Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-4661/2011
Urteil vom 13. Juni 2012
Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),
Besetzung Richter Bendicht Tellenbach, Richterin Muriel Beck Kadima,
Gerichtsschreiberin Sarah Diack.
A._______,geboren am (...),
Eritrea,
Parteien
(...)
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung nach Italien (Dublin-Verfahren);
Gegenstand
Verfügung des BFM vom 16. August 2011 / N (...).
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
A.
Der Beschwerdeführer - ein ethnischer Tigriner aus (...) - verliess eigenen Angaben zufolge am 25. Mai 2008 seinen Heimatstaat Eritrea und gelangte via den Sudan und Libyen im August 2008 nach Italien. Von dort aus reiste er am 23. März 2011 weiter in die Schweiz, wo er gleichentags im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) (...) um Asyl nachsuchte.
B.
Die am 24. März 2011 durch das BFM mittels der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (EURODAC) durchgeführten Abklärungen ergaben eine daktyloskopische Ersterfassung und eine Asylgesuchseinreichung des Beschwerdeführers am (...) September 2008 in B._______, Italien.
Dem BFM lagen gleichentags eine Kopie des Entscheids der italienischen Asylbehörde vom 11. November 2008 ("Sezione Commissione Territoriale per il Riconoscimento dello Status di Rifugiato di B._______"), mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiären Schutzes ("Status di protezione sussidiaria") wegen im Heimatland drohender unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zugesprochen worden war, und Kopien des italienischen Aufenthaltsausweises ("Titolo di Viaggio per Stranieri" sowie "Permesso di Soggiorno per Stranieri") vor (vgl. A1/11).
C.
Der Beschwerdeführer brachte anlässlich der Befragung vom 1. April 2011 im EVZ vor, in Italien ein Asylgesuch gestellt zu haben, in der Folge "als Flüchtling anerkannt" worden und im Besitz eines bis November 2011 gültigen italienischen Aufenthaltstitels zu sein.
Als Asylgrund führte er unter anderem aus, seine Lebenspartnerin - eine in der Schweiz als Flüchtling anerkannte Eritreerin, die ihr Heimatland im Jahre 2008 verlassen habe - befinde sich in der Schweiz. Er führe mit ihr seit [den 90er Jahren] eine Beziehung, habe indes noch nie mit ihr zusammen gelebt und sie nie geheiratet, weil er als Soldat nicht dazu in der Lage gewesen sei und somit die Situation für eine Ehe nicht gegeben gewesen sei. Als er in (...), Eritrea, studiert habe, habe er sie oft gesehen, danach aber nicht mehr so oft.
D.
Dem Beschwerdeführer wurde anlässlich der Kurzbefragung im EVZ das rechtliche Gehör zur erkennungsdienstlichen Erfassung in B._______ am (...) September 2008 und zu der von der Vorinstanz angenommenen, mutmasslichen Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens gewährt. Er führte dazu aus, Italien sei mit einer solch prekären Lage konfrontiert, dass es keine Möglichkeit habe, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen und somit diesen nicht helfen könne.
E.
Mit Verfügung vom 6. April 2011 wurde der Beschwerdeführer für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton (...) zugewiesen.
F.
Das BFM ersuchte das italienische "Dublin Office" am 29. Juli 2011 um Stellungnahme zur Rückübernahme des Beschwerdeführers gemäss Art. 16 Abs. 1 Bst. c der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin-II-VO).
G.
Das Ersuchen blieb von italienischer Seite unbeantwortet.
H.
Mit Schreiben vom 14. April 2011 teilte der Beschwerdeführer dem BFM mit, dass seine in der Schweiz als Flüchtling anerkannte Freundin, [Name] (N ...), in (...) lebe, sie (in den 90er Jahren) in Eritrea ein Paar gewesen seien, sich 2008 aus den Augen verloren hätten und sich im Jahre 2011 in der Schweiz wieder getroffen hätten. Er bat darum, diese Tatsachen in seinen Entscheid einfliessen zu lassen.
I.
Das BFM trat mit Verfügung vom 16. August 2011, eröffnet am 19. August 2011, in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug nach Italien an. Die Vorinstanz hielt fest, dass einer allfälligen Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid keine aufschiebende Wirkung zukomme.
J.
