Urteilskopf

108 V 183

40. Urteil vom 28. Juni 1982 i.S. B. gegen Ausgleichskasse AGRAPI und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 184

BGE 108 V 183 S. 184

A.- B. war Verwaltungsratspräsident, Direktor und seit 1965 Alleinaktionär der Firma B. AG, Photolithos, über die am 18. Mai 1977 der Konkurs eröffnet wurde. Mit Verlustschein vom 11. Juni 1979 teilte das Konkursamt der Ausgleichskasse AGRAPI mit, dass ihre in der 2. Klasse kollozierte Forderung im Restbetrag von Fr. 75'280.05, bestehend aus paritätischen Sozialversicherungsbeiträgen, nicht befriedigt werden könne. Gestützt darauf eröffnete die Ausgleichskasse dem B., dass er als Präsident und Direktor der Firma B. AG für paritätische bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge von Fr. 73'936.90 und für die Verwaltungskosten von Fr. 1'210.85, insgesamt somit für die Forderung von Fr. 75'147.75 hafte und diesen Betrag zu ersetzen habe (Verfügung vom 4. Juli 1979).
B.- Gegen diese Verfügung erhob B. Einsprache mit der Begründung, er habe nichts unversucht gelassen, um den Konkurs abzuwenden. Bei der Konkurseröffnung sei die Gesellschaft buchmässig noch nicht überschuldet gewesen. Er sei sogar eine persönliche Bürgschaftsschuld von Fr. 150'000.-- eingegangen und dafür belangt worden. Hätte die konkursamtliche Verwertung der Liegenschaft auch nur annähernd den Buchwert erreicht, so hätten sogar die in der 5. Klasse kollozierten Gläubiger noch weitgehend befriedigt werden können. Daraufhin reichte die Ausgleichskasse Klage gemäss Art. 81 Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVV ein. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft ging in seinem Entscheid vom 21. August 1980 in Anwendung von Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG davon aus, dass der Arbeitgeber, der durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden verursacht, diesen der Ausgleichskasse ersetzen muss. B. sei sich über die Entrichtung der AHV-Beiträge im klaren gewesen. Wenn er geltend mache, dass er sich bemüht habe, in erster Linie die Löhne der Arbeitnehmer zu bezahlen, und dafür die Befriedigung anderer Gläubiger unterlassen habe, so gebe er zu, dass er die Arbeitnehmerbeiträge zweck- und treuwidrig verwendet habe. Unerheblich sei, dass die Beiträge vorab zur Lohnzahlung verwendet worden seien in der Absicht, vorübergehende Liquiditätsschwierigkeiten zu überbrücken. Sein Verhalten müsse mindestens als grobfahrlässig qualifiziert werden. Das Schadenstotal belaufe
BGE 108 V 183 S. 185

sich auf Fr. 75'147.75. In zeitlicher Hinsicht bestehe die Schadenersatzpflicht für die in der Zeit vom 1. Juli 1976 bis 30. April 1977 aufgelaufenen Arbeitnehmerbeiträge. Die Beiträge für die Monate Mai und Juni 1977 seien erst mit der Konkurseröffnung am 18. Mai 1977 fällig geworden. Insoweit könne B. kein Verschulden angelastet werden und sei er deshalb nicht haftbar. In diesem Sinne hiess das kantonale Versicherungsgericht die Klage gut.
C.- B. lässt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, der Entscheid des kantonalen Versicherungsgerichtes sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Vorliegen eines Schadens und die rechtswidrige Nichtbefolgung von Vorschriften der AHV-Gesetzgebung werden zwar anerkannt. Dagegen werden das Verschulden und das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der rechtswidrigen Missachtung von Vorschriften und dem Schaden bestritten. Die Ausgleichskasse beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung erachtet den adäquaten Kausalzusammenhang als gegeben, weil die Aktiengesellschaft Lohnbeiträge abgezogen, diese aber nicht an die Ausgleichskasse weitergeleitet habe, und weil B. verantwortliches Organ der Gesellschaft gewesen sei. Dadurch nämlich seien der Ausgleichskasse Beiträge entgangen und somit ein Schaden erwachsen. Hinsichtlich des Verschuldens verweist das Bundesamt auf die Rechtsprechung, wonach grobe Fahrlässigkeit zu vermuten sei, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerbeiträge vom Lohn abzieht, sie aber nicht an die Ausgleichskasse weiterleitet. Um diese Vermutung umzustossen, müssten ganz ausserordentliche Umstände vorliegen, welche beweisen würden, dass B. sich in einer derartigen Zwangslage befunden habe, dass er nicht anders hätte handeln können. Trotz der anerkennenswerten Beweggründe müsse ihm grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Schliesslich wirft das Bundesamt die Frage auf, ob der Begriff der groben Fahrlässigkeit überhaupt so streng auszulegen sei, dass er in seinen Wirkungen einer Kausalhaftung gleichkomme.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) Nach Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG hat ein Arbeitgeber, der durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden verschuldet, diesen der Ausgleichskasse zu ersetzen.
BGE 108 V 183 S. 186

