E-3562/2013


Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-3562/2013

Urteil vom 17. Dezember 2014

Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),

Richterin Emilia Antonioni Luftensteiner,
Besetzung
Richterin Gabriela Freihofer,

Gerichtsschreiberin Simona Risi.

A._______,

Parteien vertreten durch Ozan Polatli, Advokatur Gysin + Roth,

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Anerkennung der Staatenlosigkeit;
Gegenstand
Verfügung des BFM vom 17. Mai 2013 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer, ein Kurde syrischer Herkunft aus Qamishli (Provinz al-Hasakah), reiste am 28. Mai 2009 in die Schweiz ein und suchte gleichentags im Empfangs- und Verfahrenszentrum Basel um Asyl nach. Mit Verfügung vom 21. Januar 2013 stellte das BFM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an. Den Vollzug erachtete es als unzumutbar, weshalb es den Beschwerdeführer vorläufig in der Schweiz aufnahm. Eine gegen die Ablehnung des Asylgesuchs gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-904/2013 vom 25. April 2013 ab.

B.
Mit Eingabe vom 12. April 2013 ersuchte der Beschwerdeführer um Anerkennung der Staatenlosigkeit gemäss Art. 1 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40; nachfolgend: StÜ bzw. Staatenlosen-Übereinkommen) und um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In diesem Zusammenhang reichte er einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. Oktober 2009 (Alexandra Geiser, Syrien: Reisedokumente für staatenlose Kurden) sowie Kopien von Akten des Asylverfahrens ein.

C.
Das BFM wies das Gesuch mit Verfügung vom 17. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Anerkennung des Beschwerdeführers als staatenlos sei trotz dessen Status als Ajnabi weder vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Staatenlosen-Übereinkommens noch unter Berücksichtigung der Definition der Staatenlosigkeit noch angesichts der aktuellen Ereignisse in Syrien zu rechtfertigen. Der syrische Präsident Baschar al-Assad habe mit Dekret Nr. 49 vom 7. April 2011 entschieden, den im Distrikt al-Hasakah registrierten Ajanib formell die syrische Staatsangehörigkeit zu verleihen. Das syrische Innenministerium sei mit der Umsetzung beauftragt worden und habe bis Mitte September 2011 etwa 51'000 Ajanib die syrische Staatsbürgerschaft erteilt. Angesichts dieser Entwicklung werde dem Gesuch des Beschwerdeführers der Boden entzogen.

D.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 21. Juni 2013 durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung, die Anerkennung der Staatenlosigkeit und die Regelung des Aufenthalts in der Schweiz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG.

In seiner Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Berufung der Vorinstanz auf das Dekret Nr. 49 betreffend die Erlangung der syrischen Staatsangehörigkeit durch Ajanib schlage fehl. Diesem Erlass liege ein anderer Zweck zugrunde, als die Ajanib als vollberechtigte Staatsangehörige anzuerkennen. Die Anzahl der anerkannten Personen sei erheblich kleiner als vom BFM dargetan. Zudem seien die sich in Syrien befindenden Ajanib aufgrund der aktuellen Kriegswirren mittlerweile weder faktisch noch rechtlich imstande, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Es sei ihm als vorläufig aufgenommenem Ausländer jedoch ohnehin nicht zuzumuten, nach Syrien zurückzukehren, um dort ein Verfahren betreffend den Erhalt der Staatsangehörigkeit anzustrengen. Ferner sei es nicht möglich, vom Ausland aus über diplomatische Vertretungen Syriens ein Anerkennungsverfahren einzuleiten.

E.
Mit Verfügung vom 3. Juli 2013 verzichtete die vormalige Instruktionsrichterin auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und verschob den Entscheid über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf einen späteren Zeitpunkt. Zudem lud sie die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung ein.

