[AZA 7]
P 71/01 Vr

I. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Bundesrichterin
Widmer, Bundesrichter Ursprung und Kernen; Gerichtsschreiber
Condrau

Urteil vom 5. März 2002

in Sachen
L.________, 1923, Beschwerdeführer,

gegen

1. Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich,
Amtshaus Helvetiaplatz, 8004 Zürich,
2. Bezirksrat Zürich, Neue Börse, Selnaustrasse 32,
8001 Zürich, Beschwerdegegner,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

A.- Mit Verfügung vom 15. Mai 2000 sprach das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich L.________, geboren 1923, ab 1. Februar 2000 Beihilfen zur AHV zu. Das Gesuch um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen lehnte das Amt ab. Nach durchgeführter Neuberechnung wurden die Leistungen mit Wirkung ab 1. Oktober 2000 angepasst (Verfügung vom 5. Oktober 2000).
Mit Verfügung vom 12. Dezember 2000 nahm das Amt eine Neuberechnung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 vor. Ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen wurde wiederum verneint.
Der Berechnung lag ein Vermögensverzicht in der Höhe von Fr. 115'000.- zu Grunde.
Mit Eingabe vom 3. Januar 2001 erhob L.________ Einsprache beim Bezirksrat Zürich und machte im Wesentlichen geltend, es sei ihm zu Unrecht ein Vermögensverzicht von Fr. 115'000.- aufgerechnet worden. Mit Beschluss vom 3. Mai 2001 trat der Bezirksrat auf die Beschwerde des Versicherten nicht ein.

B.- Eine hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. August 2001 ab.

C.- L.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den sinngemässen Anträgen, die Verfügung betreffend Zusatzleistungen vom "3. Mai 2000" (recte 15. Mai 2000) sei wegen "mangelnder Beweislast" aufzuheben und von der Aufrechnung eines Vermögensverzichts in der Höhe von Fr. 115'000.- sei abzusehen.
Das Amt für Zusatzleistungen beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5 - 1 Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
VwVG nur insoweit eingetreten werden, als sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht auf kantonale Beihilfen bezieht (BGE 122 V 221).

2.- Der Versicherte macht geltend, die Verfügung des Amtes für Zusatzleistungen vom 15. Mai 2000 sei aufzuheben.
Demgegenüber hat die Vorinstanz festgestellt, diese Verfügung sei unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Sie hat mit zutreffender Begründung erwogen, dass der Versicherte die Einsprachefrist gegen die entsprechende Verfügung unbenutzt habe verstreichen lassen und dass es dieser versäumt habe, seine Abwesenheit während des hängigen Verfahrens den Behörden bekannt zu geben, ohne dafür zu sorgen, dass eine Nachsendung der an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz erfolge oder einen Vertreter zu beauftragen, nötigenfalls während seiner Abwesenheit für ihn zu handeln (BGE 119 V 94). Auch die Ausführungen der Vorinstanz zur Wiederherstellung der Frist sind zutreffend.
Es ist demnach festzustellen, dass die Verfügung vom 15. Mai 2000 unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist.

3.- Das vorliegende Verfahren wurde mit Einsprache des Versicherten vom 3. Januar 2001 gegen die Verfügung des Amtes für Zusatzleistungen vom 12. Dezember 2000 eröffnet.
Damit wandte sich der Versicherte gegen die Aufrechnung von Fr. 115'000.- als Vermögensverzicht.

a) Bezirksrat und Vorinstanz sind auf diese Beschwerde nicht eingetreten, da über die Frage des Vermögensverzichts mit rechtskräftiger Verfügung vom 15. Mai 2000 bereits entschieden worden sei und die Voraussetzungen weder für eine Wiedererwägung noch für eine prozessuale Revision gegeben seien.

