Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummern: BB.2005.100

Entscheid vom 16. November 2005 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Andreas J. Keller und Tito Ponti , Gerichtsschreiber Hanspeter Lukács

Parteien

E. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Büchi,

Beschwerdeführerin

gegen

Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Lugano,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Beschwerde gegen Hausdurchsuchung und Beschlagnahme (Art. 65 und 67 ff. i.V.m. Art. 105bis Abs. 2 BStP)

Sachverhalt:

A. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft (nachfolgend „Bundesanwaltschaft“) erliess im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gegen B. am 17. August 2005 einen Durchsuchungsbefehl, gemäss welchem bei der A. GmbH in Liquidation eine Durchsuchung mit dem Zweck der Sicherstellung der verfahrensrelevanten Beweise sowie der einziehbaren Vermögenswerte durchzuführen war, insbesondere mit Bezug auf die ganze Dokumentation im Zusammenhang mit den Gesellschaften C. AG und D. GmbH sowie deren Kunden. Zu durchsuchen waren alle der A. GmbH in Liquidation zugänglichen bzw. von ihr benützten Räume und Fahrzeuge (act. 1.1). Diese am 5. April 2005 durch Gesellschafterbeschluss aufgelöste Gesellschaft verzeichnet ihr Domizil bei der E. AG in Zürich (act. 5.8 und 5.9). Am 18. August 2005 nahmen sieben Beamte der Bundesanwaltschaft und der Bundespolizei gestützt auf den vorgenannten Befehl eine Durchsuchung in den Räumlichkeiten der E. AG vor und beschlagnahmten diverse Gegen­stände der A. GmbH in Liquidation (act. 1.2). Am 19. August 2005 erhob Rechtsanwalt Markus Büchi namens F., Liquidator der A. GmbH in Liquidation, gegen die Durchsuchung schriftlich Einsprache im Sinne von Art. 69 Abs. 3 BStP (act.1.3). Eine Versiegelung der Dokumente durch die Bundesanwaltschaft erfolgte nicht.

B. Die A. GmbH in Liquidation und die E. AG liessen durch Rechtsanwalt Markus Büchi mit gemeinsamer Eingabe vom 23. August 2005 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde mit den folgenden Anträgen einreichen:

„1. Der Durchsuchungsbefehl vom 17. August 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass Anordnung und Durchführung der Durchsuchung vom 18. August 2005 rechtswidrig waren.

2. Die beschlagnahmten Gegenstände seien der Eigentümerin zurück zu geben.

3. Dieser Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Die Akten seien bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides zu versiegeln.

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin.“

C. Mit Verfügung des Präsidenten der Beschwerdekammer vom 26. August 2005 wurde die aufschiebende Wirkung vorsorglich in dem Sinne erteilt, als die Unterlagen zu versiegeln waren, falls dies noch nicht geschehen sein sollte (act. 4). Am 29. August 2005 nahm die Bundesanwaltschaft in Ausführung dieser Anordnung die Versiegelung der beschlagnahmten Dokumente vor (act. 5). In der Folge wurde zur Frage der aufschiebenden Wirkung ein zweifacher Schriftenwechsel durchgeführt (act. 4, 5, 7, 10, 11, 12). Ein Schriftenwechsel in der Hauptsache erfolgte nicht.

D. Mit separaten, an den Rechtsvertreter gerichteten Aufforderungen wurden der A. GmbH in Liquidation (BB.2005.99) und der E. AG (BB.2005.100) je Frist bis 8. September 2005 zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 1'000.-- sowie zur Einreichung einer Vollmacht angesetzt. Beiden Aufforderungen war ein Einzahlungsschein mit Angabe der betreffenden Geschäftsnummer beigelegt (act. 2 und 3).

Mit Eingabe vom 7. September 2005 ersuchte der Rechtsvertreter um Erstreckung der „Frist zur Leistung des Kostenvorschusses und zur Einreichung der Vollmachten“ bis 15. September 2005, welchem Begehren der Präsident der Beschwerdekammer entsprach (act. 6). Am 14. September 2005 leistete der Rechtsvertreter für das Verfahren BB.2005.100 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'000.-- (act. 8, 8.3, 9), und am 15. September 2005 reichte er die verlangten Vollmachten ein (act. 8, 8.1, 8.2). Am 18. Oktober 2005 wurde eine Nachfrist zur Vervollständigung der Vollmacht der E. AG angesetzt, welcher Aufforderung der Rechtsvertreter innert Frist nachkam (act. 14, 15).

E. Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Wer das Bundesstrafgericht anruft, hat nach Anordnung des Präsidenten die mutmasslichen Gerichtskosten sicherzustellen (Art. 245 BStP i.V.m. Art. 150 Abs. 1 OG). Bei fruchtlosem Ablauf der für die Sicherstellung gesetzten Frist wird auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten (Art. 150 Abs. 4 OG). Wird innert angesetzter Frist weder der Kostenvorschuss einbezahlt noch ein Gesuch um Fristerstreckung oder um Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten eingereicht, so wird auf die Beschwerde in Anwendung der zitierten Bestimmungen androhungsgemäss nicht eingetreten (Entscheide des Bundesstrafgerichts BK_B 112/04 vom 7. September 2004, BV.2005.14 vom 17. Mai 2005, BB.2005.44 vom 25. August 2005).

Nachdem die Beschwerdeführerin innert erstreckter Frist den verlangten Kostenvorschuss für das Verfahren BB.2005.100 geleistet und innert angesetzter Nachfrist in Beseitigung des anfänglich bestehenden Mangels der fehlenden Zweitunterschrift eines kollektiv Zeichnungsberechtigten eine rechtsgültig unterzeichnete Vollmacht zu den Akten gereicht hat, sind diese Voraussetzungen für ein Eintreten erfüllt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1S.27/2005 vom 21. September 2005).

