 1-Kompressionsfraktur mit ventralem Einbruch und eine LWK 5-Fraktur zuzog. Seit 1. Oktober 1986 bezieht J. A. bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 15. Dezember 1989 sprach die SUVA, welche die Heilbehandlung übernommen und bis 30. September 1988 Taggelder ausgerichtet hatte, dem Versicherten für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 4. November 1985 rückwirkend ab 1. Oktober 1988 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 50% zu. In teilweiser Gutheissung der hiegegen erhobenen Einsprache setzte die SUVA den Invaliditätsgrad mit Entscheid vom 6. Juni 1990 auf 70% fest. Die entsprechende Verfügung, mit der J. A. ab 1. Oktober 1988 eine als Komplementärrente zur ganzen Rente der Invalidenversicherung berechnete Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 70% zugesprochen wurde, erging am 18. Juni 1990.
B.- J. A. liess gegen den Einspracheentscheid vom 6. Juni 1990 Beschwerde führen und im wesentlichen die Zusprechung einer Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 100% beantragen. Mit Entscheid vom 31. Januar 1991 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J. A. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine Invalidenrente des Unfallversicherers (Art. 18 Abs. 1
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
UVG), die Bemessung
BGE 119 V 468 S. 470

des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 18 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
UVG) und die Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 114 V 314 Erw. 3c, BGE 105 V 158 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
2. Im vorliegenden Fall ist die Höhe des Invaliditätsgrades streitig, welcher der Invalidenrente zugrunde zu legen ist, die der Beschwerdeführer für die Folgen des Unfalles vom 4. November 1985 von der SUVA beanspruchen kann. a) Im Einspracheentscheid ging die SUVA gestützt auf die beigezogenen Arztberichte, insbesondere das zuhanden der Invalidenversicherung erstattete Gutachten der Rheumatologischen Universitätsklinik des Inselspitals Bern (vom 8. Februar 1990), davon aus, dass der Beschwerdeführer wegen der Folgen des versicherten Unfalles in seinem Beruf als Hilfsdachdecker nicht mehr einsatzfähig sei, hingegen trotz seines Gesundheitsschadens in der Lage wäre, eine körperlich leichte Erwerbstätigkeit im Umfang von 50% einer Vollzeitbeschäftigung auszuüben. Mit einer entsprechenden leidensangepassten Arbeit könnte der Versicherte nach Ansicht der Anstalt Einkünfte von rund Fr. 1'100.-- im Monat (Fr. 13'200.-- im Jahr) erzielen. Verglichen mit dem hypothetischen Einkommen ohne Invalidität von Fr. 43'100.-- im Jahr, das er als Hilfsdachdecker erreichen könnte, ergebe sich ein Invaliditätsgrad von rund 70%. Die Vorinstanz schloss sich dieser Betrachtungsweise an. Der Beschwerdeführer wendet im wesentlichen ein, es bestehe kein Grund dafür, dass die SUVA den Invaliditätsgrad abweichend von der Invalidenversicherung festgelegt habe. Im weiteren wirft er der Vorinstanz vor, sie habe nicht geprüft, welche Verweisungsberufe in Betracht fielen. Die ärztlich attestierte Teilarbeitsfähigkeit von 50% lasse sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr verwerten, so dass ein Invaliditätsgrad von 100% resultiere. b) Der Invaliditätsbegriff in der Invalidenversicherung stimmt mit demjenigen in der obligatorischen Unfallversicherung (und in der Militärversicherung) grundsätzlich überein, weshalb die Schätzung der Invalidität mit Bezug auf den gleichen Gesundheitsschaden praxisgemäss den gleichen Invaliditätsgrad zu ergeben hat (BGE 116 V 249 Erw. 1b, BGE 113 V 144 oben mit Hinweisen). In BGE 106 V 88 Erw. 2b hat das Eidg. Versicherungsgericht die Verwaltungspraxis (Rz. 288.1 der Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit, gültig ab 1. Januar 1979) bestätigt, wonach es den Invalidenversicherungs-Kommissionen verwehrt ist, von sich aus für den gleichen Gesundheitsschaden einen von der SUVA (oder der Militärversicherung)
BGE 119 V 468 S. 471

