Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 407/2012

Urteil vom 21. September 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. Dr. Urs Saxer und Thomas Rieser,

gegen

1. Y.________, Gerichtspräsidentin Bremgarten II, Rathausplatz 1, 5620 Bremgarten,
2. Z.________, Gerichtsschreiberin des Bezirksgerichts Bremgarten, Rathausplatz 1, 5620 Bremgarten,
Beschwerdegegnerinnen,

Bezirksgericht Bremgarten, Rathausplatz 1, 5620 Bremgarten,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau.

Gegenstand
Ausstandsbegehren,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 5. Juni 2012
des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
A.a Gegen X.________ ist seit der Anklageerhebung vom 1. März 2010 beim Bezirksgericht Bremgarten ein Strafverfahren wegen Verdachts auf mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch widerrechtlichen Umgang mit Betäubungsmitteln in der Eigenschaft als Medizinalperson sowie wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Gesundheitsgesetz durch verbotene Selbstdispensation hängig. Am 14. Juni 2010 fand vor der Gerichtspräsidentin II des Bezirksgerichts Bremgarten die Hauptverhandlung statt. Der Verteidiger von X.________ gab seine Plädoyernotizen vorweg ab. Nachdem er während der Verhandlung ein Ausstandsgesuch gegen die Gerichtspräsidentin und die Gerichtsschreiberin gestellt hatte, wurde die Verhandlung abgebrochen und der Ausstandsantrag dem Obergericht des Kantons Aargau überwiesen, ohne dass es zum Plädoyer kam.
A.b Am 9. März 2011 wies die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts das Ausstandsbegehren ab, soweit sie darauf eintrat.
A.c Am 7. Juni 2011 ordnete die Gerichtspräsidentin II des Bezirksgerichts Bremgarten ein medizinisches Gutachten an, das am 15. Februar 2012 erstattet und gleichentags den Parteien zugestellt wurde. Am 28. März 2012 liess sich X.________ dazu vernehmen.
A.d Am 10. Mai 2012 erging die Vorladung zur zweiten Hauptverhandlung auf den 20. Juni 2012.
A.e Mit Eingabe vom 22. Mai 2012 stellte X.________ ein zweites Ausstandsgesuch gegen die Gerichtspräsidentin II des Bezirksgerichts Bremgarten, Y.________, und die fragliche Gerichtsschreiberin, W.________ (heute: Z.________-W.________). Das Ausstandsbegehren wurde im Wesentlichen damit begründet, das Gericht habe in unzulässiger und Treu und Glauben verletzender Weise Unterlagen des Verteidigers, insbesondere die Plädoyernotizen, zurückbehalten, diesen Vorgang im Protokoll falsch festgehalten und die Unterlagen dem Gutachter weitergegeben, der sie für sein Gutachten verwendet habe. Dieses Begehren wurde am 30. Mai 2012 zusammen mit je einem Bericht der beiden betroffenen Gerichtspersonen vom 29. Mai 2012 dem Obergericht überwiesen.
A.f Am 1. Juni 2012 ging beim Vertreter von X.________ eine Verfügung des Obergerichts vom 30. Mai 2012 ein, mit welcher ohne Fristansetzung der Bericht der Gerichtspräsidentin vom 29. Mai 2012 "zur Kenntnis und freigestellten Stellungnahme" zugestellt wurde. Gleichentags ging per Fax eine analoge Verfügung vom 1. Juni 2012 zum Bericht der Gerichtsschreiberin ein; mit der Post kam diese zweite Verfügung am 4. Juni 2012 an.
A.g Mit Entscheid vom 5. Juni 2012 trat das Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, auf das Ausstandsbegehren von X.________ nicht ein.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht beantragt X.________, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Verfahren zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, der Entscheid des Obergerichts verletze sein Replikrecht und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.

C.
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Y.________ schliesst in ihrer Eingabe in der Funktion als Gerichtspräsidentin Bremgarten auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Gerichtsschreiberin Z.________ hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.

D.
X.________ hat darauf verzichtet, sich nochmals zur Sache zu äussern.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
in Verbindung mit Art. 80
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
und Art. 92 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG steht gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide über den Ausstand von Magistratspersonen im Strafprozess direkt die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht offen. Die Person, die den Ausstand beantragt und am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, ist nach Art. 81 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG zur Beschwerde berechtigt (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1B 263/2012 vom 8. Juni 2012 E. 1). Der Beschwerdeführer erfüllt diese Voraussetzungen. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist somit einzutreten.

