Urteilskopf

114 IV 26

9. Urteil des Kassationshofes vom 10. Juni 1988 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen E. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 27

BGE 114 IV 26 S. 27

A.- M., Geschäftsführer der Garage A., und E. standen in Verhandlungen über einen Kaufvertrag betreffend einen Occasionswagen Saab 900 Turbo DOHC. Ungeklärt ist, ob es zu einem Vertragsschluss kam. Unstrittig machte E. gegenüber der Garage immer wieder Zusicherungen bezüglich der Übernahme des Wagens und seiner Solvenz. So schickte er am 23. September 1986 dem Geschäftsführer der Garage eine Fotokopie des Steuerinventars seines am 16. Januar 1986 verstorbenen Onkels zu, die insbesondere in bezug auf dessen Vermögen vom Original erheblich abweichende Angaben enthielt. In einem Begleitschreiben versicherte er, dass er nun endlich zu dem ihm zustehenden Geld kommen werde, und dass die Einsprachen gegen das Testament zurückgezogen worden seien. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1986 bestätigte er diese Angaben und kündigte an, er werde sich mit der Garage in Verbindung setzen und alles Notwendige für die Übernahme des Saab veranlassen; er käme damit seiner Zusage nach, nach Erledigung der Erbschaft den Wagen zu übernehmen und alle Ausstände zu regeln. Zu einer Übergabe des Wagens kam es jedoch nicht, da nach einer Rückfrage der Garage A. beim Steueramt des Kantons Zürich betreffend den Inhalt des angeblichen Steuerinventars dieses Amt Strafanzeige wegen Urkundenfälschung, eventuell Betrug erstattete.
B.- Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft sprach E. mit Urteil vom 24. August 1987 von der Anklage der Urkundenfälschung und des Betruges frei. In teilweiser Gutheissung einer Appellation der Staatsanwaltschaft sprach das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 8. Dezember 1987 E. des vollendeten Betrugsversuchs (Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
i.V.m. Art. 22 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
1    Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
2    Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos.
StGB) schuldig und bestrafte ihn mit zwei Monaten Gefängnis bedingt; den Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung bestätigte es sinngemäss.
BGE 114 IV 26 S. 28

C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den Beschwerdegegner nicht nur des vollendeten Betrugsversuchs, sondern auch der Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB schuldig spreche. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen

Erwägungen:

1. Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass das Original eines Steuerinventars eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB darstellt. Umstritten ist einzig, ob die Fotokopie eines solchen Originals der Legaldefinition der genannten Bestimmung entspricht. Dass im vorliegenden Fall der Fotokopie Beweisbestimmung zukam, ergibt sich aus deren Zusendung an die Garage und den Briefen vom 23. September und 8. Oktober 1986, die auf die im Steuerinventar ausgewiesene Erbschaft verweisen; das Steuerinventar sollte die Solvenz des Beschwerdegegners beweisen. Zu prüfen bleibt, ob der fraglichen Fotokopie auch die Beweiseignung bzw. eine erhöhte Beweisfunktion zuzuerkennen sei.
2. a) Einig sind sich die schweizerische Lehre und Rechtsprechung über den Urkundencharakter von Fotokopien, wenn dieser sich direkt aus einem Gesetz ergibt (vgl. Art. 962 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 962 - 1 Es müssen zusätzlich zur Jahresrechnung nach diesem Titel einen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellen:
1    Es müssen zusätzlich zur Jahresrechnung nach diesem Titel einen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellen:
1  Gesellschaften, deren Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert sind, wenn die Börse dies verlangt;
2  Genossenschaften mit mindestens 2000 Genossenschaftern;
3  Stiftungen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind.
2    Es können zudem einen Abschluss nach einem anerkannten Standard verlangen:
1  Gesellschafter, die mindestens 20 Prozent des Grundkapitals vertreten;
2  10 Prozent der Genossenschafter oder 20 Prozent der Vereinsmitglieder;
3  Gesellschafter oder Mitglieder, die einer persönlichen Haftung oder einer Nachschusspflicht unterliegen.
3    Die Pflicht zur Erstellung eines Abschlusses nach einem anerkannten Standard entfällt, wenn eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard erstellt wird.
4    Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan ist für die Wahl des anerkannten Standards zuständig, sofern die Statuten, der Gesellschaftsvertrag oder die Stiftungsurkunde keine anderslautenden Vorgaben enthalten oder das oberste Organ den anerkannten Standard nicht festlegt.
OR a.F. bzw. Abs. 2 und 4 n.F., Art. 963
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 963 - 1 Kontrolliert eine rechnungslegungspflichtige juristische Person ein oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen, so muss sie im Geschäftsbericht für die Gesamtheit der kontrollierten Unternehmen eine konsolidierte Jahresrechnung (Konzernrechnung) erstellen.
1    Kontrolliert eine rechnungslegungspflichtige juristische Person ein oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen, so muss sie im Geschäftsbericht für die Gesamtheit der kontrollierten Unternehmen eine konsolidierte Jahresrechnung (Konzernrechnung) erstellen.
2    Eine juristische Person kontrolliert ein anderes Unternehmen, wenn sie:
1  direkt oder indirekt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt;
2  direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans zu bestellen oder abzuberufen; oder
3  aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
3    Ein nach Artikel 963b anerkannter Standard kann den Kreis der zu konsolidierenden Unternehmen definieren.
4    Vereine, Stiftungen und Genossenschaften können die Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung an ein kontrolliertes Unternehmen übertragen, wenn das betreffende kontrollierte Unternehmen durch Stimmenmehrheit oder auf andere Weise sämtliche weiteren Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammenfasst und nachweist, dass es die Beherrschung tatsächlich ausübt.
OR; BGE 100 IV 26), indirekt aus dem Prozessrecht bzw. der prozessualen Editionspflicht hergeleitet wird (BGE 102 IV 34; SJZ 1969 S. 381; SJZ 1977 S. 41 f.; HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., S. 182) oder sich auf eine Beglaubigung der Kopie stützt.
b) Entgegen der in der schweizerischen Lehre zum Teil vertretenen und in Deutschland und Österreich vorherrschenden wissenschaftlichen Meinung sowie einer Tendenz, die sich in der Rechtsprechung der beiden letzteren Länder abzuzeichnen beginnt (KIENAPFEL, Urkunden und andere Gewährschaftsträger, S. 102; derselbe in ZStR 1981 S. 25 f.), stellte sich das Bundesgericht bisher auf den Standpunkt, dass Beweiseignung im Sinne von Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB einer Schrift nicht nur dann zukomme, wenn ihr diese durch Gesetz, sondern auch dann, wenn sie durch Verkehrsübung zuerkannt wird (BGE 102 IV 34; BGE 101 IV 279). Unter diesem Gesichtspunkt wurde der Urkundencharakter von Kopien
BGE 114 IV 26 S. 29