abweichenden Invaliditätsgrad festzulegen. Das Gericht erachtete es als naheliegend, dass der SUVA (bzw. der Militärversicherung) der Vorrang bei der Feststellung der Invalidität eingeräumt wird, da diese Sozialversicherungszweige über einen eigenen, gut ausgebauten Apparat zur Beurteilung dieser Frage verfügten, was für die Invalidenversicherung nicht in gleichem Masse zutreffe. In BGE 109 V 24 Erw. 2a legte das Eidg. Versicherungsgericht unter Bezugnahme auf dieses Urteil dar, dass die genannte Verwaltungsweisung nicht mehr als eine Koordinationsregel zuhanden der Durchführungsorgane der Invalidenversicherung beinhaltet. Die unterschiedliche gesetzliche Regelung oder Rechtspraxis könne jedoch ungeachtet des übereinstimmenden Invaliditätsbegriffes zu einer abweichenden Invaliditätsbemessung führen. Dies könne sich beispielsweise daraus ergeben, dass die Renten der SUVA nach geltendem Recht nur beschränkt (Art. 80 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
KUVG), diejenigen der Invalidenversicherung aber gemäss Art. 41
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
IVG grundsätzlich jederzeit revidierbar sind (EVGE 1968 S. 190, BGE 106 V 89 oben). Eine unterschiedliche Beurteilung könne sich auch dann rechtfertigen, wenn die SUVA gemäss Gerichts- und Verwaltungspraxis die Rente bereits anlässlich ihrer Festsetzung abstuft oder befristet (BGE 106 V 50), wogegen in der Invalidenversicherung eine antizipierte Invaliditätsschätzung grundsätzlich nicht zulässig ist (BGE 97 V 58). Schliesslich könne ein Entscheid der SUVA (oder der Militärversicherung) dann für die Invalidenversicherung nicht massgebend sein, wenn die Invaliditätsschätzung auf einem Rechtsfehler oder einer nicht vertretbaren Ermessensausübung beruht. In BGE 112 V 175 Erw. 2a hat das Eidg. Versicherungsgericht im Zusammenhang mit der Feststellung, dass für den gleichen Gesundheitsschaden in der Invalidenversicherung grundsätzlich kein anderer Invaliditätsgrad angenommen werden darf als in der Unfallversicherung, die in BGE 106 V 88 Erw. 2b angeführte Begründung für den Vorrang von SUVA und Militärversicherung bei der Invaliditätsschätzung - den eigenen, gut ausgebauten Apparat dieser Sozialversicherungszweige zur Beurteilung dieser Frage - wiederaufgenommen (BGE BGE 112 V 176 Erw. 2a). Überdies wurde entschieden, dass die Rechtfertigung dafür, die Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung an diejenige der SUVA zu binden, auch dann entfalle, wenn der Invaliditätsgrad von der SUVA durch einen Vergleich festgesetzt wird.
3. An der Rechtsprechung gemäss BGE 106 V 88 Erw. 2b und BGE 112 V 175 Erw. 2a kann insoweit nicht festgehalten werden, als der
BGE 119 V 468 S. 472

Vorrang der SUVA bei der Feststellung der Invalidität damit begründet wird, dass die Anstalt über einen eigenen, gut ausgebauten Apparat zur Invaliditätsbemessung verfüge, was für die Invalidenversicherung nicht in gleichem Masse zutreffe. a) Die SUVA verfügt anerkanntermassen über einen gut ausgebauten Apparat für die medizinisch-theoretische Beurteilung von Gesundheitsschäden. Für die Belange der Invaliditätsschätzung, bei welcher die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit festzustellen sind, gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die SUVA der medizinischen Beurteilung eine zu grosse Bedeutung beimisst und sich bei der Invaliditätsschätzung in erster Linie vom Ausmass der Gesundheitsschädigung leiten lässt, wodurch die nach Gesetz und Rechtsprechung entscheidenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens, die anhand eines Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
UVG; BGE 116 V 248 Erw. 1b mit Hinweisen) zu ermitteln sind, vernachlässigt oder in den Hintergrund gedrängt werden. Das Eidg. Versicherungsgericht hat im übrigen schon wiederholt auf diese Tatsache hingewiesen und das nicht gesetzeskonforme Vorgehen der SUVA beanstandet (vgl. statt vieler BGE 116 V 249 Erw. 2a, BGE 114 V 312 Erw. 3a; vgl. dazu auch ABEGG, Aus der Praxis der beruflichen Abklärungsstellen der Invalidenversicherung [BEFAS], in: ZAK 1985 S. 249 f.).