Mit Eingabe vom 24. August 2011 erhob der Beschwerdeführer gegen den vorinstanzlichen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Rückweisung an die Vorinstanz und deren Anweisung, von ihrem Recht auf Selbsteintritt Gebrauch zu machen und auf das Asylgesuch einzutreten. In formeller Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
K.
Mit Verfügung vom 25. August 2011 wies das Bundesverwaltungsgericht die Vollzugsbehörde gestützt auf Art. 56
VwVG an, einstweilen von Vollzugshandlungen abzusehen, bis nach Eingang der vorinstanzlichen Akten über die allfällige Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nach Art. 107a
AsylG befunden werde.
L.
Das Bundesverwaltungsgericht lud das BFM mit Verfügung vom 6. September 2011 zur Vernehmlassung ein; namentlich zur Frage, ob dieser Sachverhalt unter Art. 16 Abs. 1 Bst. c bis e Dublin-II-VO - welche das sogenannte "take back"-Verfahren betreffen - subsumiert werden könne, zumal diese Bestimmungen den Fall eines mit positiver Statusregelung abgeschlossenen Asylverfahrens nicht anführen würden. Gleichzeitig verfügte es, dass bis zur Klärung dieser Fragen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen sei, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten sei und über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
VwVG zu einem späteren Zeitpunkt befunden werde.
M.
Mit Vernehmlassung vom 28. September 2011 nahm das BFM zu den Fragen Stellung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
N.
Die zuständige Instruktionsrichterin räumte dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 30. September 2011 das Recht zur Replik bis zum
18. Oktober 2011 ein.
O.
Der Beschwerdeführer liess die Frist unbenutzt.
P.
Auf den detaillierten Inhalt der vorinstanzlichen Verfügung, der Beschwerdeschrift und der Vernehmlassung wird, soweit entscheidwesentlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Gemäss Art. 31
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33
VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32
VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105
AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Ein solches Auslieferungsersuchen liegt nicht vor.
1.2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37
VGG und Art. 6
AsylG).
1.3. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105
und Art. 108 Abs. 2
AsylG, Art. 48 Abs. 1
sowie Art. 52
VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das BFM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 32
- 35
AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2011/9 E. 5; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 34 E. 2.1 S. 240 f.) Die Beschwerdeinstanz enthält sich einer selbständigen materiellen Prüfung und weist die Sache - sofern sie den Nichteintretensentscheid als unrechtmässig erachtet - zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
2.2. Die Vorinstanz hat die Frage der Wegweisung und des Vollzugs (bzw. der Durchführbarkeit der Überstellung in den zuständigen Staat) materiell geprüft, weshalb dem Bundesgericht diesbezüglich grundsätzlich volle Kognition zukommt. Im Rahmen des Dublin-Verfahrens im Sinne von Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG, bei dem es sich um ein Überstellungsverfahren in den für die Prüfung des Asylgesuches zuständigen Staat handelt, besteht systembedingt kein Raum für Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 44 Abs. 2
AsylG i.V.m. Art. 83 Abs. 1
- 4
AuG. Eine entsprechende Prüfung hat, soweit notwendig, vielmehr bereits im Rahmen des Nichteintretensentscheides stattzufinden (vgl. BVGE 2010/45 E. 10.2).
3.
Gemäss Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG wird auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist. Die Prüfung der staatsvertraglichen Zuständigkeit zur materiellen Behandlung eines Asylgesuches richtet sich dabei nach den Kriterien der Dublin-II-VO (vgl. die einleitenden Bestimmungen sowie Art. 1 Abs. 1 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags [Dublin-Assoziierungsabkommen, SR 0.142.392.689] i.V.m. Art. 29a Abs. 1
der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]). Im Weiteren setzt Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG voraus, dass der staatsvertraglich zuständige Staat einer Übernahme der asylsuchenden Person zugestimmt hat (vgl. Art. 29a Abs. 2
AsylV 1).
4.
