Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 639/2013

Urteil vom 21. März 2014

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
A.________, handelnd durch
seine Eltern, und diese vertreten durch
Rechtsanwalt Markus Stadelmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 17. Juli 2013.

Sachverhalt:

A.
Bei A.________, geboren am X. Y.2006, wurde ein atypischer Autismus (ICD-10 Ziff. F84.1) diagnostiziert (Bericht des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes vom 2. Mai 2012). Die IV-Stelle des Kantons Thurgau lehnte es ab, medizinische Massnahmen zu übernehmen. Der Autismus sei nicht - wie von der Geburtsgebrechens-Verordnung verlangt - bis zum vollendeten fünften Lebensjahr (10. April 2011) genügend erkennbar gewesen. Auch unabhängig von der Qualifikation als Geburtsgebrechen sei kein Anspruch gegeben, weil die in Frage stehende Psycho- und Ergotherapie der Behandlung des Leidens an sich diene (Verfügung vom 22. Februar 2013).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 17. Juli 2013).

C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm resp. seinen Eltern Kostengutsprache für medizinische Massnahmen zu erteilen. Eventuell sei die Sache zur weiteren Abklärung zurückzuweisen.

Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.

1.1. Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr unter den in der Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV) näher umschriebenen Voraussetzungen Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 3 Krankheit - 1 Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
1    Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
2    Als Geburtsgebrechen gelten diejenigen Krankheiten, die bei vollendeter Geburt bestehen.
ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen (Art. 13 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
und 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG). Strittig ist, ob auf die Diagnose eines atypischen Autismus abgestellt werden kann, und bejahendenfalls, ob diese Störung bis zum vollendeten 5. Lebensjahr (das heisst bis zum X. Y.2011) erkennbar geworden war und daher als Geburtsgebrechen im Sinne von Ziff. 405 des Anhangs zur GgV gilt. Der Zeitpunkt, in dem das Geburtsgebrechen als solches erkannt wurde, ist derweil unerheblich (Art. 1 Abs. 1
SR 831.232.21 Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV)
GgV Art. 1 Begriff - 1 Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
1    Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
2    Die Geburtsgebrechen sind in der Liste im Anhang aufgeführt. Das Eidgenössische Departement des Innern kann die Liste jährlich anpassen, sofern die Mehrausgaben einer solchen Anpassung für die Versicherung insgesamt drei Millionen Franken pro Jahr nicht übersteigen.2
GgV).

1.2. Das kantonale Gericht würdigte das medizinische Dossier (E. 3.1 des angefochtenen Entscheids). Namentlich auf einen Aktenbericht des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der Invalidenversicherung vom 15. Oktober 2012 abstellend erwog es, selbst wenn die Diagnose haltbar wäre, könne eine Autismus-Spektrum-Störung insbesondere mangels echtzeitlicher medizinischer Unterlagen nicht als im Sinne von Ziff. 405 Anhang GgV vor Vollendung des fünften Altersjahrs erkennbar betrachtet werden (E. 3.2 und 5).

2.

2.1. Als Geburtsgebrechen gelten Krankheiten, die bei vollendeter Geburt bestehen (Art. 3 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 3 Krankheit - 1 Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
1    Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.7
2    Als Geburtsgebrechen gelten diejenigen Krankheiten, die bei vollendeter Geburt bestehen.
ATSG). Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen (Art. 1 Abs. 1
SR 831.232.21 Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV)
GgV Art. 1 Begriff - 1 Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
1    Als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich.
2    Die Geburtsgebrechen sind in der Liste im Anhang aufgeführt. Das Eidgenössische Departement des Innern kann die Liste jährlich anpassen, sofern die Mehrausgaben einer solchen Anpassung für die Versicherung insgesamt drei Millionen Franken pro Jahr nicht übersteigen.2
GgV). Entsprechend muss die prä- oder perinatale Autismus-Spektrum-Störung von nachgeburtlich erworbenen gleichartigen Leiden abgegrenzt werden. Je später die Diagnose erfolgt, desto schwerer fällt die Abgrenzung. Für Entwicklungsstörungen ist indes gerade charakteristisch, dass Auffälligkeiten nicht unmittelbar zu einer Diagnose führen. Häufig steht eine Autismus-Spektrum-Störung zunächst als Differentialdiagnose im Raum, die erst nach einer gewissen Zeit der Beobachtung bestätigt werden kann. Gerade bei leichteren Formen des frühkindlichen Autismus manifestiert sich die Entwicklungsstörung mitunter erst, wenn das Kind bestimmte soziale (z.B. schulische) Anforderungen nicht altersentsprechend zu bewältigen in der Lage ist (vgl. Urteil 9C 682/2012 vom 1. Mai 2013 E. 3.1). Daher setzt Ziff. 405 Anhang GgV die Altersgrenze für die Qualifizierung einer Autismus-Spektrum-Störung als Geburtsgebrechen mit fünf Jahren einerseits relativ tief an, verlangt anderseits aber nur, dass die Störung bis zu diesem Alter "erkennbar" geworden ist.

