Urteilskopf

111 Ib 242

47. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. November 1985 i.S. X. und Mitbeteiligte gegen den zuständigen Gerichtspräsidenten des Kantons Y. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 243

BGE 111 Ib 242 S. 243

Am 21. November 1983 ersuchte der leitende Oberstaatsanwalt des deutschen Bundeslandes Rheinland-Pfalz in Koblenz das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) um Rechtshilfe in einem Fall betreffend Steuerhinterziehung, wobei er geltend machte, nach schweizerischem Recht wäre die Verfehlung als Steuerbetrug zu qualifizieren. Der Sachverhalt wird wie folgt dargestellt: Frau A. und ihre Tochter B. seien alleinige Gesellschafter der Firma C. GmbH, die druckhydraulische Kippvorrichtungen für Maschinen der Abfallbeseitigung herstelle. Geschäftsführerin sei Frau D. Die drei genannten Personen seien verdächtig, für die Jahre 1970-1978 falsche Körperschaftssteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommenssteuererklärungen abgegeben zu haben, indem die Gewinne aus dem Geschäftsbetrieb um insgesamt rund 3,7 Millionen DM zu niedrig angegeben worden seien. Dadurch seien die drei genannten Steuern um insgesamt zwei Millionen DM
BGE 111 Ib 242 S. 244

zu tief festgesetzt worden. Dies sei ermöglicht worden durch inhaltlich falsche Rechnungen der Firma X. mit Sitz in der Schweiz. Diese Firma habe Rechnungen über von ihr nicht getätigte Maschinenteile-Lieferungen erstellt, die in den Geschäftsbüchern der C. GmbH als Betriebsausgaben gebucht worden seien. Die Firma C. GmbH lasse seit 1969 bis heute Teile für ihre Produktion durch die Firma E. in Spanien fertigen. Diese Teile seien unmittelbar von der Lieferfirma an die Firma C. GmbH versandt worden. Die Rechnungen für diese Lieferungen habe aber von 1970 bis August 1978 die Firma X. ausgestellt, und an sie sei auch der Lieferpreis bezahlt worden. Insgesamt habe die Firma X. 75 falsche Rechnungen im Gesamtwert von rund 7,4 Millionen DM erstellt. Ab 1979 habe die Firma E. in Spanien ihre Rechnungen selbst erstellt und auch die Lieferpreise direkt erhalten. Ein Preisvergleich zeige, dass die von der Firma E. in Rechnung gestellten Preise mindestens rund 50 von Hundert unter den Preisen der Firma X. lägen, wodurch Betriebsausgaben von rund 3,7 Millionen DM fingiert worden seien. Da die Firma X. als Domizilgesellschaft keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalte, somit am wirtschaftlichen Verkehr nicht teilnehme, könne sie die von ihr in Rechnung gestellten Lieferungen auch nicht ausgeführt haben. Aus diesen Umständen folge der dringende Verdacht, dass die angeführten Rechnungen inhaltlich falsch seien und somit Gefälligkeitsrechnungen darstellten. Nach schweizerischem Recht dürfte es sich um einen Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 3 Art der Tat - 1 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
1    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
2    Die Einrede des politischen Charakters wird keinesfalls berücksichtigt:
a  bei Völkermord;
b  bei einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c  bei einem Kriegsverbrechen; oder
d  wenn die Tat besonders verwerflich erscheint, weil der Täter zur Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte oder zu bringen drohte, namentlich durch Entführung eines Flugzeuges, Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen einer Katastrophe oder durch Geiselnahme.16
3    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Es kann jedoch entsprochen werden:
a  einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil dieses Gesetzes, wenn ein Abgabebetrug Gegenstand des Verfahrens ist;
b  einem Ersuchen nach allen Teilen dieses Gesetzes, wenn ein qualifizierter Abgabebetrug im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 197417 über das Verwaltungsstrafrecht Gegenstand des Verfahrens ist.18
des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) handeln. Die Verantwortlichen der Firma X. seien demnach verdächtig, Gefälligkeitsrechnungen zum Zweck der Steuerhinterziehung in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt zu haben, und zwar auf Anstiftung der eingangs genannten Verantwortlichen der Firma C. GmbH. Gestützt auf diese Darstellung des Sachverhaltes ersuchte die Staatsanwaltschaft Koblenz um eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma X. in der Schweiz und um Beschlagnahme und Herausgabe aller dabei vorgefundenen Beweismittel über die Geschäftsbeziehungen der genannten Firma mit der C. GmbH. Ferner seien die verantwortlichen Personen der Firma X., namentlich der Verwaltungsrat V., als Zeugen zu vernehmen. Nach Vorprüfung des Ersuchens im Sinne von Art. 78
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 78 Annahme und Weiterleitung - 1 Unter Vorbehalt der direkten Übermittlung an die zuständige ausführende kantonale oder eidgenössische Behörde nimmt das BJ die ausländischen Ersuchen entgegen.