4.1. Zur Begründung ihres Entscheides vom 16. August 2011 führte die Vorinstanz aus, Italien sei gestützt auf das Dublin-Assoziierungsabkommen und das Übereinkommen vom 17. Dezember 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands und über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in der Schweiz, in Island oder in Norwegen gestellten Asylantrags (SR 0.362.32) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Da Italien innerhalb der festgelegten Frist bis zum 13. August 2011 nicht auf die Anfrage des BFM vom 29. Juli 2011 betreffend Rücknahme geantwortet habe, sei davon auszugehen, dass dem Ersuchen zugestimmt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 14. April 2011 geltend gemacht, dass er eine langjährige Beziehung zu einer Eritreerin führe, die in der Schweiz als Flüchtling vorläufig aufgenommen sei und hier lebe, und dass er gerne bei ihr in der Schweiz bleiben möchte. Gemäss Dublin-II-VO fielen unter den Begriff "Familienangehörige" unter anderem Ehegatten und nicht verheiratete Partner, welche eine dauerhafte Beziehung führen würden. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien im Sinne von Art. 8
der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) als Faktoren beispielsweise das gemeinsame Wohnen, die finanzielle Verflochtenheit, die Bindung der Partner aneinander und die Stabilität und Dauer der Beziehung zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer und seine Freundin hätten indes nie zusammengelebt und das Land getrennt verlassen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer angegeben, zufällig über Bekannte erfahren zu haben, dass seine Freundin in der Schweiz wohnhaft sei. Damit erscheine wahrscheinlich, dass die Beziehung vor dem Verlassen des Heimatlandes nicht sehr eng gewesen sei und somit davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer nicht aktiv versucht habe, seine Freundin zu finden. Zusätzlich werde die Ernsthaftigkeit der im Heimatstaat geführten Beziehung dadurch in Frage gestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer anderen Partnerin [Kinder] habe, die beide während seiner Beziehung mit der nun in der Schweiz lebenden Freundin geboren seien. Insgesamt könne die Beziehung des Beschwerdeführers nicht als dauerhafte Beziehung im Sinne von Art. 2 Bst. i Dublin-II-VO i.V.m. Art. 8
EMRK gewertet werden. Somit ergebe sich daraus kein Zuständigkeitskriterium für die Schweiz und die Zuständigkeit Italiens bleibe bestehen, womit schliesslich die Voraussetzungen für einen Nichteintretensentscheid gemäss Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG erfüllt seien.
Die Folge des Nichteintretensentscheides gemäss Art. 44 Abs. 1
AsylG sei in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz. Da der Beschwerdeführer in einen Drittstaat ausreisen könne, in dem er Schutz vor Rückschiebung im Sinne vom Art. 5 Abs. 1
AsylG finde, sei das Non-Refoulement-Gebot bezüglich des Heimat- oder Herkunftsstaates nicht zu prüfen und ferner bestünden keine Hinweise auf eine Verletzung nach Art. 3
EMRK im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Italien. Weder die in Italien herrschende Situation noch andere Gründe würden gegen die Zumutbarkeit der Wegweisung nach Italien sprechen. Anlässlich der Kurzbefragung im EVZ vom 1. April 2011 sei dem Beschwerdeführer diesbezüglich das rechtliche Gehör gewährt worden, wobei dieser ausgesagt habe, in Italien keine Hilfe erhalten zu haben, weil die Italiener mit ihren eigenen Problemen derart beschäftigt seien, dass sie nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könnten. Diesen Einwänden sei entgegen zu halten sei, dass Italien gemäss Dublin-II-VO für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens zuständig sei und er zudem zusätzlich bei einer der in Italien zahlreich vorhandenen karitativen Organisationen um Hilfe ersuchen könne. Seine Ausführungen vermöchten die Zumutbarkeit der Wegweisung nach Italien somit nicht zu widerlegen. Ausserdem sei die Wegweisung technisch möglich und praktisch durchführbar.
