Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-4535/2016

Urteil vom 12. August 2016

Einzelrichterin Regula Schenker Senn,

Besetzung mit Zustimmung von Richter Bendicht Tellenbach;

Gerichtsschreiber Urs David.

A._______,geboren am (...),

Parteien Irak,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Flüchtlingseigenschaft;
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 21. Juni 2016 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer stellte am 19. August 2007 in der Schweiz ein erstes Asylgesuch.

Mit Verfügung vom 11. Dezember 2009 stellte das damalige Bundesamt für Migration (BFM) fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht. Entsprechend lehnte es das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an.

Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde vom 5. Januar 2010 lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-47/2010 vom 30. Juni 2011 ab.

B.
Mit schriftlicher Eingabe an das BFM vom 29. November 2013 stellte der zu jenem Zeitpunkt rechtsvertretene Beschwerdeführer ein "neues Asylgesuch", mit welchem er im Wesentlichen die Gewährung von Asyl, sinngemäss seine Anerkennung als Flüchtling und eventualiter den Verzicht auf den Vollzug der Wegweisung beantragte. In der Begründung machte der Beschwerdeführer unter anderem sein aktivistisches und exponiertes exilpolitisches Engagement in der Schweiz gegen die kurdische Regionalregierung und seine darauf basierende begründete Furcht vor Verfolgung geltend.

C.
Mit Verfügung vom 8. Oktober 2015 - eröffnet am 17. Oktober 2015 - verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte dessen zweites Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es seine Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an. Zudem erhob das SEM vom Beschwerdeführer eine Gebühr von Fr. 600.-.

D.
Mit Eingabe vom 13. November 2015 reichte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung vom 8. Oktober 2015 ein. Darin beantragte er im Wesentlichen deren Aufhebung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung von Asyl sowie eventualiter die Gewährung der vorläufigen Aufnahme unter Feststellung der Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges.

E.
Mit Urteil E-7311/2015 vom 30. März 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde soweit ab, als darin die Verweigerung des Asyls und die Wegweisungsanordnung als solche angefochten wurden. Weiter hiess das Gericht die Beschwerde teilweise gut, indem es die Verfügung vom 8. Oktober 2015 hinsichtlich ihrer Dispositivziffern 1 (Nichterfüllung der Flüchtlingseigenschaft), 4-5 (Anordnung des Wegweisungsvollzuges) und 6 (Gebührenerhebung) aufhob und die Sache zur vollständigen und richtigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückwies. Die Aufhebung der Dispositivziffer 1 (Nichterfüllung der Flüchtlingseigenschaft) und die darauf basierende Rückweisungsfolge begründete das Gericht damit, dass betreffend die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe keine ordentliche Anhörung des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei.

F.
Im Rahmen des entsprechend diesem Urteil teilweise wiederaufgenommenen erstinstanzlichen zweiten Asylverfahrens führte das SEM am 9. Juni 2016 eine Anhörung des Beschwerdeführers zu den im zweiten Asylgesuch geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründen (exilpolitisches Engagement in der Schweiz gegen die kurdische Regionalregierung im Nordirak und darauf basierende begründete Furcht vor Verfolgung) durch.

G.
Mit Verfügung vom 21. Juni 2016 - eröffnet am 23. Juni 2016 - verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers erneut (Dispositivziffer 1) und lehnte dessen zweites Asylgesuch wiederum ab (Dispositivziffer 2). Gleichzeitig ordnete es seine Wegweisung aus der Schweiz an (Dispositivziffer 3), verzichtete aber auf deren Vollzug und gewährte dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufnahme infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges (Dispositivziffern 4-7). Auf eine Gebührenerhebung verzichtete das SEM.