2.
2.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie umfasst auch das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können (sog. Replikrecht: BGE 133 I 98 E. 2.1 S. 99). Das Replikrecht hängt nicht von der Entscheidrelevanz der Eingaben ab (BGE 138 I 154 E. 2.3.3 S. 157). Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass die von den übrigen Verfahrensbeteiligten eingereichten Eingaben der Partei zugestellt werden (BGE 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197). In Ausstandsverfahren steht das Replikrecht dem Gesuchsteller auch zu sämtlichen Stellungnahmen der Personen zu, deren Ausstand er beantragt hat (vgl. zum hier fraglichen Strafverfahren MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Basel 2011, N. 11 zu Art. 58
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
1    Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
2    Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung.
StPO; ANDREAS J. KELLER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich 2010, N. 8 zu Art. 59
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
1    Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
a  die Staatsanwaltschaft, wenn die Polizei betroffen ist;
b  die Beschwerdeinstanz, wenn die Staatsanwaltschaft, die Übertretungsstrafbehörden oder die erstinstanzlichen Gerichte betroffen sind;
c  das Berufungsgericht, wenn die Beschwerdeinstanz oder einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind;
d  das Bundesstrafgericht, wenn das gesamte Berufungsgericht eines Kantons betroffen ist.
2    Der Entscheid ergeht schriftlich und ist zu begründen.
3    Bis zum Entscheid übt die betroffene Person ihr Amt weiter aus.
4    Wird das Gesuch gutgeheissen, so gehen die Verfahrenskosten zu Lasten des Bundes beziehungsweise des Kantons. Wird es abgewiesen oder war es offensichtlich verspätet oder mutwillig, so gehen die Kosten zu Lasten der gesuchstellenden Person.
StPO).

2.2 Nach Zustellung der Vernehmlassung ist der Partei eine gewisse Zeit zur Wahrnehmung des Replikrechts zu belassen, bevor der Entscheid gefällt wird. Die Ausübung des Replikrechts darf nicht verhindert werden, indem der Entscheid so rasch ergeht, dass eine Stellungnahme trotz Zustellung einer neuen Eingabe nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann (MARKUS LANTER, Formeller Charakter des Replikrechts - Herkunft und Folgen, in: ZBl 113/2012, S. 173). Von einem Rechtsuchenden kann insbesondere nicht erwartet werden, dass er innert weniger Tage reagiert, wenn er Unterlagen, die von den Verfahrensbeteiligten eingereicht bzw. zu den Akten genommen werden, ohne Frist zur Stellungnahme lediglich zur Kenntnisnahme erhält (Urteil 2C 794/2008 vom 14. April 2009 E. 3). In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wurden etwa folgende Zeitabläufe, die einer Partei nach Zustellung einer Vernehmlassung für die Replik zur Verfügung standen, bevor der Entscheid gefällt wurde, als unzulässig beurteilt: zwei Tage (Urteil 1B 25/2010 vom 17. Februar 2010 E. 2.2), sieben Tage (Urteil 2C 794/2008 vom 14. April 2009 E. 3.5) und acht Tage (Urteil 1P.798/2005 vom 8. Februar 2006 E. 2.3). In einer etwas allgemeineren Formulierung hielt das Bundesgericht fest,
dass jedenfalls vor Ablauf von zehn Tagen nicht, hingegen nach 20 Tagen von einem Verzicht auf das Replikrecht ausgegangen werden dürfe (Urteil 6B 629/2010 vom 25. November 2010 E. 3.3.2).

3.
3.1 Am 22. Mai 2012 stellte der Beschwerdeführer ein zweites Ausstandsgesuch gegen die Gerichtspräsidentin und die Gerichtsschreiberin des Bezirksgerichts, das am 30. Mai 2012 zusammen mit je einem Bericht der beiden betroffenen Gerichtspersonen vom 29. Mai 2012 dem Obergericht weitergeleitet wurde. Der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter erhielt am 1. Juni 2012 eine Verfügung des Obergerichts vom 30. Mai 2012, mit der ihm ohne Fristansetzung der Bericht der Gerichtspräsidentin vom 29. Mai 2012 "zur Kenntnis und freigestellten Stellungnahme" zugestellt wurde. Gleichentags ging per Fax eine analoge Verfügung vom 1. Juni 2012 zum Bericht der Gerichtsschreiberin ein; mit der Post kam diese Verfügung am 4. Juni 2012, nach dem dazwischen liegenden Wochenende, an. Tags darauf, am 5. Juni 2012, trat das Obergericht auf das Ausstandsgesuch nicht ein, weil es verspätet eingereicht worden sei.

