Urteilskopf

111 II 173

37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Juli 1985 i.S. X. und Konsorten gegen Firma Y. (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 173

BGE 111 II 173 S. 173

Aus den Erwägungen:

5. Gemäss Art. 368 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 368 - 1 Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
1    Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
2    Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage minder erheblich, so kann der Besteller einen dem Minderwerte des Werkes entsprechenden Abzug am Lohne machen oder auch, sofern dieses dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, die unentgeltliche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden Schadenersatz verlangen.
3    Bei Werken, die auf dem Grund und Boden des Bestellers errichtet sind und ihrer Natur nach nur mit unverhältnismässigen Nachteilen entfernt werden können, stehen dem Besteller nur die im zweiten Absatz dieses Artikels genannten Rechte zu.
OR kann der Besteller die unentgeltliche Verbesserung des Werkes nur verlangen, sofern dies dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht. Die Kläger werfen dem Appellationshof vor, diese Bestimmung falsch ausgelegt und angewendet zu haben. Der Appellationshof hat gestützt auf die neuere schweizerische Literatur, welche der deutschen Lehre zum inhaltsgleichen § 633 Abs. 2 BGB entspricht, den Begriff der übermässigen Kosten grundsätzlich richtig ausgelegt. Nach diesen Lehrmeinungen muss ein Missverhältnis zwischen den voraussichtlichen Nachbesserungskosten
BGE 111 II 173 S. 174

und dem Nutzen bestehen, den die Mängelbeseitigung dem Besteller bringt; Kosten und Nutzen sind gegeneinander abzuwägen (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl., Nr. 1236 ff.; REBER, Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. Aufl., S. 149; CORBOZ, SJK Nr. 460 S. 15, Fussnote 125; STAUDINGER/RIEDEL, Recht der Schuldverhältnisse, 11. Aufl., N. 24 zu § 633 BGB; MÜNCH KOMM/SOERGEL, N. 100 zu § 633 BGB; INGENSTAU/KORBION, Kommentar zur VOB, 10. Aufl., N. 193 zu § 13 VBO/B). Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beurteilung, wie sie der Appellationshof im Ergebnis vorgenommen hat, ist das Verhältnis der Nachbesserungskosten zu den Baukosten oder zum vereinbarten Werklohn nicht massgebend (GAUCH, a.a.O., Nr. 1237; REBER, a.a.O., S. 150; MÜNCH KOMM/SOERGEL, N. 100 zu § 633 BGB; INGENSTAU/KORBION, N. 193 zu § 13 VBO/B; anderer Ansicht: GAUTSCHI, N. 13b zu Art. 368
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 368 - 1 Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
1    Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
2    Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage minder erheblich, so kann der Besteller einen dem Minderwerte des Werkes entsprechenden Abzug am Lohne machen oder auch, sofern dieses dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, die unentgeltliche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden Schadenersatz verlangen.
3    Bei Werken, die auf dem Grund und Boden des Bestellers errichtet sind und ihrer Natur nach nur mit unverhältnismässigen Nachteilen entfernt werden können, stehen dem Besteller nur die im zweiten Absatz dieses Artikels genannten Rechte zu.
OR; ähnlich PEDRAZZINI, SPR Bd. VII/1, S. 517). Bei der Abwägung von Kosten und Nutzen können auf seiten des Bestellers nicht nur wirtschaftliche, sondern auch nichtwirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden (GAUCH, a.a.O., Nr. 1241). Die Nachbesserungskosten umfassen neben dem Aufwand für die eigentliche Mängelbeseitigung auch die damit verbundenen Begleitkosten für Vorbereitungs- und Wiederherstellungsarbeiten sowie die Mängelbehebungsfolgekosten, zu denen zum Beispiel solche für Ausquartierung und anderweitige Unterbringung von Hausbewohnern zählen (GAUCH, a.a.O., Nr. 1239). Da der Ausschluss des Nachbesserungsanspruchs bei übermässigen Kosten als Anwendungsfall der Untunlichkeit einer Realerfüllung den Unternehmer vor nach Treu und Glauben unzumutbaren Forderungen schützen soll, genügt es für den Wegfall des Nachbesserungsrechts, dass der Nutzen des Bestellers die mit der Verbesserung verbundenen Kosten vernünftigerweise nicht mehr zu rechtfertigen vermag (KLAUSER, Die werkvertragliche Mängelhaftung und ihr Verhältnis zu den allgemeinen Nichterfüllungsfolgen, Diss. ZH 1973, S. 113; GAUCH, a.a.O., Nr. 1236). Es besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, von diesen in der neueren Lehre überwiegend für massgebend erklärten Grundsätzen, denen die Rechtsprechung kantonaler Gericht gefolgt ist (vgl. den Entscheid des Zürcher Obergerichts in SJZ 78 (1982) S. 9), abzugehen.