2. Gegen Amtshandlungen und wegen Säumnis des Bundesanwalts ist die Beschwerde nach den Verfahrensvorschriften der Artikel 214 -219 BStP an die Beschwerdekammer zulässig (Art. 105bis Abs. 2 BStP). Die Beschwerde steht den Parteien und einem jeden zu, der durch eine Verfügung oder durch die Säumnis des Bundesanwalts einen ungerechtfertigten Nachteil erleidet (Art. 214 Abs. 2 BStP). Damit jemand zur Beschwerde legitimiert ist, muss er einen Nachteil finanzieller, ideeller, materieller oder anderer Natur nachweisen. Der Nachteil muss zudem persönlich und unmittelbar sein, weshalb der direkt durch die Massnahme Verletzte beschwerdeberechtigt ist (Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_B 064/04a vom 30. Juli 2004 E. 1.2 und 1.3). Vorausgesetzt wird mithin ein aktuelles praktisches Rechtsschutzinteresse. Auf ein Rechtsmittel ist nicht einzutreten, wenn sich selbst im Fall der Gutheissung an der angefochtenen Verfügung nichts ändern würde; zur abstrakten Beantwortung einer Rechtsfrage ist kein Rechtsmittel gegeben. Namentlich ist gegen Anordnung und Durchführung der Hausdurchsuchung kein ordentliches Rechtsmittel – insbesondere nicht die einfache Beschwerde – gegeben (Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl., Bern 2005, N. 1209, 1603 ff.; Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, N. 536 f., 970, 975 ff.).

Die Beschwerdeführerin ist nicht Partei im Bundesstrafverfahren (Art. 34 BStP). Sie ist indes als Dritte zur Beschwerde legitimiert, sofern sie durch die angefochtene Amtshandlung im vorerwähnten Sinne betroffen ist.

2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe als Domizilgeberin der A. GmbH in Liquidation (nachfolgend A. GmbH“) einen direkten Nachteil erlitten, da die Durchsuchung in ihren Räumlichkeiten durchgeführt worden sei. Durch das Erscheinen von sieben Beamten seien ihre Mitarbeiter und allfällig anwesende Kunden verunsichert worden. Es wäre angezeigt gewesen, statt dieses Auftritts der Behörden die Akten einfach von der A. GmbH herauszuverlangen oder bei der Durchsuchung zumindest diskreter vorzugehen. Die Beschwerdegegnerin habe gewusst, dass sich der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sowie der Liquidator der A. GmbH am Tag der Durchsuchung zu einer Einvernahme auf die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hätten begeben müssen. Die Durchsuchung sei daher offensichtlich so angesetzt worden, dass die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin ungehindert hätten durchstöbert werden können.

2.2 Gemäss Durchsuchungsbefehl vom 17. August 2005 war die Durchsuchung gegen die A. GmbH gerichtet. Zu durchsuchen waren alle der A. GmbH zugänglichen bzw. von ihr benützten Räumlichkeiten und Fahrzeuge. Zweck der Durchsuchung war die Sicherstellung verfahrensrelevanter Unterlagen und einziehbarer Vermögenswerte, welche sich im Besitz dieser Gesellschaft befanden. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, es seien – entgegen dem Durchsuchungsbefehl – Unterlagen durchsucht und beschlagnahmt worden, die sich in ihrem eigenen Besitz befunden hätten (act. 1 S. 4 f. Ziff. 10 ff.). Solches ergibt sich auch nicht auf Grund des Verzeichnisses der beschlagnahmten Gegenstände (act. 1.2). Demnach wurden keine der Beschwerdeführerin gehörenden Dokumente durchsucht und sichergestellt. Die Beschwerdeführerin weist denn auch ausdrücklich darauf hin, dass sie von der Durchsuchung überhaupt nicht betroffen war (act. 1 S. 6 Ziff. 16, S. 7 Ziff. 18). Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern mit Bezug auf die Beschwerdeführerin Verfahrensrechte gemäss Art. 68 und 69 BStP hätten beschnitten werden können, wie in der Beschwerde ausgeführt wird (act. 1 S. 7 Ziff. 18). Die Beschwerdeführerin ist insoweit durch die angefochtene Amtshandlung nicht persönlich und unmittelbar betroffen. Im Übrigen räumt sie selber ein, dass die bereits erfolgte Durchsuchung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (act. 1 S. 8 Ziff. 23). Sie behauptet sodann, auf Grund der Durchsuchung einen direkten Nachteil erlitten zu haben, ohne diesen indes zu substantiieren (act. 1 S. 2 Ziff. 2); insbesondere legt sie nicht dar, inwiefern sie durch die angebliche Verunsicherung ihrer Mitarbeiter und allfällig anwesender Kunden einen heute noch bestehenden Nachteil erlitten haben soll (act. 1 S. 6 Ziff. 16). Soweit sie die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin bei der Hausdurchsuchung rügt, ist darauf hinzuweisen, dass dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde gemäss Art. 214 ff . BStP nicht gegeben ist (vgl. E. 2).

2.3 Nach dem Gesagten fehlt es an einer Beschwer und damit an einem aktuellen praktischen Rechtsschutzinteresse, weshalb auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht einzutreten ist.

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 245 BStP). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1’000.-- festzusetzen und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen (Art. 3 Reglement über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht vom 11. Februar 2004, SR 173.711.32).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1’000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3. Es werden keine Parteientschädigungen ausgerichtet.

Bellinzona, 17. November 2005

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Markus Büchi,

- Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Lugano,

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Artikeln 214 bis 216, 218 und 219 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG).

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn die Rechtsmittelinstanz oder deren Präsident es anordnet.