Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9F 7/2020

Urteil vom 21. September 2020

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Oswald.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Gesuchstellerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Revision),

Revisionsgesuch gegen das Urteil
des Schweizerischen Bundesgerichts
vom 30. Juni 2020 (9C 230/2020).

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 9. Juli 2018 hob die IV-Stelle des Kantons Zürich die bisherige ganze Rente der 1976 geborenen A.________ im Wesentlichen gestützt auf ein polydisziplinäres Gutachten der asim Begutachtung Universitätsspital Basel vom 28. September 2015 auf. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Februar 2020 ab.

B.
Die dagegen gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Bundesgericht mit Urteil 9C 230/2020 vom 30. Juni 2020 ab.

C.
Mit Eingabe vom 10. August 2020 verlangt die Versicherte, es sei das Urteil 9C 230/2020 vom 30. Juni 2020 aufzuheben und ihr die ab Oktober 2018 aufgehobene Rente weiterhin auszurichten. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter beantragt sie, es sei das bundesgerichtliche Verfahren zu sistieren bis seitens des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich über die Zulässigkeit des dort am 7. Juli 2020 deponierten Revisionsgesuchs entschieden worden sei.

Erwägungen:

1.
Die Gesuchstellerin hat das kantonale Gericht mit Eingabe vom 7. Juli 2020 um Revision seines Entscheids IV.2018.00695 vom 24. Februar 2020 ersucht. Dieser wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 30. Juni 2020 bestätigt, das mit reformatorischer Wirkung an seine Stelle trat. Damit fehlt es bei der Vorinstanz an einem Revisionsgegenstand. Es verbleibt nur die Möglichkeit, beim Bundesgericht die Revision seines Beschwerdeentscheids zu beantragen (vgl. ausführlich BGE 138 II 386 E. 6.2 S. 390). Es besteht kein Grund, das bundesgerichtliche Verfahren bis zum Entscheid des kantonalen Gerichts über das dort deponierte Revisionsgesuch zu sistieren. Das Gesuch um Sistierung des Verfahrens ist abzuweisen.

2.

2.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 61 Rechtskraft - Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft.
BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem bundesgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 121 Verletzung von Verfahrensvorschriften - Die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts kann verlangt werden, wenn:
a  die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts oder über den Ausstand verletzt worden sind;
b  das Gericht einer Partei mehr oder, ohne dass das Gesetz es erlaubt, anderes zugesprochen hat, als sie selbst verlangt hat, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat;
c  einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind;
d  das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat.
. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Ein Revisionsgrund ist ausdrücklich und unter Angabe von Beweismitteln geltend zu machen, und es ist aufzuzeigen, inwiefern deswegen das Dispositiv des früheren Urteils abzuändern sein soll (vgl. etwa Urteil 9F 3/2020 vom 11. März 2020 E. 1.1 mit Hinweisen).

2.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
BGG kann die Revision in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid - mithin dem Urteil, um dessen Revision ersucht wird - entstanden sind. Nach der zum analogen Art. 137 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
OG ergangenen, gemäss BGE 134 III 45 E. 2.1 S. 47 weiterhin gültigen Rechtsprechung sind "neue" Tatsachen solche, die sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch der Revisionsgesuchstellerin trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren; es handelt sich somit um unechte Noven. Die Geltendmachung echter Noven, also von Tatsachen, die sich erst nach Ausfällung des Urteils, das revidiert werden soll, zugetragen haben, ist ausgeschlossen. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h, sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel
haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil der gesuchstellenden Person unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung sondern der Sachverhaltsermittlung dient. So genügt es nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders wertet; vielmehr bedarf es der Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (statt vieler: zit. Urteil 9C 3/2020 E. 1.2 mit Hinweisen).

3.
In ihrer Eingabe vom 10. August 2020 beruft sich die Gesuchstellerin auf den Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
BGG. Sie macht geltend, der neu aufgelegte Bericht des Psychiaters PD Dr. med. B.________ vom 6. August 2020 zeige auf, dass bei ihr eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung bestehe, die im bisherigen Verfahren nie lege artis exploriert worden sei und zu einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit führe. Das revisionsweise angefochtene Urteil wäre ihr zufolge bei Kenntnis dieses Berichts zu ihren Gunsten ausgefallen. Damit macht sie geltend, es handle sich beim Bericht vom 6. August 2020 um ein neues Beweismittel für eine Tatsache, die sich bis zum Zeitpunkt, in dem im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben soll, ihr jedoch trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt gewesen sei, mithin um ein unechtes Novum (soeben E. 2.2).
Damit dringt sie nicht durch. Mit Bericht vom 6. August 2020 gibt PD Dr. med. B.________ einlässlich die anamnestischen Angaben der Patientin zu deren zwanghaftem Verhalten wieder und diagnostiziert gestützt darauf eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5). Es kann - entgegen der Gesuchstellerin - keine Rede davon sein, dass ihr dort detailreich geschildertes zwanghaftes Verhalten "bis anhin nicht einmal ansatzweise bekannt" gewesen sei und deshalb ein unechtes Novum vorliege. Dies erhellt nicht zuletzt daraus, dass - wie die Versicherte im Verfahren 9C 230/2020 geltend machte - bereits ihre behandelnde Psychiaterin Zwangsgedanken und Gedankenkreisen diagnostizierte (ICD-10 F42.0), was in die Beurteilung der asim-Gutachter einfloss und wovon in der Folge auch Sozialversicherungs- und Bundesgericht Kenntnis hatten. Indem PD Dr. med. B.________ gestützt darauf hinsichtlich Diagnose und Arbeitsfähigkeit zu einer vom Gutachten abweichenden Auffassung gelangt, würdigt er lediglich den nämlichen Sachverhalt anders. Eine solche abweichende Würdigung vermag eine Revision nicht zu rechtfertigen, handelt es sich dabei doch keineswegs um Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft
erscheinen liessen (etwa: zit. Urteil 9F 3/2020 E. 2.2 i.f.; SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, 8F 14/2013 vom 11. Februar 2014 E. 3.1 mit Hinweisen).

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Gesuchstellerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Sistierung des Verfahrens wird abgewiesen.

2.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. September 2020
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Die Gerichtsschreiberin: Oswald