1    Unter Vorbehalt der direkten Übermittlung an die zuständige ausführende kantonale oder eidgenössische Behörde nimmt das BJ die ausländischen Ersuchen entgegen.
2    Das BJ prüft summarisch, ob das Ersuchen den formellen Anforderungen entspricht, und leitet es an die zuständige ausführende Behörde weiter, sofern es nicht offensichtlich unzulässig erscheint.
3    Es sendet das Ersuchen nötigenfalls zur Verbesserung oder Ergänzung an den ersuchenden Staat zurück.
4    Annahme und Weiterleitung des Ersuchens an die zuständige Behörde können nicht angefochten werden.
5    Die Verfahrensbestimmungen nach Artikel 18 bleiben vorbehalten.
IRSG leitete das BAP das Gesuch an das Verhöramt des zuständigen Kantons weiter. Dieses erliess am 19. Dezember 1983 zwei Verfügungen,
BGE 111 Ib 242 S. 245

mit denen einerseits die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma X. und die Beschlagnahme der Unterlagen über die Geschäftsverbindung zwischen dieser Firma und der C. GmbH und anderseits die Vernehmung des Verwaltungsrates V. der genannten schweizerischen Firma als Zeuge angeordnet wurde. Am 4. Januar 1984 wurde auf ein entsprechendes deutsches Gesuch hin zusätzlich auch die Befragung des früheren Verwaltungsrates W. der Firma X. als Zeuge verfügt. Dem zuständigen deutschen Staatsanwalt, den Beschuldigten und ihrem Verteidiger wurde die Teilnahme an der Zeugenbefragung bewilligt. Gegen die Verfügungen des Verhöramtes vom 19. Dezember 1983/4. Januar 1984 führten die Firma X. sowie V. und W. Verwaltungsbeschwerde bzw. Rekurs. Mit Entscheid vom 12. April 1985 wies der zuständige kantonale Gerichtspräsident sowohl Rekurs als auch Verwaltungsbeschwerde ab; er bezeichnete die Verfügungen des Verhöramtes, mit welchen den Rechtshilfegesuchen der Staatsanwaltschaft Koblenz entsprochen wurde, sowie die in diesem Zusammenhang erlassene Beschlagnahmeverfügung des Verhöramtes als rechtmässig, und er gestattete den Untersuchungsorganen, die gemäss dieser Verfügung beschlagnahmten und versiegelten Akten der Firma X. zu durchsuchen. Die Firma X. sowie V. und W. erhoben am 29. Juli 1985 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen, die Verfügungen des Verhöramtes vom 19. Dezember 1983/4. Januar 1984 seien aufzuheben und die Rechtshilfegesuche der Staatsanwaltschaft Koblenz abzuweisen, und die beschlagnahmten Akten seien vollständig und unbeschwert der Firma X. zurückzugeben; eventuell sei die Beschwerde gutzuheissen und die Sache zur Neuentscheidung an den Gerichtspräsidenten zurückzuweisen.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. a) In früheren Jahrzehnten lehnte die Schweiz die Gewährung von Rechtshilfe für Fiskaldelikte grundsätzlich ab, ebenso wie diejenigen für politische und militärische Delikte. Das EÜR, dem die Schweiz mit Wirkung ab 20. März 1967 beigetreten ist, schliesst Rechtshilfe für derartige Tatbestände an sich nicht aus, lässt aber für einschränkende Auffassungen einzelner Mitgliedstaaten Raum. Art. 2 Abs. 1 lit. a lautet:
BGE 111 Ib 242 S. 246

"Die Rechtshilfe kann verweigert werden:
a. wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische, als mit solchen zusammenhängende oder als fiskalische strafbare Handlungen angesehen werden." Die eine Rechtshilfe auf fiskalischem Gebiet rundweg ausschliessende Haltung der Schweiz konnte indessen mit Rücksicht auf die Überhandnahme der internationalen Kriminalität und auf die Entwicklung in den übrigen Staaten mit einem dem schweizerischen einigermassen vergleichbaren Rechtssystem nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden. So lässt der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS) Rechtshilfe in Fiskalsachen ausnahmsweise dann zu, wenn es sich um den Kampf gegen das organisierte Verbrechertum handelt (Art. 7 Ziff. 1
IR 0.351.933.6 Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (mit Briefwechseln)
RVUS Art. 7 Umfang der Rechtshilfe - 1. Im ersuchten Staat werden Zwangsmassnahmen, auf die sich Artikel 4 bezieht, in bezug auf Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren im ersuchenden Staat selbst dann angewendet, wenn die Handlung nach dem im ersuchten Staat geltenden Recht nicht strafbar wäre oder nicht in der Liste erwähnt ist. Vorbehalten bleiben die Einschränkungen nach Absatz 2.
