Urteilskopf

119 III 124

35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. September 1993 i.S. X. AG gegen Y. AG (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 124

BGE 119 III 124 S. 124

A.- Über die X. AG wurde am 25. Juli 1991 der Konkurs eröffnet. Mit Verfügung vom 29. Oktober 1991 wies das Gerichtspräsidium das Grundbuchamt aufgrund eines Begehrens der Y. AG an, ein Bauhandwerkerpfandrecht über Fr. 12'000.-- nebst Zins vorläufig einzutragen.
B.- Innert Frist erhob die Y. AG beim Bezirksgericht Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Mit Entscheid vom 4./13. Mai 1992 trat das Bezirksgericht auf diese Klage nicht ein. Es vertrat die Meinung, der Anspruch hätte mit der Kollokationsklage im Konkurs der X. AG geltend gemacht werden müssen.
BGE 119 III 124 S. 125

Mit Verfügung vom 5. Dezember 1991 hatte das Konkursamt nämlich im Lastenverzeichnis das Pfandrecht abgewiesen und die Forderung der Y. AG in der fünften Klasse kolloziert. Eine Kollokationsklage hat die Y. AG nicht erhoben. Auf Berufung der Y. AG hin hob das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 7. Januar 1993 den Nichteintretensentscheid des Bezirksgerichts auf und wies die Sache zur materiellen Entscheidung an dieses zurück.
C.- Die X. AG (in Konkurs) gelangt mit Berufung an das Bundesgericht und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht einzutreten. Die Y. AG verlangt die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Den gleichen Antrag stellt das Obergericht unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Entscheid.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Es ist vorliegend unbestritten, dass ein Bauhandwerkerpfandrecht noch geltend gemacht werden kann, selbst wenn es bei Konkurseröffnung im Grundbuch noch nicht einmal vorläufig eingetragen gewesen ist (BGE 95 II 31 ff.). Fraglich ist demgegenüber, ob mit Bezug auf die Wirkungen im Konkurs über den Bestand oder Nichtbestand des Pfandrechtes im Lastenbereinigungsverfahren oder in einem separaten Zivilprozess zu entscheiden ist. Es geht somit nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Bauhandwerkerpfandrecht Bestand haben soll, sondern nur darum, in welchem Verfahren über Bestand oder Nichtbestand zu entscheiden ist. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsantwort über die wirtschaftliche Bedeutung des Bauhandwerkerpfandrechts in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind deshalb unbehelflich. a) Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat in einem am 11. August 1992 ergangenen Entscheid über die Frage, ob die vom vorliegend behaupteten Bauhandwerkerpfandrecht betroffene Liegenschaft vorzeitig verwertet werden könne, ausgeführt, dass die Konkursverwaltung die streitige Forderung zu Recht nicht nach Art. 63
SR 281.32 Verordnung vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV)
KOV Art. 63 - 1 Streitige Forderungen, welche im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden, sind im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken.
1    Streitige Forderungen, welche im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden, sind im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken.
2    Wird der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern nach Artikel 260 SchKG fortgeführt, so gilt die Forderung als anerkannt, und die Gläubiger haben kein Recht mehr, ihre Kollokation nach Artikel 250 SchKG anzufechten.
3    Wird der Prozess dagegen fortgeführt, so erfolgt je nach dessen Ausgang die Streichung der Forderung oder ihre definitive Kollokation, welche von den Gläubigern ebenfalls nicht mehr angefochten werden kann.
4    Bei der Verhandlung darüber, ob der Prozess fortgeführt werden soll, ist nach Analogie von Artikel 48 hiervor zu verfahren.
KOV (SR 281.32) (Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter) pro memoria in das Lastenverzeichnis aufgenommen habe. Der Prozess sei erst nach der Konkurseröffnung angehoben worden (Entscheid vom 11. August 1992 i.S. Konkursmasse X. AG, E. 4a mit Hinweis auf BGE 113 III 132 ff.).
BGE 119 III 124 S. 126