Art. 14 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 14 Bezugstermine und -verfahren - 1 Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten.
1    Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten.
2    Die Beiträge vom Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die Beiträge der Nichterwerbstätigen sowie die Beiträge der Arbeitnehmer ohne beitragspflichtige Arbeitgeber sind periodisch festzusetzen und zu entrichten. Der Bundesrat bestimmt die Bemessungs- und Beitragsperioden.69
2bis    Die Beiträge von Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, sind erst dann festzusetzen und unter Vorbehalt von Artikel 16 Absatz 1 zu entrichten, wenn:
a  diese Personen als Flüchtlinge anerkannt wurden;
b  diesen Personen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird; oder
c  auf Grund des Alters, des Todes oder der Invalidität dieser Personen ein Leistungsanspruch im Sinne dieses Gesetzes oder des IVG70 entsteht.71
3    In der Regel werden die von den Arbeitgebern zu entrichtenden Beiträge im formlosen Verfahren nach Artikel 51 ATSG72 eingefordert. Dies gilt in Abweichung von Artikel 49 Absatz 1 ATSG auch für erhebliche Beiträge.73
4    Der Bundesrat erlässt Vorschriften über:
a  die Zahlungstermine für die Beiträge;
b  das Mahn- und Veranlagungsverfahren;
c  die Nachzahlung zu wenig bezahlter Beiträge;
d  den Erlass der Nachzahlung, auch in Abweichung von Artikel 24 ATSG;
e  ...76.77
5    Der Bundesrat kann bestimmen, dass auf einem jährlichen massgebenden Lohn bis zum Betrag der maximalen monatlichen Altersrente keine Beiträge entrichtet werden müssen; er kann diese Möglichkeit für bestimmte Tätigkeiten ausschliessen. Der Arbeitnehmer kann jedoch in jedem Fall verlangen, dass der Arbeitgeber die Beiträge entrichtet.78
6    Der Bundesrat kann zudem bestimmen, dass auf einem jährlichen Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit bis zum Betrag der maximalen monatlichen Altersrente nur auf Verlangen des Versicherten Beiträge erhoben werden.79
AHVG in Verbindung mit Art. 34 f
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 34 Zahlungsperioden - 1 Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen:
1    Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen:
a  Arbeitgeber monatlich oder, wenn die jährliche Lohnsumme 200 000 Franken nicht übersteigt, vierteljährlich;
b  Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige sowie Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber, vierteljährlich;
c  Arbeitgeber im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005147 über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA), jährlich.
2    Die Ausgleichskasse kann in begründeten Fällen für Beitragspflichtige nach Absatz 1 Buchstaben a und b, deren Jahresbeitrag an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie an die Erwerbsersatzordnung 3000 Franken nicht übersteigt, längere, höchstens aber jährliche Zahlungsperioden festsetzen.148
3    Die für eine Zahlungsperiode geschuldeten Beiträge sind innert zehn Tagen nach deren Ablauf zu bezahlen. Im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 BGSA haben die Arbeitgeber die Beiträge innert 30 Tagen ab Rechnungsstellung zu bezahlen.149
. AHVV schreibt vor, dass der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung die Arbeitnehmerbeiträge in Abzug zu bringen und zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen der Ausgleichskasse zu entrichten hat. Die Arbeitgeber haben den Ausgleichskassen periodisch Abrechnungsunterlagen über die von ihnen an ihre Arbeitnehmer ausbezahlten Löhne zuzustellen, damit die entsprechenden paritätischen Beiträge ermittelt und verfügt werden können. Die Beitrags- und Abrechnungspflicht des Arbeitgebers ist eine gesetzlich vorgeschriebene öffentlichrechtliche Aufgabe. Dazu hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt erklärt, dass die Nichterfüllung dieser öffentlichrechtlichen Aufgabe eine Missachtung von Vorschriften im Sinne von Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG bedeute und die volle Schadendeckung nach sich ziehe (BGE 103 V 122, EVGE 1961 S. 230). Anderseits bejahte das Gericht die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers ausdrücklich nur für jene Fälle, in denen der Schaden auf eine absichtliche oder grobfahrlässige Verletzung von Vorschriften der AHV-Gesetzgebung zurückgeführt werden müsse (BGE 103 V 124 Erw. 6, BGE 98 V 29 Erw. 6). Dabei sind sowohl grobe Fahrlässigkeit als auch Absicht verneint worden, wenn der Arbeitgeber aus Mangel an Mitteln es unterlassen hat, die paritätischen Beiträge der Ausgleichskasse zu bezahlen (ZAK 1970 S. 105). b) Die bisherige Praxis lässt nicht klar erkennen, ob die Haftbarkeit des Arbeitgebers nach Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG allenfalls aus Gründen, welche die Missachtung von Vorschriften als rechtmässig erscheinen lassen oder ein schuldhaftes Verhalten ausschliessen würden, verneint werden könnte. Das Gesamtgericht, das sich erneut mit der Frage befasste, gelangte zu folgenden Schlüssen: Die wesentliche Voraussetzung für die Schadenersatzpflicht besteht nach dem Wortlaut des Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG darin, dass der Arbeitgeber absichtlich oder grobfahrlässig Vorschriften verletzt hat und dass durch diese Missachtung ein Schaden verursacht worden ist. Absicht bzw. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind verschiedene Formen des Verschuldens. Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG statuiert demnach eine Verschuldenshaftung, und zwar handelt es sich um eine Verschuldenshaftung aus öffentlichem Recht. Die Schadenersatzpflicht ist im konkreten Fall nur dann begründet, wenn nicht Umstände gegeben sind, welche das fehlerhafte Verhalten des Arbeitgebers als gerechtfertigt erscheinen lassen oder sein Verschulden im Sinne von Absicht oder grober Fahrlässigkeit ausschliessen. In diesem Sinne ist es denkbar, dass zwar ein Arbeitgeber
BGE 108 V 183 S. 187

