Tribunale federale
Tribunal federal

{T 7}
I 446/06

Urteil vom 24. Januar 2007
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer,
Bundesrichter Schön,
Gerichtsschreiber Hadorn.

Parteien
Bundesamt für Sozialversicherungen,
Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________, 1999,
Beschwerdegegner,
handelnd durch seine Eltern,
und diese vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Daniel Gsponer-Zemp.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde [OG] gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. März 2006.

Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 9. Februar 2005 lehnte die IV-Stelle des Kantons Aargau ein Gesuch des B.________ (geb. am 30. Juli 1999) um medizinische Massnahmen zur Behandlung eines angeborenen Psychoorganischen Syndroms (POS) ab. Daran hielt die IV-Stelle mit Einspracheentscheid vom 9. Juni 2005 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 21. März 2006 gut. Es verpflichtete die IV-Stelle, die Behandlungskosten für Psychotherapie im Rahmen der Behandlung des Geburtsgebrechens (Ziff. 404 GgV Anhang) zu übernehmen.
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
Während die IV-Stelle auf eine Vernehmlassung verzichtet, lässt B.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurden die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 21. März 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V [I 618/06] Erw. 1.2).
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
und 105
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilt werden, wobei das Gericht an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden ist. Gemäss Art. 132 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht anhängig gemachten Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich die Kognition des nunmehr urteilenden Bundesgerichts nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
1    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.
2    ...118
3    Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121
4    Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122
OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zum Anspruch auf medizinische Massnahmen bei Geburtsgebrechen (Art. 13
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 3 Krankheit - 1 Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
1    Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
2    Als Geburtsgebrechen gelten diejenigen Krankheiten, die bei vollendeter Geburt bestehen.
ATSG; Art. 1 ff
SR 831.232.21 Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV)
GgV Art. 1 Begriff - 1 Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
1    Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
2    Die Geburtsgebrechen sind in der Liste im Anhang aufgeführt. Das Eidgenössische Departement des Innern kann die Liste jährlich anpassen, sofern die Mehrausgaben einer solchen Anpassung für die Versicherung insgesamt drei Millionen Franken pro Jahr nicht übersteigen.2
. GgV), insbesondere bei angeborenem POS (Ziff. 404 GgV Anhang), sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 122 V 113 und zahlreiche seitherige Urteile) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung eines angeborenen POS.
3.1 In seiner Rechtsprechung (BGE 122 V 113 und zahlreiche seitherige Urteile) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass Ziff. 404 GgV Anhang gesetzmässig ist. Demnach sind die rechtzeitig vor Vollendung des 9. Altersjahres erhobene Diagnose und der vor demselben Zeitpunkt liegende Behandlungsbeginn Anspruchsvoraussetzungen für medizinische Massnahmen gemäss der erwähnten Ziffer. Auf diese beiden Voraussetzungen kann nicht verzichtet werden. Sie beruhen auf der empirischen Erfahrung, dass ein erst später diagnostiziertes und behandeltes Leiden nicht mehr auf einem angeborenen, sondern einem erworbenen POS beruht, welches nicht von der Invaliden-, sondern von der Krankenversicherung zu übernehmen ist. Erfolgen Diagnose und Behandlungsbeginn erst nach dem vollendeten 9. Altersjahr, besteht die unwiderlegbare Rechtsvermutung, dass ein erworbenes und kein angeborenes POS vorliegt. Damit entfällt auch der nachträgliche Beweis, dass die Möglichkeit der Diagnosestellung vor Vollendung des 9. Altersjahres bestanden habe. Selbst wenn es, objektiv betrachtet, an sich möglich gewesen wäre, rechtzeitig eine Diagnose zu stellen, dies aber im konkreten Einzelfall - aus welchen Gründen auch immer - nicht geschah, hat die
Invalidenversicherung unter Ziff. 404 GgV Anhang keine medizinischen Massnahmen zu übernehmen (Urteile A. vom 13. Januar 2003, I 362/02, G. vom 5. September 2001, I 554/00, und S. vom 31. August 2001, I 558/00).