H.
Mit Eingabe vom 22. Juli 2016 reichte der zwar noch über einen bevollmächtigten Rechtsvertreter verfügende, aber auf Beschwerdestufe nunmehr in eigenem Namen auftretende Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen diese Verfügung vom 21. Juni 2016 ein. Darin beantragt er die Aufhebung der Dispositivziffer 1 (Nichterfüllung der Flüchtlingseigenschaft), die Rückweisung der Sache an das SEM zur Neubeurteilung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und in prozessualer Hinsicht den Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten inklusive eines Kostenvorschusses.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.3 Bei dem in die angefochtene Verfügung vom 21. Juni 2016 mündenden Verfahren handelt es sich um ein multiples Asylverfahren, das vor der am 1. Februar 2014 in Kraft gesetzten neuen Fassung des Asylgesetzes (Änderungen vom 14. Dezember 2012) eingeleitet wurde. Diese Fassung enthält unter anderem auch neue Bestimmungen zur Wiedererwägung und eben zu Mehrfachasylgesuchen (insb. Art. 111b und 111c AsylG). Die Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 14. Dezember 2012 halten in ihrem Absatz 2 indessen fest, dass bei im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsänderung hängigen Wiedererwägungs- und Mehrfachasylgesuchen weiterhin das bisherige Recht (in der Fassung vom 1. Januar 2008) anwendbar bleibt.

1.4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig die Frage, ob der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft erfüllt oder nicht.

1.5 Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

1.6 Mit dem Direktentscheid in der Sache wird der prozessuale Antrag betreffend Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses hinfällig.

2.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

3.

3.1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

Wer erst durch die Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat oder wegen seines Verhaltens nach der Ausreise eine Verfolgungssituation begründet hat (sog. subjektive Nachfluchtgründe), hat grundsätzlich ebenfalls Anspruch auf die Flüchtlingseigenschaft; verwehrt bleibt einzig das Asyl (vgl. Art. 54 AsylG).

3.2 Die Flüchtlingseigenschaft ist nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Sie ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

4.1 Der Beschwerdeführer begründete sein zweites Asylgesuch vom 29. November 2013 unter anderem mit seinem aktivistischen und exponierten exilpolitischen Engagement in der Schweiz gegen die kurdische Regionalregierung im Nordirak. Dieses habe mit seinem nach der Einreise in die Schweiz erfolgten Beitritt zur Goran-Partei eingesetzt und seither zahlreiche ernsthafte Drohungen gegen ihn zur Folge gehabt. Parteiinformationen sowie seine Aktivitäten und insbesondere die gegen ihn gerichteten Drohungen seien auf der beiliegenden CD sowie auf Screenshots des Wikipedia-Internetportals und von Zeitungsartikeln dokumentiert. Sein Engagement sei den heimatlichen Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt geworden, weshalb er eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in seiner Heimat zu befürchten und Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft infolge subjektiver Nachfluchtgründe habe.

4.2 Betreffend die im zweiten Asylgesuch geltend gemachten subjektiven Nachfluchtründe stellte das Bundesverwaltungsgericht im Kassationsurteil E-7311/2015 vom 30. März 2016 fest, dass hierzu keine Anhörung gemäss Art. 29 AsylG durchgeführt worden sei. Das SEM sei gehalten, den rechtserheblichen Sachverhalt insbesondere mittels Durchführung einer Anhörung im erwähnten Sinne abzuklären und einen neuen Entscheid zu fällen.

Den festgestellten Mangel hat das SEM mit der Anhörung des Beschwerdeführers vom 9. Juni 2016 behoben. Im Rahmen dieser Anhörung machte der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters im Wesentlichen Folgendes geltend: Er sei seit dem Jahre 2009 Mitglied der Goran-Partei, für welche er bereits verschiedene Medienberichte zusammengefasst habe, damit sie auf Facebook veröffentlicht werden konnten; selber habe er keine Berichte verfasst. Er habe beim Organisieren von Demonstrationen mitgeholfen, aber keine besondere Funktion innegehabt, zumal er weder die hierzu notwendigen sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten noch einen gefestigteren Aufenthaltsstatus in der Schweiz habe. An verschiedenen Demonstrationen habe er selber teilgenommen und an einer Kleinkundgebung vom (...) in Bern ein kurze Rede gehalten, in der er den Präsidenten der Autonomen Region Kurdistans (ARK), Masud Barzani, kritisiert und dessen Portrait verbrannt habe. Das Ereignis sei gefilmt und auf Youtube und Facebook veröffentlicht worden, was zahlreiche Drohungen gegen ihn nach sich gezogen habe. Er sei namentlich und persönlich identifiziert worden, weshalb die heimatlichen Behörden nun über seine regimekritische Haltung und Aktivitäten in der Schweiz Bescheid wüssten. Die gegen ihn gerichteten und vor allem auf Facebook, aber auch telefonisch oder per SMS ausgesprochenen Drohungen seien im Oktober 2015 erneut aufgeflammt, als im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Verlängerung der Amtszeit Barzanis das Video von der Kundgebung in Bern wieder auf Facebook aufgetaucht sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat müsse er mit ernsthaften Behelligungen seitens der Sicherheitskräfte der KDP rechnen. Diese hätten seinen Vater zu Hause denn auch vor seiner Rückkehr nach Kurdistan gewarnt. Als Beweismittel gab der Beschwerdeführer eine CD zu den Akten, auf welcher sich veröffentlichte Videosequenzen betreffend (gemäss Beschwerdeführer) die ungerechte Behandlung von aktivistisch aufgetretenen Drittpersonen in Kurdistan befänden, deren Schicksal auch er im Falle einer Rückkehr zu erwarten habe.