1    Im ersuchten Staat werden Zwangsmassnahmen, auf die sich Artikel 4 bezieht, in bezug auf Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren im ersuchenden Staat selbst dann angewendet, wenn die Handlung nach dem im ersuchten Staat geltenden Recht nicht strafbar wäre oder nicht in der Liste erwähnt ist. Vorbehalten bleiben die Einschränkungen nach Absatz 2.
2    Bei Ermittlungen und Verfahren wegen Verletzung von Vorschriften über die in Artikel 1 des Abkommens vom 24. Mai 19516 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erwähnten Steuern vom persönlichen Einkommen wird Rechtshilfe nach diesem Kapitel ausschliesslich dann geleistet, wenn aufgrund der vom ersuchenden Staat erteilten Auskünfte:
a  die in die Untersuchung oder das Verfahren verwickelte Person begründeterweise verdächtigt ist, zur oberen Schicht einer organisierten Verbrechergruppe zu gehören, oder als Mitglied, enger Verbündeter oder in anderer Eigenschaft an irgendeiner wichtigen Betätigung einer solchen Gruppe wesentlich beteiligt zu sein;
b  die Beweise, die erforderlich sind, um diese Person für eine Strafverfolgung mit Aussicht auf Erfolg mit Straftaten der organisierten Verbrechergruppe in Verbindung zu bringen, mit der die Person im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 verbunden ist, nach seiner Auffassung nicht ausreichen; und
c  seine Annahme begründet ist, dass die nachgesuchte Rechtshilfe die erfolgreiche Strafverfolgung dieser Person erheblich erleichtern und zu einer genügend langen Freiheitsstrafe führen dürfte, um schwerwiegende nachteilige Folgen für die organisierte Verbrechergruppe zu bewirken.
3    Die Absätze 1 und 2 sind nur anwendbar, wenn nach begründeter Auffassung des ersuchenden Staats die verlangten Auskünfte oder Beweismittel ohne die Mitwirkung der Behörden des ersuchten Staats nicht erlangt werden können, oder deren Beschaffung ohne diese Mitwirkung für den ersuchenden Staat oder seine Gliedstaaten eine unzumutbare Belastung bedeuten würde.
RVUS). In Art. 3 Abs. 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 3 Art der Tat - 1 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
1    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
2    Die Einrede des politischen Charakters wird keinesfalls berücksichtigt:
a  bei Völkermord;
b  bei einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c  bei einem Kriegsverbrechen; oder
d  wenn die Tat besonders verwerflich erscheint, weil der Täter zur Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte oder zu bringen drohte, namentlich durch Entführung eines Flugzeuges, Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen einer Katastrophe oder durch Geiselnahme.16
3    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Es kann jedoch entsprochen werden:
a  einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil dieses Gesetzes, wenn ein Abgabebetrug Gegenstand des Verfahrens ist;
b  einem Ersuchen nach allen Teilen dieses Gesetzes, wenn ein qualifizierter Abgabebetrug im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 197417 über das Verwaltungsstrafrecht Gegenstand des Verfahrens ist.18
IRSG wurde sodann die Frage wie folgt geregelt: "Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Jedoch kann einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil des Gesetzes entsprochen werden, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Abgabebetrug ist." Die Bestimmung wurde erst nach langen Diskussionen im National- und Ständerat sowie nach einem Differenzenbereinigungsverfahren in dieser Form genehmigt, wobei in beiden Räten starke Minderheiten entweder die Rechtshilfe in Fiskalfällen weiterhin völlig ausschliessen oder aber sie auch bei Abgabebetrug nur ausnahmsweise, bei Verletzung wichtiger Landesinteressen, gewähren wollten (vgl. Amtl.Bull. SR 1977 S. 612 ff. und 1980, S. 209 ff.; NR 1979 S. 647 ff. und 1980 S. 1339). Aus dem Wortlaut der neuen Bestimmung sowie aus den parlamentarischen Beratungen geht eindeutig hervor, dass eine Auslieferung wegen Abgabebetruges ausgeschlossen werden sollte, weshalb ausdrücklich auf den dritten Teil des IRSG - andere Rechtshilfe - verwiesen wurde. Was den Begriff des Abgabebetruges betrifft, so sollte dieser demjenigen von Art. 14
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 14 - 1 Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Bewirkt der Täter durch sein arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
3    Wer gewerbsmässig oder im Zusammenwirken mit Dritten Widerhandlungen nach Absatz 1 oder 2 in Abgaben- oder Zollangelegenheiten begeht und sich oder einem andern dadurch in besonders erheblichem Umfang einen unrechtmässigen Vorteil verschafft oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten besonders erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Sieht ein Verwaltungsgesetz für eine dem Absatz 1, 2 oder 3 entsprechende nicht arglistig begangene Widerhandlung eine Busse vor, so ist in den Fällen nach den Absätzen 1-3 zusätzlich eine Busse auszufällen. Deren Bemessung richtet sich nach dem entsprechenden Verwaltungsgesetz.
