Urteilskopf

109 IV 153

42. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 13. Dezember 1983 i.S. S. gegen Eidg. Zollverwaltung
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 153

BGE 109 IV 153 S. 153

A.- S., der sich u.a. mit dem Ankauf und Verkauf von Edelmetallwaren befasst, übernimmt regelmässig auch deren Einfuhr aus dem Ausland, die im Fracht-, Briefpost-, Paketpost- oder Reisendenverkehr abgewickelt wird. Im Verlaufe des Jahres 1983 stellten die Zollorgane fest, dass die Einfuhr solcher steuer- und teils auch zollpflichtiger Waren nicht zur Zollbehandlung angemeldet wurde.
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Es entstand der Verdacht, dass Angestellte des S. ausländischen Versendern falsche Instruktionen bezüglich der Erledigung der schweizerischen Zollformalitäten erteilt hatten, weshalb eine verwaltungsstrafrechtliche Untersuchung angeordnet wurde. Am 22. November 1983 verfügte der Direktor der Zollkreisdirektion Basel gestützt auf die Art. 48
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 48 - 1 Wohnungen und andere Räume sowie unmittelbar zu einem Hause gehörende umfriedete Liegenschaften dürfen nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich der Beschuldigte darin verborgen hält oder dass sich Gegenstände oder Vermögenswerte, die der Beschlagnahme unterliegen, oder Spuren der Widerhandlung darin befinden.
1    Wohnungen und andere Räume sowie unmittelbar zu einem Hause gehörende umfriedete Liegenschaften dürfen nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich der Beschuldigte darin verborgen hält oder dass sich Gegenstände oder Vermögenswerte, die der Beschlagnahme unterliegen, oder Spuren der Widerhandlung darin befinden.
2    Der Beschuldigte darf nötigenfalls durchsucht werden. Die Durchsuchung ist von einer Person des gleichen Geschlechts oder von einem Arzt vorzunehmen.
3    Die Durchsuchung erfolgt aufgrund eines schriftlichen Befehls des Direktors oder Chefs der beteiligten Verwaltung.54
4    Ist Gefahr im Verzuge und kann ein Durchsuchungsbefehl nicht rechtzeitig eingeholt werden, so darf der untersuchende Beamte von sich aus eine Durchsuchung anordnen oder vornehmen. Die Massnahme ist in den Akten zu begründen.
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SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR eine Durchsuchung bei der Edelmetallabteilung des S. in Basel zur Sicherung von Beweismitteln. Als am 28. November 1983 die untersuchenden Beamten mit dem Durchsuchungsbefehl bei S. vorsprachen und verlangten, es seien die sich im seinem Besitze befindlichen Unterlagen über die Wareneinfuhr im Postverkehr vorzulegen, kam S. diesem Befehl nach, verweigerte aber die Auswertung der Papiere unter Hinweis auf das Bankgeheimnis. In der Folge wurden Fotokopien der von den Beamten bezeichneten Belege angefertigt und samt entsprechenden handschriftlichen Notizen der Beamten in einen Umschlag gelegt und versiegelt.
B.- Mit Eingabe vom 1. Dezember 1983 führt S. bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde mit dem Begehren, die Durchsuchung der Zolldirektion I vom 28. November 1983 sei aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge für die Beschwerdegegnerin. Die Eidgenössische Oberzolldirektion beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Soweit das Verwaltungsstrafrecht von der Zwangsmassnahme der Durchsuchung spricht, unterscheidet es zwischen der Durchsuchung von Wohnungen, anderen Räumen, dazu gehörenden Liegenschaften und Personen einerseits (Art. 48 und 49) und der Durchsuchung von Papieren anderseits (Art. 50). Von einer Durchsuchung im letzteren Sinne kann nur gesprochen werden, wenn eine Schrift eingehend durchgelesen wird, um ihren Inhalt festzustellen, bzw. wenn sie als Gegenstand auf allfällige Spuren (Fingerabdrücke usw.) überprüft wird (s. BGE 107 IV 210 E. 2c). Wo jedoch vom Inhaber der Papiere im Sinne des Art. 50 Abs. 3
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR gegen eine solche Durchsuchung Einsprache erhoben und damit die Versiegelung und Verwahrung der Akten bewirkt wird, kann von einer anfechtbaren Zwangsmassnahme nicht gesprochen werden. Diese wird ja gerade durch die Einsprache verhindert mit der Folge, dass es nunmehr an der interessierten Verwaltung ist, bei der Anklagekammer
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des Bundesgerichts die Ermächtigung zur Entsiegelung und Durchsuchung der Papiere zu verlangen. Solange als diese versiegelt sind, ist ihr Inhaber in seinen Interessen hinreichend geschützt und deshalb nicht befugt, Beschwerde zu führen. Die Beschwerde stünde ihm nur zu, wenn die Verwaltung mit dem Gesuch um Entsiegelung und Durchsuchung der Papiere ungebührlich lange zuwarten und ihm durch ein längeres Vorenthalten derselben ein Nachteil erwachsen würde (Art. 26 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 26 - 1 Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
2    Die Beschwerde ist einzureichen:
a  wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b  in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
3    Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.
VStrR).
2. Wie sich im vorliegenden Fall aus dem anlässlich der Vorsprache der untersuchenden Beamten beim Beschwerdeführer aufgenommenen Protokoll vom 28. November 1983 ergibt, verfügten jene, es seien ihnen die sich im Besitz des S. befindlichen Unterlagen über die Wareneinfuhr im Postverkehr zur Einsichtnahme vorzulegen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer die "verlangten Belege vorgelegt, die Auswertung jedoch unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigert". Die vorgelegten Papiere seien deshalb fotokopiert und die Kopien versiegelt und verwahrt worden. Da dieses Protokoll nicht nur von den untersuchenden Beamten, sondern auch von einem Organ des S. unterzeichnet wurde und in der Beschwerde die Richtigkeit der Aufzeichnungen nicht in Abrede gestellt wird, kann von diesen ausgegangen werden. Darnach liegt nichts dafür vor, dass die untersuchenden Beamten irgendwelche Räumlichkeiten durchsucht hätten oder dass ihnen andere Papiere zur Einsichtnahme vorgelegt worden wären als die in der Folge fotokopierten und versiegelten Dokumente. Ist dem aber so, hat weder eine Durchsuchung im Sinne des Art. 48 VStrV noch eine solche nach Art. 50 Abs. 1 VStrV stattgefunden. Vielmehr wurde gerade die letztere durch die Einsprache des Beschwerdeführers verhindert (Art. 50 Abs. 3
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR). Bei dieser Rechtslage kann nach dem Gesagten im gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls von einer Beschwerde (recte: von einem Beschwer) des S. keine Rede sein, zumal ja auch nicht die Originale, sondern blosse Fotokopien derselben versiegelt und verwahrt wurden und die Verwaltung bereits ein Entsiegelungsgesuch gestellt hat. Was in der Beschwerdeschrift gegen die "Durchsuchung" vorgebracht wird, kann S. im Entsiegelungsverfahren geltend machen. Zu diesem Zweck wird er das auf Durchsuchung gerichtete Begehren der Verwaltung zur Vernehmlassung zugestellt erhalten.
Dispositiv

Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.