F.
In ihrer Vernehmlassung vom 17. Juli 2013 bekräftigte die Vorinstanz ihre Auffassung, wonach der Beschwerdeführer nicht staatenlos im Sinne des Staatenlosen-Übereinkommens sei, da er als Ajnabi aus der Provinz al-Hasakah Anspruch auf die syrische Staatsangehörigkeit habe. Aufgrund der Registrierung des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass der syrische Staat diesen gestützt auf die gesetzlichen Bestimmungen des Dekrets Nr. 49 als Staatsangehörigen anerkenne bzw. zu anerkennen habe. Zudem habe der Beschwerdeführer keine Bemühungen unternommen, um die Staatsangehörigkeit via eine diplomatische Vertretung zu erlangen.

G.
Mit Replik vom 19. August 2013 reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben des syrischen Konsulats in Genf vom 15. August 2013 (in Kopie) zu den Akten, mit dem die Vertretung bestätigt, dass Gesuchsteller sich persönlich vor den zuständigen Behörden in Syrien präsentieren müssten, um ein Verfahren betreffend Erlangung der syrischen Staatsangehörigkeit einzuleiten. Im Übrigen führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, nach dem Erlass des Dekrets seien lediglich einige hundert Ajanib eingebürgert worden, um den Anschein zu erwecken, die gemachten Versprechungen einzuhalten. Es sei jedoch davon auszugehen, dass das Dekret nur toter Buchstabe oder gar formell wieder aufgehoben worden sei, zumal sich die Regierung und die syrische Armee mittlerweile aus der Provinz al-Hasakah zurückgezogen hätten.

H.
Am 21. August 2013 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanz um Einreichung einer ergänzenden Vernehmlassung.

I.
Innert erstreckter Frist führte das BFM am 27. September 2013 im Wesentlichen aus, es würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Dekret Nr. 49 offiziell ausser Kraft gesetzt worden wäre. Auch das syrische Konsulat in Genf beziehe sich in seinem Schreiben auf diesen Erlass und bestätige, dass eine Einbürgerung hiernach durchaus möglich sei. Im Übrigen werde auf die Erwägungen in der Verfügung sowie die Ausführungen in der Vernehmlassung vom 17. Juli 2013 verwiesen.

J.
Mit Triplik vom 4. November 2013 brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, die Argumentation des BFM verletzte den Grundsatz von Treu und Glauben.

K.
Am 11. Juni 2014 reichte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme zu den Akten. Darin führte er im Wesentlichen aus, er stamme aus Qamishli und sei im dortigen Register als Ajnabi registriert. Die Behörden in al-Hasakah seien somit für ihn nicht zuständig, so dass er sich gar nicht auf das Dekret Nr. 49 berufen könne. Ohnehin komme Staatenlosen kein Anspruch auf Einbürgerung, sondern lediglich ein Recht auf Stellung eines Gesuchs zu.

L.
Am 1. Oktober 2014 übernahm die erstrubrizierte Richterin den Vorsitz des Verfahrens.

M.
Mit Eingabe vom 4. November 2014 an das BFM ersuchte der Beschwerdeführer um wiedererwägungsweise Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Anerkennung der Staatenlosigkeit. Dieses Gesuch überwies das BFM aufgrund des hängigen Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 7. November 2014 an das Bundesverwaltungsgericht.

N.
Am 13. November 2014 ersuchte der Beschwerdeführer das Bundesverwaltungsgericht um Einholung einer erneuten Vernehmlassung.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen auch Verfügungen des BFM betreffend Anerkennung der Staatenlosigkeit.

1.2 Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 37 VGG).

1.3 Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht (Art. 50 und Art. 52 VwVG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde berechtigt. Auf diese ist einzutreten.

2.
Mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (vgl. Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Unter Bundesrecht ist auch das direkt anwendbare Völkerrecht zu verstehen (Zibung/Hofstetter, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, 2009, Art. 49 N 7 f.), zu dem das hier in Frage stehende Staatenlosen-Übereinkommen zu zählen ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist die Rechts- und Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2012/21 E. 5.1, 2011/43 E. 6.1 und 2011/1 E. 2).