VStrR entsprechen; im übrigen wurde auf die bestehende Rechtsprechung des Bundesgerichtes zum Betrugstatbestand verwiesen. Zu bemerken ist ferner, dass der Bundesrat mit seiner Botschaft vom 31. August 1983 den Eidgenössischen Räten die Genehmigung von vier Zusatzprotokollen des Europarates auf dem Gebiet der Auslieferung, der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen
BGE 111 Ib 242 S. 247

und betreffend Auskünfte über ausländisches Recht zur Genehmigung unterbreitete (BBl 1983 IV S. 121 ff.). Das Zusatzprotokoll Nr. 99 sieht in Art. 1 vor, die Rechtshilfe dürfe nicht allein aus dem Grunde verweigert werden, weil das Ersuchen eine strafbare Handlung betreffe, welche die ersuchte Vertragspartei als eine fiskalische Handlung ansehe. Die Genehmigung dieses Teiles des Zusatzprotokolls Nr. 99 wurde jedoch vom Nationalrat wie auch vom Ständerat entgegen den Anträgen des Bundesrates abgelehnt (Amtl.Bull. NR 1984 I S. 591 ff.; SR 1985 S. 500 ff.). Aus dem Protokoll der Beratungen der Eidgenössischen Räte geht hervor, dass deren Mehrheit eine Ausdehnung der Rechtshilfe in Fiskalsachen trotz der entsprechenden Entwicklung in verschiedenen Nachbarstaaten der Schweiz nicht wünschte. Im übrigen betonten mehrere Votanten, es sei nun Sache des Bundesgerichtes, den Begriff des Abgabebetruges - für den nach dem Gesagten die Rechtshilfe zulässig ist - durch seine Praxis zu umschreiben (Nationalrat: Kommissionspräsident Widmer, Amtl.Bull. 1984 S. 592, Nationalräte Pini, S. 594, Braunschweig, S. 596, Eggly, S. 597, Leo Weber, S. 598, und Schmid, S. 600; Ständeräte Meylan, Amtl.Bull. 1985 S. 502, und Masoni, S. 503).
b) Aus der vorstehend zitierten parlamentarischen Beratung und aus der Literatur ergibt sich, dass sich der in Art. 3 Abs. 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 3 Art der Tat - 1 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
1    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
2    Die Einrede des politischen Charakters wird keinesfalls berücksichtigt:
a  bei Völkermord;
b  bei einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c  bei einem Kriegsverbrechen; oder
d  wenn die Tat besonders verwerflich erscheint, weil der Täter zur Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte oder zu bringen drohte, namentlich durch Entführung eines Flugzeuges, Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen einer Katastrophe oder durch Geiselnahme.16
3    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Es kann jedoch entsprochen werden:
a  einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil dieses Gesetzes, wenn ein Abgabebetrug Gegenstand des Verfahrens ist;
b  einem Ersuchen nach allen Teilen dieses Gesetzes, wenn ein qualifizierter Abgabebetrug im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 197417 über das Verwaltungsstrafrecht Gegenstand des Verfahrens ist.18
IRSG enthaltene Begriff des "Abgabebetruges" mit demjenigen deckt, der in Art. 14
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 14 - 1 Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Bewirkt der Täter durch sein arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
3    Wer gewerbsmässig oder im Zusammenwirken mit Dritten Widerhandlungen nach Absatz 1 oder 2 in Abgaben- oder Zollangelegenheiten begeht und sich oder einem andern dadurch in besonders erheblichem Umfang einen unrechtmässigen Vorteil verschafft oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten besonders erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Sieht ein Verwaltungsgesetz für eine dem Absatz 1, 2 oder 3 entsprechende nicht arglistig begangene Widerhandlung eine Busse vor, so ist in den Fällen nach den Absätzen 1-3 zusätzlich eine Busse auszufällen. Deren Bemessung richtet sich nach dem entsprechenden Verwaltungsgesetz.