4.2. Zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des Wiederaufnahmeverfahrens der Dublin-II-VO (Art. 16 Abs. 1 Bst. c bis e) führte das BFM auf Vernehmlassungsebene im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in Italien vorübergehenden Schutz erhalten, was nach schweizerischer Rechtsterminologie einer vorläufigen Aufnahme entspreche, wobei er jedoch nicht formell als Flüchtling anerkannt worden sei. Er fiele nur dann nicht in den Anwendungsbereich der Dublin-II-VO, wenn er im Sinne von Art. 2 Bst. g Dublin-II-VO formell als Flüchtling anerkannt worden wäre und Asyl erhalten hätte, beziehungsweise als Flüchtling vorläufig aufgenommen worden wäre. Art. 16 Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO umfasse ausländische Staatsangehörige, deren Asylgesuch abgelehnt worden sei. Im vorliegenden Fall sei das Asylgesuch abgelehnt und die Wegweisung angeordnet worden, deren Vollzug jedoch im Sinne einer vorläufigen Aufnahme vorläufig ausgesetzt worden. Die vorläufige Aufnahme ändere jedoch grundsätzlich nichts daran, dass das Asylgesuch abgelehnt und die Wegweisung angeordnet worden sei. Vor diesem Hintergrund sei ein Wiederaufnahmeersuchen gestützt auf Art. 16 Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO zu Recht gestellt worden. Die Anwendung der Dublin-II-VO sei somit bei einer vorläufigen Aufnahme lediglich dann ausgeschlossen, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig als Flüchtling anerkannt worden wäre, was aber vorliegend - wie dargelegt - nicht der Fall sei.
5.
5.1. Die italienischen Behörden haben betreffend den Beschwerdeführer ein Asylverfahren durchgeführt und ihm am (...) November 2008 den Status der "protezione sussidiaria" zuerkannt. Daraufhin erhielt er den entsprechenden Aufenthaltstitel "permesso di soggiorno per stranieri".
5.2. Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) an die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte "Qualifikationsrichtline", "Statusrichtlinie" oder "Anerkennungsrichtlinie") gebunden. Der EU-Rat hatte die Richtlinie am 29. April 2004 verabschiedet, sie trat am 20. Oktober 2004 in Kraft und war bis 10. Oktober 2006 ins nationale Recht umzusetzen. Die Neufassung der sogenannten Qualifikationsrichtlinie - die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung; RL 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011) - ist am 20. Dezember 2011 im Amtsblatt der Europäischen Union erschienen. Mit der Neufassung wird die alte Fassung der Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG vom 29. April 2004) mit Wirkung vom 21. Dezember 2013 aufgehoben (Art. 40 RL 2011/95/EU). Bis dahin gilt die alte Qualifikationsrichtlinie.
In Anwendung von Art. 15 und Art. 18 der geltenden Qualifikationsrichtlinie hat Italien dem Beschwerdeführer den Status des subsidiären Schutzes gewährt. Die von den italienischen Behörden festgestellte Gefahr der "trattamenti disumani e degradanti" entspricht den Kriterien von Art. 3
EMRK.
6.
6.1. Vorerst stellt sich die Frage, ob das BFM zu Recht den vorliegenden Sachverhalt unter Art. 16 Abs. 1 Bst. c bis e Dublin-II-VO - welche das sogenannte "take-back" Verfahren betreffen - subsumiert hat.
6.2. Die Dublin-II-VO definiert den Flüchtlingsbegriff gleich wie die Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]) ; "Flüchtling" im Sinne der Dublin-II-VO ist, wem die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der FK zuerkannt wurde (Art. 2 Bst. g Dublin-II-VO; vgl. dazu Christian Filzwieser/Andrea Sprung, Dublin II-Verordnung - Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, 3., überarbeitete Auflage, Wien/Graz 2010, K16 und K19 zu Art. 2]). Unter dem Begriff "Asylantrag" wird gemäss Art. 2 Bst. c Dublin-II-VO das von einem Drittstaatsangehörigen gestellte Ersuchen um internationalen Schutz im Sinne der Flüchtlingskonvention verstanden, wobei der zweite Satz dieser Bestimmung die Möglichkeit vorsieht, dass auch ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz gesondert ersucht werden könnte (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a.a.O., K5 - K7 zu Art. 2). Angesichts der Unklarheiten betreffend diese Formulierung ist festzuhalten, dass das Institut des subsidiären Schutzes, wie es die Qualifikationsrichtlinie definiert, noch nicht existierte, als die Dublin-II-VO erarbeitet wurde.
