Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-71/2017

Urteil vom 28. April 2017

Einzelrichter Markus König (Vorsitz),

Besetzung mit Zustimmung von Richter Bendicht Tellenbach;

Gerichtsschreiberin Lhazom Pünkang.

A._______, geboren am (...),

Eritrea,
Parteien
vertreten durch MLaw Katarina Socha (...),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Asyl (ohne Wegweisungsvollzug);
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 8. Dezember 2016 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der aus Eritrea stammende Beschwerdeführer verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge im (...) 2015 in Richtung Äthiopien. Von dort gelangte er via den Sudan, Libyen und Italien am (...) August 2016 in die Schweiz, wo er gleichentags ein Asylgesuch stellte.

B.
Nachdem eine radiologische Analyse des Handknochens des Beschwerdeführers am 16. August 2016 die von ihm behauptete Minderjährigkeit bestätigt hatte, fand am 19. August 2016 seine Befragung zur Person (BzP) statt. Als Ausreisegründe gab der Beschwerdeführer dabei an, er sei von der Schule gewiesen worden, weil er seinen Eltern bei der Arbeit haben helfen müssen und deshalb mehrmals den Unterricht verpasst habe. Er habe mit den Behörden seines Landes ansonsten nie Probleme gehabt.

C.
Am 22. September 2016 wurde der Beschwerdeführer - im Beisein einer Vertrauensperson für unbegleitete minderjährige Asylsuchende - einlässlich zu seinen Asylgründen angehört. Er führte dabei aus, er habe in der Heimat die Schule bis (...) 2014 besuchen können; er sei bei seinem Schulausschluss in der (...) Klasse gewesen und habe befürchtet, bei einer Razzia festgenommen und für immer ins Gefängnis gesteckt zu werden respektive dann bei Eintritt der Volljährigkeit zwangsweise in den Militärdienst überführt zu werden. Er habe sich deshalb zur Ausreise entschieden und habe das Land zusammen mit zwei jugendlichen Freunden illegal verlassen ohne zuvor seine Angehörigen informiert zu haben.

D.
Mit Verfügung vom 8. Dezember 2016 lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an, wobei es den Vollzug der Wegweisung wegen Unzumutbarkeit zugunsten einer vorläufigen Aufnahme aufschob. Der Asylentscheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass weder die geltend gemachten Vorfluchtgründe (Schulausschluss, Furcht vor Festnahme und späterem Einbezug in den National Service) noch die angebliche illegale Ausreise flüchtlingsrechtlich relevant seien.

E.
Gegen diese Verfügung liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. Januar 2017 (Datum der Postaufgabe) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben. Er beantragte die teilweise Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 VwVG (inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses) und um Beiordnung seiner Rechtsvertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. Zur Begründung des Rechtsmittels wurde im Wesentlichen ausgeführt, das SEM habe zu Unrecht seine illegale Ausreise als flüchtlingsrechtlich irrelevant qualifiziert.

F.
Mit Zwischenverfügung vom 19. Januar 2017 hiess der Instruktionsrichter einerseits das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 VwVG gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses; andererseits wies er das Gesuch um Einsetzung der Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin ab, weil gemäss Akten die zuständigen kantonalen Behörden für ihn am 16. November 2016 - zusätzlich zur Beigabe einer rechtskundigen Vertrauensperson im Sinn von Art. 17 Abs. 3 AsylG (SR 142.31) - bereits zwei andere amtliche Rechtsvertreterinnen eingesetzt hätten. Mit der gleichen Instruktionsverfügung wurde die Vorinstanz eingeladen, sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen.

G.
Das SEM hielt in seiner Vernehmlassung vom 25. Januar 2017 an seiner Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

H.
Der Beschwerdeführer liess in seiner Replik vom 10. Februar 2017 ebenfalls an seinen Anträgen festhalten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinn von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinn von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG).

1.4. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich hier um eine Beschwerde, die durch einen Koordinationsentscheid des Bundesverwaltungsgerichts offensichtlich unbegründet geworden ist, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

4.

4.1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

4.2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.3. Subjektive Nachfluchtgründe begründen unter Umständen - wenn die heimatlichen Behörden das Verhalten der asylsuchenden Person als staatsfeindlich einstufen und diese deswegen bei einer Rückkehr eine Verfolgung im Sinn von Art. 3 AsylG befürchten muss - die Flüchtlingseigenschaft und führen zur Feststellung der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs und zur vorläufigen Aufnahme in der Schweiz; gemäss Art. 54 AsylG wird jedoch kein Asyl gewährt (vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1 m.w.H.). Gemäss der am 1. Februar 2014 in Kraft getretenen Bestimmung von Art. 3 Abs. 4 AsylG sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, nicht (mehr) Flüchtlinge.