VStrR umschrieben ist (vgl. dazu PAOLO BERNASCONI, Das Schweizer Bankgeheimnis und das neue Rechtshilfegesetz in Strafsachen, in: Der Schweizer Treuhänder 1983, S. 13/14; LIONEL FREI, Zwei Jahre Rechtshilfe bei Abgabebetrug, in: Steuer-Revue 1985, Heft 4, S. 191; HANS SCHULTZ, Bankgeheimnis und internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Bankverein-Heft Nr. 22 S. 26; FERDINAND ZUPPINGER, Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, in: Archiv für schweizerisches Abgaberecht, Band 50, S. 27). Es wurde auch nie bestritten, dass für die Auslegung von Art. 3 Abs. 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 3 Art der Tat - 1 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
1    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
2    Die Einrede des politischen Charakters wird keinesfalls berücksichtigt:
a  bei Völkermord;
b  bei einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c  bei einem Kriegsverbrechen; oder
d  wenn die Tat besonders verwerflich erscheint, weil der Täter zur Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte oder zu bringen drohte, namentlich durch Entführung eines Flugzeuges, Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen einer Katastrophe oder durch Geiselnahme.16
3    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Es kann jedoch entsprochen werden:
a  einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil dieses Gesetzes, wenn ein Abgabebetrug Gegenstand des Verfahrens ist;
b  einem Ersuchen nach allen Teilen dieses Gesetzes, wenn ein qualifizierter Abgabebetrug im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 197417 über das Verwaltungsstrafrecht Gegenstand des Verfahrens ist.18
IRSG ebenso wie für diejenige von Art. 14
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 14 - 1 Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben oder eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht oder so bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Bewirkt der Täter durch sein arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
3    Wer gewerbsmässig oder im Zusammenwirken mit Dritten Widerhandlungen nach Absatz 1 oder 2 in Abgaben- oder Zollangelegenheiten begeht und sich oder einem andern dadurch in besonders erheblichem Umfang einen unrechtmässigen Vorteil verschafft oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten besonders erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Sieht ein Verwaltungsgesetz für eine dem Absatz 1, 2 oder 3 entsprechende nicht arglistig begangene Widerhandlung eine Busse vor, so ist in den Fällen nach den Absätzen 1-3 zusätzlich eine Busse auszufällen. Deren Bemessung richtet sich nach dem entsprechenden Verwaltungsgesetz.
VStrR die Umschreibung des Betrugsbegriffs in Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
StGB und die dazu bestehende bundesgerichtliche Rechtsprechung massgebend ist. Der Kassationshof des Bundesgerichts hat als Steuerbetrug entsprechend der steuerrechtlichen Lehre ein Verhalten des Steuerpflichtigen bezeichnet, der die Steuerbehörden aufgrund von falschen, gefälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden über die für die Quantifizierung des Steueranspruchs erheblichen Tatsachen täuscht, um auf diese Weise eine
BGE 111 Ib 242 S. 248

unrichtige, für ihn günstige Einschätzung zu erreichen (BGE 110 IV 28 mit Hinweis). Dieser Entscheid, der sich nicht auf Rechtshilfeverfahren bezog, ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre dahin zu ergänzen, dass der Steuerbetrug nicht notwendigerweise die Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden voraussetzt, sondern dass auch andere Fälle arglistiger Täuschung der Steuerbehörden denkbar sind, z.B. durch ein für diese Behörden nicht durchschaubares Zusammenwirken des Steuerpflichtigen mit Dritten (BERNASCONI, a.a.O. S. 14; SCHULTZ, a.a.O. S. 26; ZUPPINGER, a.a.O. S. 27). Jedenfalls aber sind besondere Machenschaften, Kniffe oder ein ganzes Lügengebäude Voraussetzung dafür, dass arglistige Täuschung anzunehmen ist. Unter bestimmten Umständen kann allerdings auch blosses Schweigen arglistig sein, dann nämlich, wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird (BGE 107 IV 170 ff.; ferner BGE 108 Ib 298 und BGE 110 IV 23). c) Liegen die genannten Voraussetzungen eines Steuerbetruges vor, so kann es nicht mehr dem Ermessen der schweizerischen Behörden überlassen sein, ob Rechtshilfe zu gewähren sei oder nicht. Der in Art. 3 Abs. 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 3 Art der Tat - 1 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
1    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat, eine Verletzung der Pflichten zu militärischen oder ähnlichen Dienstleistungen darstellt oder gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des ersuchenden Staats gerichtet erscheint.
