Urteilskopf

105 II 83

14. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1979 i.S.Intor-Handels AG gegen A. Müller, Medra Produkte AG (Berufung)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 83

BGE 105 II 83 S. 83

A.- Die A. Müller, Medra Produkte AG bezog wiederholt von der Novag AG White Horse-Garnituren, ein Körperpflegeprodukt für Männer. Am 21. April, 24. Mai und 6. Juli 1977 stellte die Novag AG der A. Müller, Medra Produkte AG, Rechnung für insgesamt Fr. 12'743.50. Alle diese Rechnungen tragen Vermerke, wonach Zahlung an die Intor-Handels AG zu erfolgen hat. Am 12. Juli 1977 wurde über die Novag AG der Konkurs eröffnet. Unter Berufung auf Abtretungserklärungen der Novag AG forderte die Intor-Handels AG von der A. Müller, Medra Produkte AG, die Zahlung des genannten Betrages. Am 23. Mai 1978 machte sie beim Handelsgericht des Kantons Zürich entsprechend Klage anhängig. Mit Urteil vom 21. Dezember 1978 wies das Handelsgericht die Klage ab, weil die Klägerin mangels formgerechter Abtretung
BGE 105 II 83 S. 84

nicht aktivlegitimiert sei. Offen blieb, ob allfällige Abtretungen nach Art. 287
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 287 - 1 Die folgenden Rechtshandlungen sind anfechtbar, wenn der Schuldner sie innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat und im Zeitpunkt der Vornahme bereits überschuldet war:508
1    Die folgenden Rechtshandlungen sind anfechtbar, wenn der Schuldner sie innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat und im Zeitpunkt der Vornahme bereits überschuldet war:508
1  Bestellung von Sicherheiten für bereits bestehende Verbindlichkeiten, zu deren Sicherstellung der Schuldner nicht schon früher verpflichtet war;
2  Tilgung einer Geldschuld auf andere Weise als durch Barschaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel;
3  Zahlung einer nicht verfallenen Schuld.
2    Die Anfechtung ist indessen ausgeschlossen, wenn der Begünstigte beweist, dass er die Überschuldung des Schuldners nicht gekannt hat und auch nicht hätte kennen müssen.510
3    Die Anfechtung ist insbesondere ausgeschlossen, wenn Effekten, Bucheffekten oder andere an einem repräsentativen Markt gehandelte Finanzinstrumente als Sicherheit bestellt wurden und der Schuldner sich bereits früher:
1  verpflichtet hat, die Sicherheit bei Änderungen im Wert der Sicherheit oder im Betrag der gesicherten Verbindlichkeit aufzustocken; oder
2  das Recht einräumen liess, eine Sicherheit durch eine Sicherheit gleichen Werts zu ersetzen.511
und 288
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
1    Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
2    Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.513
SchKG anfechtbar wären.
B.- Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung, die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation sei abzuweisen und der Fall zur weiteren Behandlung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Abtretung einer Forderung bedarf zur Gültigkeit der schriftlichen Form (Art. 165 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 165 - 1 Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
1    Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
2    Die Verpflichtung zum Abschluss eines Abtretungsvertrages kann formlos begründet werden.
OR). Dabei muss die Form den gesamten wesentlichen Inhalt der Erklärung decken, insbesondere auch die abzutretende Forderung ausreichend umschreiben (BGE 82 II 51 E. 1); ebenso muss der Wille des Zedenten ersichtlich sein, dass mit Unterzeichnung und Übergabe der Urkunde die Forderung auf den Empfänger übergehe (BGE 90 II 179 E. 6, BGE 88 II 21 E. 1). Davon geht offenbar auch die Berufung aus. Indessen macht die Klägerin geltend, dass auch formbedürftige Verträge auszulegen seien, und sie verweist dafür auf BGE 96 II 141. Das wird auch vom Handelsgericht anerkannt, darf aber nach dem angefochtenen Urteil angesichts der Formbedürftigkeit nicht zu einer Erweiterung der erklärten Verpflichtung führen; auf einen nicht verurkundeten Willen des Zedenten komme dabei nichts an. Dem ist beizupflichten (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 115 und 117 zu Art. 657
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen.
ZGB; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, S. 243 f. und 288 f.). Was die Berufung in dieser Hinsicht vorträgt, schlägt nicht durch. So kann sich die Klägerin nicht auf einen der Urkunde widersprechenden übereinstimmenden wirklichen Willen von Zedentin und Zessionarin berufen und auch nicht verlangen, dass darüber Beweise erhoben werden. Die Formvorschrift von Art. 165 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 165 - 1 Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
1    Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
2    Die Verpflichtung zum Abschluss eines Abtretungsvertrages kann formlos begründet werden.
OR soll für Dritte, namentlich den Schuldner der abgetretenen Forderung, deutlich kundtun, wem diese zusteht (BGE 82 II 52); auf sein Verständnis hat daher die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ebenfalls Rücksicht zu nehmen (VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 286 f.).
Der Formmangel einer Abtretung wird sodann nicht dadurch geheilt, dass der Zedent sie nachträglich anerkennt
BGE 105 II 83 S. 85

(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 165
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 165 - 1 Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
1    Die Abtretung bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
2    Die Verpflichtung zum Abschluss eines Abtretungsvertrages kann formlos begründet werden.
OR). Dass das Konkursamt Oerlikon-Zürich wegen Zession die Klageforderungen nicht mehr namens der Zedentin beansprucht, ist daher unerheblich. Ebenso geht der Einwand an der Sache vorbei, dass die Art. 164
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 164 - 1 Der Gläubiger kann eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an einen andern abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen.
1    Der Gläubiger kann eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an einen andern abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, das ein Verbot der Abtretung nicht enthält, kann der Schuldner die Einrede, dass die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen worden sei, nicht entgegensetzen.
und 169
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 169 - 1 Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt.
1    Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt.
2    Ist eine Gegenforderung des Schuldners in diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen, so kann er sie dennoch zur Verrechnung bringen, wenn sie nicht später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
OR verletzt seien, wonach die Abtretung keiner Einwilligung des Schuldners bedürfe und seine Einreden beschränkt seien. Die Klägerin beruft sich dabei auf JÄGGI (zur "Rechtsnatur" der Zession, in: SJZ 1971, S. 6 ff.), wonach grundsätzlich dem Schuldner nicht nur die Einreden aus dem Grundgeschäft zwischen Zedent und Zessionar, sondern auch die Einreden gegen die Abtretung als solche verwehrt werden sollten. Indessen ergibt sich aus dem Zusammenhang des Aufsatzes klar, dass dabei stets eine formgültige Abtretung vorausgesetzt wird. Anhand dieser Grundsätze ist im Folgenden zu prüfen, ob die Klägerin sich auf eine formgerechte Abtretungsurkunde zu stützen vermag.
3. Die Vereinbarung der Klägerin mit der Novag AG vom 14. Oktober 1976 enthält eine Abtretungserklärung der Novag AG, die sich aber nach dem angefochtenen Urteil ausschliesslich auf drei von den Klageforderungen unabhängige Bestellungen vom 20. September 1976 bezieht. Als Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ist das vom Bundesgericht frei zu prüfen, doch führt eine solche Prüfung nicht zu einem andern Ergebnis. Wenn die Berufung demgegenüber geltend macht, die Vereinbarung sei von Laien formuliert worden und habe einen weitergehenden Sinn gehabt, worüber Beweis abzunehmen gewesen wäre, so wird damit auf einen von der Urkunde abweichenden wirklichen Willen angespielt, der, wie dargelegt, unbeachtlich bleiben muss.
6. Schliesslich hält die Klägerin daran fest, dass die streitigen Fakturen Abtretungserklärungen enthalten. Es handelt sich dabei um die Vermerke: - "Diese Rechnung ist abgetreten und nur gültig zahlbar an Intor-Handels AG, St. Gallen" (Rechnung vom 7. Juli 1977);
- "Zahlbar an unsere Treuhandstelle Intor-Handels AG/Schweiz. Bankverein Kt. 24850 St. Gallen" (Rechnung vom 21. April 1977); - "Zahlbar: Kt. 24850 Intor-Handels AG/Schweiz. Bankverein/St. Gallen" (Rechnung vom 24. Mai 1977). Nach dem angefochtenen Urteil handelt es sich bei diesen Vermerken um Mitteilungen der Novag AG an die Beklagte
BGE 105 II 83 S. 86

über den behaupteten Gläubigerwechsel, also um Anzeigen im Sinn von Art. 167
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 167 - Wenn der Schuldner, bevor ihm der Abtretende oder der Erwerber die Abtretung angezeigt hat, in gutem Glauben an den frühern Gläubiger oder, im Falle mehrfacher Abtretung, an einen im Rechte nachgehenden Erwerber Zahlung leistet, so ist er gültig befreit.
OR, nicht aber um die Abtretung selbst. Dazu kommt nach Ansicht des Handelsgerichts, dass auf den Fotokopien der Rechnungsoriginale, die das Gericht bei der Beklagten eingefordert hat, die zur Schriftlichkeit erforderliche Unterschrift der Novag AG fehlt. Letzteres wird von der Berufung nicht bestritten, soweit es sich um die Rechnung vom 7. Juli 1977 handelt, die eine eigentliche Abtretungserklärung trägt. Dagegen macht die Klägerin ein offenbares Versehen der Vorinstanz geltend, weil die beiden andern Rechnungen auf dem jeweils der Klägerin übermittelten Rechnungsdoppel die Unterschrift der Novag AG trügen. Es scheint sich indessen kaum um ein Versehen zu handeln, bezieht sich doch das angefochtene Urteil eindeutig auf die nachträglich beigezogenen Rechnungsoriginale, nicht auf die zuvor von der Klägerin eingereichten Rechnungskopien. Indessen hatte das Handelsgericht zur massgeblichen Frage, ob eine formgültige Zession der Novag AG an die Klägerin vorliege, ohnehin nicht auf die an die Beklagte gerichteten Originale abzustellen, die zu Recht als Anzeige an den Schuldner bezeichnet werden, sondern auf die Kopien, die an die Klägerin gelangten und von der Novag AG unterzeichnet sind. Entscheidend ist somit, ob die Zahlungsvermerke auf den beiden Fakturen, deren Doppel unterschrieben sind, einer Abtretungserklärung gleichkommen, wie sie die dritte, nicht unterzeichnete Rechnung ausdrücklich enthält. Die Frage ist jedoch zu verneinen. Die Anweisung an den Schuldner, an die Intor-Handels AG zu zahlen, die in der ersten der beiden Rechnungen als "unsere Treuhandstelle" bezeichnet ist, bringt nicht zum Ausdruck, dass diese damit nicht nur Zahlstelle, sondern ausschliesslich Gläubigerin sei; durch Unterzeichnung dieser Erklärung und Übergabe an die Klägerin wurde deshalb der Abtretungswille auch nicht in einer Weise bestätigt, die nach den geschilderten Grundsätzen das Vorliegen einer formgültigen Abtretungserklärung zu bejahen erlaubte. Das angefochtene Urteil verneint demnach die Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht, was zur Abweisung von Klage und Berufung führt.