Tribunale federale
Tribunal federal

8C 529/2007 {T 0/2}

Urteil vom 23. Mai 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Schmid, Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 11. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 11. Dezember 2006 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau M.________, geboren 1953, mit Wirkung ab 1. September 2004 eine halbe Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad: 53 %).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 11. Juli 2007 ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine Dreiviertelsrente zuzusprechen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin rügt den vorinstanzlich bestätigten vollständigen Verzicht auf Gewährung eines leidensbedingten Abzugs vom statistischen Durchschnittslohn (s. BGE 129 V 472 E. 4 S. 481 mit Hinweisen; AHI 2002 S. 62, I 82/01, E. 4). Hierbei handelt es sich - anders als bei der Frage nach der konkreten Höhe eines Abzugs, welche typischerweise Ermessenscharakter hat - um eine Rechtsfrage (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

3.
In BGE 126 V 75 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht seine Rechtsprechung zu den Abzügen vom Tabellenlohn bereinigt und weiterentwickelt. Dabei hat es zunächst erkannt, dass der mit Blick auf die Behinderung gewährte Abzug nicht schematisch, sondern in Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist und den Zweck hat, ausgehend von statistischen Werten ein Invalideneinkommen zu ermitteln, welches der im Einzelfall zumutbaren erwerblichen Verwertung der noch möglichen Verrichtungen im Rahmen der (Rest-)Arbeitsfähigkeit am besten entspricht. Dieser Gesichtspunkt verdient auch hinsichtlich der übrigen in Betracht fallenden einkommensbeeinflussenden Merkmale, des Lebensalters, der Anzahl Dienstjahre, der Nationalität/Aufenthaltskategorie und des Beschäftigungsgrades, den Vorzug. Ein Abzug soll auch diesbezüglich nicht automatisch, sondern nur dann erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer dieser Merkmale ihre gesundheitlich bedingte (Rest-)Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Dabei rechtfertigt es sich aber nicht, für jedes zur Anwendung gelangende
Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen und diese zusammenzuzählen. Vielmehr ist der Einfluss aller genannten Merkmale auf das Invalideneinkommen unter Würdigung der Umstände von der Verwaltung im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Der insgesamt zulässige Abzug vom statistischen Lohn ist unter Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallenden Merkmale auf höchstens 25 % begrenzt (BGE 126 V 75 E. 5b S. 79 f.; 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481).

4.
4.1 Bezüglich des Lebensalters der 1953 geborenen Beschwerdeführerin wird geltend gemacht, es sei nur sehr schwierig möglich, eine geeignete Stelle zu finden, da der Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmerinnen sehr beschränkt sei. Das invalidenversicherungsrechtlich festgelegte Invalideneinkommen wird indessen auf der Grundlage eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes (Art. 16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
ATSG) ermittelt. Der ausgeglichene Arbeitsmarkt ist ein theoretischer und abstrakter Begriff. Er berücksichtigt die konkrete Arbeitsmarktlage nicht, umfasst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch tatsächlich nicht vorhandene Stellenangebote und sieht von den fehlenden oder verringerten Chancen Teilinvalider, eine zumutbare und geeignete Arbeitsstelle zu finden, ab (BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70 f.; 110 V 273 E. 4b S. 276). So wurde ein diesbezüglicher Abzug im Fall eines 53-jährigen Versicherten verneint (BGE 126 V 75 E. 5a/cc S. 79).

4.2 Des Weiteren führt die Versicherte an, sie sei mehr als 20 Jahre an der selben Stelle tätig gewesen. Rechtsprechungsgemäss nimmt die Bedeutung der Dienstjahre jedoch ab, je niedriger das Anforderungsprofil ist (AHI 1999 S. 177 E. 3b S. 181; Urteil I 620/06 vom 6. Juli 2007, E. 6.2.1). Im vorliegenden Fall ist unbestrittenerweise Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) massgebend.

4.3 Bezüglich der Ausländereigenschaft ist in Betracht zu ziehen, dass die Versicherte seit langem in der Schweiz erwerbstätig war und die Niederlassungsbewilligung C besitzt. Damit gehört sie einer Ausländerkategorie an, für welche der monatliche Bruttolohn im Anforderungsniveau 4 sogar über dem entsprechenden, nicht nach dem Merkmal der Nationalität differenzierenden Totalwert liegt (BGE 126 V 75 E. 5a/cc S. 79; Urteil U 420/04 vom 25. Juli 2005, E. 2.5.2; LSE 2004 S. 69 Tabelle A12). In diesem Zusammenhang ist auch anzufügen, dass die allenfalls lohnmindernden Faktoren der bescheidenen beruflichen Qualifikationen sowie der mangelnden Sprachkenntnisse bereits durch die Verwendung von Tabellenlöhnen des Anforderungsniveaus 4 abgegolten werden (Urteil I 674/06 vom 29. Mai 2007).

4.4 Mit der Teilzeitarbeit lässt sich keine höhere Reduktion begründen, verdienen teilzeitbeschäftigte Frauen doch in der Regel mehr als vollzeitbeschäftigte (LSE 2004 S. 24).

4.5 Schliesslich ist beim Einkommensvergleich unter Verwendung statistischer Tabellenlöhne rechtsprechungsgemäss zu berücksichtigen, dass gesundheitlich beeinträchtigte Personen, die selbst bei leichten Hilfsarbeitertätigkeiten behindert sind, im Vergeich zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind und deshalb in der Regel mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen rechnen müssen (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481). Diesem Umstand wurde indessen bereits beim zumutbaren Arbeitspensum von 50 % hinlänglich Rechnung getragen, wäre die Beschwerdeführerin doch gemäss Einschätzung der MEDAS-Ärzte des Spitals X.________ (Gutachten vom 8. August 2006) in einer Verweistätigkeit mit ideal angepassten Bedingungen zu 70 % arbeitsfähig.

4.6 Damit sprechen sämtliche zu berücksichtigenden Kriterien gegen die Gewährung eines Abzugs, was auch die Vorinstanz nach einlässlichen Erwägungen richtig erkannt hat. Der angefochtene Entscheid begründet daher keine Bundesrechtswidrigkeit.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
und Abs. 4 lit. a BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Mai 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Widmer Durizzo