Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess
{T 7}
I 112/02

Urteil vom 30. Dezember 2002
IV. Kammer

Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Grunder

Parteien
T.________, 1971, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Zingg, Marktgasse 5, 9000 St. Gallen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 7. Januar 2002)

Sachverhalt:
A.
Die 1971 geborene T.________ leidet seit dem 6. Lebensmonat an den Folgen einer Poliomyelitis (Kinderlähmung). 1984 musste sie sich einer thoracolumbalen Aufrichtungsspondylodese unterziehen und ab 1998 traten Spätschäden im Sinne eines Postpoliomyelitis-Syndroms auf (Lähmung beider Beine, mehr links als rechts, Schwäche der Rumpfmuskulatur, Myotendinosen der Schultergürtelmuskulatur, Muskel- und Gelenkschmerzen, schnelle Ermüdbarkeit). Wegen dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich T.________ verschiedene Leistungen zu, unter anderem eine Invalidenrente, Hilfsmittel und berufliche Massnahmen. Am 26. Januar 1999 meldete sie sich zum Bezug einer Hilflosenentschädigung an. Die IV-Stelle holte zu den bereits vorhandenen Unterlagen den Bericht der Rehaklinik X.________ vom 16. August 2000 ein und liess T.________ an Ort und Stelle abklären (Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung vom 16. November 1999). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren ab (Verfügung vom 25. September 2000).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher T.________ eine Hilflosenentschädigung schweren, eventuell mittleren Grades mit Wirkung ab Januar 1998 beantragte, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Einholung eines Berichts des Rehabilitationszentrums L.________ vom 13. Juni 2001 ab (Entscheid vom 7. Januar 2002).
C.
T.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihr ab 1. Januar 1998 eine Hilflosenentschädigung auszurichten.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen über den Anspruch auf Hilflosenentschädigung (Art. 42 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 42 Anspruch - 1 Versicherte mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG258) in der Schweiz, die hilflos (Art. 9 ATSG) sind, haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis.
1    Versicherte mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG258) in der Schweiz, die hilflos (Art. 9 ATSG) sind, haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis.
2    Es ist zu unterscheiden zwischen schwerer, mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit.
3    Als hilflos gilt ebenfalls eine Person, welche zu Hause lebt und wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist. Liegt ausschliesslich eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit vor, so gilt die Person nur als hilflos, wenn sie Anspruch auf eine Rente hat.259 Ist eine Person lediglich dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen, so liegt immer eine leichte Hilflosigkeit vor. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis Absatz 5.
4    Die Hilflosenentschädigung wird frühestens ab der Geburt gewährt. Der Anspruch entsteht, wenn während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch mindestens eine Hilflosigkeit leichten Grades bestanden hat; vorbehalten bleibt Artikel 42bis Absatz 3.260
4bis    Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung erlischt spätestens am Ende des Monats:
a  der dem Monat vorangeht, in dem die versicherte Person eine ganze Altersrente nach Artikel 40 Absatz 1 AHVG261 vorbezieht;
b  in dem die versicherte Person das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht.262
5    Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung entfällt bei einem Aufenthalt in einer Institution zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen nach Artikel 8 Absatz 3. Der Bundesrat definiert den Aufenthalt. Er kann ausnahmsweise auch bei einem Aufenthalt einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung vorsehen, wenn die versicherte Person wegen einer schweren Sinnesschädigung oder eines schweren körperlichen Gebrechens nur dank regelmässiger und erheblicher Dienstleistungen Dritter gesellschaftliche Kontakte pflegen kann.
6    Der Bundesrat regelt die Übernahme einer anteilmässigen Leistung an die Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung, falls die Hilflosigkeit nur zum Teil auf einen Unfall zurückzuführen ist.
IVG), den Begriff der Hilflosigkeit (Art. 42 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 42 Anspruch - 1 Versicherte mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG258) in der Schweiz, die hilflos (Art. 9 ATSG) sind, haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis.
1    Versicherte mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG258) in der Schweiz, die hilflos (Art. 9 ATSG) sind, haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis.
2    Es ist zu unterscheiden zwischen schwerer, mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit.
3    Als hilflos gilt ebenfalls eine Person, welche zu Hause lebt und wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist. Liegt ausschliesslich eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit vor, so gilt die Person nur als hilflos, wenn sie Anspruch auf eine Rente hat.259 Ist eine Person lediglich dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen, so liegt immer eine leichte Hilflosigkeit vor. Vorbehalten bleibt Artikel 42bis Absatz 5.
4    Die Hilflosenentschädigung wird frühestens ab der Geburt gewährt. Der Anspruch entsteht, wenn während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch mindestens eine Hilflosigkeit leichten Grades bestanden hat; vorbehalten bleibt Artikel 42bis Absatz 3.260
4bis    Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung erlischt spätestens am Ende des Monats:
a  der dem Monat vorangeht, in dem die versicherte Person eine ganze Altersrente nach Artikel 40 Absatz 1 AHVG261 vorbezieht;
b  in dem die versicherte Person das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht.262