4.3 Zur Begründung seines Entscheides vom 21. Juni 2016 erwog das SEM, bei der Goran-Partei handle es sich um eine legale Partei. Die blosse Mitgliedschaft führe zu keinen Repressalien. Innerhalb der Partei habe der Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben keine speziellen Funktionen innegehabt. Es sei zwar bekannt, dass die kurdische Regierung sich für die exilpolitischen Aktivitäten ihrer Staatsangehörigen interessiere. Die Überwachung konzentriere sich aber auf Personen, die aus der Masse der regimekritischen Personen hervorträten und als ernsthafte Bedrohung für das Regime im Nordirak wahrgenommen würden. Massgebend sei nicht in erster Linie die optische Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit, sondern eine öffentliche Exponierung dergestalt, dass die Auftritte den Eindruck erweckten, die Person stelle eine Gefahr für das politische System dar. Zwar habe er an der Demonstration vom (...) in Bern ein kurze Rede gehalten, sich dabei gegen den Präsidenten der ARK geäussert und dessen Foto verbrannt. Angesichts der mit rund zwölf Teilnehmern bescheidenen Grösse der Kundgebung habe diese aber kaum besondere Aufmerksamkeit erweckt. Die Aufzeichnung und Veröffentlichung auf Facebook und Youtube sowie die daraufhin erhaltenen Drohungen seien zwar mit Beweismitteln dokumentiert. Diese Drohungen seien aber nicht staatlicher Natur, besagten ferner nichts über die Urheber oder Ernsthaftigkeit der Drohungen und ihre Authentizität sei nicht eindeutig belegt. Aus den in der Anhörung geltend gemachten und ebenfalls auf CD dokumentierten Nachrichtensendungen aus dem kurdischen Gebiet betreffend zu Unrecht verurteilter regimekritischer Drittpersonen seien sodann keine direkten Zusammenhänge mit dem Beschwerdeführer oder auch nur Rückschlüsse auf ihn eruierbar. Seine Aktivitäten vermöchten keine Furcht vor flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung bei einer Rückkehr in die ARK zu begründen. Es sei nicht davon auszugehen, dass er mit diesem nicht qualifizierten politischen Profil die Aufmerksamkeit der heimatlichen Behörden erweckt habe. Die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe hielten somit den Anforderungen von Art. 3 AsylG an die Flüchtlingseigenschaft nicht stand.

