Urteilskopf

105 II 215

36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Juni 1979 i.S. X. gegen X. (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 215

BGE 105 II 215 S. 215

Der belgische Staatsangehörige A. X. und B. Y., Bürgerin von Horgen und Wetzikon, schlossen am 3. August 1957 in Horgen die Ehe. Die Ehefrau, die zuvor gemäss Art. 9
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (BüG)
BGE 105 II 215 S. 216

die Erklärung abgegeben hatte, ihr Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen, erwarb durch die Heirat die belgische Staatsangehörigkeit. Die Eheleute X.-Y. begründeten in der Folge ihren Wohnsitz in Belgien. Mit Eingabe vom 20. April 1977 reichte die nach wie vor in Belgien wohnhafte B. X.-Y. beim Bezirksgericht Horgen Klage ein auf Scheidung der Ehe gestützt auf Art. 142
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
ZGB. A. X. erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit.
Das Bezirksgericht Horgen (III. Abteilung) schützte die Einrede des Beklagten und beschloss am 6. Juli 1978, auf die Klage werde nicht eingetreten. Den von der Klägerin hiegegen erhobenen Rekurs hiess das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) mit Beschluss vom 29. Januar 1979 gut. Es wies die Sache zum Eintreten auf die Scheidungsklage an das Bezirksgericht zurück. A. X. hat gegen den zweitinstanzlichen Entscheid beim Bundesgericht Berufung eingereicht mit dem Antrag, es sei die Unzuständigkeit des Richters am schweizerischen Heimatort der Klägerin festzustellen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Gemäss Art. 7g Abs. 1 NAG kann ein im Ausland wohnender schweizerischer Ehegatte eine Scheidungsklage beim Richter seines Heimatortes anbringen. Diese Bestimmung gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der Kläger Doppelbürger ist und seinen Wohnsitz im andern Heimatstaat hat (vgl. BGE 84 II 469 ff.). In einem späteren Entscheid hat das Bundesgericht freilich beiläufig bemerkt, es möge dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des Art. 7g Abs. 1 NAG auf schweizerisch-ausländische Doppelbürger angesichts der sich mehrenden internationalen Zuständigkeitskonflikte als dem wahren Sinne des Gesetzes entsprechend betrachtet werden könne und ob die weite Auslegung der genannten Bestimmung beizubehalten sei oder ob nicht vielmehr bei Wohnsitz des Doppelbürgers im ausländischen Heimatstaat der Gerichtsbarkeit jenes Staates der Vorrang einzuräumen sei (BGE 89 I 309). Der Beklagte macht in erster Linie geltend, einer Anwendung des Art. 7g Abs. 1 NAG auf das von der Klägerin in
BGE 105 II 215 S. 217

Horgen eingeleitete Verfahren stehe auf jeden Fall das am 29. April 1959 geschlossene und am 15. Oktober 1962 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Schweiz und Belgien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.721) entgegen; diese Konvention sei dem Willen der beiden Staaten entsprungen, Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden und gehe daher den innerstaatlichen Kollisionsnormen vor; Art. 7g Abs. 1 NAG könnte demnach nur dann angewendet werden, wenn das vom schweizerischen Richter zu füllende Urteil in Belgien anerkannt würde, was jedoch gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 2 Abs. 1 lit. a des erwähnten Abkommens nicht der Fall sei.
2. Das schweizerisch-belgische Abkommen vom 29. April 1959 regelt einzig die Bedingungen, unter denen gerichtliche Entscheide (und Schiedssprüche) des einen Vertragsstaates im andern anerkannt und vollstreckt werden sollen (vgl. die Präambel). Es enthält keine Gerichtsstandsordnung und sieht demnach auch nicht etwa vor, dass die Zuständigkeitsnormen des einen Staates der Frage der Anerkennung der Urteile durch den andern Staat Rechnung zu tragen hätten. Entgegen der Auffassung des Beklagten vermag der Staatsvertrag eine Anwendung der Bestimmungen des NAG somit nicht auszuschliessen (vgl. Art. 34
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BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
NAG).
3. Dass die Klägerin auch in Belgien die Scheidung erlangen könnte, ist ohne Belang. Der Beklagte vermag im übrigen nicht darzutun, dass das dortige Recht einen der tiefen Zerrüttung im Sinne von Art. 142
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BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
ZGB entsprechenden Scheidungsgrund kennt. Dies ist denn auch offensichtlich nicht der Fall (vgl. Art. 229 ff. des belgischen Bürgerlichen Gesetzbuches, bei BERGMANN/FERID, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, I. Bd., Belgien S. 33).
4. Wie das Obergericht mit Recht ausführt, besteht trotz der in BGE 89 I 309 geäusserten Bedenken kein Anlass zur Änderung der Rechtsprechung zu Art. 7g Abs. 1 NAG (Anwendung auch bei Doppelbürgern), die im Schrifttum zumindest stillschweigend gebilligt wird (vgl. VISCHER, Internationales Privatrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, I. Bd. S. 541; STAUFFER, Nachtrag 1977 zur Praxis zum NAG, Anm. 3 zu Art. 7g; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., I. Bd., S. 377; BÜHLER, Berner Kommentar, Einleitung zur Ehescheidung, N. 132; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. A., S. 192).
BGE 105 II 215 S. 218

Die Erwägungen in BGE 84 II 473 ff. haben nach wie vor ihre Gültigkeit. Mit der im Bürgerrechtsgesetz geschaffenen, durch nichts eingeschränkten Möglichkeit der Erklärung, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen (Art. 9 Abs. 1
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BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
BüG), wurde in Kauf genommen, dass eine Schweizerin, die bei der Heirat mit einem Ausländer dessen Staatsangehörigkeit erwirbt, zur Doppelbürgerin werden kann und dass dadurch im internationalen Verhältnis Schwierigkeiten entstehen können. Es ist daher nicht Sache der Rechtsprechung, einer schweizerisch-ausländischen Doppelbürgerin, die im ausländischen Heimatstaat wohnt, unter Berufung auf die Vermeidung internationaler Konflikte den schweizerischen Scheidungsgerichtsstand vorzuenthalten oder von ihr - entsprechend der Regelung in Art. 7h Abs. 1
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
NAG - den Nachweis der Anerkennung des Urteils im ausländischen Wohnsitz- und Heimatstaat zu verlangen. Dem Gesichtspunkt der Anerkennung des Urteils im ausländischen Heimatstaat hat das Bundesgericht in seiner neueren Rechtsprechung übrigens auch im Zusammenhang mit andern eherechtlichen Fragen zu Gunsten der inneren Harmonie der schweizerischen Rechtsordnung immer weniger Bedeutung beigemessen (vgl. BGE 102 Ib 1 ff.; BGE 97 I 389 ff., insbesondere 410; BGE 94 II 65 ff.). Dass sich im vorliegenden Fall auch die Nebenfolgen einer Scheidung nach schweizerischem Recht bestimmen (Art. 7g Abs. 2
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 9 Formelle Voraussetzungen - 1 Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
1    Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:
a  bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und
b  bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.
2    Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.
NAG) und dass der Beklagte als in seinem Heimatstaat wohnender Belgier in der Schweiz ins Recht gefasst werden kann, ist die Folge der bestehenden schweizerischen Rechtsordnung. Der Beklagte hat sich damit abzufinden.