Das Obergericht hält im angefochtenen Entscheid dem nun entgegen, es handle sich beim Anspruch der Klägerin als Bauhandwerkerin auf Eintragung des Grundpfandes um eine Realobligation. Sei das Pfandrecht vorläufig eingetragen, so habe die Konkursverwaltung dieses nach den Angaben im Grundbuch in das Lastenverzeichnis aufzunehmen. Aufgrund des materiellen Rechts sei es ihr verwehrt, eine Verfügung über Bestand oder Nichtbestand dieses Rechts zu treffen. Darüber sei vielmehr im ordentlichen Verfahren vom Gericht zu entscheiden. b) Diesen Überlegungen ist insofern zuzustimmen, als es das materielle Recht erfordert, dass in einem Zivilprozess durch ein Gericht über den Bestand oder Nichtbestand des Bauhandwerkerpfandrechts befunden wird, wenn dieses nicht freiwillig anerkannt wird. Dieser Anspruch auf gerichtliche Beurteilung entfällt durch die Konkurseröffnung nicht. Das Obergericht und mit ihm die Klägerin übersehen aber, dass die Behandlung eines Anspruchs im Lastenbereinigungs- oder Kollokationsverfahren auch zu einer gerichtlichen Beurteilung des materiellen Anspruchs führen kann. Die Abweisung eines Anspruchs durch die Konkursverwaltung eröffnet der Anspruchsberechtigten die Möglichkeit, diesen Entscheid mit Kollokationsklage beim Zivilgericht anzufechten (Art. 250
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 250 - 1 Ein Gläubiger, der den Kollokationsplan anfechten will, weil seine Forderung ganz oder teilweise abgewiesen oder nicht im beanspruchten Rang zugelassen worden ist, muss innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokationsplanes beim Richter am Konkursort gegen die Masse klagen.
1    Ein Gläubiger, der den Kollokationsplan anfechten will, weil seine Forderung ganz oder teilweise abgewiesen oder nicht im beanspruchten Rang zugelassen worden ist, muss innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokationsplanes beim Richter am Konkursort gegen die Masse klagen.
2    Will er die Zulassung eines anderen Gläubigers oder dessen Rang bestreiten, so muss er die Klage gegen den Gläubiger richten. Heisst der Richter die Klage gut, so dient der Betrag, um den der Anteil des Beklagten an der Konkursmasse herabgesetzt wird, zur Befriedigung des Klägers bis zur vollen Deckung seiner Forderung einschliesslich der Prozesskosten. Ein Überschuss wird nach dem berichtigten Kollokationsplan verteilt.
3    ...446
SchKG). Über die Kollokationsklage wird indessen nicht im ordentlichen, sondern im beschleunigten Verfahren entscheiden (Art. 250 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 250 - 1 Ein Gläubiger, der den Kollokationsplan anfechten will, weil seine Forderung ganz oder teilweise abgewiesen oder nicht im beanspruchten Rang zugelassen worden ist, muss innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokationsplanes beim Richter am Konkursort gegen die Masse klagen.
1    Ein Gläubiger, der den Kollokationsplan anfechten will, weil seine Forderung ganz oder teilweise abgewiesen oder nicht im beanspruchten Rang zugelassen worden ist, muss innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokationsplanes beim Richter am Konkursort gegen die Masse klagen.
2    Will er die Zulassung eines anderen Gläubigers oder dessen Rang bestreiten, so muss er die Klage gegen den Gläubiger richten. Heisst der Richter die Klage gut, so dient der Betrag, um den der Anteil des Beklagten an der Konkursmasse herabgesetzt wird, zur Befriedigung des Klägers bis zur vollen Deckung seiner Forderung einschliesslich der Prozesskosten. Ein Überschuss wird nach dem berichtigten Kollokationsplan verteilt.
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SchKG) und der Gerichtsstand ist in jedem Fall am Konkursort (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 1993, S. 372, Rz. 54). Zudem entfaltet das Urteil seine Wirkung grundsätzlich nur im Konkurs (AMONN, S. 372, Rz. 56 ff.). Diese Unterschiede dürfen aber nicht überbewertet werden. Auch über die Kollokationsklage wird in einem den Anforderungen an einen Zivilprozess genügenden Verfahren mit voller Beweisabnahme entschieden.
c) Der Abgrenzung zwischen dem Kollokations- beziehungsweise Lastenbereinigungsverfahren einerseits und dem ordentlichen Zivilprozess andererseits liegt der Gedanke der Prozessökonomie zu Grunde. Ein bereits teilweise instruierter Prozess soll weitergeführt werden können, damit nicht im Kollokationsprozess die ganze Instruktion wiederholt werden muss (vgl. BGE 113 II 132). Den Gläubigern sind im Konkurs ohne weiteres die aufgezeigten Abweichungen gegenüber einem ordentlichen Prozess über ihren Anspruch zuzumuten; rechtfertigt dies doch das Bedürfnis nach
BGE 119 III 124 S. 127

Beschleunigung und Vereinfachung im Konkurs. Es gibt keinen Grund, warum der realobligatorische Charakter des Anspruchs der Bauhandwerker zu einer anderen Behandlung führen soll. Auch über die beschränkten dinglichen Rechte wird im Lastenbereinigungsverfahren und somit im Kollokationsprozess entschieden. Die Gebote der Prozessökonomie und der raschen Abklärung der Ansprüche im Konkurs verlangen, dass auch mit Bezug auf die Bauhandwerkerpfandrechte im Lastenbereinigungsverfahren entschieden wird, sofern der Prozess über die endgültige Eintragung nicht schon vor Konkurseröffnung im Sinne von Art. 63
SR 281.32 Verordnung vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV)
KOV Art. 63 - 1 Streitige Forderungen, welche im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden, sind im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken.
1    Streitige Forderungen, welche im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden, sind im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken.
2    Wird der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern nach Artikel 260 SchKG fortgeführt, so gilt die Forderung als anerkannt, und die Gläubiger haben kein Recht mehr, ihre Kollokation nach Artikel 250 SchKG anzufechten.
3    Wird der Prozess dagegen fortgeführt, so erfolgt je nach dessen Ausgang die Streichung der Forderung oder ihre definitive Kollokation, welche von den Gläubigern ebenfalls nicht mehr angefochten werden kann.
4    Bei der Verhandlung darüber, ob der Prozess fortgeführt werden soll, ist nach Analogie von Artikel 48 hiervor zu verfahren.
KOV hängig ist.
Der Auffassung des Obergerichts, dass über den Bestand des Bauhandwerkerpfandrechts nur in einem gesonderten Zivilprozess entschieden werden könne, kann somit nicht gefolgt werden.
3. Die Kollokationsklage entfaltet grundsätzlich nur Wirkungen im entsprechenden Vollstreckungsverfahren. Wird der Konkurs widerrufen oder eingestellt, so entfallen die Wirkungen. An der gesonderten Klage auf endgültige Eintragung kann somit trotz Beendigung des Kollokationsverfahrens noch ein Interesse bestehen, wenn der Konkurs eingestellt oder widerrufen ist oder wenn damit zu rechnen ist, dass das eine oder andere eintreten werde. Ein solches Interesse ist aber vorliegend nicht dargetan.
Die Berufung ist somit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten. Zur Neuregelung der kantonalen Kosten ist die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.