5    Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung entfällt bei einem Aufenthalt in einer Institution zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen nach Artikel 8 Absatz 3. Der Bundesrat definiert den Aufenthalt. Er kann ausnahmsweise auch bei einem Aufenthalt einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung vorsehen, wenn die versicherte Person wegen einer schweren Sinnesschädigung oder eines schweren körperlichen Gebrechens nur dank regelmässiger und erheblicher Dienstleistungen Dritter gesellschaftliche Kontakte pflegen kann.
6    Der Bundesrat regelt die Übernahme einer anteilmässigen Leistung an die Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung, falls die Hilflosigkeit nur zum Teil auf einen Unfall zurückzuführen ist.
IVG), die für die Höhe der Entschädigung wesentliche Unterscheidung der drei Hilflosigkeitsgrade (Art. 42 Abs. 3
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 42 - Der Geldverkehr der kantonalen und der gemeinsamen IV-Stellen geht über die Ausgleichskasse des Kantons, in welchem die IV-Stelle ihren Sitz hat.
in Verbindung mit Art. 36
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 36 Besondere Leistungen für Minderjährige - 1 ...212
1    ...212
2    Minderjährige mit einem Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, die eine intensive Betreuung brauchen und sich nicht in einem Heim aufhalten, haben zusätzlich zur Hilflosenentschädigung Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag nach Artikel 39. Tragen sie die Kosten für den Heimaufenthalt selber, so bleibt der Anspruch auf Intensivpflegezuschlag bestehen.213
3    ...214
IVV) und die nach der Rechtsprechung bei deren Bestimmung massgebenden sechs alltäglichen Lebensverrichtungen (BGE 121 V 90 Erw. 3a mit Hinweisen; AHI 2000 S. 317 Erw. 1 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig wiedergegeben wird auch die Rechtsprechung zu der im gesamten Sozialversicherungsrecht geltenden Schadenminderungspflicht (BGE 123 V 233 Erw. 3c mit Hinweisen) und zum Beweiswert ärztlicher Gutachten und Berichte (BGE 125 V 352 Erw. 3a).
2.
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin in einer massgebenden Lebensverrichtung (Essen) nicht hilflos ist. Zu prüfen bleibt hingegen, wie es sich bei den alltäglichen Lebensverrichtungen Fortbewegung/Kontaktaufnahme, Aufstehen/Absitzen/Abliegen, Ankleiden/Ausziehen, Körperpflege und Verrichtung der Notdurft verhält.
2.1
Die Vorinstanz hat in sorgfältiger und umfassender Würdigung der Akten erwogen, dass die Beschwerdeführerin sich weder mit Hilfe der Gehstöcke noch des Rollstuhls uneingeschränkt fortzubewegen vermöge, abgesehen davon indessen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorlägen, die eine Hilflosigkeit begründeten. Hinsichtlich der Bereiche Ankleiden/Ausziehen und der Notdurft werde bloss eine Erschwerung oder Verlangsamung der Vornahme dieser Lebensverrichtungen geltend gemacht, was praxisgemäss für die Annahme einer Hilflosigkeit nicht genüge. Bei der Körperpflege sei die Versicherte gemäss Bericht des Rehabilitationszentrums L.________ vom 13. Juni 2001 selbständig, sofern sie eine behindertengerechte Duschvorrichtung benützen könne. Sodann sei die Beschwerdeführerin zwar nicht in der Lage aufrecht zu stehen, ohne sich auf Krücken zu stützen oder ohne sich an einem geeigneten Gegenstand festzuhalten, die Teilfunktion "Aufstehen" der zweiten Lebensverrichtung sei aber nicht nutzlos geworden, da sie bspw. in der Lage sei, eine Tasse oder Kleider aus dem Schrank herauszunehmen oder eine Gehstrecke von ca. 100 Metern zurückzulegen. Schliesslich liess das kantonale Gericht die Frage offen, ob die Versicherte im Bereich der
Fortbewegung/Kontaktaufnahme hilflos sei, da sich am Ergebnis nichts ändern würde.
2.2
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt ist, soweit erheblich, nicht stichhaltig. Der beanstandete, von der Rehaklinik X.________ ausgefüllte Fragebogen zur Hilflosenentschädigung der IV-Stelle wurde von der Vorinstanz nicht berücksichtigt. Sie holte statt dessen den Bericht des Rehabilitationszentrums L.________ ein, in dem der leitende Arzt, Dr. med. K.________, überzeugend auf die gestellten Fragen eingeht. Die von der Versicherten geübte Kritik, der Arzt habe sich auf eine lediglich in Kopie aufgelegte, nicht unterzeichnete, nicht begründete und mit Durchstreichungen und Überschreibungen versehene und für den medizinischen Laien unverständliche Tabelle gestützt, ist nicht sachgerecht. Die in mehrere, den sechs Lebensverrichtungen und Teilfunktionen vergleichbare Bereiche gegliederte und unterteilte "Tabelle" enthält eine Zusammenfassung der während des Aufenthalts der Versicherten in der Klinik gesammelten Beobachtungen und stellt ein sinnvolles und geeignetes Arbeitspapier dar. Sodann wird geltend gemacht, zu Folge der Rückenversteifung verursache die Vornahme verschiedener Verrichtungen (Notdurft, Waschen des Rückens und der Haare, Aufstehen und Aufrecht Stehen, Ankleiden) derart starke Schmerzen, dass sie auf die Hilfe
Dritter angewiesen sei. Weder wird im Bericht des Dr. med. K.________ erwähnt, dass die Versicherte sich während des Rehabilitationsaufenthalts in der Klinik über erhebliche Schmerzen beklagt hätte, noch hat sie sich bei der Anmeldung zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung, noch gegenüber der den Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung abfassenden Person dahingehend geäussert. Zudem legt Frau Dr. med. H.________ dar, dass die schmerzhafte Schultergürtelsymptomatik durch verschiedene, während des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik X.________ durchgeführte physiotherapeutische Massnahmen gut beeinflusst werden konnte (Bericht der Rehaklinik X.________ vom 1. August 2000). Auf Grund dieser Akten ist nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin bei bestimmten Lebensverrichtungen an Schmerzen leidet, die ihr ein selbständiges Tätigwerden unzumutbar machen.
2.3
Zu den weiteren Vorbringen wird auf die zutreffenden und einlässlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen, denen nichts beizufügen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 30. Dezember 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: