Urteilskopf

109 II 174

39. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Juli 1983 i.S. Esselte Meto International GmbH gegen Etimark AG, Handelsgericht und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 174

BGE 109 II 174 S. 174

Erwägungen:

1. Die Esselte Meto International GmbH klagte gegen die Etimark AG wegen Verletzung ihres Schweizerischen Patents Nr. 442952 betreffend Etikettenband und Verfahren zu dessen Herstellung. Am 24. Mai 1982 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage ab; auf eine Nichtigkeitsbeschwerde der Esselte Meto International GmbH trat das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 10. Januar 1983 nicht ein. Die Esselte Meto International GmbH führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, die Urteile des Handelsgerichts und Kassationsgerichts wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
BV aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Etimark AG ersucht, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie abzuweisen, allenfalls die Sache an das Handelsgericht
BGE 109 II 174 S. 175

zurückzuweisen. Handelsgericht und Kassationsgericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Ein Begehren um aufschiebende Wirkung ist abgewiesen worden.
2. Das Kassationsgericht hat es in Änderung seiner Praxis zu § 285 Abs. 2 ZPO/ZH abgelehnt zu prüfen, ob das Handelsgericht ein Gutachten hätte einholen müssen, denn die Frage sei vom Bundesgericht auf Berufung hin zu prüfen. Nicht eingetreten ist es aus dem gleichen Grund auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin, die technischen Probleme seien für einen Laien dermassen unverständlich, dass ein Gutachten unumgänglich erscheine, und das Handelsgericht hätte die Fachvoten einzelner Richter protokollieren müssen. Die Beschwerdeführerin erklärt, das Kassationsgericht habe seine Praxis ohne sachliche Gründe geändert und Bestimmungen der Zivilprozessordnung willkürlich angewendet. Eine Änderung der Rechtsprechung läuft Art. 4
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BV nur zuwider, wenn sie sachlich unbegründet ist (BGE 106 Ia 92 E. 2 mit Hinweisen). An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Das Bundesgericht kann nach Art. 67 Ziff. 1 OG in Patentprozessen die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse überprüfen und zu diesem Zweck die erforderlichen Beweismassnahmen treffen; der Entscheid darüber liegt in seinem Ermessen (BGE 86 II 104, BGE 85 II 142, 514). Gestützt darauf und entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin schreitet es auf entsprechenden Antrag immer dann ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen willkürlich, unvollständig oder aktenwidrig sind (BGE 85 II 514). Dabei überprüft es frei, ob Gutachten Sachverständiger notwendig sind, um den Tatbestand zu verstehen (BGE 81 II 294 E. 2; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 245/46 und 248) oder die mangelhafte Feststellung des Sachverhalts durch die kantonale Instanz zu ergänzen oder zu korrigieren (BGE 86 II 104, BGE 85 II 514). Es prüft sodann auch, ob die kantonale Instanz Fachvoten einzelner Richter zu Unrecht nicht protokolliert hat (Art. 51 Abs. 1 lit. c
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OG, entsprechend § 145 Abs. 2 GVG). Es ergänzt und berichtigt den Tatbestand gegebenenfalls selbst oder hebt das Urteil auf (Art. 52
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OG) und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Art. 64
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, 67 Ziff. 1
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OG). Daraus erhellt, dass die Beschwerdeführerin alle vor dem Kassationsgericht erhobenen Rügen mittels Berufung gegen das handelsgerichtliche Urteil hätte geltend machen können. Das Kassationsgericht hat sich daher in zutreffender Anwendung von § 285

BGE 109 II 174 S. 176

ZPO/ZH als unzuständig erachtet, die Rügen der Beschwerdeführerin zu überprüfen. Insbesondere hat es seine frühere Praxis zur Überprüfung der Frage, ob Gutachten beizuziehen sind, mit sachlichen Gründen aufgegeben.
3. Zu prüfen bleibt, ob das Kassationsgericht seine Praxisänderung der Beschwerdeführerin hätte ankündigen müssen. Nach der Rechtsprechung ist die Ankündigung unerlässlich, wenn der Rechtssuchende ohne sie einen Rechtsverlust erlitte, besonders bei einer Änderung der Eintretensvoraussetzungen zu einem Rechtsmittel oder einer Klage (BGE 106 Ia 92 E. 2 mit Hinweisen). Einen derartigen Rechtsverlust riskierte die Beschwerdeführerin indes nicht. Wohl war die Berufungsfrist abgelaufen, als sie das Urteil des Kassationsgerichts in Empfang nahm. Allein sie hätte mit Erfolg ein Gesuch um Wiederherstellung der Berufungsfrist einreichen können, da sie sich aufgrund des berechtigten Vertrauens in die bestehende Praxis nicht veranlasst gesehen hatte, gegen das handelsgerichtliche Urteil Berufung einzulegen (Art. 35 Abs. 1
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OG; BGE 96 II 264 E. 1 mit Hinweisen; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Dezember 1981 i.S. OIP c. Müller, E. 1). Das Kassationsgericht musste ihr daher die Änderung seiner Rechtsprechung nicht ankündigen. Ob die Beschwerdeführerin im jetzigen Zeitpunkt noch fristgemäss um Wiederherstellung nachsuchen kann, erscheint fraglich, braucht aber nicht entschieden zu werden. Die Beschwerde ist so oder anders abzuweisen.