Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2A.367/2003 /leb

Urteil vom 26. August 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Fremdenpolizei der Stadt Biel, Neuengasse 28,
2502 Biel/Bienne,
Haftgericht III Bern-Mittelland, Amthaus,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.

Gegenstand
Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 5. August 2003.

Sachverhalt:
A.
A.________, geb. **. ** 1971, Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, wurde am 15. November 1994 wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (insbesondere Handel mit Heroin) sowie Gewalt gegen Beamte zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 15. Mai 1995 wies ihn die Fremdenpolizei (heute Migrationsdienst) des Kantons Bern für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine entsprechende Beschwerde am 9. November 1995 letztinstanzlich ab.
Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wurde A.________ am 29. September 1998 erstmals in Ausschaffungshaft genommen, bereits am 2. Oktober 1998 aber mangels Hafterstehungsfähigkeit wieder aus der Haft entlassen. In der Folge galt er während einiger Zeit als verschwunden, bevor im Jahre 2000 der Kontakt zwischen den bernischen Behörden und A.________ wieder hergestellt wurde. Dieser kam indessen der mehrfachen Aufforderung nicht nach, sich ein Reisepapier zu besorgen. Erst im Jahr 2003 gelang es den Behörden, ein solches zu beschaffen.
Auf Anordnung der Fremdenpolizei der Stadt Biel wurde A.________ am 28. Juli 2003 im Hinblick auf eine für den 31. Juli 2003 organisierte Ausschaffung in Haft genommen. Am 29. Juli 2003 fand eine erste Verhandlung vor der Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland statt, die aber nach kurzer Zeit abgebrochen wurde, da A.________ seinen Rechtsanwalt konsultieren wollte. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieser ferienabwesend war und nicht zur Verfügung stand, setzte die Haftrichterin die eventuelle Fortsetzung der Verhandlung für den Fall, dass die Ausreise nicht möglich sein sollte, auf den 1. August 2003 an. Am 31. Juli 2003 weigerte sich A.________, ins Flugzeug einzusteigen, woraufhin die haftrichterliche Verhandlung am 1. August 2003 wieder aufgenommen wurde. Dabei prüfte und genehmigte die Haftrichterin die verfügte Ausschaffungshaft.
B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 15. August 2003 an das Bundesgericht stellt A.________ den Antrag, der Entscheid der Haftrichterin sei aufzuheben und er sei mit sofortiger Wirkung aus der Ausschaffungshaft zu entlassen.

Die Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland, die Fremdenpolizei der Stadt Biel sowie das Bundesamt für Flüchtlinge schliessen auf Abweisung der Beschwerde. A.________ hat sich mit Eingabe vom 25. August 2003 nochmals zur Sache geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; 122 II 148 ff.), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3). Nach Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG kann Ausschaffungshaft insbesondere verfügt werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich der Ausländer der Ausschaffung entziehen will (Gefahr des Untertauchens). Das trifft namentlich zu, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Anordnungen keine Folge leistet, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden erschwert oder sonst wie klar zu erkennen gibt, keinesfalls in sein Herkunftsland zurückkehren zu wollen (BGE 125 II 369 E. 3b/aa S. 375). Bei einem straffälligen Ausländer ist eher als bei einem unbescholtenen
davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anordnungen missachten (BGE 122 II 49 E. 2a, 148 E. 2b/aa S. 152; 119 Ib 193 E. 2b S. 198).
1.2 Gegen den Beschwerdeführer liegt ein rechtskräftiger Ausweisungsentscheid vor. Nicht eindeutig ist zwar, ob er bereits einmal untergetaucht ist oder, wie er behauptet, für die Behörden immer erreichbar blieb. Darauf kommt es aber nicht an, ist er doch jedenfalls in schwerwiegender Weise straffällig geworden und hat er insbesondere einen Ausschaffungsversuch vereitelt. Die Untertauchensgefahr ist damit erstellt, woran nichts ändert, dass sich der Beschwerdeführer angeblich seit seiner Haftentlassung ansonsten nichts mehr hat zuschulden kommen lassen.