3.
Vorab ist im Rahmen der über das Rügeprinzip hinausgehenden Prüfungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts von Amtes wegen eine Verletzung der Aktenführungspflicht durch das BFM festzustellen. Die Aktenführungspflicht - sie beinhaltet insbesondere die übersichtlich geordnete Ablage, Paginierung und Registrierung der vollständigen Akten im Aktenverzeichnis - ergibt sich aus dem Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers, welches in Art. 26 ff . VwVG geregelt ist und Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt (vgl. dazu ausführlich BVGE 2011/37 E. 5.4.1). Sie ist aber auch für die rekursinstanzlichen Behörden von massgeblicher Bedeutung, weil im Falle einer Unkenntnis über die von der Vorinstanz tatsächlich herangezogenen Akten die Gefahr eines unrichtigen - wenngleich grundsätzlich revisionsfähigen - Urteils besteht, wodurch erneut der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt wäre. Das BFM hat die Akten des Verfahrens betreffend Anerkennung der Staatenlosigkeit weder paginiert noch in einem Aktenverzeichnis registriert und damit die Aktenführungspflicht verletzt.

Die ungenügende Aktenführung war für den Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren nicht von entscheidwesentlicher Bedeutung. Zum einen haben offenbar weder er noch sein Vertreter Akteneinsicht verlangt, zum anderen folgte auf das Gesuch vom 12. April 2013 unmittelbar die angefochtenen Verfügung. Von einer Aufhebung der Verfügung und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz kann insbesondere aufgrund des Verfahrensausgangs abgesehen werden.

4.

4.1 Art. 1 Ziff. 1 StÜ hält fest, dass als staatenlos eine Person gilt, die kein Staat auf Grund seiner Gesetzgebung ("under the operation of its law", "par application de sa législation") als seinen Angehörigen betrachtet. Staatenlosigkeit bedeutet nach dieser Begriffsumschreibung das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staat (sog. "de iure"-Staatenlose). Das Abkommen bezieht sich dagegen nicht auf Personen, die zwar formell noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Heimatstaat ihnen aber keinen Schutz mehr gewährt (sog. "de facto"-Staatenlose; vgl. Yvonne Burckhardt-Erne, Die Rechtsstellung der Staatenlosen im Völkerrecht und Schweizerischen Landesrecht, Diss. Bern 1977, S. 1 ff. mit Hinweisen; BGE 115 V 4 E. 2b; BVGE 2013/60 E. 4).

4.2 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine Person nur dann als staatenlos angesehen werden, wenn sie sich das Fehlen der Staatsangehörigkeit nicht zurechnen lassen muss. Dies ist der Fall, wenn sie noch nie über eine Staatsangehörigkeit verfügt bzw. eine frühere ohne ihr Zutun verloren hat oder wenn es ihr nicht möglich ist, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben bzw. wiederzuerwerben. Wird eine Staatsangehörigkeit freiwillig abgelegt oder unterlässt es die betreffende Person ohne triftigen Grund, sie zu erwerben oder wieder zu erwerben, verdient dieses Verhalten keinen Schutz (vgl. statt vieler: Urteile des BGer 2C_36/2012 vom 10. Mai 2012 E. 3.1 und 2C_621/2011 vom 6. Dezember 2011 E. 4.2, je mit Hinweisen). Damit wird verhindert, dass der Status der Staatenlosigkeit den ihm im Übereinkommen zugedachten Auffang- und Schutzcharakter verliert und zu einer Sache der persönlichen Präferenz wird (vgl. Urteil des BGer 2C_763/2008 vom 26. März 2009 E. 3.2 mit Hinweisen).

5.

5.1 Die Vorinstanz anerkennt, dass der Beschwerdeführer in Syrien über den Status eines registrierten Ausländers (Ajnabi) verfügt und die syrische Staatsangehörigkeit nicht besitzt (vgl. die angefochtene Verfügung E. I/3). Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass das Staatenlosen-Übereinkommenauf den Beschwerdeführer nicht anwendbar sei.

