Urteilskopf

104 Ia 470

69. Auszug aus dem Urteil vom 11. Oktober 1978 i.S. Zen Ruffinen und Loretan gegen Gemeinde Leukerbad und II. Schätzungskommission des Kantons Wallis
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 470

BGE 104 Ia 470 S. 470

Aus den Erwägungen:

5. b) Zu Recht macht der Beschwerdeführer Zen Ruffinen geltend, dass bei der Bestimmung des Verkehrswertes werkbedingte Vor- und Nachteile nicht zu berücksichtigen seien. Dieser Grundsatz ist unabhängig davon zu beachten, ob er im kantonalen Recht - gleich wie in Art. 20 Abs. 3 des Bundesgesetzes
BGE 104 Ia 470 S. 471

über die Enteignung (EntG) - ausdrücklich statuiert werde oder nicht, da er generelle Bedeutung hat und sich aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der vollen Entschädigung ableiten lässt. Würde nämlich der Enteigner dazu verpflichtet, im Rahmen der Enteignungsentschädigung für Vorteile aufzukommen, die er durch sein Werk selbst geschaffen hat, so bedeutete dies, dass der Enteignete mehr als die durch Art. 22ter BV gewährleistete volle Entschädigung erhielte und dadurch bereichert würde. Müsste andererseits der Enteigner, dessen Werk sich nachteilig auf die Grundstückspreise auswirkt, lediglich den des Werkes wegen gesunkenen Preis bezahlen, so würde dem Enteigneten nicht der ihm zustehende volle Verkehrswert ersetzt (vgl. zur Anwendung von Art. 20 Abs. 2
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 20
1    Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auch die Möglichkeit einer besseren Verwendung angemessen zu berücksichtigen.
2    Soweit der Enteignete durch die Enteignung von besonderen Lasten befreit wird, ist deren Wert abzuziehen.
3    Ausser Betracht fallen die durch das Unternehmen des Enteigners entstehenden Werterhöhungen oder Wertverminderungen. Die werterhöhenden Anlagen, für die keine Entschädigung entrichtet wird, kann der Enteignete bis zum Besitzesantritt des Enteigners wegnehmen, soweit es ohne Nachteil für das enteignete Recht möglich ist.
EntG die nicht publ. Entscheide i.S. La Dixence S.A. vom 12. März 1937 E. 1, i.S. Schnyder vom 25. April 1956 E. 2, i.S. Grogg vom 20. März 1962 E. 1, i.S. Meschler vom 11. Februar 1965, S. 6; s.a. BURCKHARDT, Die Entschädigungspflicht im schweiz. Recht, ZSR N.F. 32/1913, S. 150, HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 9 und 10 zu Art. 20
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 20
1    Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auch die Möglichkeit einer besseren Verwendung angemessen zu berücksichtigen.
2    Soweit der Enteignete durch die Enteignung von besonderen Lasten befreit wird, ist deren Wert abzuziehen.
3    Ausser Betracht fallen die durch das Unternehmen des Enteigners entstehenden Werterhöhungen oder Wertverminderungen. Die werterhöhenden Anlagen, für die keine Entschädigung entrichtet wird, kann der Enteignete bis zum Besitzesantritt des Enteigners wegnehmen, soweit es ohne Nachteil für das enteignete Recht möglich ist.
EntG, DUBACH, Die Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach Bundesrecht, ZBl 79/1978, S. 1; Botschaft des Bundesrates zum Entwurfe eines Bundesgesetzes über die Enteignung, BBl 1926 II, S. 30). Die heikle Frage der Anwendung des Grundsatzes der Nichtberücksichtigung von werkbedingten Vor- und Nachteilen im Falle der Teilenteignung (vgl. Art. 19 lit. b
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
und Art. 22
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 22
1    Bei einer Teilenteignung ist für den Minderwert des verbleibenden Teiles insoweit kein Ersatz zu leisten, als er durch besondere Vorteile, die ihm aus dem Unternehmen des Enteigners entstehen, aufgewogen wird.
2    Dagegen ist auch derjenige Schaden zu berücksichtigen, der aus dem Entzug oder der Beeinträchtigung solcher den Verkehrswert beeinflussender Eigenschaften entsteht, die ohne die Enteignung aller Voraussicht nach dem verbleibenden Teile erhalten geblieben wären.
EntG; DUBACH, a.a.O., S. 6) stellt sich hier nicht, da einerseits die Parzelle Loretan gemäss Entscheid der Schätzungskommission II vollständig enteignet worden ist und andererseits der Beschwerdeführer Zen Ruffinen nicht einmal behauptet hat, dass für den nicht enteigneten Teil seines Grundstückes eine Wertverminderung eingetreten sei. c) Beeinflusst ein Werk die Grundstückspreise, so steigen oder sinken die Verkehrswerte nicht notwendigerweise erst im Zeitpunkt der Errichtung oder nach der Erstellung des Werkes. Die Erfahrung zeigt, dass sich schon die Projektierung eines öffentlichen Werkes auf den Grundstücksmarkt auswirken kann, noch bevor feststeht, ob dieses überhaupt gebaut werde. Sogar nur die Bekanntgabe, es werde ein gewisses Projekt studiert, oder die Möglichkeit, dass unter verschiedenen Projekten
BGE 104 Ia 470 S. 472

ein bestimmtes ausgewählt werden könnte, kann einen bis anhin ruhigen Immobilienmarkt beleben oder gegenteils einen vorher regen Grundstückshandel zum Erliegen bringen. Auch solche - günstigen oder ungünstigen - Vorwirkungen des Werkes müssen bei der Bestimmung des Verkehrswertes der für das Werk enteigneten Grundstücke ausser acht bleiben (HESS, a.a.O. N. 9 und 10 zu Art. 20
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 20
1    Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auch die Möglichkeit einer besseren Verwendung angemessen zu berücksichtigen.
2    Soweit der Enteignete durch die Enteignung von besonderen Lasten befreit wird, ist deren Wert abzuziehen.
3    Ausser Betracht fallen die durch das Unternehmen des Enteigners entstehenden Werterhöhungen oder Wertverminderungen. Die werterhöhenden Anlagen, für die keine Entschädigung entrichtet wird, kann der Enteignete bis zum Besitzesantritt des Enteigners wegnehmen, soweit es ohne Nachteil für das enteignete Recht möglich ist.
EntG und bereits zit. Entscheide).