2    Die Einrede des politischen Charakters wird keinesfalls berücksichtigt:
a  bei Völkermord;
b  bei einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c  bei einem Kriegsverbrechen; oder
d  wenn die Tat besonders verwerflich erscheint, weil der Täter zur Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte oder zu bringen drohte, namentlich durch Entführung eines Flugzeuges, Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen einer Katastrophe oder durch Geiselnahme.16
3    Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Es kann jedoch entsprochen werden:
a  einem Ersuchen um Rechtshilfe nach dem dritten Teil dieses Gesetzes, wenn ein Abgabebetrug Gegenstand des Verfahrens ist;
b  einem Ersuchen nach allen Teilen dieses Gesetzes, wenn ein qualifizierter Abgabebetrug im Sinne von Artikel 14 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 197417 über das Verwaltungsstrafrecht Gegenstand des Verfahrens ist.18
letzter Satz IRSG enthaltene Ausdruck "kann" ist nicht in diesem Sinne auszulegen, da sonst eine der Willkür nahekommende Rechtsunsicherheit die Folge wäre. Dies ist denn auch die Praxis des BAP (vgl. "Wegleitung" dieses Amtes vom 15. Oktober 1982, S. 15). Ihre Richtigkeit wurde auch anlässlich der letzten, vorstehend erwähnten parlamentarischen Beratung der Zusatzprotokolle praktisch nicht bestritten (Voten von Bundesrat Friedrich, Amtl.Bull. NR 1984 S. 602, sowie der Nationalräte Sager, a.a.O. S. 595, und Braunschweig, a.a.O. S. 596; kritisch, jedoch hinsichtlich der Auslegung des geltenden Rechts nicht ablehnend Ständerat Masoni, Amtl.Bull. SR 1985, S. 503).
5. a) Von der vorstehend dargelegten Rechtslage ausgehend ist zu prüfen, ob Gegenstand des Rechtshilfebegehrens der BRD ein Abgabebetrug (und nicht eine zwar sowohl nach deutschem als nach schweizerischem Recht ebenfalls strafbare, jedoch nicht zu Rechtshilfe berechtigende Steuerhinterziehung oder gar eine blosse Steuervermeidung) darstelle. Das sorgfältig begründete Urteil des zuständigen kantonalen Gerichtspräsidenten gelangt dazu, die Frage, ob die Behörden der BRD einen Abgabebetrug hinlänglich geltend gemacht hätten, zu bejahen. Die Auffassung des
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Landgerichtspräsidiums bedarf indessen einer Überprüfung im Lichte neuer Tatsachen, nämlich der einer ausdehnenden Interpretation des Begriffs des Abgabebetruges kritisch gegenüberstehenden Auffassung der Mehrheit des eidgenössischen Parlamentes, wie sie bei der erwähnten Debatte über das Zusatzprotokoll Nr. 99 zutage getreten ist, und einzelner in jüngster Zeit bekannt gewordener Entscheide des BAP. b) Im Rechtshilfe-Ersuchen der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 21. November 1983 wird der C. GmbH zusammenfassend zur Last gelegt, sie habe zwischen 1970 und 1978 von der spanischen Firma E. Bestandteile für ihre Erzeugnisse bezogen, für die aber die Rechnungen von der Firma X. ausgestellt worden seien; auch der Preis für diese Bestandteile sei an die Firma X. bezahlt worden. Später habe die Firma E. ihre Rechnungen direkt an die C. GmbH gestellt, wobei die Preise nur noch etwa halb so hoch gewesen seien. Da es sich zudem bei der Firma X. um eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb handle, könne sie auch die Lieferungen zwischen 1970 und 1978 nicht getätigt haben. Hieraus ergebe sich der dringende Verdacht, dass ihre Rechnungen inhaltlich falsch seien und blosse Gefälligkeitsrechnungen darstellten, dazu bestimmt, die buchmässigen Ausgaben der C. GmbH zu erhöhen und demgemäss ihre für die Steuerveranlagung massgebenden Gewinne zu reduzieren. Wenn die Firma X. der C. GmbH vereinbarungsgemäss für Fabrikate einer Drittfirma wesentlich überhöhte Rechnungen gestellt haben sollte, so läge darin zweifellos ein Steuerbetrug im Sinne des schweizerischen Rechtes, falls die Differenz