4.4 In seiner Rechtsmitteleingabe bemängelt der Beschwerdeführer, dass sich die Vorinstanz zu wenig mit seinem individuellen politischen Profil auseinandergesetzt habe und sich mit einer allgemeinen Begründung begnüge. Es treffe zwar zu, dass er keine speziellen Funktionen in der legalen Goran-Partei innegehabt habe. Das SEM gehe aber auf die politische Aktion vom (...) und deren Folgen - dabei handle es sich um das Kernstück seiner Vorbringen - nur oberflächlich ein. Obwohl der Anlass nur von wenigen Personen besucht worden und am Tag selber nicht besonders aufgefallen sei, seien die Reaktionen auf die Ausstrahlung des Videos auf Youtube, Facebook und weiteren Portalen (insb. gegen ihn gerichtete massive Drohungen) immens gewesen. Es seien Zehntausende Aufrufe des Videos zu verzeichnen gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Behörden der ARK Kenntnis davon erhalten hätten - beispielsweise nach Hinweisen von verärgerten Anhängern der regierenden KDP - sei hoch. Seine Familie sei denn auch bereits von Sicherheitskräften der KDP bedroht worden, wie er in der Anhörung erwähnt habe; dies werde vom SEM gar nicht gewürdigt. Das SEM habe sich nicht bemüht, sich mit den bereits im November 2015 dokumentierten Drohungen gegen ihn zu befassen und ihn im Rahmen der Anhörung hierzu gezielt zu befragen, was seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Zudem verkenne das SEM die Relevanz der bei der Anhörung vom 6. Juni 2016 eingereichten CD mit darauf gespeicherten Videos. Auch diesbezüglich fehle eine Auseinandersetzung in der angefochtenen Verfügung, was ebenso eine Gehörsverletzung und einen Ermessensmissbrauch darstelle. Mit seiner Kritik an Barzani habe er die Würde des Präsidenten verletzt, damit eine "rote Linie" überschritten und somit durchaus begründete Furcht vor staatlicher Verfolgung. Die Sache sei daher an das SEM zur Neubeurteilung zurückzuweisen oder ihm sei direkt die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

5.

5.1 Wer sich darauf beruft, dass durch sein Verhalten nach der Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat - insbesondere durch politische Exilaktivitäten - eine Gefährdungssituation erst geschaffen worden ist, macht sogenannte subjektive Nachfluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG geltend. Begründeter Anlass zur Furcht vor künftiger Verfolgung besteht dann, wenn der Heimat- oder Herkunftsstaat mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von den Aktivitäten im Ausland erfahren hat und die Person deshalb bei einer Rückkehr in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise verfolgt würde. Dabei muss hinreichend Anlass zur Annahme bestehen, die Verfolgung werde sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft verwirklichen; eine bloss entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung genügt nicht. Es müssen mithin konkrete Indizien vorliegen, welche den Eintritt der erwarteten und aus einem der vom Gesetz aufgezählten Motive erfolgenden Benachteiligung als wahrscheinlich und dementsprechend die Furcht davor als realistisch und nachvollziehbar erscheinen lassen. Subjektive Nachfluchtgründe begründen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht missbräuchlich gesetzt wurden (vgl. zum Ganzen das Referenzurteil D-3839/2013 vom 28. Oktober 2015 E. 6.2.1, m.w.H.).