2.2. Der Begriff der Erkennbarkeit ist mit Blick auf die Regelung bei Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADS bzw. ADHS; vormals "psychoorganisches Syndrom", POS) in Ziff. 404 Anhang GgV zu konkretisieren. Dort trägt zwar eine höher angesetzte Altersgrenze von neun Jahren der oft wenig spezifischen (und daher länger zu beobachtenden) Symptomatik Rechnung. Im Unterschied zu Ziff. 405 verlangt Ziff. 404 jedoch, dass bis zum diesem Zeitpunkt die Diagnose bereits gestellt und die Störung als solche behandelt worden ist (dazu BGE 122 V 113 E. 3a/dd S. 120). Dieser systematische Gesichtspunkt verbietet es, "Erkennbarkeit" mit "Diagnostizierbarkeit" gleichzusetzen.

2.3. Nach einem Kreisschreiben des BSV (vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsweisungen BGE 133 V 587 E. 6.1 S. 591) sind hinreichend bestimmte Anhaltspunkte für eine autistische Störung gegeben, wenn zum vollendeten 5. Lebensjahr "krankheitsspezifische, therapiebedürftige Symptome" erkennbar waren (Ziff. 405 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung [KSME]). Nach der (gesetzmässigen; Urteil 9C 244/2012 vom 25. April 2012 E. 3.2.2) Konzeption der GgV, namentlich auch im Vergleich mit Ziff. 404 ihres Anhangs, ist jedoch nicht erforderlich, dass die Symptomatik vor dem fünften Geburtstag so spezifisch ausgebildet war, dass gestützt darauf bereits damals die definitive Diagnose hätte gestellt werden können. Ziff. 405 Anhang GgV will sicherstellen, dass die nachträglich diagnostizierte Störung mit derjenigen bei Vollendung des fünften Lebensjahrs identisch ist. Hinreichende Gewissheit darüber, dass die Störung auf die Geburt zurückreicht, besteht schon dann, wenn bis zum fünften Geburtstag autismus typische Befunde verzeichnet wurden. Anhand dieser muss zum einen festgestanden haben, dass überhaupt eine (differentialdiagnostisch noch nicht endgültig spezifizierbare) Störung im
fachmedizinischen Sinn vorlag; zum andern müssen die damaligen Befunde in die spätere definitive Diagnose einfliessen (vgl. erwähntes Urteil 9C 682/2012 E. 3.2.2 und 3.3.3).

2.4. Nach dem Gesagten sollten zur späteren Diagnose beitragende Symptome wenigstens ansatzweise vor Vollendung des fünften Lebensjahrs dokumentiert gewesen sein. Nachträgliche Arztberichte können für die rechtzeitige Erkennbarkeit einer Autismus-Spektrum-Störung soweit beweisend sein, als sie an Befunde vor dem fünften Geburtstag anknüpfen, diese bestätigen und (im Hinblick auf die Diagnose) spezifizieren. Das trifft nicht zu auf ärztliche Einschätzungen, mit welchen frühere Beobachtungen, die damals gar noch nicht als Ausdruck einer Entwicklungsstörung begriffen worden sind, erst vor dem Hintergrund späterer Erkenntnisse als diagnostisch bedeutsam interpretiert werden (vgl. Urteil 9C 682/2012 E. 3.2.3).

3.

3.1. Das Bundesgericht ist prinzipiell an Feststellungen gebunden, welche die Vorinstanz aufgrund einer Würdigung des medizinischen Dossiers getroffen und ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Die Frage indes, ob diese tatsächlichen Feststellungen die fragliche Störung im Sinne von Ziff. 405 Anhang GgV erkennbar machten, ist rechtlicher Natur und mithin bundesgerichtlich frei überprüfbar.