Demgegenüber kann sich die Invalidenversicherung schon seit langem auf Einrichtungen stützen, die gerade im Hinblick auf die Invaliditätsbemessung wesentliche Entscheidungsgrundlagen erarbeiten: Regionalstellen seit 1960 (Art. 61 ff
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 61 Zusammenarbeit - Der Bundesrat regelt die Zusammenarbeit zwischen den IV-Stellen und den Organen der Alters- und Hinterlassenenversicherung.
. IVG in der bis Ende 1991 gültig gewesenen Fassung) bzw. IV-Stellen (Art. 57 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 57 Aufgaben - 1 Die IV-Stellen haben insbesondere folgende Aufgaben:
1    Die IV-Stellen haben insbesondere folgende Aufgaben:
a  eingliederungsorientierte Beratung;
b  Früherfassung;
c  Bestimmung, Durchführung und Überwachung der Massnahmen der Frühintervention einschliesslich der notwendigen Beratung und Begleitung;
d  Abklärung der versicherungsmässigen Voraussetzungen;
e  ressourcenorientierte Abklärung der Eingliederungsfähigkeit der versicherten Person unter Einbezug der jeweils relevanten Akteure;
f  Bestimmung der Eingliederungsmassnahmen unter Einbezug der jeweils relevanten Akteure, Durchführung und Überwachung dieser Massnahmen, Beratung und Begleitung der versicherten Person und deren Arbeitgeber während der Eingliederung und der Rentenprüfung sowie Prüfung der Wiederholung einer Eingliederungsmassnahme und Anpassung des Eingliederungsziels bei Abbruch der Massnahme insbesondere bei jungen Versicherten;
g  Beratung und Begleitung der versicherten Person und von deren Arbeitgeber nach Abschluss von Eingliederungsmassnahmen oder nach Aufhebung einer Rente;
h  Beratung und Begleitung von Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern mit Eingliederungspotenzial ab dem Zeitpunkt der Berentung;
i  Bemessung des Invaliditätsgrades, der Hilflosigkeit und der von der versicherten Person benötigten Hilfeleistungen;
j  Erlass der Verfügungen über die Leistungen der Invalidenversicherung;
k  Öffentlichkeitsarbeit;
l  Koordination der medizinischen Massnahmen mit dem Kranken- und Unfallversicherer;
m  Kontrolle der Rechnungen für die medizinischen Massnahmen;
n  Führung und Veröffentlichung einer Liste, die insbesondere Angaben zu allen beauftragten Sachverständigen und Gutachterstellen enthält, strukturiert nach Fachbereich, Anzahl jährlich begutachteter Fälle und attestierten Arbeitsunfähigkeiten.321
2    Der Bundesrat kann ihnen weitere Aufgaben zuweisen. Er kann für die Liste nach Absatz 1 Buchstabe n Vorgaben erlassen und weitere Angaben vorsehen.322
3    Bis zum Erlass einer Verfügung entscheiden die IV-Stellen, welche Abklärungen massgebend und notwendig sind.323
IVG in der seit 1. Januar 1992 geltenden Fassung), medizinische Abklärungsstellen seit 1974, 1978 und 1980 (Art. 72bis
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 72bis - 1 Medizinische Gutachten, an denen drei und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, haben bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das BSV eine Vereinbarung getroffen hat.
1    Medizinische Gutachten, an denen drei und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, haben bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das BSV eine Vereinbarung getroffen hat.
1bis    Medizinische Gutachten, an denen zwei Fachdisziplinen beteiligt sind, haben bei einer Gutachterstelle oder einem Sachverständigen-Zweierteam zu erfolgen, mit der oder dem das BSV eine Vereinbarung getroffen hat.304