5.2 Das BFM führt in der angefochtenen Verfügung zunächst aus, die Ajanib seien in Syrien zwar von zahlreichen Rechten ausgeschlossen, ihnen würden aber auch einige Rechte zugestanden (vgl. die angefochtene Verfügung E. I/3-5).

Inwiefern die Gewährung gewisser marginaler Rechte an die Ajanib nach Ansicht der Vorinstanz gegen die Anerkennung des Beschwerdeführers als Staatenlosen spricht, wird weder aus der Verfügung noch aus den beiden Vernehmlassungen hinreichend deutlich, da eine ausdrückliche Schlussfolgerung fehlt. Soweit damit auf den Ausschlussgrund nach Art. 1 Abs. 2 Ziff. ii StÜ (Nichtanwendbarkeit des Staatenlosen-Übereinkommensauf Personen, welche nach Auffassung der zuständigen Behörden des Aufenthaltslandes im Besitze der Rechte und Pflichten der Staatsangehörigen des Landes stehen) Bezug genommen werden soll, ist auf BVGE 2014/5 E. 10.2 und 10.3 (S. 113 ff.) zu verweisen. Demnach ist bei der Ausnahmebestimmung von Art. 1 Abs. 2 Ziff. ii StÜ die Rechtsstellung im Aufenthaltsland - vorliegend in der Schweiz - und nicht im Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Der Hinweis des BFM auf die Rechte, die Ajanib in Syrien geniessen würden, ist daher kein Grund, den Beschwerdeführer von der Anwendung des Staatenlosen-Übereinkommensauszunehmen.

5.3 Im Weiteren ist zu prüfen, ob die Anwendung des Staatenlosen-Übereinkommensaufgrund der in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausgeschlossen ist (vgl. E. 4).

5.3.1 Das BFM beruft sich auf das Dekret Nr. 49 vom 7. April 2011, mit dem der syrische Präsident entschieden habe, den in der Provinz al-Hasakah registrierten Ajanib die syrische Staatsangehörigkeit zu verleihen. Das syrische Innenministerium sei mit der Umsetzung beauftragt worden und habe die als Ausländer registrierten Personen aufgefordert, zwecks Ausstellung von nationalen Identitätspapieren ihre Dokumente bei den zuständigen Behörden einzureichen. Für den Beschwerdeführer als registrierten Ajnabi aus der Provinz al-Hasakah bestehe über das Dekret Nr. 49 ein Anspruch auf Einbürgerung respektive eine rechtliche Zugehörigkeit zum syrischen Staat im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 StÜ (in contrario), was die Anerkennung der Staatenlosigkeit ausschliesse. Der Umstand, dass es ihm aufgrund der momentanen Situation in Syrien nicht zuzumuten sei, in seinen Heimatstaat zurückzukehren, um die formellen Aspekte seines Anspruchs auf Erteilung der syrischen Staatsangehörigkeit zu regeln, vermöge daran nichts zu ändern (vgl. die angefochtene Verfügung E. 6 und die Vernehmlassung vom 17. Juli 2013).

5.3.2 Das Dekret Nr. 49 vom 7. April 2011 gewährt denjenigen Ajanib, die - wie der Beschwerdeführer - in der syrischen Provinz al-Hasakah registriert sind, in formeller Hinsicht die syrisch-arabische Staatsangehörigkeit (zur Anwendbarkeit des Dekrets auf die gesamte Provinz und teilweise sogar darüberhinaus und nicht nur auf die Stadt al-Hasakah vgl. U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2013 - Syria, 27.02.2014, S. 30, abrufbar unter http://www.state.gov/j/drl/rls/ hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2013&dlid=220376#wrapper und UNHCR, Submission by the UNHCR for the Office of the High Commissioner für Human Rights' Compilation Report - Universal Periodic Review: SYRIA, 05.2011, S. 2 und 4 f., abrufbar unter http://lib.ohchr.org/ HRBodies/UPR/Documents/session12/SY/UNHCR-eng.pdf , beide besucht am 20. November 2014). Gemäss BVGE 2014/5 ist davon auszugehen, dass Ajanib aus der Provinz al-Hasakah durch das Dekret grundsätzlich Zugang zur syrisch-arabischen Staatsangehörigkeit haben. Indes geht aus dem Dekret nicht hervor, nach welchen Kriterien dies geschehen soll und wie die Betroffenen vorgehen müssen, um von der Regelung zu profitieren (vgl. E. 11.2 S. 115).