zwischen dem Fakturabetrag und dem wahren Handelswert in der Folge in der einen oder anderen Form an die C. GmbH zurückgeflossen sein sollte. Es würde sich dann um eine künstliche Verminderung des Geschäftsgewinnes der C. GmbH zum Nachteil des deutschen Fiskus handeln, die unter Verwendung inhaltlich falscher Rechnungen herbeigeführt worden wäre und somit klarerweise als arglistig erschiene. Allein dieser Sachverhalt lässt sich dem Rechtshilfe-Ersuchen nicht entnehmen. Es fehlt das Bindeglied zwischen den auch nach der Darstellung der deutschen Behörden effektiv an die Firma X. bezahlten, über dem wirklichen Marktwert liegenden Warenpreisen und dem Gewinn der C. GmbH. Das Zahlen überhöhter Rechnungen ist an sich kein Steuerbetrug, sofern sich der Firmengewinn tatsächlich entsprechend reduziert. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb eine deutsche Firma spanische Erzeugnisse
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nicht von einer schweizerischen Firma sollte erwerben dürfen, selbst wenn diese nicht über Geschäftslokale verfügt und die Ware unmittelbar vom Fabrikanten an den deutschen Abnehmer liefern lässt. Werden lediglich die genannten, im Rechtshilfe-Ersuchen enthaltenen Tatsachen berücksichtigt (und eine Ergänzung von Amtes wegen ist, wie bereits erwähnt, nicht zulässig), so kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die C. GmbH entweder in den Jahren 1970 bis 1978 tatsächlich sehr ungünstig eingekauft oder dass sie durch die überhöhten Zahlungen an die Firma X. andere Verpflichtungen abgedeckt hat. Damit reichen diese im Gesuch enthaltenen Tatsachen nicht aus, um darzutun, dass das Verhalten der Organe der C. GmbH, wenn es sich in der Schweiz abgespielt hätte, als Steuerbetrug zu qualifizieren gewesen wäre. Es fehlt das entscheidende Merkmal des unmittelbaren oder mittelbaren Kapitalrückflusses. c) In der vorstehend zitierten neuesten Arbeit von LIONEL FREI über Rechtshilfe bei Abgabebetrug werden zwei Fälle dargestellt, die sich mit dem vorliegenden weitgehend vergleichen lassen. In beiden Fällen wurde die Rechtshilfe vom BAP verweigert, weil es sich um Fälle blosser Steuerumgehung gehandelt habe (vgl. LIONEL FREI, in: Steuer-Revue 1985, Heft 4, S. 189/190). In der Vernehmlassung des BAP wird allerdings hierzu bemerkt, im vorliegenden Falle hätten die Rechnungen der Firma X. zu Unrecht festgehalten, dass diese Firma - und nicht die Firma E. - die Maschinenteile geliefert habe. Indessen geht es nicht an, hierin einen entscheidenden Unterschied zu sehen. Es erscheint als selbstverständlich, dass diejenige Firma, welche als Verkäuferin auftritt und Rechnung stellt, die Ware als von ihr geliefert bezeichnet, selbst wenn sie diese anderswo bezieht und sie direkt an die Verbraucherfirma liefern lässt, so dass sie blosse Zwischenhändlerin ist. Inhaltlich unwahre und damit zur Erfüllung des Tatbestandes des Steuerbetruges geeignete Urkunden würden die Rechnungen nur darstellen, wenn sie bloss pro forma gestellt worden wären, d.h. wenn die Zahlungen ganz oder zu einem wesentlichen Teil von der C. GmbH direkt an die spanische Firma E. geleistet worden oder an die C. GmbH zurückgeflossen wären. Dies trifft indessen nach dem Rechtshilfe-Ersuchen nicht zu. Vielmehr wird dort ausdrücklich bemerkt, der in Rechnung gestellte Lieferpreis sei tatsächlich auch an die Firma X. bezahlt worden. Die Rechnungen erscheinen somit nicht als inhaltlich falsch. Bei dieser Sachlage reicht das Ersuchen nicht aus, um einen Abgabebetrug im Sinne des schweizerischen
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Rechtes darzutun. Dabei wird von den deutschen Behörden nicht ein strikter Beweis dieses Tatbestandes verlangt, doch müssten sie hinreichende Verdachtsmomente für das Vorliegen eines Steuerbetruges darlegen, damit ihrem Gesuch entsprochen werden könnte.
