Urteilskopf

105 V 139

34. Urteil vom 17. September 1979 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen A. und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
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Sachverhalt ab Seite 139

BGE 105 V 139 S. 139

A.- Die 1945 geborene A. leidet seit Geburt an einer Fussdeformität links (Hohlballenfuss) bei Status nach Meningozele und Spina bifida. Die Invalidenversicherung übernahm gestützt auf Art. 13
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG die am 8. Juli 1965 in der Klinik X. durchgeführte Double-Arthrodese, womit die Hohlfuss-Komponente der Deformität korrigiert werden konnte. Die behandelnden Ärzte äusserten damals die Ansicht, möglicherweise werde sich später eine operative Korrektur des verbleibenden Ballenfusses aufdrängen.
Nachdem A. ihr Studium im Seminar beendet hatte und in der Folge als Kindergärtnerin tätig war, meldete sie sich im April 1977 wegen zunehmender Schmerzen im linken Fuss erneut bei der Invalidenversicherung an und beantragte die Übernahme einer weiteren Operation. Im Bericht vom 5. Dezember 1977 teilte Prof. G., Chefarzt der Klinik X., der Invalidenversicherungs-Kommission mit, obwohl vermehrte Schmerzen aufgetreten seien, arbeite A. als Kindergärtnerin noch voll; es sei jedoch mit zunehmender Verschlechterung der Gehfähigkeit und zudem mit infizierten Druckgeschwüren zu rechnen; der Arzt empfahl operative Behandlung durch eine Metatarsalosteotomie 2-5, "wodurch der Ballenfuss und auch die Hohlfuss-Komponente korrigiert werden und die subluxierten Zehen sich wieder strecken lassen".
BGE 105 V 139 S. 140

Nach Rückfrage beim Bundesamt für Sozialversicherung beschloss die Invalidenversicherungs-Kommission, das Begehren um medizinische Massnahmen abzulehnen; es gehe um die Behandlung des Leidens an sich, und damit seien die Voraussetzungen des Art. 12
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 12 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Eingliederung - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
2    Versicherte, die im Zeitpunkt der Vollendung ihres 20. Altersjahres an Massnahmen beruflicher Art nach den Artikeln 15-18c teilnehmen, haben bis zum Ende dieser Massnahmen, höchstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr, Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben gerichtet sind.
3    Die medizinischen Eingliederungsmassnahmen müssen geeignet sein, die Schul-, Ausbildungs- oder Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauerhaft und wesentlich zu verbessern oder eine solche Fähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Der Anspruch besteht nur, wenn die behandelnde Fachärztin oder der behandelnde Facharzt unter Berücksichtigung der Schwere des Gebrechens der versicherten Person eine günstige Prognose stellt.
IVG nicht erfüllt. Dies wurde der Versicherten mit Verfügung der Ausgleichskasse vom 17. Februar 1978 eröffnet.
B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich Prof. G. für die Versicherte bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich und machte geltend, beim Zustand seiner Patientin handle es sich "zweifellos um einen nunmehr abgeschlossenen Defektzustand nach kongenitaler Missbildung, der sich operativ definitiv beheben" lasse. Die Vorinstanz folgte dieser Auffassung und verpflichtete die Ausgleichskasse in Gutheissung der Beschwerde, für die anbegehrte Operation Kostengutsprache zu leisten (Entscheid vom 19. Mai 1978).