5.

5.1. Das SEM führte zur Begründung des Asylentscheids aus, weder mit den geltend gemachten Lebensumständen (insbesondere dem Ausschluss aus der Schule) noch mit der Furcht vor einer Festnahme und der späteren Überstellung in den Militärdienst würden vorliegend asylrelevante Verfolgungsmassnahmen geltend gemacht, zumal der Beschwerdeführer in diesem Kontext keinerlei Behördenkontakt im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehabt habe. Zudem vermöge auch die vorgebrachte illegale Ausreise keine Furcht vor zukünftiger Verfolgung zu begründen. Er habe nie ein Aufgebot zum Militärdienst erhalten und habe demzufolge weder den Nationaldienst verweigert noch sei er aus diesem desertiert.

5.2.

5.2.1. In der Beschwerde werden die Ausführungen des SEM zu den Vorfluchtgründen - Schulausschluss, Furcht vor Festnahme und späterer Zwangsrekrutierung - nicht bestritten; die Asylgewährung wird in den Rechtsbegehren des Beschwerdeführers nicht (mehr) beantragt.

5.2.2. Hingegen lässt der Beschwerdeführer vorbringen, er habe Eritrea illegal verlassen und das SEM habe diesen Umstand zu Unrecht als flüchtlingsrechtlich nicht relevant qualifiziert und dabei die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts missachtet (sowie seine Begründungspflicht verletzt). Die diesbezügliche Praxisänderung des SEM vom Sommer 2016 basiere überdies auf einer wissenschaftlich ungenügenden Quellenlage. Die Menschenrechtslage in Eritrea sei weiterhin äusserst problematisch, wie dies beispielsweise auch die spezifische Untersuchungskommission der Vereinten Nationen in einem Bericht vom 8. Juni 2016 festgehalten habe. Soweit das SEM von ihm für den Fall seiner Rückkehr in das Heimatland sinngemäss diskretes Verhalten verlange, erscheine dies - auch im Licht der internationalen Rechtsprechung - als problematisch.

5.3. In der Vernehmlassung erläuterte das SEM seine neue Praxis zur Behandlung der illegalen Ausreise aus Eritrea.

5.4. Der Beschwerdeführer verwies in der Replik in diesem Zusammenhang auf einen Grundsatzentscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2017, in welchem die flüchtlingsrechtliche Relevanz einer illegalen Ausreise nur noch bei einer Kombination mit zusätzlichen anderen Risikofaktoren anerkannt werde. Solche Faktoren seien beim Beschwerdeführer gegeben: Einerseits habe sein Bruder B._______ in Eritrea Militärdienst geleistet und sei ebenfalls ausgereist und habe in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt (N [...]); anderseits sei er selber nun mittlerweile nahe am dienstpflichtigen Alter; und schliesslich sei erneut darauf hinzuweisen dass die allgemeine Quellenlage zu Eritrea nach wie vor "sehr dünn" sei. Die illegale Ausreise könne in Kombination mit den erwähnten zusätzlichen Faktoren zu einer Verschärfung des persönlichen Profils und zu einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung führen.

6.

6.1. Beide Parteien haben zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäss langjähriger bisheriger Praxis der schweizerischen Asylbehörden bereits eine (glaubhaft gemachte) illegale Ausreise aus Eritrea ohne weiteres die Flüchtlingseigenschaft begründete. Das SEM verschärfte diese Praxis im Sommer 2016, wovon auch der Beschwerdeführer betroffen war. Dieser begründet sein Rechtsmittel im Ergebnis ausschliesslich mit dem Vorbringen, die Praxisänderung des SEM sei inhaltlich zu Unrecht (und überdies auch formal falsch) erfolgt.

6.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Rahmen des (in seinen beiden Asylabteilungen kürzlich koordiniert entschiedenen und als Referenzurteil publizierten) Urteils D-7898/2015 vom 30. Januar 2017 - auf das in der Replik Bezug genommen wird - mit der Frage befasst, ob Eritreerinnen und Eritreer, die ihr Land illegal verlassen haben, allein deswegen bei einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten haben.

6.2.1. Nach einer umfassenden Analyse aller zur Verfügung stehenden Länderinformationen kam das Gericht zum Schluss, dass sich die bisherige Praxis nicht mehr aufrechterhalten liess und vom SEM zu Recht angepasst worden war.

6.2.2. Für die Entscheidfindung des Gerichts war unter anderem die Tatsache von Bedeutung, dass seit einiger Zeit Personen aus der eritreischen Diaspora für kurze Aufenthalte in ihren Heimatstaat zurückkehren und sich unter ihnen auch Personen befinden, die Eritrea zuvor illegal verlassen hatten.