6. Die Beschwerdeführerin beantragt nicht nur, es sei dem Rechtshilfe-Ersuchen keine Folge zu geben, sondern sie verlangt zusätzlich, dass die Beschlagnahmeverfügung des Verhöramtes des Kantons Y. aufgehoben werde und ihr "sämtliche beschlagnahmten Akten vollständig und unbeschwert zurückzugeben" seien. Indessen folgt die Berechtigung dieses Begehrens keineswegs automatisch aus der Tatsache, dass dem Rechtshilfebegehren, so, wie es abgefasst ist, nicht entsprochen werden kann. Urteilen, mit denen einem Rechtshilfebegehren nicht stattgegeben wird, kommt nur in sehr eingeschränktem Masse materielle Rechtskraft zu. Das Gesuch kann vielmehr erneuert werden, wenn zu denjenigen Tatsachen, die im Urteil behandelt worden sind, weitere Umstände von einer gewissen Bedeutung hinzutreten (BGE 110 Ib 179 E. 4c; BGE 109 Ib 157 E. 1b, 161/162 E. 2b mit Hinweisen). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, obschon die in BGE 109 Ib 157 gewählte Formulierung wohl etwas zu weit geht. Im vorliegenden Fall fällt auf, dass die Beschwerdeführer sich ausschliesslich auf Bestreitungen beschränkt haben, und zwar vorwiegend auf solche formeller Art. Sie haben es unterlassen, die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Firma X. und der C. GmbH aus ihrer Sicht in grossen Zügen darzulegen, wie dies - namentlich gegenüber den schweizerischen Behörden - ohne erkennbares Risiko möglich gewesen wäre, wenn, wie in allgemeiner Form geltend gemacht wird, keine unlauteren Geschäftsvorgänge gegeben sind. Bei dieser Sachlage ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz in der Lage ist, in einem neuen Rechtshilfe-Ersuchen eine ergänzte Tatbestandsdarstellung zu geben. Mit dieser Möglichkeit ist um so mehr zu rechnen, als seit der Gesuchstellung nun mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Die Erhebungen innerhalb der BRD können in dieser Zeit durchaus weiter gediehen sein. Bei dieser Sachlage erscheint es als gegeben, dem zweiten Begehren der Beschwerdeführer nicht zu entsprechen und das Verhöramt des Kantons Y. zu ermächtigen, die beschlagnahmten und versiegelten Akten analog zu einer vorläufigen Massnahme (Art. 45
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 45 Sicherstellung von Gegenständen - 1 Bei der Festnahme werden Gegenstände und Vermögenswerte, die als Beweismittel im ausländischen Strafverfahren dienen können oder aus der strafbaren Handlung herrühren, sichergestellt.
1    Bei der Festnahme werden Gegenstände und Vermögenswerte, die als Beweismittel im ausländischen Strafverfahren dienen können oder aus der strafbaren Handlung herrühren, sichergestellt.
2    Die kantonalen Behörden können nötigenfalls die Durchsuchung des Festgenommenen und der Räume anordnen.
IRSG) während einer Frist von sechs Monaten, von der Zustellung des begründeten Urteils an das Gerichtspräsidium an gerechnet,

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zurückzubehalten. Im gleichen Sinne hat das Bundesgericht schon in verschiedenen früheren Fällen entschieden (BGE 103 Ia 216; nicht publizierte Erw. 3c zu BGE 106 Ib 260; nicht publiziertes Urteil vom 3. August 1982 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt). Geht innert dieser Frist kein neues, inhaltlich ausreichendes Rechtshilfebegehren ein, so werden die Akten unbeschwert an die Firma X. zurückzuerstatten sein. Demgemäss ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann, im Sinne der Erwägungen teilweise gutzuheissen, und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, soweit er über die Bestätigung der Beschlagnahmeverfügung des Verhöramtes des Kantons Y. vom 19. Dezember 1983 hinausgeht. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet und daher abzuweisen.