Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung IV

D-6786/2017

Urteil vom 21. Dezember 2017

Einzelrichter Simon Thurnheer,

Besetzung mit Zustimmung von Richter Yanick Felley;

Gerichtsschreiber Daniel Widmer.

A._______,

Äthiopien,

Parteien vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan, Advokatur

Kanonengasse, (...),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Vollzug der Wegweisung;
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 30. Oktober 2017 / (...).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass der Beschwerdeführer am 4. November 2015 in der Schweiz um Asyl nachsuchte,

dass er anlässlich der Befragung zur Person (BzP) vom 16. Dezember 2015 insbesondere geltend machte, er sei ein in Somalia geborener somalischer Staatsangehöriger protestantischer Glaubensrichtung und habe sich im Alter von fünf oder sechs Jahren zusammen mit seiner Mutter nach B._______ in Äthiopien begeben, wohin sein Vater bereits zuvor geflohen sei,

dass ihm vom SEM aufgrund dieser Angaben und angesichts eines auf ihn ausgestellten tschechischen Visums eines äthiopischen Staatsangehörigen mit Geburtsort B._______ am 16. Dezember 2015 das rechtliche Gehör gewährt wurde, wobei er die Beantragung eines Visums bei der tschechischen Vertretung bestätigte,

dass er anlässlich der Anhörung zu den Asylgründen vom 6. Oktober 2017 insbesondere erklärte, er habe bei der BzP bezüglich seiner Identität gelogen,

dass er nämlich gemäss seinen nunmehr der Wahrheit entsprechenden Aussagen äthiopischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens aus B._______ sei, wo er mit seinem Vater gewohnt habe,

dass er Sohn eines Äthiopiers amharischer Ethnie und einer Somalierin somalischer Ethnie sei und seine Mutter zusammen mit seinen Halbgeschwistern in Somalia wohnhaft sei,

dass er aufgrund seiner Abstammung und Religionszugehörigkeit bereits in seiner Jugend angefeindet worden sei,

dass das SEM mit Verfügung vom 30. Oktober 2017 feststellte, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, sein Asylgesuch ablehnte und die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug anordnete,

dass der Beschwerdeführer mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 29. November 2017 gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und die Aufhebung der angefochtenen Verfügung in Bezug auf die Wegweisung beziehungsweise deren Vollzug (Ziffn. 3-5 des Dispositivs) sowie die Anordnung der vorläufigen Aufnahme beantragte,

dass in prozessualer Hinsicht die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, der Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und die Bestellung des rubrizierten Rechtsvertreters als unentgeltlichen Rechtsbeistands beantragt wurden,

dass das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde am 1. Dezember 2017 bestätigte,

und zieht in Erwägung,

dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31] i.V.m. Art. 31 -33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),

dass eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG nicht vorliegt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet,

dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),

dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),

dass sich die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG richten, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5),

dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche handelt, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),

dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet wurde,

dass sich die Beschwerde ausschliesslich gegen den Vollzug der von der Vorinstanz verfügten Wegweisung richtet,

dass die Verfügung des SEM vom 30. Oktober 2017, soweit sie die Frage der Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung betrifft (Ziffn. 1 und 2 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung), unangefochten in Rechtskraft erwachsen und auch die Anordnung der Wegweisung (Ziff. 3 des Dispositivs) nicht mehr zu überprüfen ist (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.),

dass somit Prozessgegenstand lediglich die Frage bildet, ob die Wegweisung zu vollziehen oder ob anstelle des Vollzugs eine vorläufige Aufnahme anzuordnen ist,

dass das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme regelt, wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich ist (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]),

dass beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft gilt, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.),

dass der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig ist, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG),

dass keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden darf, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]),

dass dieses flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot nur Personen schützt, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen, wobei vorliegend rechtskräftig feststeht, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Flüchtling handelt, weshalb der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung findet,

dass sich die Zulässigkeit des Vollzugs somit nach den übrigen landes- und völkerrechtlichen Bestimmungen bestimmt, wie namentlich Art. 3 EMRK,

dass das SEM in seiner Verfügung das Vorliegen einer Gefährdungslage im Sinne von Art. 3 EMRK zutreffend verneinte,

dass der Wegweisungsvollzug somit zulässig ist,

dass sich der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer als unzumutbar erweist, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG),

dass in Äthiopien kein Krieg, Bürgerkrieg oder eine Situation allgemeiner Gewalt herrscht,

dass der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe im Wesentlichen einwendet, falls die Gewaltsituation nicht von derart schwerwiegendem Ausmass sei, dass für alle Angehörigen einer bestimmten Personengruppe von der Unzumutbarkeit einer Rückkehr ausgegangen werden müsse, greife eine Einzelfallprüfung,

dass dabei die individuellen Lebensumstände des Betroffenen zu würdigen seien, wobei die Kriterien Geschlecht, Alter, familiäre Situation, soziale und ethnische Herkunft, Wohnverhältnisse, finanzielle Mittel sowie Gesundheit massgebend seien,

dass der Beschwerdeführer in Äthiopien nicht nur über kein tragfähiges Sozialnetz verfüge, sondern auch nur sehr wenige Chancen auf dem dortigen Arbeitsmarkt habe,

dass es für ihn angesichts der dortigen Diskriminierung von Christen und seiner Vorgeschichte sehr unrealistisch sei, sich ein Leben in der Region C._______ aufzubauen,

dass ein Wegzug aus dieser in eine andere Region Äthiopiens angesichts seiner beruflichen und auch sozialen Situation nicht in Frage komme,

dass demgegenüber vom SEM hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im vorliegenden Fall eine Einzelfallprüfung durchgeführt wurde,

dass diesbezüglich in der angefochtenen Verfügung die Vorinstanz ausführte, aus den Akten ergäben sich auch keine individuellen Gründe, welche den Wegweisungsvollzug nach Äthiopien als unzumutbar erscheinen liessen,

dass aufgrund der guten Ausbildung und der langjährigen Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers bei einer (...)firma davon auszugehen sei, er könne sich bei einer Rückkehr nach Äthiopien wiederum in den Arbeitsmarkt integrieren und seinen Lebensunterhalt eigenständig verdienen,

dass er zudem in B._______ Bekannte habe, bei denen er bereits vor seiner Ausreise gewohnt habe und auch bei einer Rückkehr wiederum unterkommen könnte,

dass er ein gesunder junger Mann sei,

dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren zwar geltend machte, aufgrund seiner Abstammung und Religionszugehörigkeit von jeher angefeindet worden zu sein,

dass er trotzdem sein gesamtes Leben in der erwähnten Region verbrachte, dort die Schulen und eine gute Ausbildung absolvieren konnte, welche er mit einem (...) Diplom abschloss, und eine entsprechende Anstellung fand,

dass er gemäss seinen wiederholten Angaben der dort weit überwiegenden gleichnamigen Volksgruppe der C._______ angehört,

dass seine Mutter nicht in Äthiopien, sondern (immer noch) in Somalia lebe, während er bis zum Tod seines Vaters bei diesem in Äthiopien und seither bei dortigen Bekannten gewohnt habe,

dass er nicht vorbrachte, sein Beziehungsnetz in Äthiopien bestehe seit seiner Ausreise aus seinem Heimatstaat nicht mehr,

dass nach dem Gesagten kaum von einer konkreten Gefährdung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Äthiopien auszugehen ist,

dass die Lebensbedingungen in Äthiopien für den Beschwerdeführer im Vergleich mit der Schweiz zwar durchaus schwierig sind,

dass blosse soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, welche die gesamte Bevölkerung betreffen, für sich allein jedoch keine konkrete Gefährdung zu begründen vermögen (vgl. BVGE 2010/41 E. 8.3.6 S. 591 f.),

dass sich der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers mithin als zumutbar erweist,

dass es dem Beschwerdeführer obliegt, die für eine Rückkehr allfällig notwendig werdenden Reisevorkehrungen bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates zu treffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG, vgl. dazu BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG),

dass nach dem Gesagten der vom SEM verfügte Vollzug der Wegweisung zu bestätigen ist und nach dem Gesagten eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht fällt (Art. 83 Abs. 1 -4 AuG),

dass es dem Beschwerdeführer demnach nicht gelungen ist darzutun, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - unangemessen ist, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,

dass mit dem Entscheid in der Hauptsache das Gesuch um Entbindung von der Kostenvorschusspflicht gegenstandslos geworden ist,

dass sich die Beschwerde aufgrund vorstehender Erwägungen als von vornherein aussichtslos erweist, weshalb die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung gemäss
Art. 65 Abs. 1 VwVG und Art. 110a Abs. 1 Bst. a AsylG abzuweisen und die Kosten des Verfahrens von Fr. 750.- (Art. 1 -3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG),

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.

3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Simon Thurnheer Daniel Widmer

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