in vorsätzlicher Missachtung der AHV-Vorschriften der Ausgleichskasse einen Schaden zufügt, aber trotzdem nicht schadenersatzpflichtig wird, wenn besondere Umstände die Nichtbefolgung der einschlägigen Vorschriften als erlaubt oder nicht schuldhaft erscheinen lassen. Die Ausgleichskasse, welche feststellt, dass sie einen durch Missachtung von Vorschriften entstandenen Schaden erlitten hat, darf davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Vorschriften absichtlich oder mindestens grobfahrlässig verletzt hat, sofern keine Anhaltspunkte für die Rechtmässigkeit des Handelns oder die Schuldlosigkeit des Arbeitgebers bestehen. Gestützt darauf verfügt sie im Sinne von Art. 81 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVV die Ersetzung des Schadens durch den Arbeitgeber. Diesem steht das Recht zu, im Einspracheverfahren (Art. 81 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVV) Rechtfertigungs- und Exkulpationsgründe geltend zu machen, für die er im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht den entsprechenden Nachweis zu erbringen hat. Die Ausgleichskasse prüft in Anwendung der Untersuchungsmaxime die Einwände des Arbeitgebers. Erachtet sie die vorgebrachten Rechtfertigungs- oder Exkulpationsgründe als gegeben, so heisst sie die Einsprache gut. Andernfalls hat sie gemäss Art. 81 Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVV Klage zu erheben.
2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer die paritätischen Beiträge und Verwaltungskosten von rund Fr. 75'000.-- absichtlich nicht termingemäss der Ausgleichskasse bezahlt hat und dass dieser dadurch ein Schaden erwachsen ist. Der Beschwerdeführer begründet dieses fehlbare Verhalten damit, dass er sich angesichts der Liquiditätsschwierigkeiten der Firma B. AG bemüht habe, mit den zur Verfügung gestandenen knappen Mitteln deren "lebenswichtige Verpflichtungen", nämlich die Lohnzahlungen und die Befriedigung gewisser Lieferanten, zu erfüllen, was anderseits dazu geführt habe, dass er u.a. die Beitragsforderungen der Ausgleichskasse nicht habe begleichen können. Damit stellt sich die Frage, ob besondere Umstände den Beschwerdeführer zu solchem Verhalten berechtigt haben oder es zu entschuldigen vermögen. Der Beschwerdeführer hat seinen Betrieb seit 1954 aus kleinen Anfängen zu einem Unternehmen aufgebaut, das im Jahre 1970 rund 60 Mitarbeiter beschäftigte. Im Zusammenhang mit dem rezessionsbedingten Rückgang des Auftragsvolumens und dem durch die Entstehung technischer Überkapazitäten bewirkten Preiszerfall im graphischen Gewerbe wurde erstmals im Jahre 1973
BGE 108 V 183 S. 188

ein Verlust von gegen Fr. 95'000.-- ausgewiesen. Zu jenem Zeitpunkt war die Firma B. AG offensichtlich noch nicht überschuldet. Als im Jahre 1974 neuerdings Verluste auftraten, bemühte sich der Beschwerdeführer mit Hilfe einer Treuhand-Firma erfolglos um den Verkauf seiner Firma. In der zweiten Hälfte 1975 und im ersten Quartal des Jahres 1976 schöpfte er Hoffnung und nahm u.a. Kontakte zur Beschaffung neuer Kredite auf. Als sich später weitere Schwierigkeiten einstellten, bemühte er sich erneut um den Verkauf seiner Firma. Ferner ging er zu deren Gunsten eine persönliche Solidarbürgschaft in der Höhe von Fr. 150'000.-- ein, für die er nach dem Konkurs bis zum Betrag von Fr. 140'000.-- durch die Bank X belangt worden ist. Demnach hat der Beschwerdeführer in einer für die ganze graphische Branche schwierigen Phase das getan, was vernünftigerweise von einem Unternehmer erwartet werden kann. Darüber hinaus hat er sogar sein nicht in der Firma investiertes privates Vermögen durch Eingehung einer Solidarbürgschaft für die Rettung des Geschäftes eingesetzt, wozu er rechtlich nicht verpflichtet war. Im Bestreben, sein Unternehmen zu erhalten, hat er allerdings zuerst die für dessen Überleben wesentlichen Forderungen der Arbeitnehmer und Lieferanten befriedigt, nicht aber gewisse Beitragsforderungen der Sozialversicherung. Er durfte dabei aber unter den gegebenen Umständen damit rechnen, dass er die Forderung der Ausgleichskasse in dem damals nicht unwahrscheinlichen Fall einer Rettung seiner Firma innert nützlicher Frist würde befriedigen können. Er konnte sich insbesondere darauf stützen, dass die Firma B. AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung buchmässig nicht überschuldet war, und zwar ohne Manipulation oder offensichtliche Fehlbewertung einzelner Positionen. Dass die Erwartungen des Beschwerdeführers sich in der Folge nicht verwirklichten, vermag daran nichts zu ändern. Die Verluste der Zweitklassgläubiger, zu denen auch die Ausgleichskasse gehört, sollen nach den Vorbringen des Beschwerdeführers denn auch darauf zurückzuführen sein, dass eine Liegenschaft, welche ein wichtiges Aktivum bildete, im Zuge der konkursamtlichen Liquidation nur zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis habe verkauft werden können. Diese Behauptung ist nicht nur unbestritten, sie entspricht auch der allgemeinen Erfahrung, wonach auch realistische Schätzungen des Verkehrswertes bei Zwangsverkäufen häufig nicht erreicht werden, weil die Käufer eben wissen,
BGE 108 V 183 S. 189

dass die Zwangsverwertung innerhalb gewisser Fristen durchgeführt werden muss, und sie sich damit in einer wesentlich bessern Lage befinden als bei einem freihändigen Verkauf. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass die betreffende Liegenschaft im Schatzungsbericht des Baumeisters R. vom 5. September 1973 mit Fr. 1'600'000.-- bewertet worden war, dagegen in der Bilanz vom 18. Mai 1977 nur mit Fr. 1'440'000.-- figurierte. Daraus ergibt sich folgendes: Wohl stand es nicht im Einklang mit der AHV-Ordnung, dass der Beschwerdeführer absichtlich die fraglichen paritätischen Sozialversicherungsbeiträge der Ausgleichskasse nicht ablieferte. Doch lassen der Beweggrund und die übrigen Umstände, nämlich die nicht zum vorneherein aussichtslose Rettung des Betriebes durch Befriedigung lebenswichtiger Forderungen in der begründeten Meinung, die geschuldeten Beiträge innert nützlicher Frist später ebenfalls bezahlen zu können, das fehlerhafte Verhalten des Beschwerdeführers als entschuldbar erscheinen. Demzufolge ist die Schadenersatzpflicht zu verneinen.

Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichtes des Kantons Basel-Landschaft vom 21. August 1980 und die Kassenverfügung vom 4. Juli 1979 aufgehoben.