wiederholt bejaht (BGE 100 IV 26, BGE 70 IV 170; Urteil vom 6. Februar 1968, teilweise publiziert in SJZ 1968, S. 302), und es wurde ausgeführt, die Kopie bzw. drucktechnische Reproduktion einer Urkunde könne unter Umständen Urkundencharakter haben, wenn sie im Verkehr als Ersatz für das Original anerkannt und ihr daher Vertrauen entgegengebracht wird. An dieser Auffassung ist festzuhalten. c) Das Gesetz will mit den Tatbeständen des Urkundenstrafrechts das Vertrauen schützen, das im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (HÄFLIGER, Probleme der Falschbeurkundung, in ZStR 1958 S. 404). Dieses Vertrauen ist u.a. abhängig von allgemeinen Umständen (technische Entwicklung im Reproduktionswesen, Tendenzen in der Abwicklung von Geschäftstransaktionen usw.) sowie von den Gegebenheiten des Einzelfalles (Art und Beschaffenheit des Schriftstücks; Zweck, für den es als Beweismittel eingesetzt wird). Die Verwendung von Fotokopien ist im heutigen Rechtsverkehr aufgrund der allgemeinen Verbreitung der entsprechenden Technik nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt dank der Möglichkeit, ein - gegenüber den früheren Methoden - präziseres bzw. mit dem Original inhaltlich und formmässig identisches Doppel herzustellen, geniessen Fotokopien im Geschäftsverkehr allgemeines Vertrauen und werden nach der geltenden Übung als Beweismittel in der Regel anerkannt. Die Frage einer Beglaubigung stellt sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht, sondern erlangt lediglich bei Geschäften von ausserordentlicher Tragweite Bedeutung. Daran ändert nichts, dass die Verfälschung von Fotokopien leicht zu bewerkstelligen ist. Das Vertrauen, welches der Fotokopie heute im Geschäftsleben ganz allgemein entgegengebracht wird, ist daher grundsätzlich als schützenswert im Sinne des Urkundenstrafrechts zu bezeichnen. In casu geht es um die Beweiseignung der Fotokopie einer öffentlichen Urkunde. Bei Geschäftsvorgängen der vorliegenden Art widerspricht es der geltenden Übung, eine öffentliche Urkunde im Original einzureichen, ganz abgesehen davon, dass die Steuerämter in einem solchen Fall nur ein Original zu erstellen und den Erbschaftsanwärtern eine Kopie zu versenden pflegen. Der Benützer der Fotokopie weiss, dass deren Wahrheitsgehalt bei dem aus der Kopie ersichtlichen Aussteller (wie hier beim Steueramt) jederzeit und ohne Schwierigkeiten nachgeprüft werden kann; er wird sich deshalb in der Regel hüten, eine derart leicht eruierbare

BGE 114 IV 26 S. 30

Verfälschung vorzunehmen. Wenn also davon auszugehen ist, dass im heutigen Geschäftsverkehr das Vertrauen gegenüber Fotokopien grundsätzlich ein schützenswertes ist, so gilt dies nach dem Gesagten in besonderem Masse für Fotokopien öffentlicher Urkunden. d) Der Beschwerdegegner übersandte die Fotokopie des Steuerinventars im Zusammenhang mit dem geplanten Kauf eines Occasionswagens Saab 900 Turbo DOHC der betreffenden Autogarage. Ihre Beweisbestimmung (Beleg seiner Solvenz aufgrund einer anfallenden Erbschaft) ist unbestritten. Bei diesem Autokauf handelt es sich um ein Geschäft üblichen Durchschnitts, wobei auf Fotokopien, die geeignet sind, die Solvenz des Käufers zu belegen, in der Regel abgestellt wird, auch wenn sie nicht beglaubigt sind. Dass der verantwortliche Geschäftsführer trotzdem den Wahrheitsgehalt nachprüfte, ist dabei unerheblich. Der vom Beschwerdegegner eingereichten Fotokopie kann somit auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die vom Gesetz verlangte Beweiseignung zuerkannt werden. e) Beim Strafschutz von Fotokopien geht es nicht darum, die "Leichtgläubigkeit und Nachlässigkeit im Geschäftsverkehr" zu unterstützen, wie die Vorinstanz meint. Der von ihr zitierten Lehrmeinung, den Beteiligten im Rechtsverkehr sei zur Wahrung dessen Sicherheit ein gewisser Standard an "eigener Wachsamkeit und Sorge abzuverlangen", kann zwar durchaus beigepflichtet werden. Die im Geschäftsverkehr Verantwortlichen werden denn auch alles Interesse daran haben, zur Verhinderung eines allfälligen Vermögensschadens gewisse Abklärungen vorzunehmen, wie dies der Geschäftsführer der betreffenden Garage tatsächlich getan hat. Vorliegend steht indessen nicht der Schutz des Vermögens zur Diskussion, sondern der Schutz des Vertrauens, das einer Urkunde nach der Verkehrsübung und den Umständen entgegengebracht wird. Dass dieses Vertrauen im vorliegenden Fall ein schützenswertes im Sinne des Urkundenstrafrechts ist, untersteht nach dem Gesagten keinem Zweifel.