6.3. Unter dem Begriff "Prüfung des Asylantrags" in Art. 16 Abs. 1 Dublin-II-VO ist ausnahmslos die Prüfung zu verstehen, ob der Asylsuchende gemäss der Qualifikationsrichtline als Flüchtling gilt (vgl. Bericht der EU-Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems vom 6. Juni 2007, Ziff. 2.3.1, verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu /LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=CELEX:52007DC0299:de:NOT, zuletzt besucht am 7. Juni 2012). Das heisst konsequenterweise, dass Art. 16 Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO angewendet werden muss, wenn zwar subsidiärer Schutz gewährt, die Flüchtlingseigenschaft im zuständigen Mitgliedstaat aber verneint wurde, in diesen Fällen folglichder Asylantrag als "abgelehnt" zu qualifizieren ist. Dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall: Der Beschwerdeführer erhielt den Status des subsidiären Schutzes erst infolge der Ablehnung des Antrags um Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, ist somit der Status des subsidiären Schutzes gemäss der Qualifikationsrichtlinie mit der vorläufigen Aufnahme - die nach schweizerischer Rechtsordnung nur nach einem abgelehnten Asylantrag zum Zuge kommt - vergleichbar.
6.4. Der Beschwerdeführer besitzt einen Permesso di Soggiorno per Stranieri und damit über einen von Italien ausgestellten Aufenthaltstitel im Sinne von Art. 2 Bst. j Dublin-II-VO. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob sich allenfalls eine Zuständigkeit aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt. Dies ist zu verneinen, denn diese Bestimmung kommt nur dann zur Anwendung, wenn ein Mitgliedstaat, der gemäss den Kriterien der Dublin-II-VO nicht zuständig wäre, einer Person einen Aufenthaltstitel ausstellt, obwohl bereits eine Zuständigkeit eines anderen Staates gemäss der Dublin-II-VO besteht, womit die Zuständigkeit von jenem anderen Staat auf ihn übergeht (vgl. Filzwieser/Sprung, a.a.O., K17 zu Art. 16). Im vorliegenden Fall hat jedoch Italien als ohnehin gemäss den Kriterien der Dublin-II-VO zuständiger Staat den Aufenthaltstitel ausgestellt. Somit ist Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO hier nicht einschlägig.
6.5. Zusammenfassend hat das BFM somit zu Recht den vorliegenden Sachverhalt unter die Bestimmungen Art. 16 Abs. 1 Bst. c bis e Dublin-II-VO subsumiert.
7.
7.1. Auf Rechtsmittelebene bringt der Beschwerdeführer vor, das BFM sei anzuweisen, von seinem Recht auf Selbsteintritt Gebrauch zu machen; er sei schon länger mit seiner Freundin zusammen, beabsichtige zu heiraten und verweise diesbezüglich auf Art. 8
EMRK.
7.2.
7.2.1. Nach der in Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO verankerten Souveränitätsklausel kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
7.2.2. Eine selbstständige Rüge der Verletzung von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ist nur möglich, wenn mit der Forderung nach einem Selbsteintritt gleichzeitig geltend gemacht wird, mit der Durchsetzung der nach der Dublin-II-VO feststehenden Zuständigkeit würde eine Norm des Völkerrechts oder aber eine Norm des innerstaatlichen Rechts verletzt (vgl. BVGE 2010/45 E. 5).Der Beschwerdeführer rügt, sein Recht auf Einheit der Familie gemäss Art. 8
EMRK sei durch die Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts durch das BFM verletzt worden.
7.2.3. Die vorinstanzlichen Erwägungen in diesem Zusammenhang sind zutreffend: Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, dass er die geltend gemachte Beziehung wirklich lebte und lebt. Diesbezüglich sind die vorinstanzlichen Erwägungen, die auch die geltende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufzeigen, vollumfänglich zu stützen und es kann zur Vermeidung von Wiederholungen gänzlich darauf verwiesen werden (vgl. oben E. 4.1). Die faktisch nicht gelebte Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Freundin in der Schweiz fällt nicht unter den Schutzbereich von Art. 8
EMRK.
7.2.4. Italien ist - wie die Schweiz - unter anderem Signatarstaat der FK, der EMRK und des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105). Gemäss Art. 3 FoK und der Praxis zu Art. 3
EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. So hat Italien die Bestimmungen der Flüchtlingskonvention geprüft und verneint, vorliegend aber dem Beschwerdeführer aufgrund von Art. 3
EMRK subsidiären Schutz gewährt. Italien hat mithin seine völkerrechtlichen Verpflichtungen respektiert und namentlich das Gebot des Non-Refoulement gemäss Art. 3
EMRK beachtet (vgl. BVGE 2010/45 E. 7.3 - 7.7). Die Gefahr einer Kettenabschiebung kann somit als ausgeschlossen gelten. Der Beschwerdeführer macht denn auch keine entsprechenden Vorbringen geltend, die diesen Überlegungen entgegenstehen würden.