b) Die Ergänzungsleistungen werden grundsätzlich jährlich ausgerichtet (Art. 3 Abs. 1 lit. a
SR 831.30 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG)
ELG Art. 3 Bestandteile der Ergänzungsleistungen - 1 Die Ergänzungsleistungen bestehen aus:
1    Die Ergänzungsleistungen bestehen aus:
a  der jährlichen Ergänzungsleistung;
b  der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten.
2    Die jährliche Ergänzungsleistung ist eine Geldleistung (Art. 15 ATSG4), die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten eine Sachleistung (Art. 14 ATSG).
ELG). Basis ist das Kalenderjahr (Art. 3a Abs. 2
SR 831.30 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG)
ELG Art. 3 Bestandteile der Ergänzungsleistungen - 1 Die Ergänzungsleistungen bestehen aus:
1    Die Ergänzungsleistungen bestehen aus:
a  der jährlichen Ergänzungsleistung;
b  der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten.
2    Die jährliche Ergänzungsleistung ist eine Geldleistung (Art. 15 ATSG4), die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten eine Sachleistung (Art. 14 ATSG).
ELG). Für die Bemessung der Ergänzungsleistungen ist in der Regel das während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielte Einkommen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen massgeblich (Art. 23 Abs. 1
SR 831.301 Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV)
ELV Art. 23 - 1 Zeitlich massgebend für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung sind in der Regel die während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielten anrechenbaren Einnahmen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen.
1    Zeitlich massgebend für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung sind in der Regel die während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielten anrechenbaren Einnahmen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen.
2    Bei Versicherten, deren anrechenbare Einnahmen und deren Vermögen im Sinne des ELG aufgrund einer Steuerveranlagung ermittelt werden kann, sind die kantonalen Durchführungsstellen befugt, als Berechnungsperiode die der letzten Steuerveranlagung zugrunde liegende Berechnungsperiode zu wählen, falls inzwischen keine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der versicherten Person eingetreten ist.
3    Bei der Bemessung der jährlichen Ergänzungsleistung sind die laufenden Renten, Pensionen und anderen wiederkehrenden Leistungen (Art. 11 Abs. 1 Bst. d und dbis ELG) anzurechnen.106
4    Kann die Person, die eine jährliche Ergänzungsleistung beansprucht, mit der Anmeldung glaubhaft machen, dass sie während des Zeitraumes, für welchen sie die jährliche Ergänzungsleistung begehrt, wesentlich kleinere anrechenbare Einnahmen erzielen werde als während der Berechnungsperiode nach Absatz 1 oder 2, so ist auf die mutmasslichen, auf ein Jahr umgerechneten anrechenbaren Einnahmen und auf das Vermögen im Zeitpunkt des Anspruchsbeginns abzustellen.
ELV; Carigiet, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR] Nr. 106; zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil C. vom 19. Dezember 2001, P 21/99).
In Anbetracht der formell-gesetzlichen Ausgestaltung der Ergänzungsleistung als einer auf das Kalenderjahr bezogenen Versicherung kann eine Verfügung darüber in zeitlicher Hinsicht von vornherein nur für ein Kalenderjahr Rechtsbeständigkeit entfalten (EVGE 1968 S. 132, EVGE 1969 S. 246; Ulrich Meyer-Blaser, Die Anpassung von Ergänzungsleistungen wegen Sachverhaltsänderungen in Veröffentlichungen des Schweizerischen Institutes für Verwaltungskurse, Bd. 47, S. 33). Dies bedeutet, dass die Grundlagen zur Berechnung der Ergänzungsleistungen im Rahmen der jährlichen Überprüfung ohne Bindung an die früher verwendeten Berechnungsfaktoren und unabhängig von der Möglichkeit der während der Bemessungsdauer vorgesehenen Revisionsgründe (Art. 25
SR 831.301 Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV)
ELV Art. 25 - 1 Die jährliche Ergänzungsleistung ist zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben:109
1    Die jährliche Ergänzungsleistung ist zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben:109
a  bei jeder Veränderung der der Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung zugrunde liegenden Personengemeinschaft;
b  bei jeder Änderung der Rente der Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenversicherung;
c  bei Eintritt einer voraussichtlich längere Zeit dauernden Verminderung oder Erhöhung der vom ELG anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie des Vermögens; massgebend sind die neuen, auf ein Jahr umgerechneten dauernden Ausgaben und Einnahmen und das bei Eintritt der Veränderung vorhandene Vermögen; macht die Änderung weniger als 120 Franken im Jahr aus, so kann auf eine Anpassung verzichtet werden;
d  bei der periodischen Überprüfung, wenn eine Änderung der vom ELG anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie des Vermögens festgestellt wird; macht die Änderung weniger als 120 Franken im Jahr aus, so kann auf eine Anpassung verzichtet werden.
2    Die jährliche Ergänzungsleistung ist auf folgenden Zeitpunkt neu zu verfügen:113
a  in den Fällen von Absatz 1 Buchstaben a und b bei Veränderung der Personengemeinschaft ohne Einfluss auf die Rente auf den Beginn des der Veränderung folgenden Monats; bei Änderung der Rente auf den Beginn des neuen Rentenanspruchs oder des Monats, in dem der Rentenanspruch erlischt;
b  im Fall von Absatz 1 Buchstabe c bei Erhöhung des Ausgabenüberschusses auf den Beginn des Monats, in dem die Änderung gemeldet wurde, frühestens aber des Monats, in dem diese eingetreten ist;
c  im Fall von Absatz 1 Buchstabe c bei Verminderung des Ausgabenüberschusses spätestens auf den Beginn des Monats, der auf die neue Verfügung folgt; vorbehalten bleibt die Rückforderung bei Verletzung der Meldepflicht;
d  im Fall von Absatz 1 Buchstabe d auf Beginn des Monats, in dem die Änderung gemeldet wurde, frühestens aber des Monats, in dem diese eingetreten ist, und spätestens auf den Beginn des Monats, der auf die neue Verfügung folgt. Vorbehalten bleibt die Rückforderung bei Verletzung der Meldepflicht.
3    Eine Neuberechnung der jährlichen Ergänzungsleistung wegen Vermögensverzehrs ist nur einmal jährlich möglich.117
4    Die Herabsetzung einer laufenden Ergänzungsleistung infolge der Anrechnung eines Mindesteinkommens nach den Artikeln 14a Absatz 2 und 14b wird erst sechs Monate nach Zustellung der entsprechenden Verfügung wirksam.118
ELV) von Jahr zu Jahr neu festgelegt werden können.