2    Die Vergabe der Aufträge erfolgt nach dem Zufallsprinzip.
IVV; vgl. ZAK 1980 S. 529) sowie berufliche Abklärungsstellen seit 1981 (vgl. ZAK 1980 S. 550 ff.). Schliesslich bleibt zu bemerken, dass die SUVA den Invaliditätsgrad regelmässig ohne Rücksicht auf bevorstehende oder allenfalls bereits abgeschlossene berufliche Eingliederungsbemühungen festlegte, die seit jeher zum Aufgabenbereich der Invalidenversicherung gehören. b) Die Einwendungen gegen die Priorität der SUVA vor der Invalidenversicherung gelten um so mehr für die Zeit ab Inkrafttreten des UVG (am 1. Januar 1984). Da sich seither neben der SUVA auch andere Versicherer an der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung beteiligen können, stellt sich mit Bezug auf die Invaliditätsschätzung
BGE 119 V 468 S. 473

zusätzlich die Frage nach dem Verhältnis zwischen einem sogenannten anderen Versicherer (gemäss Art. 68
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 68 Art und Registereintragung - 1 Personen, für deren Versicherung nicht die Suva zuständig ist, werden nach diesem Gesetz gegen Unfall versichert durch:
1    Personen, für deren Versicherung nicht die Suva zuständig ist, werden nach diesem Gesetz gegen Unfall versichert durch:
a  private Versicherungsunternehmen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004158 (VAG) unterstehen;
b  öffentliche Unfallversicherungskassen;
c  Krankenkassen im Sinne von Artikel 2 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 2014160.161
2    Die Versicherer, die sich an der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung beteiligen wollen, haben sich in ein vom Bundesamt für Gesundheit162 geführtes Register einzutragen. Das Register ist öffentlich.163
UVG), insbesondere einer privaten Versicherungseinrichtung, und der Invalidenversicherung. Denn die Argumente, welche das Gericht für den Vorrang der SUVA anführte, können erst recht keine Geltung beanspruchen, wenn der Invalidenversicherung die Invaliditätsschätzung eines anderen Versicherers im Sinne von Art. 68
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 68 Art und Registereintragung - 1 Personen, für deren Versicherung nicht die Suva zuständig ist, werden nach diesem Gesetz gegen Unfall versichert durch:
1    Personen, für deren Versicherung nicht die Suva zuständig ist, werden nach diesem Gesetz gegen Unfall versichert durch:
a  private Versicherungsunternehmen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004158 (VAG) unterstehen;
b  öffentliche Unfallversicherungskassen;
c  Krankenkassen im Sinne von Artikel 2 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 2014160.161
2    Die Versicherer, die sich an der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung beteiligen wollen, haben sich in ein vom Bundesamt für Gesundheit162 geführtes Register einzutragen. Das Register ist öffentlich.163
UVG vorliegt. c) Zu beachten gilt es ferner, dass das UVG - im Gegensatz zum KUVG - im Rentenbereich Regeln über das Verhältnis zwischen Unfallversicherung und Invalidenversicherung enthält. So ergibt sich aus Art. 18 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
UVG, dass der Unfallversicherer den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der Ergebnisse der von der Invalidenversicherung durchgeführten Eingliederung festzulegen hat. Steht der Entscheid der Invalidenversicherung über die berufliche Eingliederung bei Abschluss der ärztlichen Behandlung noch aus, so ist von diesem Zeitpunkt an aufgrund einer provisorischen Ermittlung des Invaliditätsgrades eine Übergangsrente auszurichten, welche nach abgeschlossener beruflicher Eingliederung durch eine neue Rente zu ersetzen ist (Art. 30
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 30 Übergangsrente - 1 Ist von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr zu erwarten, wird jedoch der Entscheid der IV über die berufliche Eingliederung erst später gefällt, so wird vom Abschluss der ärztlichen Behandlung an vorübergehend eine Rente ausgerichtet; diese wird aufgrund der in diesem Zeitpunkt bestehenden Erwerbsunfähigkeit festgesetzt. Der Anspruch erlischt:
1    Ist von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr zu erwarten, wird jedoch der Entscheid der IV über die berufliche Eingliederung erst später gefällt, so wird vom Abschluss der ärztlichen Behandlung an vorübergehend eine Rente ausgerichtet; diese wird aufgrund der in diesem Zeitpunkt bestehenden Erwerbsunfähigkeit festgesetzt. Der Anspruch erlischt:
a  beim Beginn des Anspruchs auf ein Taggeld der IV;
b  mit dem negativen Entscheid der IV über die berufliche Eingliederung;
c  mit der Festsetzung der definitiven Rente.
