Urteilskopf

110 Ia 1

1. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. März 1984 i.S. Dr. X gegen Staat Zürich, Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 2

BGE 110 Ia 1 S. 2

Im Kanton Zürich wurde 1970 die Steuerpflicht für realisierte Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen durch Aufhebung von § 23 des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern vom 8. Juli 1951 (StG; GS 631.1) abgeschafft. Seither werden Gewinne auf börsenmässigen Komptantgeschäften nicht mehr mit der Einkommenssteuer erfasst. Rechtsanwalt Dr. X wurde am 20. September/2. Oktober 1978 für das Steuerjahr 1974 mit einem Reineinkommen von Fr. 435'300.-, 1975 mit einem solchen von Fr. 573'800.- und 1976 mit Fr. 515'000.- eingeschätzt. Dabei waren abweichend von den Steuererklärungen von Dr. X Einkünfte aus börsenmässigen Termindifferenzgeschäften, die der Steuerpflichtige und seine Ehefrau in den Bemessungsjahren 1973-1975 über die Compagnie Luxembourgeoise de la Dresdner Bank AG, Luxemburg, hatten abwickeln lassen, gemäss der Praxis des Zürcher Verwaltungsgerichts als steuerbares Einkommen erfasst sowie Prämien für eine Lebensversicherung als nicht geschäftsmässig begründete Aufwendungen zum Erwerbseinkommen hinzugerechnet worden. Die Steuerkommission Zürich hat diese Einschätzung am 13. Juni 1979 bestätigt. Die Steuer-Rekurskommission I des Kantons Zürich modifizierte diese Einschätzung am 5. Februar 1980 wie folgt: Reineinkommen 1974 Fr. 571'400.-, 1975 Fr. 490'000.- und 1976 Fr. 509'000.-. Die Rekurskommission bestätigte die vorgenommene Einkommensbesteuerung der Termindifferenzgeschäfte und die Aufrechnung der Versicherungsprämien. Die Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Einschätzung ergaben sich aufgrund der nunmehr vollständig eingereichten Unterlagen des Dr. X. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat diese Einschätzung am 13. November 1981 bestätigt. Mit fristgemässer staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Dr. X dem Bundesgericht:
BGE 110 Ia 1 S. 3

"Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. November 1981 sei aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdegegners." Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 4
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Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche.
BV. Auf seine einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Das Verwaltungsgericht sowie die Finanzdirektion des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Beschwerde, sofern darauf einzutreten sei.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid über die Festsetzung der Veranlagungsfaktoren für die kantonalen Steuern ist, wenn die Steuerrechnung noch nicht vorliegt, verfrüht. Eine solche Beschwerde wird jedoch nach der neusten Praxis des Bundesgerichts nicht durch Nichteintreten erledigt, sondern ihre Behandlung wird ausgesetzt, bis die Steuerrechnung vorliegt (BGE 108 Ia 286 ff.). Im vorliegenden Fall sind indessen die Steuerrechnungen der Jahre 1974-1976 dem Steuerpflichtigen bereits zugestellt worden, wobei diese Rechnungen als solche nicht angefochten worden sind. Die Beschwerde ist daher an Hand zu nehmen.
2. a) Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b
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OG muss die Eingabe die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, "welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind". Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Der Beschwerdeführer hat zu erklären, welches geschriebene oder ungeschriebene verfassungsmässige Individualrecht seiner Ansicht nach verletzt worden sein soll. Wirft der Beschwerdeführer der kantonalen Behörde z.B. vor, sie habe mit der vorgenommenen Anwendung des kantonalen Rechts Art. 4
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BV verletzt, so genügt es noch nicht, wenn er einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; bei der Rechtsanwendungsrüge hat der Beschwerdeführer vielmehr die Rechtsnorm, die qualifiziert unrichtig angewandt bzw. nicht angewandt worden sein soll, zu bezeichnen und anhand der angefochtenen Subsumtion im einzelnen zu zeigen, inwiefern der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
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klarem und offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 107 Ia 114 mit zahlreichen Hinweisen). Der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung (iura novit curia) findet somit im Bereiche der Verfassungsbeschwerde keine Anwendung: Der Richter beschränkt sich ausschliesslich auf die Prüfung der rechtsgenügend vorgebrachten Rügen. b) Ungenügend substantiiert ist die Beschwerde zunächst hinsichtlich der nicht zum Abzug zugelassenen Versicherungsprämien. Der Beschwerdeführer, der diesbezüglich willkürliche Gesetzesanwendung zu behaupten scheint, unterlässt es sogar, die Bestimmung des Steuergesetzes zu nennen, die seiner Ansicht nach willkürlich angewendet bzw. willkürlich nicht angewendet worden sein soll. Auf die Rüge ist somit nicht einzutreten. Im übrigen ist entgegen der Ansicht von Verwaltungsgericht und Finanzdirektion auf die Sache einzutreten.
3. Unbegründet ist die Rüge der willkürlichen Verletzung von § 71 StG. Es ist hiefür auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu verweisen, denen nichts Wesentliches beizufügen ist.
4. Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, Gewinne aus Termindifferenzgeschäften wie sie der Beschwerdeführer auf Devisen-, Wertschriften- und Edelmetalltransaktionen erzielt habe, seien generell der Einkommenssteuer nach § 19 StG zu unterwerfen. a) Zunächst ist festzuhalten, dass aus dem Bundesgerichtsentscheid vom 10. März 1983 (publiziert in ASA 1984, S. 511 f.), den das Verwaltungsgericht zitiert und der auch die steuerrechtliche Beurteilung von Termindifferenzgeschäften zum Gegenstand hatte, nichts Wesentliches für den vorliegenden Fall abgeleitet werden kann: Die Praxis des Verwaltungsgerichts konnte wegen der im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b
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OG mangelhaften Eingabe des damaligen Beschwerdeführers nur in einem sehr beschränkten Sinne überprüft werden. b) Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Gesetzesanwendung durch das Verwaltungsgericht, weil es die von ihm erzielten Gewinne steuerlich anders behandle als entsprechende Gewinne aus Komptantgeschäften. Das Verwaltungsgericht erklärt, die steuerlich unterschiedliche Behandlung (Gewinne aus Komptantgeschäften als steuerfreie Kapitalgewinne und Gewinne aus Termindifferenzgeschäften als steuerbares Einkommen einzustufen)
BGE 110 Ia 1 S. 5

rechtfertige sich deshalb, weil beim Termindifferenzgeschäft kein Kapital investiert, sondern lediglich eine Kaufpreisschuld begründet werde, die vor Fälligkeit mit dem Verkaufserlös verrechnet werde: Solche Gewinne könnten nicht als Kapitalgewinne qualifiziert werden, da anders als beim Komptantgeschäft gar keine Kapitalanlage erfolge; nur auf einer Kapitalanlage sei aber, so argumentiert das Verwaltungsgericht sinngemäss, ein Kapitalgewinn begrifflich möglich. Mit dieser Unterscheidung verstösst das Verwaltungsgericht indessen gegen Art. 4
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BV, lassen sich doch für diese keine sachlich haltbaren Gründe finden. Mit beiden Geschäftsarten erstrebt der Anleger den gleichen wirtschaftlichen Erfolg, nämlich durch das Ausnützen von Kursschwankungen einen Gewinn zu erzielen. Auch das Argument, beim Termindifferenzgeschäft werde anders als beim Komptantgeschäft keine Kapitalanlage getätigt, überzeugt nicht: Zwar begnügen sich die Banken beim Termindifferenzgeschäft mit der Bereitstellung eines Deckungskapitals, welches der Abdeckung allfälliger Verluste dient, doch braucht es auch beim Komptantgeschäft nicht stets eine tatsächliche Investition eigener Mittel; das Komptantgeschäft kann auch mit Krediten durchgeführt werden. Die unterschiedliche Besteuerung von Komptant- und Termindifferenzgeschäften ist rechtsungleich und verletzt damit Art. 4
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BV. c) Das Verwaltungsgericht glaubt ferner, Termindifferenzgeschäfte stünden dem Spiel und der Wette sachlich nahe, was, wie bei Lotteriegewinnen, die steuerliche Erfassung als Einkommen gemäss § 19 StG rechtfertige. Der Beschwerdeführer qualifiziert auch diese Gesetzesauslegung zu Recht als willkürlich. Beim Termindifferenzgeschäft riskiert der Anleger substanzielle Vermögensverluste, wogegen der Teilnehmer an einer Lotterie ausser dem Verlust seines Einsatzes nur gewinnen kann. Termindifferenzgeschäfte können aber auch nicht dem Spiel und der Wette gleichgesetzt werden, weil sie angeblich "nicht auf gesicherter Würdigung des Marktes, sondern auf spekulativen Zukunftserwartungen" beruhen (RB 1978 Nr. 29): So gut wie beim Termingeschäft, kann auch der im Komptantgeschäft erzielte Gewinn auf einer "spekulativen Zukunftserwartung" beruhen. Die Bestimmung der Natur eines Gewinnes aufgrund der (vermuteten) Absichten des Veräusserers ist sodann ohnehin nicht sachgerecht und läuft auf eine unerwünschte Gesinnungsschnüffelei der Steuerbehörden hinaus (vgl. dazu THOMAS CHRISTEN, Kapitalgewinne auf
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beweglichem Privatvermögen im basellandschaftlichen und baselstädtischen Steuerrecht, Diss. Basel 1983, S. 14). Damit lässt sich die ungleiche steuerliche Behandlung von Termindifferenz- und Komptantgeschäften auch nicht aufgrund eines Vergleiches mit Spiel und Wette von Art. 4
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BV halten. d) Der angefochtene Entscheid ist daher im Hinblick auf die Besteuerung der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Termindifferenzgeschäfte aufzuheben und zur Neubeurteilung dieser Frage an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zurückzuweisen.
5. Die Aufhebung des angefochtenen Entscheids hinsichtlich der Besteuerung der strittigen Börsengeschäfte bedeutet nun aber noch nicht, dass die dabei erzielten Gewinne nach Ansicht des Bundesgerichts steuerfrei bleiben müssen. Das Verwaltungsgericht wird bei der Neubeurteilung der Sache zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer mit seinen Börsengeschäften nicht über die blosse Verwaltung seines Privatvermögens hinausgegangen und damit einem eigentlichen Nebenerwerb nachgegangen ist. Die Erträgnisse aus dieser Erwerbstätigkeit könnten danach (z.B. nach § 19 lit. b StG) mit der Einkommenssteuer erfasst werden, wobei der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Geschäfte nicht selbst abwickelte, sondern über eine beauftragte Bank tätigen liess, bei der rechtlichen Beurteilung keine entscheidende Rolle spielen dürfte. Mit dieser rechtlichen Konzeption liesse sich eine gleichartige steuerliche Behandlung von Komptant- und Termindifferenzgeschäften verwirklichen. Im übrigen ist hier anzufügen, dass auch Gewinne aus gewerbsmässigem Liegenschaftenhandel etwa im Bereiche der direkten Bundessteuer der Einkommenssteuer und nicht nur den kantonalen bzw. kommunalen Grundsteuern unterliegen; nach der bundesgerichtlichen Praxis ist dabei Gewerbsmässigkeit anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger über den Rahmen blosser Vermögensverwaltung oder die Ausnützung zufällig sich bietender Gelegenheiten hinaus planmässig Liegenschaften kauft und verkauft (vgl. dazu H. MASSHARDT, Wehrsteuerkommentar, Zürich 1980, S. 85).
6. Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis steht dem nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer ungeachtet des Umstandes, dass er selbst Rechtsanwalt ist, keine Parteientschädigung zu.
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Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, wird sie im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen.