Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 781/2016

Urteil vom 7. Februar 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch Advokatin Raffaella Biaggi,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

GastroSocial Pensionskasse, Buchserstrasse 1, 5000 Aarau.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Oktober 2016.

Sachverhalt:

A.
Die 1959 geborene A.________ bezog ab November 2002 eine halbe und ab Januar 2004 (nach Inkrafttreten der 4. IV-Revision) eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad 64 %). Mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 hob die IV-Stelle des Kantons Aargau die Rente per Ende Januar 2011 auf (Invaliditätsgrad 12 %). Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 8. März 2012).
Im Mai bzw. im Dezember 2012 meldete sich A.________ wegen schweren Schulter-, Knie- und Rückenproblemen erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle führte verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine polydisziplinäre Begutachtung bei der Swiss Medical Assessment- and Business-Center (SMAB) AG in St. Gallen (Gutachten vom 24. März 2016). Mit Verfügung vom 2. Juni 2016 wies sie das Leistungsbegehren ab (Invaliditätsgrad 17 %).

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 20. Oktober 2016 ab.

C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Leistungsabweisung der Verwaltung vom Juni 2016 erfolgte nach Einholung des polydisziplinären Gutachtens des SMAB vom 24. März 2016 und nach Rücksprache mit dem Regional Ärztlichen Dienst (RAD; Stellungnahme vom 1. April 2016). Gestützt darauf ging die IV-Stelle von einer gänzlichen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Serviceangestellte und einer zu 10 % eingeschränkten Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit aus, woraus nach ihren Berechnungen ein Invaliditätsgrad von 17 % resultierte. Die Vorinstanz erkannte dem SMAB-Gutachten vom 24. März 2016 Beweiswert zu, stellte in Bezug auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht indessen nicht darauf ab. Sie wich im erwähnten Punkt deshalb vom Gutachten ab, weil dem depressiven Geschehen keine invalidisierende Wirkung zukomme und damit von einer 100 %-igen Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit, auch in retrospektiver Hinsicht, auszugehen sei.

2.

2.1. Die internistische, orthopädisch-traumatologische und neurologische Beurteilung, wonach gemäss Vorinstanz in Nachachtung des SMAB-Gutachtens vom 24. März 2016 eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit gegeben ist, bildet nicht Thema der Beschwerde. Das Bundesgericht hat keinen Anlass zu diesbezüglichen Weiterungen (vgl. dazu BGE 141 V 234 E. 1 S. 236). Angefochten ist dagegen die psychiatrische Einschätzung der Arbeitsfähigkeit. Ob und inwieweit ein (psychisches) Leiden invalidisierend ist, stellt eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar (vgl. statt vieler Urteil 9C 58/2016 vom 11. Mai 2016 E. 2).

2.2. Die psychiatrische Untersuchung beim SMAB, die Ende Februar 2016 stattgefunden hat, förderte eine leichte depressive Episode zu Tage. Retrospektiv lassen sich der Aktenlage weitere - da rezidivierend - depressive Episoden maximal mittelschweren Grades entnehmen (vgl. Bericht der Klinik B.________ vom 27. September 2013 und Bericht der Reha C.________ vom 14. September 2015), wobei im letzteren Bericht festgehalten wird, dass die depressive Symptomatik weitgehend regredient sei. Eine höhergradige Depression wurde zu keinem Zeitpunkt, auch nicht seitens des Spitals oder der Reha C.________, diagnostiziert (vgl. z.B. Berichte vom 15. Juni 2011, 17. April 2012, 30. Dezember 2013, 4. April 2014, 7. Mai 2014, 17. Juni 2014, 26. September 2014). Im psychiatrischen Teilgutachten wird dementsprechend nachvollziehbar und schlüssig festgehalten, dass im Längsschnitt die Diagnose einer rezidivierenden Depression gemäss ICD-10 Ziff. F33 gegeben sei, die sich jeweils auf Therapie hin zurückgebildet habe. Aus den biografischen Angaben und der Sozialanamnese erhellt zudem, dass die depressive Problematik nach der Rentenaufhebung und wegen des sich ab dem Jahr 2012 verdeutlichten Konflikts in der Ehe zugenommen hat. Im Verlaufsbericht der
psychologischen/neuropsychologischen Abteilung der Reha C.________ vom 14. September 2015 findet sich detailliert beschrieben, wie die depressive Symptomatik mit der persönlichen Lebenssituation der Versicherten korreliert. So räumt auch die Versicherte in der Beschwerde selber ein, dass die von der Vorinstanz festgestellten psychosozialen Belastungsfaktoren zur psychischen Erkrankung geführt hätten.

2.3. In der Versichertengemeinschaft ubiquitär verbreitete Störungen der hier interessierenden Art (vgl. dazu grundlegend Schweizerisches Gesundheitsobservatorium/OBSAN, Depressionen in der Schweizer Bevölkerung, OBSAN-Bericht 56, Neuchâtel 2013, S. 27 ff.), d.h. solche leicht bis mittelgradiger depressiver Natur, seien sie im Auftreten rezidivierend oder episodisch, fallen einzig dann als invalidisierende Krankheiten in Betracht, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent sind (statt vieler: BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis). Nur in einer solchen - seltenen, da nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung Depressionen im Allgemeinen therapeutisch gut angehbar sind - gesetzlich verlangten Konstellation ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 7 Erwerbsunfähigkeit - 1 Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
1    Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
2    Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.11
zweiter Satz ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE 141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3 S. 295 f.).

2.4. In Anbetracht dieser Sach- und Rechtslage verletzte die Vorinstanz nicht Bundesrecht, indem sie das Vorliegen einer invalidisierenden psychischen Krankheit im hier massgebenden Zeitraum (anfangs 2011 bis Juni 2016) verneinte. Abgesehen davon, dass psychosoziale und soziokulturelle Umstände im Vordergrund stehen respektive gestanden haben, auf Grund welcher bereits zweifelhaft ist, ob hier überhaupt von einer verselbständigten psychischen Störung ausgegangen werden kann (vgl. dazu BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 f.), ist auf jeden Fall das Erfordernis der Therapieresistenz nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht geforderten Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) ausgewiesen. Dabei kann von einer widersprüchlichen und willkürlichen Würdigung der Beweiskräftigkeit des SMAB-Gutachtens nicht die Rede sein. Wie das kantonale Gericht in seiner Erwägung 4.3 richtig ausgeführt hat, darf aus rechtlichen Gründen von einer medizinischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abgewichen werden, ohne dass die ganze Beurteilung ihren Beweiswert verliert (vgl. statt vieler Urteil 9C 892/2015 vom 22. Januar 2016 E. 2).

3.
Zusammengefasst ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Die obsiegende IV-Stelle hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der GastroSocial Pensionskasse, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Februar 2017

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Der Gerichtsschreiber: Williner