2    Bei Versicherten, die im Ausland beruflich eingegliedert werden, wird die Übergangsrente bis zum Abschluss der Eingliederung ausgerichtet. Geldleistungen ausländischer Sozialversicherungen werden nach Artikel 69 ATSG berücksichtigt.59
UVV; BGE 116 V 246; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 371). Dabei ist es durchaus möglich, dass die Invalidenversicherung die Rente vor der Unfallversicherung festsetzt mit der Folge, dass sich alsdann fragt, ob sich die Unfallversicherung an den von der Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrad zu halten hat, soweit diese keine unfallfremden Faktoren zu berücksichtigen hatte. Das gleiche Problem stellt sich sodann bei der Anwendung von Art. 34
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 34 Revision der Invalidenrente - 1 Wird eine IV-Rente als Folge der Revision geändert, so erfolgt auch eine Revision der Rente oder Komplementärrente der Unfallversicherung.
1    Wird eine IV-Rente als Folge der Revision geändert, so erfolgt auch eine Revision der Rente oder Komplementärrente der Unfallversicherung.
2    Die Artikel 54-59 sind sinngemäss anwendbar.
UVV; danach hat in Fällen, in denen eine Invalidenrente als Folge der Revision geändert wird, auch eine Revision der Rente oder Komplementärrente der Unfallversicherung zu erfolgen. d) Aus diesen Gründen liesse sich die Auffassung vertreten, dass die Koordination der Invaliditätsschätzung auch in umgekehrter Richtung möglich ist und damit unter Umständen der Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung der Vorrang zukommt. Als Argument gegen die Priorität der Invalidenversicherung könnte eingewendet werden, dass diese sich aufgrund der Rentenabstufung gemäss Art. 28 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG205) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.206
2    ...207
und 1bis
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG205) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.206
2    ...207
IVG - im Gegensatz zur Unfallversicherung - in Extremfällen, wenn der für den Rentenanspruch massgebende Grenzwert von 40%, 50% oder 66 2/3% klar unter- oder überschritten wird, mit relativ ungenauen Angaben zum Invaliditätsgrad (ein Zweitel, mehr als zwei Drittel usw.) begnügen könne (vgl. BGE 104 V 137 Erw. 2b in fine).
BGE 119 V 468 S. 474

Ob die Koordinationsregel unter Umständen auch so zu verstehen ist, dass die Unfallversicherung den von der Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrad als massgeblich zu betrachten hat, braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht abschliessend beurteilt zu werden; denn auch wenn diese Frage zu bejahen wäre, müssten die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen, die ein Abweichen rechtfertigen (Erw. 2b hievor), beachtet werden.
4. a) Im vorliegenden Fall kann der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass die Invalidenversicherung den Invaliditätsgrad auf 100% festgelegt hat, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn selbst unter der Annahme, dass der von der Invalidenversicherung ermittelte Invaliditätsgrad für die SUVA grundsätzlich verbindlich wäre und die Invalidenversicherung keine unfallfremden Faktoren berücksichtigt hat, wäre die Anstalt befugt gewesen, einen tieferen Invaliditätsgrad (von 70%) festzulegen. Die Invaliditätsschätzung gemäss Einspracheentscheid vom 6. Juni 1990 geht von schlüssigen fachärztlichen Stellungnahmen zur Arbeitsunfähigkeit sowie zu den zumutbaren Arbeitsleistungen aus und beruht auf einem korrekt durchgeführten Einkommensvergleich, der den von der Invalidenversicherung angenommenen Invaliditätsgrad von 100% als unvertretbar erscheinen lässt. b) Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe die Invaliditätsschätzung der SUVA bestätigt, ohne konkret in Betracht fallende Verweisungsberufe zu nennen, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Einspracheentscheid vom 6. Juni 1990, auf welchen sich das kantonale Gericht bezieht, verschiedene Hilfstätigkeiten wie Kontroll-, Sortier-, Montage- und Überwachungsarbeiten in der Industrie aufgezählt sind. Diese Tätigkeiten könnte der Beschwerdeführer zumutbarerweise halbtägig verrichten und damit Einkünfte in der Höhe von mindestens 30% des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität erzielen. Wenn er bis anhin nicht in der Lage war, die fachärztlich attestierte Restarbeitsfähigkeit von 50% - bezogen auf leichtere Tätigkeiten - in diesem Umfang zu verwerten, ist dies auf invaliditätsfremde und insbesondere unfallfremde Faktoren zurückzuführen, für welche die SUVA nicht einzustehen hat.
Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.