Urteilskopf

111 II 455

87. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. November 1985 i.S. Y. AG gegen X. (Berufung)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 455

BGE 111 II 455 S. 455

A.- X. war Inhaberin von 17 nationalen Patenten, darunter auch des schweizerischen, über ein ferngesteuertes, motorisch angetriebenes Gerät zum Einziehen von Leitungsdrähten in Rohre, und von entsprechenden Patentanmeldungen in vier weiteren Ländern. Mit schriftlichem Vertrag vom 3. Mai 1973 verkaufte sie der Y. AG sämtliche ihr in den 21 Ländern zustehenden Schutzrechte zum Preis von Fr. 1'000'000.--. Die Käuferin bezahlte die beiden ersten Kaufpreisraten von Fr. 300'000.-- und Fr. 350'000.--, nicht aber die am 3. Mai 1975 fällige Restrate von Fr. 350'000.--; sie machte geltend, die Erfindung sei gewerblich nicht verwertbar.
B.- Am 22. November 1979 klagte X. gegen die Y. AG auf Zahlung der ausstehenden Fr. 350'000.-- nebst Zins. Die Beklagte widersetzte sich der Klage und macht Nichtigkeit des Patentes geltend; sie forderte widerklageweise ihre Zahlung von
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Fr. 300'000.-- und Fr. 350'000.-- nebst Zins zurück. Das Amtsgericht Solothurn-Lebern wies die Klage am 13. April 1983 ab und hiess die Widerklage gut. Das Obergericht des Kantons Solothurn schützte dagegen am 8. März eine Appellation der Klägerin; es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von Fr. 350'000.-- nebst 5% Zins seit 4. Mai 1975 und wies die Widerklage ab.
C.- Auf Berufung der Beklagten bestätigt das Bundesgericht das obergerichtliche Urteil.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Das Obergericht verneint die Haftung der Klägerin in analoger Anwendung von Art. 192
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 192 - 1 Der Verkäufer hat dafür Gewähr zu leisten, dass nicht ein Dritter aus Rechtsgründen, die schon zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden haben, den Kaufgegenstand dem Käufer ganz oder teilweise entziehe.
1    Der Verkäufer hat dafür Gewähr zu leisten, dass nicht ein Dritter aus Rechtsgründen, die schon zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden haben, den Kaufgegenstand dem Käufer ganz oder teilweise entziehe.
2    Kannte der Käufer zur Zeit des Vertragsabschlusses die Gefahr der Entwehrung, so hat der Verkäufer nur insofern Gewähr zu leisten, als er sich ausdrücklich dazu verpflichtet hat.
3    Eine Vereinbarung über Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht ist ungültig, wenn der Verkäufer das Recht des Dritten absichtlich verschwiegen hat.
OR. Es stützt sich dafür auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die Nichtigerklärung eines verkauften Patents den Kaufvertrag über das Patent nicht ungültig macht, sondern zur Haftung des Verkäufers nach den Regeln über die Entwehrung führt (BGE 110 II 241 ff. E. 1 d und e). Die Beklagte bestreitet, dass diese Rechtsprechung massgebend sei, weil es um den Kauf einer gewerblich nicht anwendbaren Erfindung oder eines Patents über eine die Aufgabe der Erfindung nicht lösende Lehre gehe. Es liege ein Kaufobjekt vor, das nicht einmal den Schein eines Rechts darstelle und bei dem der Käufer im Unterschied zu den anderen Patentnichtigkeitsgründen die Vorteile des Patents nicht bis zu dessen Nichtigerklärung geniessen könne. Die sachgerechte Rechtsfolge bestehe daher nicht in der Anwendung der Rechtsgewährregeln, sondern in der Nichtigerklärung des Vertrags wegen unmöglichen Inhalts gemäss Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR.
Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung, insbesondere auch in BGE 110 II 243, keine Einschränkung gemacht und äusserte sich wie die von ihm zitierten Autoren zur Gültigkeit von Kaufverträgen über nichtige Patente ohne zu unterscheiden, ob das Fehlen der Neuheit, der Erfindungshöhe oder der gewerblichen Anwendbarkeit die Nichtigkeit bewirke (Art. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 1 - 1 Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden Erfindungspatente erteilt.
1    Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden Erfindungspatente erteilt.
2    Was sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 7 Abs. 2) ergibt, ist keine patentierbare Erfindung.7
3    Die Patente werden ohne Gewährleistung des Staates erteilt.8
und 26
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 26 - 1 Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
1    Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
a  der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 1, 1a, 1b und 2 nicht patentierbar ist;
b  die Erfindung in der Patentschrift nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann sie ausführen kann;
c  der Gegenstand des Patents über den Inhalt des Patentgesuchs in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung hinausgeht;
d  der Patentinhaber weder der Erfinder noch dessen Rechtsnachfolger ist noch aus einem andern Rechtsgrund ein Recht auf das Patent hatte.69
2    Ist ein Patent unter Anerkennung einer Priorität erteilt worden und hat die Anmeldung, deren Priorität beansprucht ist, nicht zum Patent geführt, so kann der Richter vom Patentinhaber verlangen, die Gründe anzugeben und Beweismittel vorzulegen; wird die Auskunft verweigert, so würdigt dies der Richter nach freiem Ermessen.70