2.
2.1 Nach Art. 13c Abs. 2 ANAG ist die Haft innert 96 Stunden richterlich zu prüfen. Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Frist sei in seinem Fall verpasst worden, weshalb er aus der Haft zu entlassen sei. Die Haftrichterin hat die Verspätung der haftrichterlichen Haftprüfung in ihrem Entscheid selber festgestellt, dazu aber ausgeführt, es liege kein schwerwiegender Verstoss gegen die Verfahrensvorschrift von Art. 13c Abs. 2 ANAG vor und der Beschwerdeführer habe den Grund für die verspätete haftrichterliche Einvernahme selber zu verantworten, weshalb sich eine Haftentlassung nicht rechtfertige.
2.2 Grundsätzlich kann die Fremdenpolizei einen Ausländer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen während 96 Stunden ohne richterliche Prüfung festhalten, wenn sie aufgrund der konkreten Umstände davon ausgehen darf, dass der Vollzug der Wegweisung innert dieser Frist möglich sein wird. Auch in diesem Fall ist die Ausschaffungshaft aber formell anzuordnen, und der Betroffene ist über den Grund seiner Verhaftung und seine Rechte zu informieren.
Der Beschwerdeführer wurde am 28. Juli 2003 um 06.45 Uhr im Hinblick auf die vorgesehene Ausschaffung festgenommen. Ab diesem Zeitpunkt begann die gesetzliche Frist von 96 Stunden zu laufen. Freilich durften die kantonalen Behörden an sich davon ausgehen, der Vollzug der Wegweisung werde fristgerecht möglich sein, da das erforderliche Reisepapier bei der Festnahme des Beschwerdeführers bereits vorlag und für ihn auf den 31. August 2003 ein Flug gebucht war. Überdies war die Ausschaffungshaft formell angeordnet. Dennoch wurde ein Antrag auf Genehmigung der Haft gestellt. Nachdem die haftrichterliche Verhandlung am 29. Juli 2003 aber abgebrochen worden war, wurde sie erst am 1. August 2003 um 15.00 Uhr und damit nach Ablauf der Frist von 96 Stunden wieder aufgenommen, nachdem der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit den Ausschaffungsversuch vereitelt hatte. Die gesetzliche Frist von 96 Stunden wurde somit um etwas mehr als acht Stunden überschritten.
2.3 Der Anspruch auf rechtzeitige richterliche Prüfung der Ausschaffungshaft bzw. deren Verlängerung in einer mündlichen Verhandlung stellt die zentrale prozessuale Garantie dar, welche vor willkürlichem Entzug der Freiheit schützen soll (BGE 121 II 110 E. 2b S. 113). Überdies ist Art. 13c Abs. 2 ANAG zwingender Natur und nicht blosse Ordnungsvorschrift (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.200/2002 vom 17. Mai 2002, E. 4.3). Dennoch führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Haftentlassung. Nach der Rechtsprechung kommt es vielmehr einerseits darauf an, welche Bedeutung den verletzten Vorschriften für die Wahrung der Rechte des Betroffenen zukommt, andererseits kann das Anliegen einer reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung der Freilassung entgegenstehen, insbesondere wenn der Ausländer die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet (vgl. BGE 121 II 105 E. 2c S. 109, 110 E. 2a S. 113). Entscheidend ist demnach eine Abwägung aller massgeblichen Interessen unter Berücksichtigung einer allfälligen Straffälligkeit des Ausländers, ohne dass eine solche aber zwingend gegeben sein muss (Urteil des Bundesgerichts 2A.200/2002 vom 17. Mai 2002, E. 4.1).
2.4 Vorliegend rechtfertigt sich eine Haftentlassung nicht: Der Beschwerdeführer hat sich die verspätete Haftprüfung weitgehend selber zuzuschreiben. Die haftrichterliche Verhandlung war ursprünglich auf den 29. Juli 2003 und damit fristgerecht angesetzt und wurde damals auch aufgenommen. Die Haftrichterin brach die Verhandlung aber ab, weil der Beschwerdeführer seinen Anwalt konsultieren wollte und dies nicht sofort möglich war. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Anwalt ferienabwesend und nicht bereit war, den Beschwerdeführer im Haftverfahren zu vertreten. In der Folge sah die Haftrichterin davon ab, die Verhandlung vor der am 31. Juli 2003 vorgesehenen Ausschaffung wieder aufzunehmen, ordnete aber bereits die Fortsetzung der Verhandlung am Tag darauf, am 1. August 2003, an für den Fall, dass die Ausreise scheitern sollte. Dagegen hat der Beschwerdeführer keine Einwände erhoben. Nachdem er die Ausschaffung tatsächlich vereitelt hatte, fand die Verhandlung wie vorgesehen statt. Der Beschwerdeführer hat somit durch sein Verhalten bereits den Abbruch der ersten Verhandlung ausgelöst, wobei er insofern immerhin lediglich seine Verfahrensrechte wahrgenommen hat. Entscheidend ist aber seine nachmalige Weigerung, in das für
