Urteilskopf

114 IV 181

50. Urteil der Anklagekammer vom 25. August 1988 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Bezirksgericht Zürich
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Sachverhalt ab Seite 182

BGE 114 IV 181 S. 182

Im Sonntags-Blick erschienen zwischen September und dem 2. November 1986 mehrere Artikel über eine angebliche "Innerschweizer Finanzmafia". Darin wurden unter anderen X. und Y. namentlich genannt. Beide Betroffenen reichten am 30. Dezember 1986 gegen die Autoren A., B. und C. beim Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt Strafklage wegen Ehrverletzung im Sinne von Art. 173 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
. StGB ein. Das von Y. angestrengte Verfahren wurde vom Bezirksgericht Zürich übernommen, da dieser Anzeigeerstatter auch in Zürich geklagt hatte. Im Blick vom 28. Februar 1988 wurde erneut über die "Innerschweizer Finanzaffäre" unter dem Titel "Schlüsselfiguren sitzen im Knast" berichtet. Nach Angaben der Zeitung habe es sich bei den Verhafteten um Y. und X. gehandelt. Erneut erhoben die Genannten Strafklage gegen die Verfasser des Artikels B. und C. Y. klagte am 20. April 1988 beim Bezirksgericht Zürich wegen Ehrverletzung und Kreditschädigung; X. reichte seine Klage wegen derselben Delikte am 16. Mai 1988 sowohl beim Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt als auch beim Bezirksgericht Zürich ein. Mit Gesuch vom 28. Juli 1988 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, die Behörden des Kantons Zürich seien für die Übernahme und Erledigung dieser sämtlichen Ehrverletzungsklagen als zuständig zu erklären. Die Anklagekammer weist das Gesuch ab aus folgenden
Erwägungen

Erwägungen:

1. Das Bezirksgericht Zürich hat die Klagen des Y. bereits übernommen, weshalb das Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern insoweit gegenstandslos ist.
2. Bei strafbaren Handlungen, die im Inland durch das Mittel der Druckerpresse begangen werden, sind, soweit für sie die Verantwortlichkeit besonders geregelt ist, ausschliesslich die Behörden des Ortes zuständig, wo die Druckschrift herausgegeben wurde. Ist jedoch der Verfasser der Druckschrift bekannt und hat er seinen Wohnsitz in der Schweiz, so sind die Behörden des Wohnortes gleichfalls zuständig. In diesem Fall wird das Verfahren da durchgeführt,
BGE 114 IV 181 S. 183

wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde (Art. 347 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB). Bei Antragsdelikten hat der Antragsteller die Wahl zwischen den beiden Gerichtsständen (SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, Bern 1987, N. 163).
3. a) X. erhob seine erste Strafklage wegen des Artikels vom 2. November 1986, der von A., B. und C. unterzeichnet war. Er reichte sie bewusst nur in Luzern ein, weil ihm bekannt war, dass A. dort wohnte. Mit dieser Ausübung des Wahlrechts (s. oben E. 2) war die Untersuchung angehoben, und der dadurch begründete Gerichtsstand galt gemäss Art. 349 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB auch für B. und C. als allfällige Mittäter. In der Folge wurde das sachlich und örtlich zuständige Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt in dieser Angelegenheit denn auch tätig. b) Gegenstand der zweiten, von X. eingereichten Strafklage bildete der Artikel im Blick vom 28. Februar 1988, der von den in Zürich wohnhaften B. und C. unterzeichnet war. In seiner Klageschrift vom 16. Mai 1988, die an das Amtsstatthalteramt Luzern- Stadt und an das Bezirksgericht Zürich gerichtet war, erklärte der Anzeigeerstatter ausdrücklich, nach seiner Auffassung sei Luzern auch für diese Untersuchung zuständig und nur vorsorglich werde die Strafklage ebenfalls in Zürich eingereicht. Die beiden Ehrverletzungsklagen hängen sachlich eng zusammen, ging es doch in den verschiedenen Zeitungsartikeln um die gleichen Vorwürfe; wie die Gesuchstellerin mit Recht dartut, drängt sich eine gemeinsame Beurteilung daher auf. Dabei bietet sich neben dem Gerichtsstand der Teilnehmer (Art. 349 Abs. 2
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StGB Art. 349
StGB; BGE 109 IV 57 E. 1) jener des Wohnsitzes der von der zweiten Klage erfassten Angeschuldigten an (Art. 347 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB), für den zusätzlich spricht, dass die zweite Klage die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat - planmässiges Vorgehen im Sinne von Art. 174 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.233
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
StGB - zum Gegenstand hat (Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB). Als entscheidend fällt indessen ins Gewicht, dass X. seine erste Klage im Jahre 1986 nur in Luzern (Wohnort von A.) eingereicht und damit den Gerichtsstand Luzern auch für die in Zürich wohnhaften B. und C. begründet hat und dass das Bezirksgericht diese Strafklage gar nicht hätte übernehmen können, weil die prozessualen Voraussetzungen nicht erfüllt waren (vgl. BGE 89 IV 176). Dieser Umstand rechtfertigt, das mit der zweiten Strafklage eingeleitete Verfahren ebenfalls in Luzern durchzuführen.

BGE 114 IV 181 S. 184

c) Was im Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern vorgetragen wird, dringt nicht durch. Unerheblich ist insbesondere, dass das Bezirksgericht Zürich die Strafklagen des Y. vom 30. Dezember 1986 und vom 20. April 1988 übernommen hat bzw. dass die Strafklage des Y. vom 20. April 1988 vor derjenigen des X. vom 16. Mai 1988 datiert; im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Anzeigen von X. Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Verfahren im Interesse der Verletzten jedenfalls dann getrennt durchzuführen sind, wenn die Betroffenen an verschiedenen Orten klagen (vgl. dazu auch SCHWERI, a.a.O. N. 498); im Gegensatz zur im Gesuch geäusserten Ansicht ist eben nicht entscheidend, "dass die Angeschuldigten identisch sind", sondern dass die Anzeigeerstatter nicht identisch sind. Aus dem Gesagten ergibt sich schliesslich, dass nicht darauf abgestellt werden kann, in welchem Umfang die Untersuchungen in Sachen des Anzeigeerstatters Y. in Zürich bereits durchgeführt worden sind.