6.2.3. Es ist mithin nicht mehr davon auszugehen, dass einer Person einzig aufgrund ihrer unerlaubten Ausreise aus Eritrea eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht. Von der begründeten Furcht vor intensiven und asylrechtlich begründeten Nachteilen ist nur dann auszugehen, wenn zur illegalen Ausreise weitere Faktoren hinzukommen, welche die asylsuchende Person in den Augen der eritreischen Behörden als missliebige Person erscheinen lassen (vgl. Referenzurteil D-7898/2015 E. 5).

6.3. Aus den Akten werden solche zusätzlichen Gefährdungsfaktoren nach Auffassung der Gerichts nicht ersichtlich:

6.3.1. Der Beschwerdeführer ist gemäss seinen Angaben im Alter von (...) Jahren aus Eritrea ausgereist. Er hatte noch keinen Kontakt mit den heimatlichen Militärbehörden im Hinblick auf eine allfällige Rekrutierung (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 3 S. 31 ff.). Heute ist er gemäss eigenen Angaben (...)-jährig und steht damit immer noch nicht im militärdienstpflichtigen Alter.

6.3.2. Zu seinem in der Schweiz lebenden Bruder B._______ konnte der Beschwerdeführer in seiner BzP - obwohl er angab, mit ihm über Facebook Kontakt zu haben - praktisch keine Angaben machen (vgl. Protokoll BzP S. 5). Angesichts der vielen unbeantwortet gebliebenen Nachfragen der die Kurzbefragung durchführenden SEM-Sachbearbeiterin erscheint im Übrigen auch der Vorwurf schwer nachvollziehbar, das SEM hätte ihm hier "vertiefte Fragen" stellen müssen (vgl. Replik S. 1). In der Anhörung konnte er - auf weitere Nachfragen hin - zwar ergänzen, dass B._______ mehrere Jahre "im Militärdienst" gewesen, in C._______ stationiert und später "auch ausgereist" sei (vgl. Protokoll Anhörung ad F28-31 sowie ad F6-9). Dass sein Bruder desertiert sei, machte er, soweit feststellbar, während der ganzen erstinstanzlichen Verfahrens ebenso wenig geltend wie eine eigene Furcht vor einer Anschlussverfolgung wegen der nun behaupteten Dienstverweigerung des Bruders.

Eine Durchsicht der Akten N (...) des Bruders (und dessen Ehefrau) ergibt, dass dieser am 2. August 2015 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hatte. Am 21. August 2015 fand seine BzP statt, und am 20. März 2017 wurde der Bruder zu seinen Asylgründen angehört. Ein erstinstanzlicher Asylentscheid ist in diesem Verfahren bisher nicht gefällt worden. Konkrete Hinweise auf eine Reflexverfolgung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Dossier seines Bruders und seiner Schwägerin nicht.

Der durch eine qualifizierte Asyljuristin vertretene Beschwerdeführer hatte in seiner Beschwerde auf eine Anfechtung der Verfügung des SEM im Asylpunkt verzichtet. Dass er sich nun - wenige Tage nach Ausfällung des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2017 - erstmals auf eine asylrechtlich grundsätzlich relevante Anschlussgefährdung beruft, wirkt konstruiert und vermag nicht zu überzeugen.

6.3.3. Der Beschwerdeführer hatte sich in Eritrea nie in irgendeiner Weise politisch exponiert und nach seinen Angaben - abgesehen von seinem Schulausschluss wegen häufigen Fernbleibens vom Unterricht - nie irgendwelche Probleme mit den Behörden. Er führt in seiner Replik zwar aus, es könne letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass die illegale Ausreise in Kombination mit zusätzlichen Faktoren zu einer Verschärfung seines persönlichen Profils und zu einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung führen könnte (vgl. Replik S. 1). Damit verkennt er aber offensichtlich, dass begründete Furcht vor Verfolgung nach Lehre und Praxis nur vorliegt, wenn anzunehmen ist, die befürchteten Nachteile würden ihm nach einer Wiedereinreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft zugefügt (vgl. etwa BVGE 2011/51 E. 6.1 oder 2014/27 E. 41). Hiervon ist beim Beschwerdeführer - abgesehen von der Tatsache, dass dem in der Schweiz vorläufig Aufgenommen im erwähnten Zeithorizont de facto ohnehin keine Verfolgungsmassnahmen drohen können - nach dem Gesagten nicht auszugehen.

7.

7.1. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde zudem gerügt, das SEM habe nicht das korrekte Vorgehen befolgt, welches das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatzentscheid BVGE 2010/54 für Praxisänderungen vorgeschrieben habe.