3.2 Der Beschwerdeführer hatte maximal vier Tage, wovon ein Wochenende, Zeit, um sich zu den Vernehmlassungen der beiden Gerichtspersonen zu äussern. Wird berücksichtigt, dass eine Stellungnahme zuerst per Fax und damit erst am 4. Juni 2012 korrekt zugestellt wurde, verblieb ihm diesbezüglich sogar nur ein Tag. Das ist offensichtlich zu wenig, um das Replikrecht angemessen wahrzunehmen.

3.3 Die Gerichtspräsidentin wendet dagegen ein, die vom Beschwerdeführer im Ausstandsbegehren geltend gemachten Gründe seien von ihm bereits in seiner Stellungnahme zum Gutachten vom 28. März 2012 thematisiert worden, wozu sich die Gerichtspräsidentin in ihrer Verfügung vom 10. Mai 2012 geäussert habe. Auf eine Replik habe daher im Ausstandsverfahren verzichtet werden dürfen, wozu die Gerichtspräsidentin auf eine Kommentarstelle verweist (vgl. KELLER, a.a.O., N. 8 zu Art. 59
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
1    Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
a  die Staatsanwaltschaft, wenn die Polizei betroffen ist;
b  die Beschwerdeinstanz, wenn die Staatsanwaltschaft, die Übertretungsstrafbehörden oder die erstinstanzlichen Gerichte betroffen sind;
c  das Berufungsgericht, wenn die Beschwerdeinstanz oder einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind;
d  das Bundesstrafgericht, wenn das gesamte Berufungsgericht eines Kantons betroffen ist.
2    Der Entscheid ergeht schriftlich und ist zu begründen.
3    Bis zum Entscheid übt die betroffene Person ihr Amt weiter aus.
4    Wird das Gesuch gutgeheissen, so gehen die Verfahrenskosten zu Lasten des Bundes beziehungsweise des Kantons. Wird es abgewiesen oder war es offensichtlich verspätet oder mutwillig, so gehen die Kosten zu Lasten der gesuchstellenden Person.
StPO). Indessen stellt sich die Rechtslage im Ausstandsverfahren nicht zwingend gleich dar wie bei der Berücksichtigung eines Gutachtens. Mit Grund macht der Beschwerdeführer geltend, die Ausstandsfrage könne unter Umständen zumindest pro futuro anders gewichtet werden als im ersten Ausstandsverfahren bzw. als im Zusammenhang mit der Einholung des Gutachtens. Das Obergericht hat ohnehin nicht einen zweiten Schriftenwechsel verweigert, sondern zwar von dessen formellen Einleitung abgesehen, aber doch festgehalten, es stehe dem Beschwerdeführer frei, eine Stellungnahme einzureichen. Dazu hätte ihm jedoch auch die reelle Möglichkeit gewährt werden müssen.

3.4 Nicht massgeblich ist, ob die auf den 20. Juni 2012 angesetzte Verhandlung bei Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels hätte verschoben werden müssen, wie die Gerichtspräsidentin geltend macht. Ein Verschiebungsgesuch des Beschwerdeführers vom 14. Juni 2012 konnte jedenfalls noch gleichentags abgewiesen werden. Obwohl es darauf angesichts der formellen Natur des Replikrechts nicht ankommt, erscheint es im vorliegenden Fall nicht einmal als ausgeschlossen, dass über das Ausstandsgesuch in zulässiger Weise noch vor dem 20. Juni 2012 hätte entschieden werden können.

3.5 Ob das Ausstandsbegehren in der Sache erfolgversprechend oder chancenlos erscheint, spielt für die Ausübung des Replikrechts, erneut wegen dessen formellen Natur, keine Rolle. Dieses muss uneingeschränkt gewährt werden und wahrgenommen werden können.

3.6 Der angefochtene Entscheid verletzt demnach den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK). Eine Heilung dieses Mangels im bundesgerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (vgl. BGE 133 I 100 E. 4.9 S. 105).

4.
Die Beschwerde erweist sich als begründet und ist gutzuheissen. Damit ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, und die Sache ist zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Hingegen hat der Kanton Aargau den obsiegenden Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. Juni 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Bremgarten, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. September 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Uebersax