5.3.3 Das BFM leitet aus dem Dekret Nr. 49 einen Anspruch auf Einbürgerung ab und schliesst daraus auf eine rechtliche Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum syrischen Staat im Sinne von Art. 1 Abs. 1 StÜ.

Diese Auslegung schlägt fehl. Wie in Erwägung 4 festgehalten bedeutet Staatenlosigkeit das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staat in dem Sinne, dass kein Staat eine Person auf Grund der nationalen Gesetzgebung als seinen Angehörigen betrachtet. Die Vorinstanz deutet hingegen an, die rechtliche Zugehörigkeit zu einem Staat bestehe bereits mit dem Vorhandensein eines Anspruchs auf Einbürgerung. In diesem Zusammenhang anerkennt sie einerseits, dass der Beschwerdeführer in Syrien lediglich den Status eines registrierten Ausländers innehat. Andererseits bestreitet sie die rechtliche Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers. Diesen widersprüchlichen Feststellungen kann nicht gefolgt werden.

Inwiefern aus dem Dekret Nr. 49 im aktuellen Zeitpunkt tatsächlich ein Anspruch auf Einbürgerung abgeleitet werden kann, kann vorliegend offen bleiben. Anders als in der angefochtenen Verfügung festgehalten begründen nämlich weder die rein formelle Möglichkeit des Erwerbs der Staatsangehörigkeit noch ein tatsächlicher Anspruch auf die Einbürgerung eine rechtliche Zugehörigkeit zu einem Staat im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 StÜ, da damit noch keine Rechte verbunden sind, die dem Angehörigen eines Staats zustehen. Erst mit dem tatsächlichen Erwerb der Staatsangehörigkeit werden der eingebürgerten Person diese Rechte zuteil. Mit anderen Worten sind Personen ohne Staatsangehörigkeit nicht bereits aufgrund der (theoretischen oder tatsächlichen) Möglichkeit des Erwerbs eines Bürgerstatus als dem entsprechenden Staat zugehörig im Sinne von Art. 1 Abs. 1 StÜ zu betrachten. Hingegen wird ihnen - wie bereits festgestellt - die Anerkennung der Staatenlosigkeit verweigert, wenn sie es trotz des Vorliegens einer solchen Rechtsgrundlage ohne triftigen Grund ablehnen, von der Möglichkeit zum Erwerb der Staatsangehörigkeit Gebrauch zu machen. Als triftig können nur objektive Gründe angesehen werden; eine rein subjektive Motivation, die Schritte zum (Wieder-) Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht unternehmen zu wollen, ist dagegen in der Regel als Ausdruck persönlicher Präferenzen anzusehen und kommt nicht als triftiger Grund in Betracht (vgl. BVGE 2014/5 E. 11.2 und 11.3 S. 115 f.).

5.3.4 Aufgrund der verfügbaren Quellen steht fest, dass eine im Ausland lebende Person, welche die syrische Staatsangehörigkeit gemäss dem Dekret Nr. 49 beanspruchen möchte, persönlich bei den zuständigen Behörden in Syrien vorzusprechen hat (vgl. BVGE 2014/5 E. 11.5 S. 117 m.w.H. sowie Landinfo, Temanotat - Syria: Identitetsdokumenter og pass, 14.11.2013, S. 7, abrufbar unter http://www.landinfo.no/asset/2612/1/ 2612_1.pdf und Zahra Albarazi, The Stateless Syrians, 05. 2013, S. 19 f., abrufbar unter , beide besucht am 20. November 2014). Der Beschwerdeführer reichte zudem ein Schreiben der syrischen Vertretung in der Schweiz vom 15. August 2013 ein, welches diese Praxis bestätigt.