7.2. Das Gericht hatte sich in diesem Urteil mit der Verbindlichkeit seiner publizierten Koordinationsentscheide für das SEM befasst, wenn diese Fragen der generellen Zumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen in Herkunftsländer abgewiesener Asylsuchender betreffen. Dabei wurde festgestellt, dass in diesem Kontext für die Vorinstanz rechtlich kein Raum für eine eigene Länderpraxis bestehe, die der publizierten oder auf andere Weise kommunizierten offizielle Praxis des Bundesverwaltungsgerichts
widerspreche (vgl. BVGE 2010/54 E. 7 f.). Falls die Vorinstanz dem Gericht, nach einer gewissen Zeit, eine Änderung dessen Praxis beantragen wolle, stehe es ihr frei, in einzelnen Asylverfahren von der Praxis der
Beschwerdeinstanz abzuweichen. Bei derartigen Verfügungen sei jedoch unter Bezugnahme auf die geltende Praxis und mit einlässlicher Begründung klarzustellen, dass es sich um so genannte Pilotverfahren handle, bei denen bewusst von der publizierten Praxis des Gerichts abgewichen werde (vgl. a.a.O. E. 9.2.1).

7.3. Diese Regeln waren indessen bei der Praxisänderung vom Sommer 2016 entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers für das SEM nicht massgebend:

7.3.1. Vorab ist festzuhalten, dass die vorliegend durch die Vorinstanz angepasste Praxis nicht die in BVGE 2010/54 interessierende (ausländerrechtliche) Frage der Zumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen im Sinn von Art. 83 Abs. 4 AuG betraf, sondern die Voraussetzungen für die Anerkennung für Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 und Art. 54 AsylG).

7.3.2. Die bis Mitte 2016 geübte Praxis des SEM begünstigte die Asylsuchenden und wurde deshalb in den letzten Jahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur in wenigen Urteilen thematisiert (vgl. etwa den im Referenzurteil D-7898/2015 erwähnten Entscheid D-3892/2008 vom 6. April 2010). Die langjährige Praxis der Vorinstanz basierte aber nicht auf einem in der amtlichen Sammlung publizierten Grundsatz- oder Länderurteil des Bundesverwaltungsgerichts (respektive der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission, ARK); dies im entscheidenden Gegensatz zu den in BVGE 2010/54 angesprochenen Konstellationen, bei denen das damalige Bundesamt für Migration (BFM) jeweils einer durch publizierte Koordinationsentscheide definierten Praxis der Beschwerdeinstanz stillschweigend die Anwendung versagt hatte (vgl. BVGE 2010/54 E. 6.1 und 6.3).

7.3.3. Der Begründung in der vom Beschwerdeführer angefochtenen Verfügung waren zudem auch Hinweise auf die Praxisänderung des SEM zu entnehmen (vgl. Verfügung S. 3 f.).

7.3.4. Schliesslich war die Praxisänderung des SEM - wiederum in auffälligem Gegensatz zu dem in BVGE 2010/54 zu beurteilenden Verhalten des damaligen BFM - dem Gericht vorgängig kommuniziert und der Öffentlichkeit durch eine Medienkonferenz vom 23. Juni 2016 bekannt gemacht worden, die eine umfassende Berichterstattung in den elektronischen Medien und in der Presse zur Folge hatte (vgl. statt vieler etwa die entsprechenden Berichte in der Neuen Zürcher Zeitung und im Tagesanzeiger vom 24. Juni 2016 oder die Medienmitteilung der SFH vom 27. Juli 2016). Überdies wurde die veränderte Einschätzung der Situation in Eritrea im Beschwerdeverfahren D-7898/2015, welches zum Koordinationsurteil vom 30. Januar 2017 führte, dem Gericht in einer ausführlichen Vernehmlassung vorgelegt.

7.3.5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Vorgehen des SEM im Zusammenhang mit der Praxisänderung vom Sommer 2016 auch unter diesem Blickwinkel nicht zu beanstanden ist.

7.3.6. Auch die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht (vgl. Beschwerde S. 3) erweist sich als unbegründet.

8.

8.1. Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

8.2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

9.

Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).

Nachdem das SEM in seiner Verfügung vom 8. Dezember 2016 die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers in der Schweiz angeordnet hat, erübrigen sich praxisgemäss weitere Ausführungen zur Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs. Die vorläufige Aufnahme tritt mit dem vorliegenden Entscheid formell in Kraft.

10.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

Die Beschwerde ist abzuweisen.

11.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem der Instruktionsrichter sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen hatte und den Akten keine Hinweise auf eine Veränderung der finanziellen Verhältnisse zu entnehmen sind, ist von einer Kostenauflage abzusehen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Markus König Lhazom Pünkang

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