[AZA 7]
U 126/99 Gb

IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Attinger

Urteil vom 6. Februar 2002

in Sachen

B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Hablützel, Lutherstrasse 4, 8004 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

A.- Der 1961 geborene B.________ war seit Mai 1992 bei den Bahnen X.________ als Rangierarbeiter beschäftigt, als er am 24. April 1995 einen Arbeitsunfall erlitt: Wegen der kurz bevorstehenden Entgleisung musste er von einer fahrenden Rangierkomposition springen und stürzte anschliessend auf das Gesäss. In der Folge traten Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule auf und der ab 17. Mai 1995 behandelnde Rheumatologe Dr. E.________ diagnostizierte in seinem Arztbericht vom 19. Juni 1995 ein posttraumatisches lumbospondylogenes Syndrom links bei Spondylolisthesis L5/S1 sowie Status nach einer im Jahre 1990 durchgeführten Diskushernienoperation L5/S1 links. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher B.________ obligatorisch gegen Unfälle versichert war, kam für die Heilbehandlung auf und richtete ein Taggeld auf der Grundlage einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Tätigkeitsbereich aus. Mit Verfügung vom 25. Juni 1996 und Einspracheentscheid vom 26. Juli 1996 stellte die SUVA ihre Versicherungsleistungen "per sofort" ein, weil der schicksalsmässige Verlauf der vorbestehenden Rückenproblematik auch ohne Unfall zum "heutigen" Zustand geführt hätte.

B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 24. Februar 1999 ab.

C.- B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag auf Weiterausrichtung der gesetzlichen Leistungen (namentlich Heilbehandlung und Taggelder); eventuell sei eine medizinische Begutachtung anzuordnen oder die Sache diesbezüglich an die SUVA zurückzuweisen. Überdies lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (unentgeltliche Verbeiständung) ersuchen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- a) Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Rechtsprechung zum für die Leistungspflicht des Unfallversicherers erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität; BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.

b) Wird durch einen Unfall ein krankhafter Vorzustand verschlimmert oder überhaupt erst manifest, entfällt die Leistungspflicht des Unfallversicherers erst, wenn der Unfall nicht die natürliche und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn also letzterer nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft dann zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (status quo ante), oder aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (status quo sine), erreicht ist (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b, je mit Hinweisen). Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Die blosse Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen des Unfalles genügt nicht. Da es sich hiebei um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die Beweislast - anders als bei der
Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht bei den Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2, 1994 Nr. U 206 S. 329, 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b).
c) Für die Feststellung natürlicher Kausalzusammenhänge und ihres Dahinfallens ist das Gericht im Bereich der Medizin wesensgemäss auf Angaben ärztlicher Fachpersonen angewiesen. Dabei kommt es für den Beweiswert eines Arztberichtes entscheidend darauf an, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der ärztlichen Fachperson begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis).

2.- Die Vorinstanz gelangte in einlässlicher Würdigung sämtlicher relevanten medizinischen Unterlagen zum zutreffenden Schluss, dass die bei Einstellung der Unfallversicherungsleistungen (Mitte 1996) vorhandenen, die bisherige Tätigkeit als Rangierarbeiter ausschliessenden Rückenbeschwerden nicht mehr zumindest teilweise in einen ursächlichen Zusammenhang mit der am 24. April 1995 erlittenen axialen Kontusion der Wirbelsäule gebracht werden können, sondern vielmehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschliesslich dem prekären Vorzustand zuzuschreiben sind. Diese gestützt auf die verschiedenen Arztberichte gezogene Schlussfolgerung stimmt - worauf Kreisarzt Dr. C.________ im abschliessenden Bericht vom 17. Juni 1996 hingewiesen hat - mit der unfallmedizinischen Erfahrungstatsache überein, dass eine richtungweisende, mithin dauernde, unfallbedingte Verschlimmerung einer vorbestandenen, degenerativen Erkrankung der Wirbelsäule nur als nachgewiesen gelten kann, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - eine rasche Höhenverminderung der betroffenen Bandscheibe und das Auftreten oder die Vergrösserung von Randzacken nach einem Trauma röntgenologisch erstellt sind (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 3a; nicht veröffentlichtes Urteil M.
vom 4. September 1995, U 45/95; Morscher, Schäden des Stütz- und Bewegungsapparates nach Unfällen: Wirbelsäule, in: Baur/Nigst, Versicherungsmedizin, 3. Aufl., 1985, S. 191; Bär/Kiener, Prellung, Verstauchung oder Zerrung der Wirbelsäule, in: Medizinische Mitteilungen der SUVA Nr. 67, S. 45-47).