Das BFM hält zu Recht fest, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz aufgrund der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen wurde, nicht zur Anerkennung der Staatenlosigkeit führt. Es verkennt jedoch, dass die Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Syrien zur Folge hat, dass es dem Beschwerdeführer derzeit auch nicht zugemutet werden kann, sich - wie dies zur Erlangung der syrischen Staatsangehörigkeit nötig wäre - in seinem Heimatstaat persönlich um den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu bemühen, zumal er dazu aufgrund seines Status als Ajnabi ohne Reiseerlaubnis (vgl. SFH, a.a.O., S. 1) die Grenze zu Syrien illegal überschreiten müsste.

In Syrien herrscht derzeit Krieg. Im Gefolge der politischen Umwälzungen des sogenannten Arabischen Frühlings in verschiedenen arabischen und nordafrikanischen Staaten wurden in Syrien seit Beginn des Jahres 2011 ebenfalls Forderungen nach demokratischen Reformen laut. Durch das zunehmend gewaltsame Vorgehen des syrischen Regimes gegen eine landesweite Protestwelle mit Hunderten von Todesopfern, der Inhaftierung und Folterung Zehntausender von Personen, darunter selbst Kindern (vgl. HRW, Torture Archipelago. Arbitrary Arrests, Torture and Enforced Disappearances in Syria's Underground Prisons since March 2011, Juli 2012; dies., Syria: Witnesses Corroborate Mass Deaths in Custody Claims, August 2014), folgte eine Eskalation des Konflikts, die schliesslich in einen offenen Bürgerkrieg mündete. Infolge der das ganze Land erfassenden Kriegshandlungen kamen nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis Juli 2014 mindestens 150'000 Menschen ums Leben, mehr als 2,8 Millionen Menschen sind aus Syrien geflohen, und 6,4 Millionen Menschen gelten als intern vertrieben (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Resolution 2165 vom 14. Juli 2014). Sämtliche Bemühungen, eine friedliche Beilegung des Konflikts zu erreichen, so insbesondere im Rahmen der Friedensgespräche in Genf im Januar und Februar 2014, sind bislang gescheitert. Eine massgebliche Verbesserung der Lage in naher Zukunft respektive ein Ende des Bürgerkrieges ist derzeit nicht absehbar.

Es ist daher nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer im aktuellen Zeitpunkt nicht bereit ist, zur (allfälligen) Erlangung der syrischen Staatsangehörigkeit in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Seine Weigerung ist ohne Weiteres als triftiger, objektiver Grund für den Nichterwerb der Staatsangehörigkeit im Sinne der dargelegten bundesgerichtlichen Praxis anzusehen.

5.4 Da der Beschwerdeführer unter keinen der Ausschlussgründe gemäss Art. 1 Abs. 2 StÜ fällt und nicht von ihm verlangt werden kann, sich dem Verfahren zum Erwerb der syrisch-arabischen Staatsangehörigkeit zu stellen, ist er als staatenlos anzuerkennen.

6.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die angefochtene Verfügung die Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen.

7.

7.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 VwVG). Zudem hat der Beschwerdeführer als obsiegende Partei Anspruch auf eine Parteientschädigung. Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung werden mit dem vorliegenden Entscheid daher gegenstandslos.

7.2 Der Beschwerdeführer hat für die ihm erwachsenen notwendigen Kosten Anrecht auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Vorinstanz (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Auf das Einholen einer Kostennote kann verzichtet werden, da sich der notwendige Vertretungsaufwand hinreichend zuverlässig abschätzen lässt. Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9 -14 VGKE) ist dem Beschwerdeführer zu Lasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von Fr. 2'100.- (inkl. Auslagen und MwSt) zuzusprechen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.
Der Beschwerdeführer wird als staatenlos anerkannt.

3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 2'100.- (inkl. Auslagen und MwSt) auszurichten.

5.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Regula Schenker Senn Simona Risi

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff ., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).