C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt das Bundesamt für Sozialversicherung den Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Kassenverfügung vom 17. Februar 1978 wiederherzustellen. Das Amt vertritt den Standpunkt, die Versicherte sei im Zeitpunkt der angefochtenen Kassenverfügung nicht invalid gewesen. Ob sie von einer Invalidität unmittelbar bedroht gewesen sei, brauche nicht entschieden zu werden, weil medizinische Massnahmen nach Art. 12
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 12 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Eingliederung - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
2    Versicherte, die im Zeitpunkt der Vollendung ihres 20. Altersjahres an Massnahmen beruflicher Art nach den Artikeln 15-18c teilnehmen, haben bis zum Ende dieser Massnahmen, höchstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr, Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben gerichtet sind.
3    Die medizinischen Eingliederungsmassnahmen müssen geeignet sein, die Schul-, Ausbildungs- oder Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauerhaft und wesentlich zu verbessern oder eine solche Fähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Der Anspruch besteht nur, wenn die behandelnde Fachärztin oder der behandelnde Facharzt unter Berücksichtigung der Schwere des Gebrechens der versicherten Person eine günstige Prognose stellt.
IVG ohnehin nicht gewährt werden könnten, werde doch ein labiles pathologisches Geschehen angegangen, wie sich aus dem Bericht des Prof. G. vom 5. Dezember 1977 ergebe. Die Versicherte lässt durch Prof. G. beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. In einem zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Standpunkten fest. Auf die Begründungen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) Medizinische Massnahmen dürfen - wie alle Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung - im vorneherein nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass der Leistungsansprecher invalid oder von einer Invalidität unmittelbar bedroht ist (Art. 8 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 8 Grundsatz - 1 Invalide oder von einer Invalidität (Art. 8 ATSG79) bedrohte Versicherte haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit:
1    Invalide oder von einer Invalidität (Art. 8 ATSG79) bedrohte Versicherte haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit:
a  diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern; und
b  die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind.80
1bis    Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen besteht unabhängig von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Invalidität. Bei der Festlegung der Massnahmen sind insbesondere zu berücksichtigen:
a  das Alter;
b  der Entwicklungsstand;
c  die Fähigkeiten der versicherten Person; und
d  die zu erwartende Dauer des Erwerbslebens.81
1ter    Bei Abbruch einer Eingliederungsmassnahme wird nach Massgabe der Absätze 1 und 1bis eine wiederholte Zusprache derselben oder einer anderen Eingliederungsmassnahme geprüft.82
2    Nach Massgabe der Artikel 13 und 21 besteht der Anspruch auf Leistungen unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich.83
2bis    Nach Massgabe von Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe b besteht der Anspruch auf Leistungen unabhängig davon, ob die Eingliederungsmassnahmen notwendig sind oder nicht, um die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, zu erhalten oder zu verbessern.84
3    Die Eingliederungsmassnahmen bestehen in:
a  medizinischen Massnahmen;
abis  Beratung und Begleitung;
ater  Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung;
b  Massnahmen beruflicher Art;
c  ...88
d  der Abgabe von Hilfsmitteln;
e  ...89
4    ...90
IVG). Unmittelbarkeit liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn eine Invalidität in absehbarer Zeit einzutreten droht; sie ist dagegen nicht gegeben,
BGE 105 V 139 S. 141

wenn der Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit zwar als gewiss erscheint, der Zeitpunkt ihres Eintritts aber ungewiss ist (BGE 96 V 76).
b) Im vorliegenden Fall war die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Kassenverfügung, auf den es nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts für die richterliche Beurteilung eines Falles ankommt (BGE 104 V 61, BGE 103 V 53, BGE 99 V 102 und BGE 96 V 144), in ihrem Beruf als Kindergärtnerin voll arbeitsfähig, wie aus dem Bericht des Prof. G. vom 5. Dezember 1977 und aus der Beschwerde an die Vorinstanz vom 9. März 1978 hervorgeht. Wer aber nicht mindestens teilweise arbeitsunfähig ist, kann auch nicht erwerbsunfähig und mithin nicht invalid im Sinne von Art. 4 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
IVG sein. Das Bundesamt für Sozialversicherung bestreitet daher zu Recht, dass im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung vom 17. Februar 1978 eine Invalidität im Rechtssinne vorgelegen hatte. c) Die Beschwerdegegnerin lässt indessen geltend machen, sie sei unmittelbar von einer Invalidität bedroht gewesen. Ohne Operation hätte sie wegen der drohenden Gefahr einer Perforation der Haut und der Metatarsalköpfchen und damit der Gefahr des Auftretens einer Infektion mit chronischer Osteomyelitis als voll arbeitsunfähig erklärt werden müssen. Wegen der Schmerzen wäre es ihr auf die Dauer nicht zumutbar gewesen, Arbeiten zu verrichten, bei denen sie stehen und gehen müsse, wie dies bei ihrem Beruf der Fall sei. Damit ist jedoch noch nicht erstellt, dass auch die Erwerbsfähigkeit der Versicherten, d.h. die Fähigkeit, auf dem gesamten, für sie in Betracht fallenden Arbeitsmarkt zumutbare, wirtschaftlich verwertbare Arbeit zu leisten, eingeschränkt sein würde. Ebensowenig lässt sich beurteilen, ob eine allfällig zu erwartende Invalidität unmittelbar bevorstand. Diese Fragen können indessen offen bleiben, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt.
2. a) (Siehe BGE
104 V 81 Erw. 1).
b) Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt die Auffassung, mit der streitigen Mittelfussosteotomie sei labiles pathologisches Geschehen angegangen worden. Im Bericht vom 5. Dezember 1977 habe Prof. G. ausdrücklich festgehalten, dass mit einer zunehmenden Verschlechterung der Gehfähigkeit und zusätzlich mit infizierten Druckgeschwüren zu rechnen
BGE 105 V 139 S. 142