3.- An der dargelegten Betrachtungsweise vermögen sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen nichts zu ändern.
Namentlich kann dem Beschwerdeführer insoweit nicht gefolgt werden, als er geltend macht, die "Diagnose der Spondylolyse" werde erstmals im Arztbericht des Prof. Dr. D.________, Wirbelsäulen-/Rückenmarkschirurg an der Klinik Z.________, vom 28. Dezember 1995 gestellt. Die Ärzte der Neurologisch-Neurochirurgischen Poliklinik des Spitals Y.________, wo am 27. September 1990 eine Hemilaminektomie mit Hemifazettektomie L5 links und mikrochirurgischer Diskektomie L5/S1 links durchgeführt worden war, erhoben bereits am 7. Januar 1991 den radiologischen Befund einer "bekannte(n) Dysplasie des Wirbelbogens L5 bds. sowie Anteroposition des Wirbelkörpers L5 gegenüber S1 von 8 mm". Die Bedeutung der (durch die Spondylolyse bewirkten) Spondylolisthesis L5/S1 für die postoperativen Beschwerden sei "zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher definierbar". Das Wirbelgleiten könne allenfalls chirurgisch stabilisiert werden (im Übrigen ergab das am Spital Y.________ erstellte MRI vom 24. September 1991 den Nachweis eines Hernienrezidivs L5/S1 mediolateral links sowie degenerative Veränderungen auch der übrigen lumbalen Bandplatten mit Protrusion L4/5). Auch die nach dem streitigen Unfallereignis in der Klinik Q.________ durchgeführte
Computertomographie der Lumbalwirbelsäule vom 13. Juni 1995 zeigte u.a. auf der Etage L5/S1 eine asymmetrische Spaltbildung links im dysplastischen Bogen und eine "Olisthese" (d.h. eine Spondylolisthesis) "von 1 cm"; die "Lyse" (d.h. die Spondylolyse) wurde "als sicher vorbestehend" bezeichnet. Im Rahmen sämtlicher in der Folge abgegebener medizinischen Stellungnahmen stand denn auch ausser Frage, dass bereits vor der axialen Stauchung der Wirbelsäule vom 24. April 1995 eine Spondylolyse mit Spondylolisthesis L5/S1 bestand.
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung erfüllt die erwähnte Stellungnahme des Prof. Dr. D.________ vom 28. Dezember 1995 ohne weiteres die in Erw. 1c hievor dargelegten, im Hinblick auf den Beweiswert von Arztberichten praxisgemäss erhobenen Anforderungen. Es braucht indessen nicht auf den fraglichen Bericht abgestellt zu werden, geht doch auch aus den übrigen medizinischen Unterlagen mit aller Deutlichkeit hervor, dass durch das Unfallereignis vom 24. April 1995 nicht eine gesunde Wirbelsäule gestaucht, sondern ein krankhafter Vorzustand (Ausräumung der lumbosakralen Bandscheibe im Jahre 1990, Spondylolyse mit Spondylolisthesis in diesem Bereich) traumatisiert wurde. Darüber sieht der Versicherte zu Unrecht hinweg, wenn er zur Begründung der natürlichen Kausalität auf die nicht wiedergewonnene funktionelle Leistungsfähigkeit als Rangierarbeiter verweist. Eine zusätzliche medizinische Begutachtung vermöchte für das vorliegende Verfahren keine relevanten neuen Erkenntnisse zu liefern, weshalb von den beantragten prozessualen Weiterungen abzusehen ist.
Da nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - abgesehen von hier offenkundig nicht gegebenen Ausnahmen - keine neuen Akten mehr eingebracht werden können (Art. 108 Abs. 2 OG; zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil A. vom 15. Oktober 2001, U 147/99), bleiben die nachgereichten medizinischen Unterlagen unberücksichtigt.

4.- Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung kann entsprochen werden, da die hiefür nach Gesetz (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
wird Rechtsanwalt Martin Hablützel, Zürich, für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich
Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- ausgerichtet.

IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. Februar 2002

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer:

Der Gerichtsschreiber: