Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung I

A-3159/2017

Urteil vom 20. Juni 2017

Richterin Marianne Ryter (Vorsitz),

Besetzung Richter Daniel Riedo, Richter Michael Beusch,

Gerichtsschreiberin Tanja Petrik-Haltiner.

A._______,
(...),

Parteien vertreten durch lic. iur. Felix Reinhardt,
Neuhausstrasse 11, 8044 Zürich,

Beschwerdeführer,

gegen

Eidg. Steuerverwaltung ESTV,
Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI,
Eigerstrasse 65, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Amtshilfe, Fristwiederherstellungsgesuch.

Sachverhalt:

A.
Mit Schlussverfügung vom 7. Februar 2017 ordnete die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV (nachfolgend: Vorinstanz) die amtshilfeweise Übermittlung der angeforderten Informationen betreffend A._______ an das ersuchende Bundeszentralamt für Steuern an.

B.
A._______ focht diese Verfügung mit Beschwerde vom 10. März 2017 beim Bundesverwaltungsgericht an.

C.
Das Bundesverwaltungsgericht forderte A._______ mit Zwischenverfügung vom 14. März 2017 im Verfahren (...) zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 5'000.- bis zum 18. April 2017 auf, ansonsten auf das Rechtsmittel unter Kostenfolge nicht eingetreten werde. Diese Zwischenverfügung wurde ihm gemäss Rückschein der Schweizerischen Post am 15. März 2017 gegen Unterschrift zugestellt.

D.
A._______ leistete den Vorschuss nicht innert der ihm angesetzten Frist, so dass das Bundesverwaltungsgericht mit einzelrichterlichem Entscheid vom 2. Mai 2017 im Verfahren (...) androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht eintrat. Dieser Entscheid wurde ihm am 3. Mai 2017 per Gerichtsurkunde zugestellt.

E.
Mit Eingabe vom 2. Juni 2017 gelangt A._______ (nachfolgend: Gesuchsteller) erneut ans Bundesverwaltungsgericht und beantragt, die Frist zur Leistung des Kostenvorschusses gemäss Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2017 im Verfahren (...) sei wiederherzustellen und es sei folglich auf seine Beschwerde vom 10. März 2017 einzutreten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Zuständig für die Behandlung von Wiederherstellungsbegehren nach Art. 24 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) ist jene Instanz, welche bei Gewährung der Wiederherstellung über die nachgeholte Parteihandlung bzw. Rechtsvorkehr entscheiden muss (statt vieler Urteil des BVGer A-5142/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 1 mit Hinweisen und Stefan Vogel in: Kommentar zum VwVG, 2008, Art. 24 Rz. 19). Da das Bundesverwaltungsgericht aufgrund seiner Zuständigkeit im Hauptverfahren (...)über die Einhaltung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses zu befinden hatte, ist es auch für die Behandlung des vorliegenden Fristwiederherstellungsgesuchs zuständig. Soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren gemäss dessen Art. 37 nach dem VwVG.

1.2 Der Gesuchsteller hat als Partei am Hauptverfahren teilgenommen. Er ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat an dessen Aufhebung bzw. an der Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses ein schutzwürdiges Interesse. Er ist somit im Sinne von Art. 48 VwVG zur Einreichung des Gesuchs legitimiert.

2.
Gemäss Art. 24 Abs. 1 VwVG kann eine Frist wiederhergestellt werden, wenn der Gesuchsteller oder seine Vertretung unverschuldeterweise davon abgehalten wurde, binnen Frist zu handeln. Wer eine Frist wiederhergestellt haben möchte, muss unter Angaben des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersuchen und die versäumte Rechtshandlung nachholen.

Die Wiederherstellung der versäumten Frist ist somit sowohl an formelle wie materielle Voraussetzungen geknüpft. Sind Erstere gegeben, ist auf ein entsprechendes Gesuch einzutreten; werden auch die weiteren Anforderungen erfüllt, ist es überdies gutzuheissen (Vogel, a.a.O., Art. 24 Rz. 6). Die Rechtsprechung zur Wiederherstellung der Frist ist allgemein sehr restriktiv (vgl. Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.139 mit Hinweisen auf die Praxis). Als unverschuldete Hindernisse gelten etwa obligatorischer Militärdienst, plötzliche schwere Erkrankung, nicht aber organisatorische Unzulänglichkeiten, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Ist die Verspätung durch den Vertreter verschuldet, muss sich der Vertretene das Verschulden desselben anrechnen lassen. Dasselbe gilt, wenn eine Hilfsperson beigezogen wurde (vgl. statt vieler BGE 114 Ib 67 E. 2 f. und Urteil des BVGer A-6799/2007 vom 4. Dezember 2007 E. 4.1). Im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten Verfahrens darf ein Hinderungsgrund nicht leichthin angenommen werden. Als unverschuldet im Sinne von Art. 24 Abs. 1 VwVG kann ein Versäumnis nur dann gelten, wenn dafür objektive Gründe vorliegen und der Partei bzw. ihrer Vertretung keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann. Als erheblich sind mit anderen Worten nur solche Gründe zu betrachten, die der Partei auch bei Aufwendung der üblichen Sorgfalt die Wahrung ihrer Interessen verunmöglicht oder unzumutbar erschwert hätten (vgl. zum Ganzen Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 2.140 ff. mit Hinweisen auf die Praxis).