sei. Der labile Charakter des Leidens ergebe sich auch aus der Vernehmlassung des Prof. G., wonach die Versicherte wegen der drohenden Gefahr einer Perforation der Haut und der Metatarsalköpfchen und damit der Gefahr des Auftretens einer Infektion mit chronischer Osteomyelitis als voll arbeitsunfähig hätte erklärt werden müssen, wenn die Operation inzwischen nicht vorgenommen worden wäre. Diese Angaben des Prof. G. beziehen sich jedoch nur auf die sekundären - labilen - Folgeerscheinungen der Fussskelettanomalie. Nach der mit dem Urteil Denzler vom 2. April 1968 (ZAK 1968 S. 464) geänderten Rechtsprechung kann indessen ein Eingriff, welcher einen stabilen oder relativ stabilisierten Skelettzustand korrigiert, eine medizinische Eingliederungsmassnahme sein, selbst wenn die sekundären Erscheinungen bisher labil waren. Vorausgesetzt wird dabei, dass nicht bloss eine Einzelerscheinung angegangen wird, sondern dass der Skelettzustand mit dem Eingriff dauerhaft saniert wird und die sekundären labilen Erscheinungen dadurch dauernd behoben werden (vgl. auch EVGE 1968 S. 114, 1969 S. 100, ZAK 1970 S. 115). Es genügt daher nicht, die Folgeerscheinungen als labil zu erkennen. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob das deformierte Fussskelett der Versicherten medizinischen Eingliederungsmassnahmen zugänglich war oder nicht.
3. a) Als stabile oder mindestens relativ stabilisierte Defektzustände oder Funktionsausfälle bei Gelenkschäden gelten nach ständiger Rechtsprechung nur solche im knöchernen Bereich, also des Skelettes selbst; demzufolge betrachtet die Praxis nur die der Beseitigung oder Korrektur eines stabilen Skelettdefektes und dessen unmittelbaren mechanischen Folgen dienenden Eingriffe als Eingliederungsmassnahmen im Sinne des Gesetzes. Diese Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht in dem Sinne verdeutlicht, dass als Fehlstellungen im knöchernen Bereich nur solche der Knochen, welche durch Defekte dieser selbst bedingt sind, zu gelten haben, nicht auch solche, die durch Mängel der Knorpelpartien sowie des Bänder- und Muskelsystems hervorgerufen werden (BGE 101 V 60, BGE 99 V 33). Nicht als medizinische Massnahmen gelten nach der Praxis die operative Korrektur von fehlgestellten Fussknochen bzw. von Fehlfunktionen des Bewegungsapparates, beispielsweise
BGE 105 V 139 S. 143

bei Hohl-Spreizfuss (Urteil i.S. Frey vom 23. Juli 1976), bei Hammerzehen (Urteile i.S. Messerli vom 19. August 1974 und Kohli vom 17. Dezember 1974) und bei Hallux valgus (Urteil i.S. Kessler vom 13. Oktober 1976), weil der Fehlstellung eine funktionelle Störung des Bandapparates, der Sehnen und Muskeln zugrunde lag. b) Prof. G. bezeichnet die Fussdeformität der Versicherten als angeboren und bringt sie in Zusammenhang mit der Spina bifida und der Meningozele, was für das Vorliegen eines knöchernen Defektes im Sinne der Rechtsprechung sprechen würde. Anderseits erklärt dieser Arzt in der Replik vom 27. Oktober 1978, dass sich die Operation nicht auf einen Eingriff im knöchernen Bereich beschränkte, sondern dass gleichzeitig eine Sehnenverpflanzung vorgenommen wurde mit dem Zweck, das Muskelgleichgewicht wiederherzustellen. Dies könnte darauf schliessen lassen, dass die Knochenfehlstellung durch eine Störung der Sehnenfunktionen bedingt war. Allerdings fügte Prof. G. bei, mit der Sehnenverpflanzung und dem wiederhergestellten Muskelgleichgewicht habe "die Korrektur der Deformität definitiv werden" sollen. Danach könnte die Sehnenverpflanzung auch als eine bloss die im Vordergrund stehende Osteotomie begleitende und konsolidierende Massnahme betrachtet werden. Die Frage, ob die bei der Versicherten durchgeführte Operation einen knöchernen Defekt im Sinne der in Erw. 3a dargelegten Praxis korrigierte, kann aus nachstehenden Gründen indessen offen bleiben.
4. Als medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung gelten nur Vorkehren, die sich gegen stabile oder mindestens relativ stabilisierte Defektzustände oder Funktionsausfälle richten. Ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben ist, lässt sich nach dem in Erw. 2 Gesagten nicht danach beurteilen, wie sich die sekundären Folgeerscheinungen der Skelettanomalie verhalten. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Fussdeformität der Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Kassenverfügung stabil bzw. relativ stabilisiert oder aber weiterhin progredient war. Aus den Akten geht hervor, dass die Versicherte am 8. Juli 1965 erstmals am linken Fuss operiert worden war, womit die Hohlfusskomponente "ideal korrigiert" werden konnte (Bericht der Klinik X. vom 25. Oktober 1965). Im Jahre 1977
BGE 105 V 139 S. 144