3.2 Das POS ist ein komplexes Leiden. Damit die Voraussetzungen für dessen Diagnose erfüllt sind, muss kumulativ eine Reihe von Symptomen nachgewiesen sein (BGE 122 V 117 Erw. 2f; Rz 404.5 des Kreisschreibens des BSV über medizinische Eingliederungsmassnahmen [KSME]): Störungen des Verhaltens im Sinne krankhafter Beeinträchtigungen der Affektivität oder der Kontaktfähigkeit, des Antriebes, des Erfassens (perzeptive, kognitive oder Wahrnehmungsstörungen), der Konzentrations- sowie der Merkfähigkeit. Bei allen diesen Symptomen handelt es sich um nicht leicht fass- und messbare Elemente. Obwohl sie zu einem Geburtsgebrechen gehören können, treten sie nicht schon bei Säuglingen, sondern erst in den nachfolgenden Lebensjahren in unterschiedlicher Schwere und zu unterschiedlichen Zeitspannen auf. In vielen Fällen, in welchen schlussendlich ein POS diagnostiziert wird, sind anfänglich nur einzelne der genannten Symptome augenfällig und führen bereits zu Behandlungen, welche mangels ausdrücklicher POS-Diagnose von der Krankenkasse oder gegebenenfalls von der Invalidenversicherung, jedoch nicht unter Ziff. 404 GgV Anhang, übernommen werden (Urteil A. vom 19. August 2004, I 508/03).
4.
4.1 Das Bundesamt macht in erster Linie geltend, es liege lediglich ein Symptomenkomplex vor, welcher auf einen Grossteil der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend gemäss ICD-10 F 90-98 zutreffe. Zu einem POS gehöre aber ein hirnorganischer Schaden als Ursache für die psychischen Störungen. Ein solcher sei nicht ausgewiesen. Gemäss heutigen medizinischen Erkenntnissen resultiere ein POS in der Regel als Folge einer schwerwiegenden Erkrankung während der Schwangerschaft oder einer Komplikation während der Geburt. Dadurch könne die Diagnose einer hirnorganischen Störung meist relativ rasch, nämlich bereits intrauterin oder kurz nach der Geburt, gestellt werden. Nur wenn ein kongenitaler hirnorganischer Schaden nachgewiesen sei, könne die Diagnose eines POS im Sinne der Ziff. 404 GgV Anhang gestellt werden. Es sei daher an Hand von präpartalen Untersuchungsbefunden, Geburtsprotokollen oder kinderärztlicher Untersuchungen in den ersten Tagen nach der Geburt zu prüfen, ob die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer bei Geburt bestehenden Hirnschädigung vorliege. Bei komplikationsloser Schwangerschaft, problemloser Geburt und unauffälligen kinderärztlichen Untersuchungsbefunden könne eine kongenitale
hirnorganische Schädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
4.2 Nach der vom BSV selbst formulierten Rz 404.5 KSME können die Voraussetzungen von GgV 404 als erfüllt gelten, wenn die darin genannten Symptome vorliegen. Der Nachweis eines hirnorganischen Schadens auf Grund der bei der Geburt erstellten medizinischen Unterlagen wird in dieser Rz nicht gefordert. In der bisherigen Rechtsprechung war ebenfalls noch nie die Rede davon, dass medizinische Akten aus der Zeit der Geburt beigezogen und an Hand derselben auf das Vorliegen eines hirnorganischen Schadens geschlossen werden müsse. Vielmehr hat das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt bestätigt, dass das rechtzeitige Vorliegen der Symptome gemäss Rz 404.5 KSME (in Verbindung mit einem rechtzeitigen Behandlungsbeginn) für die Leistungspflicht der Invalidenversicherung bei einem angeborenen POS ausreicht (SVR IV Nr. 2 S. 8 [Urteil B. vom 3. Mai 2004, I 756/03], Urteil Z. vom 2. Mai 2002, I 373/01). Umgekehrt schaffen fehlende rechtzeitige Diagnose oder fehlender rechtzeitiger Behandlungsbeginn die unwiderlegbare Rechtsvermutung, dass das POS nicht angeboren ist (BGE 122 V 122f. Erw. 3c/bb). Wenn das BSV nunmehr zur Anerkennung eines POS nach Ziff. 404 GgV Anhang den Nachweis einer hirnorganischen Störung gestützt auf die
Unterlagen aus der Zeit der Geburt verlangt, kommt dies einer Verschärfung der bisherigen Beweisanforderungen gleich. Hiezu besteht jedoch kein Anlass. Die vom BSV eingereichten wissenschaftlichen Unterlagen sind nicht geeignet, einer solchen Verschärfung das Wort zu reden. Namentlich findet sich darin keine Aussage in dem Sinne, dass sich mit medizinischen Akten aus der Geburtszeit ein hirnorganischer Schaden leicht nachweisen lasse, wie das BSV behauptet. In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist unter dem Kapitel "2. Störungsspezifische Diagnostik" zu lesen, dass die Bedeutung der Lokalisation von Hirnschädigungen im Kindesalter kontrovers diskutiert werde. Als gesichert könne angesehen werden, dass die klassischen hirnlokalen Ausfälle und Syndrome erst in der Adoleszenz einigermassen sicher diagnostiziert werden könnten. In der Folge werden verschiedene Untersuchungsmethoden beschrieben, darunter auch die Befragung der Eltern oder anderer Bezugspersonen. Ein Schluss von problemloser Geburt auf das Fehlen eines (angeborenen) POS wird jedoch nirgends angedeutet. Gemäss den im Fall R. (I 237/06) vom BSV beigelegten Unterlagen ("POS das Psycho-Organische Syndrom" der
Website "www.elpos.ch") scheint ausserdem die Vererbung eine grössere Rolle als Ursache eines POS zu spielen als schädigende Einflüsse (z.B. Sauerstoffmangel, Infektionen, Umweltgifte etc.) in der Schwangerschaft, bei der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten. Unter solchen Umständen ist nicht erstellt, dass der Nachweis eines angeborenen POS mit dem Beizug medizinischer Akten über die Geburt zuverlässig erbracht werden kann. Im Weiteren lässt sich aus dem Bericht des Dr. med. C.________, FMH Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychotherapie, vom 8. September 2006 ebenfalls folgern, dass die Ausführungen des BSV medizinisch keineswegs gesichert sind.
4.3 Dem Standpunkt des BSV kann aus einem weiteren Grund kein Erfolg beschieden sein. Der Verordnungsgeber lässt es zu, dass POS noch während Jahren erst nach der Geburt als solche erkannt, diagnostiziert, behandelt und zwecks Therapie als Geburtsgebrechen bei der Invalidenversicherung zur Anmeldung gebracht werden können. Mit der neuen Betrachtungsweise des BSV wird der Rechtssinn von Ziff. 404 GgV Anhang in Frage gestellt. Solange die Verordnung nicht geändert ist, kann eine Beschränkung auf kurze Zeit nach der Geburt manifest gewordene POS, wie es das BSV vertritt, nicht in Frage kommen. Diese Auffassung wurde kürzlich in den Urteilen K. vom 6. Dezember 2006, I 223/06, und R. vom 5. Januar 2007, I 237/06, bestätigt. Demnach hängt der Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens nach Ziff. 404 GgV Anhang wie bisher einzig davon ab, ob die in Rz 404.5 KSME genannten Symptome vor dem vollendeten 9. Altersjahr nachweisbar waren und mit der Behandlung des Leidens vor diesem Zeitpunkt begonnen wurde.
5.
Die Vorinstanz hat die Akten in umfassender und sorgfältiger Weise gewürdigt und daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass die gesamte Symptomatik gemäss Rz 404.5 KSME vor der Vollendung des 9. Altersjahres rechtsgenüglich nachweisbar war. Dem widerspricht auch das BSV nicht. Das Bundesamt beschränkt sich darauf, den Nachweis eines hirnorganischen Schadens zu verlangen. Hierauf kommt es nach dem Gesagten indessen nicht an. Damit ist der kantonale Entscheid zu bestätigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und der IV-Stelle des Kantons Aargau zugestellt.
Luzern, 24. Januar 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: