Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 880/2017, 9C 925/2017

Urteil vom 6. Februar 2018

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Huber.

Verfahrensbeteiligte
9C 880/2017
A.________,
handelnd durch seine Mutter B.________,
und diese vertreten durch Rechtsanwältin Dina Raewel, Gotthardstrasse 52, 8002 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

und

9C 925/2017
Dina Raewel,
Gotthardstrasse 52, 8002 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. September 2017.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 17. Mai 2016 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich den Anspruch des A.________ (geb. 2002) auf medizinische Massnahmen (Psychotherapie, Behandlung eines Asperger-Syndroms) ab.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung (Entschädigung der Rechtsvertreterin, Rechtsanwältin Dina Raewel, mit Fr. 2'708.95) ab (Entscheid vom 7. September 2017).
A.________, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, lässt durch Rechtsanwältin Raewel Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei die IV-Stelle "zu verpflichten, sämtliche Kosten für medizinische Massnahmen (...) im Zusammenhang mit seinem Asperger-Syndrom im Sinne von Art. 13
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG vollumfänglich zu übernehmen". Rechtsanwältin Raewel beantragt, sie sei als unentgeltliche Rechtsvertreterin im vorinstanzlichen Verfahren mit Fr. 6'451.15 zu entschädigen. Ferner wird um unentgeltliche Rechtspflege im letztinstanzlichen Verfahren zugunsten des Versicherten ersucht.

Erwägungen:

1.
Rechtsanwältin Raewel hat den vorinstanzlichen Entscheid vom 7. September 2017 mit Beschwerde vom 7. Dezember 2017 ans Bundesgericht weitergezogen. Die Eingabe vom 7. Dezember 2017 ficht einerseits namens des Versicherten die vorinstanzlich bestätigte Verneinung des Anspruchs auf medizinische Massnahmen an; zum andern hat Rechtsanwältin Raewel in eigenem Namen "Kostenbeschwerde" erhoben, wozu sie legitimiert ist. In dieser Verfahrenslage besteht kein Anlass, in zwei separaten Urteilen über die beiden Streitgegenstände zu entscheiden. Vielmehr sind die unter den Prozessnummern 9C 880/2017 und 9C 925/2017 angelegten Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen.

2.
Streitig und zu prüfen ist zunächst der Anspruch des Versicherten auf medizinische Massnahmen nach Art. 13
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 13 Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen - 1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
1    Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG114).
2    Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
a  fachärztlich diagnostiziert sind;
b  die Gesundheit beeinträchtigen;
c  einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
d  eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
e  mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
3    Für medizinische Massnahmen zur Behandlung der Trisomie 21 gilt Absatz 2 Buchstabe e nicht.
IVG in Verbindung mit Ziff. 405 des Anhangs zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV-Anhang), wonach zu den Geburtsgebrechen auch Autismus-Spektrum-Störungen zählen, sofern diese bis zum vollendeten fünften Lebensjahr erkennbar waren. Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die zu diesen Gesetzes- und Verordnungsnormen ergangenen Grundsätze gemäss der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis zutreffend dargelegt, was unwidersprochen geblieben ist und worauf verwiesen wird.
Das kantonale Gericht hat die Tatfrage (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
in Verbindung mit Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
und Abs. 2 BGG), ob beim Versicherten "eine Autismus-Spektrum-Störung erkennbar war, als er im Mai 2007 sein fünftes Lebensjahr vollendet hat" unter Berücksichtigung der gegen die Ablehnungsverfügung erhobenen Einwände und unter sorgfältiger Würdigung der gesamten Aktenlage verneint. Was in der Beschwerde hiegegen vorgebracht wird, vermag die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung keinesfalls als qualifiziert unrichtig (unhaltbar oder willkürlich) erscheinen zu lassen, zumal sich die Vorbringen weitgehend mit den im kantonalen Verfahren vorgebrachten decken. Nach der verordnungsmässigen Regelung hätte bei dem im Jahre 2002 geborenen Beschwerdeführer die Symptomatik eines Asperger-Syndroms spätestens im Jahre 2007 bemerkt werden müssen, um in den Genuss von Leistungen zufolge Vorliegens eines Geburtsgebrechens zu kommen. In Anbetracht dessen, dass der Versicherte erst ab 2013 störungsspezifisch behandelt wurde - was in der Folge zur Diagnose des Asperger-Syndroms führte -, müssten angesichts des langen Zeitablaufs eindeutige Krankheitszeichen aktenmässig ausgewiesen sein, woran es fehlt. Die in der Beschwerde angerufenen
Verhaltensauffälligkeiten, wie z.B. die begrenzte Fähigkeit zu sozialen Kontakten, weisen keineswegs zwangsläufig auf ein Asperger-Syndrom hin, sondern sind auch bei andern Kindern anzutreffen. Die Beschwerde ist im materiellen Punkt offensichtlich unbegründet.

3.
Zu prüfen ist weiter, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG), wenn sie die von Rechtsanwältin Raewel eingereichte Kostennote über insgesamt Fr. 6'451.15 auf Fr. 2'708.95 kürzte. Die Frage ist ohne Weiterungen zu verneinen, dies unter Verweisung auf die einzelnen Begründungsschritte der Vorinstanz einerseits, unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Beschwerde andererseits, welche in keiner Weise Ermessensmissbrauch oder Willkür in der vorinstanzlichen Würdigung der eingereichten Kostennote erkennen lassen. In der Tat ist ein Arbeitsaufwand von 26.75 Stunden, was mehr als die Hälfte eines wöchentlichen Normalarbeitspensums ausmacht, in Anbetracht der konkreten Gegebenheiten, insbesondere des bescheidenen Umfangs des Dossiers, offensichtlich unangemessen. Die Beschwerde ist auch im Kostenpunkt unbegründet.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang kann die anbegehrte unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren nicht in Anspruch genommen werden (Art. 65 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
BGG). Umstände halber ist davon abzusehen, dem Versicherten Gerichtskosten aufzuerlegen, weshalb das Gesuch insoweit gegenstandslos ist.

5.
Das Urteil ergeht im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG mit summarischer Begründung und unter Verweisung auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 700.- werden Rechtsanwältin Dina Raewel auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Februar 2018

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Die Gerichtsschreiberin: Huber