diagnostizierte Prof. G. wiederum eine "deutliche Hohlfussstellung"; er legte im Bericht vom 5. Dezember 1977 dar, dass mit der vorgesehenen basalen Metatarsalosteotomie sowohl der Ballenfuss als auch die Hohlfuss-Komponente korrigiert würden. Aus diesen Angaben muss geschlossen werden, dass sich die den Hohlfuss verursachende Knochendeformität in der Zwischenzeit verschlechtert hatte, mithin labil war. Hinsichtlich des Ballenfusses, der bei der streitigen Operation offenbar im Vordergrund stand, hatte die Klinik X. zwar bereits im Jahre 1965 auf die Möglichkeit einer späteren Operationsnotwendigkeit hingewiesen (Bericht vom 25. Oktober 1965). A. war jedoch in der Folge in der Lage, ihre Ausbildung am Seminar abzuschliessen und während Jahren in ihrem Beruf als Kindergärtnerin tätig zu sein, bei dem sie viel stehen und gehen musste; in ihrer Anmeldung zum Leistungsbezug vom April 1977 gab sie an, zunächst schmerzfrei gewesen zu sein. Wenn sich somit erst ca. 10 Jahre nach der ersten Operation wieder Fussbeschwerden einstellten, muss dies darauf zurückzuführen sein, dass sich deren Ursache, nämlich die Knochendeformität, verschlimmert hatte. Die in den Akten liegenden ärztlichen Meinungsäusserungen des Prof. G. erhärten diese Annahme. In der Beschwerde an die Vorinstanz legte er dar, der Ballenhohlfuss sei früher "in leichterer Form" vorhanden gewesen, wirke sich nun aber in letzter Zeit in dem Sinne negativ aus, dass die Mittelfussköpfchen sich steil obenwärts richteten und zu Druckerscheinungen im Schuh führten. Und in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legt Prof. G. unter Hinweis auf einen früheren Bericht dar, dass der ursprünglich leichte Hohlballenfuss sich "erheblich verstärkte und zu dem Zustand führte, der die Operation notwendig machte", und dass sich "die Vorfuss-Stellung in den letzten Jahren erst erheblich verschlechtert hat". Aus dem Gesagten folgt, dass die basale Metatarsalosteotomie 2-5, um deren Übernahme als medizinische Eingliederungsmassnahme ersucht wird, in labiles Geschehen eingriff. Zu Unrecht stützt sich die Vorinstanz auf die Behauptung des Prof. G. in der Beschwerde vom 9. März 1978, beim Zustand der Versicherten "handle es sich zweifellos um einen nunmehr abgeschlossenen Defektzustand nach kongenitaler Missbildung". Damit räumt der Arzt - in Übereinstimmung mit seinen übrigen Angaben - selber ein, dass die Skelettanomalie
BGE 105 V 139 S. 145

zumindest bis anhin labil im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 12 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Eingliederung - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
2    Versicherte, die im Zeitpunkt der Vollendung ihres 20. Altersjahres an Massnahmen beruflicher Art nach den Artikeln 15-18c teilnehmen, haben bis zum Ende dieser Massnahmen, höchstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr, Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben gerichtet sind.
3    Die medizinischen Eingliederungsmassnahmen müssen geeignet sein, die Schul-, Ausbildungs- oder Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauerhaft und wesentlich zu verbessern oder eine solche Fähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Der Anspruch besteht nur, wenn die behandelnde Fachärztin oder der behandelnde Facharzt unter Berücksichtigung der Schwere des Gebrechens der versicherten Person eine günstige Prognose stellt.
IVG gewesen war. Mithin hat die Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf medizinische Massnahmen.
Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 19. Mai 1978 aufgehoben.