c) Das Amt für Zusatzleistungen hat mit seiner Verfügung vom 12. Dezember 2000 eine Neuberechnung vorgenommen und dabei den Anspruch des Versicherten auf Ergänzungsleistungen verneint. Im Rahmen dieser Neuberechnung konnte der Beschwerdeführer nach dem Gesagten geltend machen, ein Vermögensverzicht liege nicht vor, ohne sich eine gleich lautende Verfügung aus dem Vorjahr entgegenhalten lassen zu müssen.

d) Demnach sind der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich bzw. des Bezirksrates insoweit aufzuheben, als sie die Verfügung des Amtes für Zusatzleistungen vom 12. Dezember 2000, wonach dem Versicherten ab 1. Januar 2001 keine Ergänzungsleistungen zustanden, geschützt haben. Die Sache ist an das Amt für Zusatzleistungen zurückzuweisen zur Prüfung der Einwendungen gegen die Annahme eines Vermögensverzichtes.

e) Eine solche Verzichtshandlung liegt in der Regel vor, wenn die versicherte Person ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf Vermögen verzichtet hat, wenn sie einen Rechtsanspruch auf bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte hat, davon aber faktisch nicht Gebrauch macht bzw. ihre Rechte nicht durchsetzt, oder wenn sie aus von ihr zu verantwortenden Gründen von der Ausübung einer möglichen oder zumutbaren Erwerbstätigkeit absieht (BGE 121 V 205 Erw. 4a mit Hinweisen). Das Amt wird die Darstellung des Versicherten, wonach dieser sein Vermögen zur Erfüllung von Unterhaltspflichten verwendet haben will, auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu prüfen haben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, in dem Sinne gutgeheissen, dass die Entscheide des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. August 2001 und des Bezirksrats Zürich vom 3. Mai 2001 sowie die Verfügung des Amtes für Zusatzleistungen vom 12. Dezember 2000 bezüglich der bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen aufgehoben werden und die Sache an das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich zurückgewiesen wird, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre.

II.Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich auferlegt.

III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 5. März 2002

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer:

Der Gerichtsschreiber: