Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2022.75

Beschluss vom 5. September 2022 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Miriam Forni und Felix Ulrich, Gerichtsschreiber Stephan Ebneter

Parteien

A., Beschwerdeführerin

gegen

Bundesanwaltschaft, Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Verfahrenshandlung der Bundesanwaltschaft (Art. 20 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 20 Beschwerdeinstanz - 1 Die Beschwerdeinstanz beurteilt Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und gegen nicht der Berufung unterliegende Entscheide:
i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO)

Sachverhalt:

A. Im Verfahren der Bundesanwaltschaft (nachfolgend «BA») mit dem Verfahrenszeichen SV.21.0580 betreffend Massnahme gemäss Art. 73
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 73 - 1 Erleidet jemand durch ein Verbrechen oder ein Vergehen einen Schaden, der nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, und ist anzunehmen, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird, so spricht das Gericht dem Geschädigten auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes beziehungsweise der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt worden sind, zu:
1    Erleidet jemand durch ein Verbrechen oder ein Vergehen einen Schaden, der nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, und ist anzunehmen, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird, so spricht das Gericht dem Geschädigten auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes beziehungsweise der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt worden sind, zu:
a  die vom Verurteilten bezahlte Geldstrafe oder Busse;
b  eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten;
c  Ersatzforderungen;
d  den Betrag der Friedensbürgschaft.
2    Das Gericht kann die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten jedoch nur anordnen, wenn der Geschädigte den entsprechenden Teil seiner Forderung an den Staat abtritt.
3    Die Kantone sehen für den Fall, dass die Zusprechung nicht schon im Strafurteil möglich ist, ein einfaches und rasches Verfahren vor.
StGB, sprach die BA A. mit Verfügung vom 4. Mai 2022 keine eingezogenen Vermögenswerte zu. Die BA begründete diesen Entscheid im Wesentlichen damit, dass A. keinen Antrag auf Zusprechung eingezogener Vermögenswerte gestellt habe, obschon die BA mit eingeschriebener Postsendung vom 27. Januar 2021 der B. GmbH Frist bis 22. Februar 2021 eingeräumt habe, um namens ihrer Mandantschaft, die bereits zusammen mit einer Privatklage einen Vollstreckungstitel bei der BA eingereicht habe, einen ausdrücklichen Antrag auf Zuweisung eingezogener Vermögenswerte zu stellen. Im Namen von A. sei kein Antrag auf Zusprechung eingezogener Vermögenswerte eingereicht worden. Eine Zuweisung zu Gunsten der Geschädigten setze jedoch zwingend einen entsprechenden Antrag voraus («auf dessen Verlangen»). Die gesetzlichen Voraussetzungen gemäss Art. 73 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 73 - 1 Erleidet jemand durch ein Verbrechen oder ein Vergehen einen Schaden, der nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, und ist anzunehmen, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird, so spricht das Gericht dem Geschädigten auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes beziehungsweise der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt worden sind, zu:
1    Erleidet jemand durch ein Verbrechen oder ein Vergehen einen Schaden, der nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, und ist anzunehmen, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird, so spricht das Gericht dem Geschädigten auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes beziehungsweise der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt worden sind, zu:
a  die vom Verurteilten bezahlte Geldstrafe oder Busse;
b  eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten;
c  Ersatzforderungen;
d  den Betrag der Friedensbürgschaft.
2    Das Gericht kann die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten jedoch nur anordnen, wenn der Geschädigte den entsprechenden Teil seiner Forderung an den Staat abtritt.
3    Die Kantone sehen für den Fall, dass die Zusprechung nicht schon im Strafurteil möglich ist, ein einfaches und rasches Verfahren vor.
StGB seien deshalb nicht erfüllt (act. 1.1, S. 45 f.).

B. Mit als «Widerspruch gegen den Entscheid im Verfahren SV.210580» bezeichneter Eingabe vom 13. Juni 2022 (Übergabe an die Schweizerische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland: 14. Juni 2022) gelangte A. an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Sie bringt im Wesentlichen vor, dass ihr zu keiner Zeit eine Information/schriftliche Nachricht über die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen im genannten Verfahren durch die B. GmbH bekannt noch zugänglich gemacht worden sei. Somit habe sie keinerlei berechtige Ansprüche im obigen Verfahren geltend machen können, da sich ihr das Verfahren jeglicher Kenntnis entzogen habe und sie nie persönlich informiert worden sei, dass dazu die Möglichkeit bestehe (act. 1).

C. Am 29. August 2022 ging bei der Beschwerdekammer eine Kopie zur Kenntnis eines Schreibens der BA vom 26. August 2022 betreffend das Verfahren SV.21.0580 ein (act. 3). Die Eingabe wird A. mit vorliegendem Beschluss zur Kenntnis gebracht.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO (i.V.m. Art. 20 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 20 Beschwerdeinstanz - 1 Die Beschwerdeinstanz beurteilt Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und gegen nicht der Berufung unterliegende Entscheide:
StPO und Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
StBOG) kann gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben werden. Art. 393
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO liegt – wie Art. 86
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 86 Vorinstanzen im Allgemeinen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
a  des Bundesverwaltungsgerichts;
b  des Bundesstrafgerichts;
c  der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen;
d  letzter kantonaler Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.
2    Die Kantone setzen als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen.
3    Für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter können die Kantone anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen.
BGG (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_674/2019 vom 29. Juli 2019 E. 2.2) – der Gedanke zugrunde, dass die Beschwerdekammer mit einer Angelegenheit nicht befasst werden soll, wenn die erhobenen Rügen vollumfänglich einer ihrer Vorinstanzen wirksam vorgetragen werden können. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Beschwerdegegnerin der B. GmbH Frist zur Stellung des Gesuches gesetzt hat und dass diese unbenutzt verstrichen sei. Durch ihre Erläuterungen laufen die Vorbringen der Beschwerdeführerin somit auf die Geltendmachung eines Fristwiederherstellungsgrundes hinaus. Mit einem Fristwiederherstellungsgesuch gemäss Art. 94
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 94 Wiederherstellung - 1 Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
StPO bei der Behörde, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen, können diesbezügliche Entschuldigungsgründe wirksam vorgebracht werden. Wenn wie vorliegend keine über das Thema Fristversäumnis hinausgehende Rügen betreffend die Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung erhoben werden (können), ist grundsätzlich zuerst von diesem speziellen Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, bevor der Weg an die Beschwerdekammer beschritten wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_674/2019 vom 29. Juli 2019 E. 2.2). Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten und die vorliegende Eingabe zuständigkeitshalber an die Beschwerdegegnerin – die für das fragliche Fristwiederherstellungsgesuch zuständige Behörde – weiterzuleiten.

2. Auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr ist zu verzichten (Art. 5
SR 173.713.162 Reglement des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR)
BStKR Art. 5 Berechnungsgrundlagen - Die Höhe der Gebühr richtet sich nach Bedeutung und Schwierigkeit der Sache, der Vorgehensweise der Parteien, ihrer finanziellen Situation und dem Kanzleiaufwand.
BStKR).

3. Dieser Beschluss kann gestützt auf Art. IIIA lit. a des Vertrags vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.913.61) unmittelbar durch die Post an die Beschwerdeführerin in Deutschland übersendet werden.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Eingabe vom 13. Juni 2022 wird zur Prüfung des Fristwiederherstellungsgesuchs zuständigkeitshalber an die Beschwerdegegnerin weitergeleitet.

3. Es werden keine Kosten erhoben.

Bellinzona, 5. September 2022

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- A.

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.