PatG). Soweit die beiden ersten Nichtigkeitsgründe ausdrücklich erwähnt werden, geschieht das regelmässig im Sinn eines Beispiels. Eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten aufgeworfenen Frage erübrigt sich aber, wenn die Beklagte das Risiko mangelnder gewerblicher Verwertungsmöglichkeit der Patente vertraglich auf sich genommen hat. Eine solche Vertragsabrede ist auf jeden Fall als gültig zu betrachten (TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Aufl., S. 870),
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unbekümmert darum, wieweit sonst eine in Kenntnis eventueller Unmöglichkeit übernommene Verpflichtung wirksam ist (wie etwa ein Garantieversprechen, BGE 76 II 38 E. 4, oder die Zusicherung einer unmöglich zu verwirklichenden Eigenschaft einer Kaufsache, BUCHER, OR, Allg. Teil, S. 216).
3. Der Vertrag enthält folgende Bestimmungen:
"Art. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 26 - 1 Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
1    Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
a  der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 1, 1a, 1b und 2 nicht patentierbar ist;
b  die Erfindung in der Patentschrift nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann sie ausführen kann;
c  der Gegenstand des Patents über den Inhalt des Patentgesuchs in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung hinausgeht;
d  der Patentinhaber weder der Erfinder noch dessen Rechtsnachfolger ist noch aus einem andern Rechtsgrund ein Recht auf das Patent hatte.69
2    Ist ein Patent unter Anerkennung einer Priorität erteilt worden und hat die Anmeldung, deren Priorität beansprucht ist, nicht zum Patent geführt, so kann der Richter vom Patentinhaber verlangen, die Gründe anzugeben und Beweismittel vorzulegen; wird die Auskunft verweigert, so würdigt dies der Richter nach freiem Ermessen.70
:
X. versichert ausdrücklich, dass Anfechtungen der bereits erteilten Patente bis heute nicht erfolgt sind. Sie erklärt nach bestem Wissen und Gewissen, dass ihr keine etwa bestehenden Rechte Dritter an der Erfindung bekannt sind. Trotzdem vermag sie die Rechtsgültigkeit der eingangs erwähnten Patente nicht zu gewährleisten. Art. 3:
Die Y. AG hat vor Abschluss des Vertrages den Erfindungsgegenstand auf Grund der vorliegenden Patentschriften bzw. Patentanmeldungen wie auch auf Grund eines vorhandenen Funktionsmodelles eingehend geprüft und sich von der Brauchbarkeit und wirtschaftlichen Zweckmässigkeit desselben überzeugt." Ein übereinstimmender innerer Willen der Parteien, welcher in erster Linie massgebend wäre (Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR), ist nicht festgestellt. Die Bestimmungen sind daher nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. In Art. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 26 - 1 Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
1    Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
a  der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 1, 1a, 1b und 2 nicht patentierbar ist;
b  die Erfindung in der Patentschrift nicht so dargelegt ist, dass der Fachmann sie ausführen kann;
c  der Gegenstand des Patents über den Inhalt des Patentgesuchs in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung hinausgeht;
d  der Patentinhaber weder der Erfinder noch dessen Rechtsnachfolger ist noch aus einem andern Rechtsgrund ein Recht auf das Patent hatte.69
2    Ist ein Patent unter Anerkennung einer Priorität erteilt worden und hat die Anmeldung, deren Priorität beansprucht ist, nicht zum Patent geführt, so kann der Richter vom Patentinhaber verlangen, die Gründe anzugeben und Beweismittel vorzulegen; wird die Auskunft verweigert, so würdigt dies der Richter nach freiem Ermessen.70
(dritter Satz) ist die Gewährleistung für die Rechtsgültigkeit der Patente ausdrücklich wegbedungen worden. Ob das unbekümmert um den konkreten Nichtigkeitsgrund zu verstehen ist und damit auch die angeblich fehlende gewerbliche Anwendbarkeit erfasst, kann dahingestellt bleiben. Aus Art. 3 geht hervor, dass die Beklagte sich des Risikos hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit bewusst war. Sie hat sich zudem nicht auf eine allfällige Prüfung des Veräusserers verlassen (dazu TROLLER, a.a.O., S. 870, der andernfalls den Veräusserer für die gewerbliche Anwendbarkeit, wenn auch nicht für die Rentabilität der Benutzung als haftbar betrachtet), vielmehr diese anhand des Funktionsmodells selber "eingehend" vorgenommen. Das kann nach Treu und Glauben nur bedeuten, dass sie das damit verbundene Risiko auf sich genommen hat. Wenn sie hinterher erkennen muss, dass sie das Risiko falsch eingeschätzt oder die Prüfung zu wenig gründlich vorgenommen hat, vermag dies an der vertraglichen Situation nichts zu ändern. Daraus folgt, dass die Haftung der Klägerin gestützt auf den Vertrag ausgeschlossen werden muss und demnach der Hauptstandpunkt der Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis bestätigt werden kann. Ob im übrigen die Patente nichtig sind, wie die Beklagte
BGE 111 II 455 S. 458

behauptet, die Vorinstanz indes ebenfalls verneint, braucht unter diesen Umständen nicht untersucht zu werden.