3.2. Das kantonale Gericht hat die Diagnose unter Hinweis auf eine Aktennotiz des RAD in Zweifel gezogen, darüber letztlich aber keine abschliessende Feststellung getroffen. Das Bundesgericht kann den Sachverhalt insoweit selber ergänzen (BGE 136 V 362 E. 4.1 S. 366).

3.2.1. Laut dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD) zeigten sich in der Untersuchung wenige, aber klare Hinweise auf eine Beeinträchtigung sowohl in der sozialen Interaktion wie auch in der Kommunikation; es komme vereinzelt zu "rigidem Verhalten" (zu den Symptomgruppen des [atypischen] Autismus vgl. unten E. 3.3.1). Insgesamt seien, auch mit Blick auf die Ergebnisse verschiedener einschlägiger Testverfahren, die Kriterien einer Autismus-Spektrum-Störung erfüllt; aufgrund der Ressourcen, die das Kind in der Interaktion mit Erwachsenen zeige - im Zusammensein mit Gleichaltrigen bestünden mehr Auffälligkeiten -, sei ein atypischer Autismus zu diagnostizieren (Bericht vom 2. Mai 2012). Die Ergebnisse einer schulpsychologischen Abklärung, in welcher eine Sonderschulung empfohlen wird, stützen die Diagnose des KJPD; das Kind fühle sich in Situationen, die nicht in "seine Welt" passten, schnell überfordert und reagiere mit Desinteresse, Rückzug, unsicherem Verhalten und Widerstand (Bericht des Amtes für Volksschule, Schulpsychologie und Schulberatung, vom 31. Oktober 2012).

3.2.2. Auf die Diagnose des KJPD ist abzustellen. Die Auffassung des RAD, zwar seien "mehrere der obligaten Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung erfüllt", dies jedoch "zu wenig ausgeprägt, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können" (Aktennotiz vom 15. Oktober 2012), ist angesichts der ansonsten widerspruchsfreien Aktenlage sowie mit Blick auf die Merkmale der konkreten Diagnose ( atypischer Autismus; vgl. unten E. 3.3.1) nicht schlüssig.

3.3. Zu prüfen bleibt die Rechtsfrage, ob die Autismus-Spektrum-Störung bis zum fünften Geburtstag des Beschwerdeführers erkennbar geworden ist.

3.3.1. Nach der Definition gemäss ICD-10 (Ziff. F84.1) unterscheidet sich der diagnostizierte atypische Autismus vom frühkindlichen Autismus entweder dadurch, dass die beeinträchtigte Entwicklung erst nach dem dritten Lebensjahr manifest wird, oder durch eine unvollständige Symptomatik. Letzteres trifft zu, wenn nicht in allen drei diagnostischen Bereichen (Auffälligkeiten in den wechselseitigen sozialen Interaktionen oder der Kommunikation, eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten) Symptome nachweisbar sind (vgl. auch Hans-Christoph Steinhausen, Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen, 7. Aufl., München 2010, S. 87 f.). Mit Ziff. 405 Anhang GgV hat der Verordnungsgeber aufgrund des weit gefassten Begriffs "Autismus-Spektrum-Störungen" (bis Ende 2009: Ziff. 401, "infantiler Autismus") auch diese leichtere Form in die Liste der Geburtsgebrechen eingeschlossen. Das ist bei der Beurteilung der Erkennbarkeit zu berücksichtigen. Der atypische Autismus ist diesbezüglich mit dem Asperger-Syndrom vergleichbar, bei welchem die Beziehungsstörung ebenfalls in der Regel nicht so früh einsetzt wie beim frühkindlichen Autismus und zudem nicht denselben Schweregrad erreicht. Dürfen deswegen dort keine allzu hohen Anforderungen
an die Erkennbarkeit gestellt werden (Urteil 8C 269/2010 vom 12. August 2010 E. 5.1.3), so gilt das auch hier.