2.1 In formeller Hinsicht ist festzuhalten, dass der Gesuchsteller mit Eingabe vom 2. Juni 2017 (Poststempel) fristgerecht um Wiederherstellung der verpassten Frist ersucht und die versäumte Rechtshandlung, nämlich die Einzahlung des Kostenvorschusses in der verlangten Höhe, nachgeholt hat. Die formellen Voraussetzungen der Fristwiederherstellung sind demnach erfüllt, weshalb auf das Gesuch einzutreten ist.

2.2

2.2.1 Der Gesuchsteller führt in materieller Hinsicht aus, aufgrund eines Büroversehens und technischer Probleme bei der Übermittlung der Zwischenverfügung vom 14. März 2017 im Verfahren (...) erst mit Zustellung des bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheids vom 2. Mai 2017 im selben Verfahren vom Fristversäumnis Kenntnis erhalten zu haben. Seine Vertretung habe ihm lediglich die Kostenvorschussrechnung nach Deutschland weitergeleitet ohne die zugehörige, vorgenannte Zwischenverfügung mit entsprechender Zahlungsfrist. Da nach dem deutschen Gerichtskostengesetz die gerichtliche Tätigkeit nicht von der Sicherstellung oder Vorauszahlung der entsprechenden Kosten abhängig gemacht werden dürfe, soweit dies in den einzelnen Prozessordnungen nicht vorgesehen sei, sei es für ihn objektiv und subjektiv unverschuldeterweise nicht möglich gewesen, die schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen der versäumten Leistung des Kostenvorschusses bzw. die Wichtigkeit einer rechtzeitigen Zahlung zu erkennen und eine solche zu veranlassen.

2.2.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur mit Art. 24 VwVG vergleichbaren prozessualen Bestimmung im altrechtlichen Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 (OG, SR 173.110, BS 3 531, AS 60 271) ist die Wiederherstellung einer Frist nur zulässig, wenn der Partei und ihrer Vertretung bezüglich Versäumnis kein Vorwurf gemacht werden kann (BGE 112 V 255 E. 2a mit weiteren Hinweisen). Zudem ist der Nachweis, dass die Frist wegen eines unverschuldeten Hindernisses nicht gewahrt werden konnte, vom Gesuchsteller zu erbringen, wobei die entsprechenden Umstände zu beweisen sind und ein blosses Glaubhaftmachen insoweit nicht genügt (statt vieler Urteil des BVGer A-7284/2008 vom 20. November 2008 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Diese Erfordernisse sind vorliegend nicht erfüllt: Weder organisatorische Unzulänglichkeiten noch die Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften gelten als unverschuldete Hindernisse (vgl. vorne E. 2). Zwar war der Gesuchsteller nicht verpflichtet, die Zahlung des Kostenvorschusses umgehend vorzunehmen. Es liegt jedoch in seinem Verantwortungsbereich, den Zahlungsauftrag sowie die Übermittlung desselben mit der nötigen Sorgfalt vorzunehmen bzw. die fristgerechte Erledigung der gewünschten Transaktion zu überwachen. Allfällige fehlerhafte Handlungen von Hilfspersonen eines Rechtsvertreters sind diesem und somit auch der vertretenen Partei anzurechnen, ohne dass diesbezüglich eine Exkulpationsmöglichkeit bestünde (zum Ganzen Urteil des BVGer A-5142/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 2.2.2 mit weiteren Hinweisen und Patricia Egli, in: Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 24, Rz. 16 f., vgl. auch vorne E. 2). Da sich der Gesuchsteller ein allfälliges Verschulden der von ihm beauftragten Vertretung und deren Hilfspersonen anzurechnen lassen hat, ist demnach unerheblich, ob die Frist infolge mangelhafter Instruktion durch den Gesuchsteller oder mangelhafter Ausführung seines Vertreters bzw. dessen Kanzlei versäumt wurde. Ebenso unbehilflich ist der Hinweis auf die Regelung im deutschen Recht, zumal auch demnach je nach anwendbarer Prozessordnung die Leistung eines Kostenvorschusses vorgesehen werden kann (vgl. vorangehende E. 2.2.1) und der Gesuchsteller durch einen schweizerischen Rechtsanwalt vertreten war.

Das Fristwiederherstellungsgesuch erweist sich jedenfalls als unbegründet und ist deshalb abzuweisen.

3.
Bei diesem Verfahrensausgang wären die Verfahrenskosten grundsätzlich dem unterliegenden Gesuchsteller aufzuerlegen. Aufgrund der gesamten Umstände rechtfertigt es sich indes für den vorliegenden Fall, ausnahmsweise von einer Kostenauferlegung abzusehen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Von der geleisteten Zahlung in der Höhe von Fr. 5'300.- sind Fr. 300.- für die Kosten im Verfahren (...) zu verwenden, während die restlichen Fr. 5'000.- dem Gesuchsteller nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zurückzuerstatten sind.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses im Verfahren (...) wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt. Der einbezahlte Betrag von Fr. 5'300.- wird zur Bezahlung der Kosten im Verfahren (...) in der Höhe von Fr. 300.- verwendet. Der Restbetrag von Fr. 5'000.- wird dem Gesuchsteller nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückerstattet.

3.
Dieses Urteil geht an:

- den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

- die Vorinstanz im Verfahren (...) (Ref-Nr. [...]; Gerichtsurkunde)

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Marianne Ryter Tanja Petrik-Haltiner

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen kann innert 10 Tagen nach Eröffnung nur dann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 82 , Art. 83 Bst. h , Art. 84a , Art. 90 ff . und Art. 100 Abs. 2 Bst. b BGG). In der Rechtsschrift ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. Im Übrigen ist die Rechtsschrift in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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