ihn gebuchte Flugzeug zu steigen. Die Haftrichterin hatte diese Entwicklung freilich vorausgesehen und die Wiederaufnahme der Verhandlung auf den unmittelbar darauf folgenden Tag, bei dem es sich erst noch um einen Feiertag handelte, festgesetzt. Dieses Vorgehen erscheint der Sachlage angepasst, musste der Beschwerdeführer doch zuerst wieder von Zürich zurück nach Bern gebracht werden. Die gesetzliche Frist wurde ohnehin lediglich um eine geringe Zeitspanne verfehlt. Das Reisepapier ist im Übrigen weiterhin gültig, und die - begleitete oder unbegleitete - Ausschaffung bleibt innert vernünftiger Frist möglich, wie das Bundesamt für Flüchtlinge in seiner Vernehmlassung darlegt. Unter diesen Umständen überwiegt das Interesse an der reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung jenes des Beschwerdeführers an einer strikten Einhaltung der Verfahrensvorschriften.
2.5 Daran ändert entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nichts, dass das Bundesgericht die bernischen Behörden im Urteil 2A.200/2002, E. 4.3, aufgefordert hat, sich künftig so zu organisieren, dass die Haftüberprüfung fristgerecht stattfinden kann. Im vorliegenden Fall ist die richterliche Verhandlung rechtzeitig angesetzt worden, sie musste aber aus verfahrensrechtlichen Gründen, welche den Behörden nicht zum Vorwurf gemacht werden können, abgebrochen werden. Die nachmalige Organisation der Wiederaufnahme der Verhandlung erscheint, wie bereits dargelegt, der Sachlage angemessen; die Verhandlung fand sogar an einem Feiertag statt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insofern wesentlich von demjenigen, der im Entscheid 2A.200/2002 zu beurteilen war.
3.
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, sich einzig deswegen geweigert zu haben, das Flugzeug zu besteigen, weil er vorerst die Frage der Vaterschaft zu seinem Sohn X.________ geklärt haben wolle; in dieser Angelegenheit sei eine zivilrechtliche Klage - offenbar auf Aberkennung der Vaterschaft - beim Zivilgericht des Gerichtskreises II Bern-Nidau hängig.
Der Umstand, dass ein gerichtliches Verfahren auf Aberkennung der Vaterschaft läuft, führt nicht zur Unzulässigkeit der Ausschaffungshaft. Der Beschwerdeführer ist im Vaterschaftsprozess anwaltlich vertreten. Es bleibt ihm unbenommen, aus der Haftanstalt oder gegebenenfalls aus dem Ausland seinen Anwalt zu instruieren bzw. seine Rechte wahrnehmen zu lassen. Nötigenfalls kann er vom Ausland aus ein Gesuch um vorübergehende Einstellung der Ausweisung stellen, sollte die Entwicklung des Verfahrens seine temporäre persönliche Anwesenheit in der Schweiz erfordern (vgl. Art. 11 Abs. 4 ANAG). Im Hinblick auf eine allenfalls notwendige oder gewünschte DNA-Analyse kann sich der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter im Übrigen bereits heute jederzeit an den für den Haftvollzug zuständigen Gesundheitsdienst wenden und die Vornahme einer entsprechenden medizinischen Massnahme - sei es eine Blutentnahme, sei es ein Schleimhautabstrich - nach den dafür anwendbaren Regeln beantragen. Im Übrigen bilden weder die Frage der Vaterschaft noch diejenige einer allfälligen Neuregelung des Besuchsrechts Gegenstand des vorliegenden Haftverfahrens.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Praxisgemäss sind dem mittellosen Beschwerdeführer keine Kosten aufzuerlegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Fremdenpolizei der Stadt Biel und dem Haftgericht III Bern-Mittelland sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. August 2003
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: