Urteilskopf

112 II 69

13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1986 i.S. Marlis Geiser gegen Geiser AG (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 69

BGE 112 II 69 S. 69

A.- Am 24. Januar 1974 schloss Hans Geiser mit der Geiser AG Mietverträge über je ein Metzgereilokal am Bleicherweg 23 sowie an der Marktgasse 8 in Zürich. Die Parteien vereinbarten eine Mietdauer von dreissig Jahren mit einer Option auf weitere dreissig Jahre zugunsten der Aktiengesellschaft. Der Vermieter verzichtete auf ein Kündigungsrecht, hingegen sollte die Mieterin
BGE 112 II 69 S. 70

jeweils auf Ende März kündigen können. In Zusatzverträgen bestimmten die Parteien am 20. Dezember 1974 einen jährlichen Mietzins von Fr. 15'000.-- für das Lokal am Bleicherweg bzw. von Fr. 18'000.-- für den Laden an der Marktgasse, wobei "die Mietzinse an den Landesindex der Konsumentenpreise gebunden sind". Marlis Geiser, welcher die Nutzniessung an den vermieteten Liegenschaften zusteht, kündigte am 28. September 1983 die Erhöhung der Mietzinse per 1. Januar 1984 auf jährlich Fr. 19'875.-- bzw. Fr. 23 850.-- an. Hierauf gelangte die Geiser AG an die Schlichtungsstelle; es konnte keine Einigung erzielt werden.
B.- Das Mietgericht des Bezirks Zürich, welches Frau Geiser anrief, hiess ihre Klage teilweise gut und stellte am 21. Mai 1984 fest, die geforderten erhöhten Mietzinse seien per 1. April 1985 nicht missbräuchlich. Auf Rekurs der Geiser AG hin hob das Obergericht des Kantons Zürich am 21. Mai 1985 das Urteil des Mietgerichts auf und wies die Klage ab.
C.- Frau Geiser hat gegen diesen Entscheid Berufung erhoben. Das Bundesgericht heisst sie teilweise gut, hebt den Beschluss des Obergerichts auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Da die Beklagte die Mietverhältnisse jeweils auf Ende März kündigen kann, erachtet das Obergericht die Klägerin gemäss Art. 18 BMM als befugt, die Mietzinse in jährlichen Abständen jeweils auf diesen Termin anzupassen. Sie sei mithin nicht, wie das Art. 9 BMM für die Gültigkeit von Indexklauseln voraussetze, während mindestens fünf Jahren an den ursprünglich vereinbarten Mietzins gebunden. Die vorgesehene Möglichkeit, den Mietzins an den veränderten Index anzupassen, erweise sich daher ebenso wie die gestützt darauf angekündigte Mietzinserhöhung als unzulässig.
2. Die Argumentation des Obergerichts offenbart sich in ihrem Ansatzpunkt als verfehlt. Wünscht der Vermieter den Mietzins zu erhöhen, so hat er, wie dies Art. 18 Abs. 1 BMM ausdrücklich sagt, die für die Änderung des Mietvertrages geltende Frist einzuhalten. Ist das Mietverhältnis während einer bestimmten Zeit für den Mieter, nicht aber für den Vermieter, kündbar, kann er für die Dauer der festen Vereinbarung den Mietzins nicht erhöhen.
BGE 112 II 69 S. 71

Der Mieter indessen kann auf die vorgesehenen Kündigungstermine hin eine Herabsetzung der Miete verlangen. Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Obergerichts demnach keine Möglichkeit offen, jeweils auf Ende März die Mietzinse anzupassen. Dadurch entfällt der Grund, gestützt auf den die Vorinstanz die vereinbarte Indexklausel als unzulässig erklärt hat.
3. Gemäss Art. 9 BMM können Vereinbarungen, wonach die Höhe des Mietzinses einem Index folgt, gültig nur für Mietverhältnisse getroffen werden, die auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen werden. Indexklauseln sind nach unumstrittener Auffassung zulässig, falls weder Mieter noch Vermieter das Mietverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren auflösen können. Zweck des Bundesbeschlusses ist es, die Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen und andern missbräuchlichen Forderungen der Vermieter zu schützen (Art. 1 BMM). Dem widerspricht jedoch nicht, was bei gegenseitiger, inhaltsgleicher Bindung beider Vertragsparteien möglich ist, auch dann gelten zu lassen, wenn der Vermieter auf mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, es dem Mieter aber freisteht, früher zu kündigen. Dem Beschlussestext kann denn auch nicht entnommen werden, dass notwendigerweise eine beidseitige Verpflichtung auf die genannte Mindestvertragsdauer erforderlich, eine Disparität zugunsten des Mieters also ausgeschlossen wäre. Es fehlt an schlüssigen Anhaltspunkten dafür, dass der Wortlaut den Sinn der Bestimmung nicht richtig oder nur unvollkommen wiedergäbe. Die Möglichkeit einer Mietzinsindexierung ist gegen erhebliche Widerstände vorbehalten worden, weil je nach den Umständen sowohl Vermieter wie Mieter ein grosses Interesse an einem langfristigen Vertrag haben können, ein Vermieter sich aber im allgemeinen nicht zum Abschluss eines Mietvertrages mit mehrjähriger fester Dauer bereit erklärt, wenn während dieser Zeit der Mietzins nicht verändert werden darf (BGE 108 II 468 E. c mit Hinweisen). Die Mietzinsindexierung ist mithin der dem Vermieter unter den Voraussetzungen von Art. 9 BMM zugestandene Ausgleich für eine langdauernde vertragliche Verpflichtung; als solcher aber ist er einzig von der Dauer der Bindung des Vermieters an den Vertrag, nicht zugleich und notwendigerweise auch von jener des Mieters abhängig. Für die Indexierung gemäss Art. 9 BMM genügt es deshalb, wenn nur der Vermieter sich auf eine feste Verpflichtung einlässt. Die Behauptung, die vorgeschriebene Mindestvertragsdauer ziele ebenso auf einen Schutz des Vermieters ab
BGE 112 II 69 S. 72

(MÜLLER, Der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972, S. 124), lässt sich durch nichts belegen und widerspricht sowohl dem Zweck des Bundesbeschlusses wie auch der Entstehungsgeschichte der fraglichen Bestimmung; sie taugt daher nicht, um den gezogenen Schluss zu entkräften. Art. 9 BMM gehört zu den relativ zwingenden Normen, bei welchen Abänderungen lediglich zu Ungunsten des Mieters ausgeschlossen sind (Art. 5 BMM). Um eine solche geht es hier indessen erkennbar nicht, wenn für die Anwendbarkeit jener Bestimmung eine mindestens fünfjährige Bindung lediglich des Vermieters und nicht zugleich auch des Mieters verlangt wird, der Mieter also im Vergleich zu einem auf fünf Jahre festen Mietvertrag einen zusätzlichen Vorteil geniesst. Diese Auslegung steht im Einklang mit Wortlaut und Sinn, der Entstehungsgeschichte sowie dem Charakter der Norm. Sie wird denn auch von jenen Autoren, welche die Frage einlässlich behandeln, mit den gleichen oder ähnlichen Argumenten gestützt (RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, S. 93 f.; BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, S. 106).