Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C_285/2017

Urteil vom 15. Mai 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Jahn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Ausstand),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 8. März 2017.

Sachverhalt:

A.
A.________ bezog mit Wirkung ab 1. Dezember 1999 eine ganze Invalidenrente. Im Rahmen einer Überprüfung des Rentenanspruchs verfügte die IV-Stelle Luzern (fortan: IV-Stelle) am 19. Oktober 2016 die Durchführung einer stationären psychiatrisch-orthopädischen Begutachtung durch dipl. med. B.________ und Dr. med. C.________ bei der PMEDA AG Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen (fortan: PMEDA), Zürich.

B.
Eine hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 8. März 2017 insofern gut, als es die Verfügung vom 19. Oktober 2016 aufhob und die IV-Stelle anwies, im Rahmen eines Einigungsverfahrens zusammen mit dem Versicherten eine neue Gutachterstelle für die bidisziplinäre Expertise zu beauftragen.

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihre Verfügung vom 19. Oktober 2016 zu bestätigen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 8. März 2017, mit dem es den Anschein der Befangenheit des Institutsleiters Prof. Dr. med. D.________ und damit gleichsam auch den Befangenheitsanschein der Gutachterstelle bejaht hat, ist ein selbstständig eröffneter Zwischenentscheid einer letzten kantonalen Instanz über den Ausstand (Art. 86 Abs. 1 lit. d
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 86 Vorinstanzen im Allgemeinen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
a  des Bundesverwaltungsgerichts;
b  des Bundesstrafgerichts;
c  der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen;
d  letzter kantonaler Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.
2    Die Kantone setzen als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen.
3    Für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter können die Kantone anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen.
und Art. 92 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG; zum Begriff vgl. BGE 135 III 566 E. 1.1 S. 568 f. mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
Die Vorinstanz erwog zunächst, die IV-Stelle habe die Einholung einer weiteren bidisziplinären Expertise zu Recht verfügt. Alsdann verwies sie auf ihren Entscheid vom 16. November 2016 (Verfahren 5V 16 298 / 5V 16 314), wonach erhebliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Leiters der PMEDA bestünden resp. ein Versicherter eine Begutachtung durch die PMEDA zu Recht abgelehnt habe. Weil - so die Vorinstanz weiter - vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, weshalb an dieser Rechtsprechung nicht festgehalten werden solle, habe die IV-Stelle eine andere Gutachterstelle als die PMEDA mit der Untersuchung des Versicherten zu beauftragen.

3.
Das Bundesgericht hat sich jüngst mit Urteil 9C_19/2017 vom 30. März 2017 mit dem besagten Entscheid des kantonalen Gerichts vom 16. November 2016 befasst. Es erkannte, die Vorinstanz habe Art. 44
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 44 Gutachten - 1 Erachtet der Versicherungsträger im Rahmen von medizinischen Abklärungen ein Gutachten als notwendig, so legt er je nach Erfordernis eine der folgenden Arten fest:
1    Erachtet der Versicherungsträger im Rahmen von medizinischen Abklärungen ein Gutachten als notwendig, so legt er je nach Erfordernis eine der folgenden Arten fest:
a  monodisziplinäres Gutachten;
b  bidisziplinäres Gutachten;
c  polydisziplinäres Gutachten.
2    Muss der Versicherungsträger zur Abklärung des Sachverhaltes ein Gutachten bei einem oder mehreren unabhängigen Sachverständigen einholen, so gibt er der Partei deren Namen bekannt. Diese kann innert zehn Tagen aus den Gründen nach Artikel 36 Absatz 1 Sachverständige ablehnen und Gegenvorschläge machen.
3    Mit der Bekanntgabe der Namen stellt der Versicherungsträger der Partei auch die Fragen an den oder die Sachverständigen zu und weist sie auf die Möglichkeit hin, innert der gleichen Frist Zusatzfragen in schriftlicher Form einzureichen. Der Versicherungsträger entscheidet abschliessend über die Fragen an den oder die Sachverständigen.
4    Hält der Versicherungsträger trotz Ablehnungsantrag an den vorgesehenen Sachverständigen fest, so teilt er dies der Partei durch Zwischenverfügung mit.
5    Bei Gutachten nach Absatz 1 Buchstaben a und b werden die Fachdisziplinen vom Versicherungsträger, bei Gutachten nach Absatz 1 Buchstabe c von der Gutachterstelle abschliessend festgelegt.
6    Sofern die versicherte Person es nicht anders bestimmt, werden die Interviews in Form von Tonaufnahmen zwischen der versicherten Person und dem Sachverständigen erstellt und in die Akten des Versicherungsträgers aufgenommen.
7    Der Bundesrat:
a  kann für Gutachten nach Absatz 1 die Art der Vergabe des Auftrages an eine Gutachterstelle regeln;
b  erlässt Kriterien für die Zulassung von medizinischen und neuropsychologischen Sachverständigen für alle Gutachten nach Absatz 1;
c  schafft eine Kommission mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Sozialversicherungen, der Gutachterstellen, der Ärzteschaft, der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen, der Wissenschaft sowie der Patienten- und Behindertenorganisationen, welche die Zulassung als Gutachterstelle, das Verfahren zur Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwacht. Die Kommission spricht öffentliche Empfehlungen aus.
ATSG verletzt, indem sie den Anschein der Befangenheit des Prof. Dr. med. D.________ bejaht und aufgrund dessen gewichtiger Stellung innerhalb der PMEDA gleichsam auch das Institut als solches als abgelehnt qualifiziert habe. Darauf kann, weil im hier zu beurteilenden Verfahren keinerlei neuen Aspekte vorliegen bzw. sich die Vorinstanz zur Begründung der Ablehnung der PMEDA einzig auf ihren Entscheid vom 16. November 2016 berief, vollumfänglich verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG).

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde offensichtlich begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Oktober 2016 zu bestätigen.

4.
Auf einen Schriftenwechsel wird angesichts des Verfahrensausgangs, der auf unverrückbaren Tatsachen und einer klaren Rechtslage beruht (vgl. E. 3 vorne), verzichtet. Die Einholung einer Vernehmlassung käme einem formalistischen Leerlauf gleich und würde nur weitere Kosten verursachen (Art. 102 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 102 Schriftenwechsel - 1 Soweit erforderlich stellt das Bundesgericht die Beschwerde der Vorinstanz sowie den allfälligen anderen Parteien, Beteiligten oder zur Beschwerde berechtigten Behörden zu und setzt ihnen Frist zur Einreichung einer Vernehmlassung an.
1    Soweit erforderlich stellt das Bundesgericht die Beschwerde der Vorinstanz sowie den allfälligen anderen Parteien, Beteiligten oder zur Beschwerde berechtigten Behörden zu und setzt ihnen Frist zur Einreichung einer Vernehmlassung an.
2    Die Vorinstanz hat innert dieser Frist die Vorakten einzusenden.
3    Ein weiterer Schriftenwechsel findet in der Regel nicht statt.
in initio BGG; vgl. auch Urteil 9C_477/2012 vom 21. September 2012 E. 4).

5.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

6.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 8. März 2017 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 19. Oktober 2016 bestätigt.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Mai 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Der Gerichtsschreiber: Furrer