3.3.2. Im Bericht des KJPD vom 23. Juli 2012 wird zunächst ein "allgemeiner Entwicklungsrückstand" in der frühkindlichen Entwicklung beschrieben. Damit allein ist noch kein autismustypischer, auf eine (noch nicht näher spezifizierbare) Störung im fachmedizinischen Sinne hindeutender Zustand dokumentiert (vgl. oben E. 2.3). Darüber hinaus schildern die Untersucher "seit dem zweiten Lebensjahr" bestehende "grosse Einschränkungen in der Kommunikation (sowohl rezeptive wie auch expressive Sprache betroffen) " und Einschränkungen in der sozialen Interaktion. Dies wäre wiederum nicht ausreichend, wenn sich die Fachleute bei dieser rückwirkenden Beurteilung allein auf die anfangs Mai 2012, rund ein Jahr nach dem fünften Geburtstag, erfolgte Untersuchung stützen würden (vgl. oben E. 2.4). Die Befunde in den Kategorien "soziale Interaktion", "Kommunikation", "stereotypes Verhalten/Rigidität", "Sensorik/Motorik" und "Interessen/Spiel" werden indes mit detaillierten Beobachtungen aus einem Spielgruppenbesuch im Alter von drei bis fünf Jahren illustriert. Angesichts dieser Befundlage vor dem fünften Geburtstag ist nicht davon auszugehen, damals hätten einzig nicht näher bestimmte Auffälligkeiten bestanden, die erst im Lichte späterer
Erkenntnisse als autismustypische Befunde interpretierbar geworden wären. Zum massgebenden Zeitpunkt war somit eine Autismus-Spektrum-Störung erkennbar.

3.3.3. Der vorliegende Fall unterscheidet sich im Übrigen deutlich von den im Entscheid 9C 682/2012 E. 3.3.3 beurteilten Verhältnissen. Dort war (im Falle eines Asperger-Syndroms) die rechtzeitige Erkennbarkeit zu verneinen, weil die untersuchenden Fachärzte bis zur Altersgrenze gemäss Ziff. 405 Anhang GgV der Ansicht waren, erst die weitere Entwicklung des Kindes werde zeigen, ob vorhandene Auffälligkeiten (Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem Verhalten und Schwächen im Bereich der sozialen Wahrnehmung) einer leichten hirnorganischen Störung zuzuschreiben seien oder ob das Kind lediglich einen sehr temperamentvollen Charakter habe. Damit blieb selbst nach dem fünften Geburtstag offen, ob überhaupt eine Störung im fachmedizinischen Sinn vorlag (vgl. oben E. 2.3 a.E.). Im Urteil 8C 269/2010 (E. 5.1.3 a.E.) schliesslich ging es ebenfalls um ein Asperger-Syndrom, das trotz seit zweitem Lebensjahr andauernder Abklärungen auch retrospektiv nur mit Schwierigkeiten und erst mehr als fünf Jahre nach Erreichen der Altersgrenze diagnostiziert werden konnte. Unter diesen Umständen war eine rechtzeitige Erkennbarkeit ausgeschlossen (vgl. auch Urteil I 302/05 vom 31. Oktober 2005 E. 2.2.1 am Ende). Demgegenüber wurde die Autismus-
Spektrum-Störung hier (spätestens) im Frühjahr 2012, als der Beschwerdeführer sechs Jahre alt wurde, vorbehaltlos diagnostiziert (Berichte des KJPD vom 2. Mai und 23. Juli 2012).

4.

4.1. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Diagnose eines atypischen Autismus nicht mit rechtserheblichen Zweifeln behaftet ist. Es bestehen ausreichend Anhaltspunkte, um dessen Erkennbarkeit bis zum vollendeten fünften Lebensjahr zu bejahen.

Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, wie es sich mit der Anspruchsberechtigung unter dem Titel des Art. 12
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 12 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Eingliederung - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
2    Versicherte, die im Zeitpunkt der Vollendung ihres 20. Altersjahres an Massnahmen beruflicher Art nach den Artikeln 15-18c teilnehmen, haben bis zum Ende dieser Massnahmen, höchstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr, Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben gerichtet sind.
3    Die medizinischen Eingliederungsmassnahmen müssen geeignet sein, die Schul-, Ausbildungs- oder Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauerhaft und wesentlich zu verbessern oder eine solche Fähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Der Anspruch besteht nur, wenn die behandelnde Fachärztin oder der behandelnde Facharzt unter Berücksichtigung der Schwere des Gebrechens der versicherten Person eine günstige Prognose stellt.
IVG verhält (vgl. dazu erwähntes Urteil 8C 269/2010 E. 5.2.1 mit Hinweis auf das Urteil I 302/05 E. 3.2.3).

4.2. Die IV-Stelle wird zu prüfen haben, ob die übrigen Voraussetzungen für medizinische Massnahmen nach Art. 13 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG erfüllt sind.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 17. Juli 2013 aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin wird - unter Vorbehalt des Vorliegens der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - verpflichtet, medizinische Massnahmen zufolge Geburtsgebrechens zu gewähren.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. März 2014

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Traub