7.3. Sind humanitäre Gründe im Sinne von Art. 29a Abs. 3
AsylV 1 zu erkennen, die einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien entgegenstehen, kann ein Selbsteintritt gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO als angezeigt erscheinen (vgl. BVGE 2010/45 E. 8.2, BVGE 2011/9 E. 8).
Dem Bundesverwaltungsgericht ist bekannt, dass das italienische Asylverfahren gewisse Schwachstellen aufweist. Das Gericht geht aber davon aus, Dublin-Rückkehrende würden betreffend Unterbringung von den italienischen Behörden eher bevorzugt behandelt. Zudem hat der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltstitels Zugang zu Ausbildung, zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen (vgl. die Website des "Istituto Nazionale della Previdenza Sociale", Informationen zum Status der "protezione sussidaria", verfügbar unter: http://www.inps.it/portale/ default.aspx?sID=0%3B6969%3B6974%3B6982%3B6989%3B6996%3 B& lastMenu=6996&iMenu=1, zuletzt besucht am 7. Juni 2012). Die Einwendungen des Beschwerdeführers, Italien sei mit einer solch prekären Lage konfrontiert, dass es keine Möglichkeit habe, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen und somit diesen nicht helfen könne, sind nicht stichhaltig und erweisen sich als nicht geeignet, einer Wegweisung nach Italien entgegenzustehen.
Nach dem Gesagten sind keine humanitären Gründe im Sinne von Art. 29a Abs. 3
AsylV 1 zu erkennen, die einen Selbsteintritt gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO als angezeigt erscheinen liessen.
7.4. Angesichts der gesamten Umstände sind keine Gründe ersichtlich, die einen Selbsteintritt der Vorinstanz gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO nahegelegt hätten.
8.
Das BFM hat nach dem Gesagten zu Recht gestützt auf Art. 16 Abs. 1 Bst. c bis e Dublin-II-VO ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien gestellt, und ist zutreffenderweise aufgrund der innert Frist ausgebliebenen Antwort Italiens von dessen Zustimmung ausgegangen (Art. 20 Abs. 1 Bst. c Dublin-II-VO). Somit ist es im Ergebnis zu Recht in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten.
9.
9.1. Das Nichteintreten auf ein Asylgesuch hat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz zur Folge (Art. 44 Abs. 1
AsylG). Vorliegend hat der Kanton keine Aufenthaltsbewilligung erteilt, und es besteht zudem kein Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl. EMARK 2001 Nr. 21). Die verfügte Wegweisung steht daher im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und wurde vom BFM zu Recht angeordnet.
9.2. Wie bereits festgehalten, besteht im Rahmen des Dublin-Verfahrens im Sinne von Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG, bei dem es sich um ein Überstellungsverfahren in den für die Prüfung des Asylgesuches zuständigen Staat handelt, systembedingt kein Raum für Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 44 Abs. 2
AsylG i.V.m. Art. 83 Abs. 1
- 4
AuG. Eine entsprechende Prüfung hat, soweit notwendig, vielmehr bereits im Rahmen des Nichteintretensentscheides stattzufinden, und Überstellungshindernisse müssten zu einem Selbsteintritt führen (vgl. BVGE 2010/45 E. 10.2). Wie festgehalten, bestehen vorliegend keine Gründe, aufgrund derer die Vorinstanz einen Selbsteintritt hätte vornehmen müssen; die Vorinstanz hat in diesem Sinne den Vollzug der Wegweisung nach Italien zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet.
10.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist darzutun, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt oder unangemessen ist (Art. 106
AsylG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
11.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
VwVG). Da die Beschwerde jedoch im Zeitpunkt ihrer Einreichung nicht als aussichtslos betrachtet werden konnte und die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers aus den Akten ersichtlich ist, sind in Gutheissung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1
VwVG keine Kosten zu erheben.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Christa Luterbacher Sarah Diack