5.2 Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt: Das SEM ist mit überzeugender, gesetzes- und praxiskonformer Begründung sowie unter rechtskonformer Beachtung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör zur zutreffenden Erkenntnis gelangt, dass die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe den Anforderungen von Art. 3 AsylG an die Flüchtlingseigenschaft nicht standhalten. Auf diese Erwägungen (vgl. angefochtene Verfügung E. II und Zusammenfassung E. 4.3 oben) kann zur Vermeidung von Wiederholungen integral verwiesen werden. Es ist darin kein Grund zur Beanstandung zu erblicken und der Inhalt der Beschwerde lässt keine andere Betrachtungsweise zu. Das SEM hat sich in durchaus angemessener Weise mit der politischen Aktion vom (...) und deren Folgen für den Beschwerdeführer befasst und sich mit den dokumentierten Drohungen auseinandergesetzt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder ein Ermessensmissbrauch sind nicht zu erkennen und die Anhörung vom 6. Juni 2016 hat in genügender Weise zur Vervollständigung und Klärung des Sachverhalts beigetragen. Eine vertieftere Auseinandersetzung mit den eingereichten Beweismitteln war nicht indiziert. Die blosse Möglichkeit oder gar die Wahrscheinlichkeit, dass die ARK im Ausland Informationen über regimekritische Personen sammelt, vermag eine Furcht vor Verfolgung nicht als begründet erscheinen. Hierzu müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss zulassen, dass die asylsuchende Person tatsächlich das Interesse der Behörden auf sich gezogen und als regimefeindliches Element namentlich identifiziert wurde. Für die Annahme begründeter Furcht ist auch im Kontext der nordirakischen ARK nicht primär das Hervortreten im Sinne einer optischen Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit massgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr eine öffentliche Exponierung, die aufgrund der Persönlichkeit des Asylsuchenden, der Form des Auftritts und aufgrund des qualitativen Mitteilungsgehalts den Eindruck erweckt, dass der Asylsuchende aus Sicht des Regimes als potenzielle Bedrohung wahrgenommen wird (vgl.
D-3839/2013 vom 28. Oktober 2015 [betr. Syrien] E. 6.3.1 f., m.w.H.). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Regierung der ARK über die logistischen Ressourcen und Möglichkeiten verfügt, um regimekritische exilpolitische Tätigkeiten ihrer Angehörigen im Ausland systematisch zu überwachen. Die Annahme, die betroffene Person habe die Aufmerksamkeit der heimatlichen Behörden in einer Weise auf sich gezogen, welche auf eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen exilpolitischer Tätigkeit schliessen lässt, rechtfertigt sich deshalb nur, wenn damit objektiv der Eindruck einer potenzielle Bedrohung für den Staat und das politische System erweckt wird. Der Aktivismus und Exponierungsgrad des Beschwerdeführers genügt in der vorliegenden Qualität und Quantität aber offensichtlich nicht. Wie bereits in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren festgestellt, konnte der Beschwerdeführer keine flüchtlingsrechtlich bedeutsame Verfolgung aufgrund von Vorfluchtgründen glaubhaft machen. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass er vor dem Verlassen des Nordiraks als regimefeindliche Person ins Blickfeld der Behörden geraten ist und insoweit eine gewisse Vorbelastung aufweisen würde. Aufgrund der Akten und insbesondere des Anhörungsprotokolls vom 6. Juni 2016 drängt sich alsdann der klare Schluss auf, der Beschwerdeführer sei nicht der Kategorie von Personen zuzurechnen, die wegen ihrer Tätigkeit oder Funktionen im Exil als ernsthafte und potenziell gefährliche Regimegegner die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gezogen haben könnten. Selbst unter der Annahme, er sei durch seine auf Video aufgezeichnete und veröffentlichte Exponierung bei der Kleinkundgebung in Bern vom (...) in einen engeren Aufmerksamkeitsfokus der KDP-Regierung oder ihrer Anhänger geraten, ist nicht wahrscheinlich, dass von staatlicher Seite ein besonderes Interesse an ihm bestehen könnte. Es handelt sich bei ihm nicht um eine in der exilpolitischen Szene bedeutsame Persönlichkeit, die mit Blick auf Art und Umfang der exilpolitischen Tätigkeit als engagierter und mit einer gewissen Permanenz agierender Regimegegner aufgefallen wäre. Ein weitgehendes Desinteresse an einer Habhaftmachung des Beschwerdeführers durch die Behörden der ARK manifestiert sich nicht zuletzt durch die angebliche Warnung seines Vaters durch die Sicherheitskräfte der KDP, wonach der Beschwerdeführer gar nicht nach Kurdistan zurückkehren solle. Allfälligen von bekannten oder anonymen Drittpersonen ausgehenden Drohungen in der Schweiz könnte der Beschwerdeführer mit strafrechtlichen Mitteln entgegentreten; solche Drohungen entfalten keine flüchtlingsrechtliche Bedeutsamkeit.

5.3 Aufgrund des Gesagten ist festzuhalten, dass das SEM das Bestehen einer Verfolgungssituation des Beschwerdeführers aus subjektiven Nachfluchtgründen und mithin seinen behauptungsgemässen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu Recht verneint hat.

6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen und es erübrigt sich auf deren Inhalt weiter einzugehen.

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1 -3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten (vgl. Art. 65 Abs. 1 VwVG) ist unbesehen der geltend gemachten Mittellosigkeit abzuweisen, da die Beschwerde gemäss den vorstehenden Erwägungen als aussichtslos zu bezeichnen ist und es daher an einer gesetzlichen Voraussetzung zur Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung fehlt.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten wird abgewiesen.

3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:

Regula Schenker Senn Urs David