Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 1/2010

Urteil vom 5. Februar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Glaus,

gegen

Untersuchungsamt St. Gallen, Schützengasse 1,
9001 St. Gallen,
Kreisgericht St. Gallen, Haftrichter, Bohl 1, Postfach, 9004 St. Gallen.

Gegenstand
Anordnung von Ersatzmassnahmen für Haft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 6. November 2009 der Anklagekammer des Kantons St. Gallen.
Sachverhalt:

A.
X.________ befindet sich seit dem 16. Juli 2009 in Untersuchungshaft. Er wird verdächtigt, am Abend des 15. Juli 2009 nach dem Freundschaftsspiel FC St. Gallen - FC Liverpool auf dem Bahnhof Winkeln versucht zu haben, einen SBB-Angestellten vor einen einfahrenden Zug zu stossen sowie ihn tätlich und verbal angegangen zu haben. Am 21. September 2009 beantragte der Untersuchungsrichter des Untersuchungsamts St. Gallen eine weitere Verlängerung der Untersuchungshaft. Neu wurden X.________ auch Pfändungsbetrug, Pornografie und unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem vorgeworfen. Der Haftrichter am Kreisgericht St. Gallen verlängerte mit Entscheid vom 28. September 2009 die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr bis zum 21. Oktober 2009. Dabei erwog der Haftrichter bezüglich der Fluchtgefahr, dass es in Würdigung der gesamten Umstände gerade noch möglich sei, der Fluchtgefahr durch die Hinterlegung der Reisepapiere entgegenzuwirken. In der Folge forderte der Untersuchungsrichter X.________ mit Verfügung vom 7. Oktober 2009 auf, seinen Reisepass und zwei Identitätskarten bei der Staatsanwaltschaft zu deponieren.
X.________ reichte am 15. Oktober 2009 bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen eine "Rechtsverweigerungsbeschwerde und Beschwerde" ein mit folgenden Anträgen:
1. Der Entscheid des Haftrichters des Kreisgerichts St. Gallen vom 28. September 2009 sei aufzuheben und der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
2. Eventualiter sei festzustellen, dass keine Fluchtgefahr besteht und entsprechende Ersatzmassnahmen nicht zulässig seien, und es sei die Anordnung des Untersuchungsrichters vom 7. Oktober 2009 aufzuheben, wonach der Beschwerdeführer seine gültigen Reisepapiere bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen habe.
In der Folge hinterlegte X.________ seinen Pass, weshalb er am 21. Oktober 2009 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies mit Entscheid vom 6. November 2009 die Beschwerde ab (hinsichtlich der Verfügung des Untersuchungsrichters vom 7. Oktober 2009), soweit sie nicht gegenstandslos geworden war (hinsichtlich des Haftrichterentscheids vom 28. September 2009). Die Anklagekammer führte zusammenfassend aus, dass die angeordnete Ersatzmassnahme geeignet sei, den Zweck der Untersuchungshaft hinsichtlich der bestehenden Fluchtgefahr sicherzustellen. Als mildere Ersatzmassnahme anstelle der weiteren Untersuchungshaft erweise sie sich als rechtens.

B.
X.________ führt mit Eingabe vom 30. Dezember 2009 Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Herausgabe der hinterlegten Reisepapiere.

C.
Die kantonalen Behörden haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 100 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 100 Beschwerde gegen Entscheide - 1 Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen.
1    Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen.
2    Die Beschwerdefrist beträgt zehn Tage:
a  bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen;
b  bei Entscheiden auf den Gebieten der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der internationalen Amtshilfe in Steuersachen;
c  bei Entscheiden über die Rückgabe eines Kindes nach dem Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 198089 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts oder nach dem Übereinkommen vom 25. Oktober 198090 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung;
d  bei Entscheiden des Bundespatentgerichts über die Erteilung einer Lizenz nach Artikel 40d des Patentgesetzes vom 25. Juni 195492.
3    Die Beschwerdefrist beträgt fünf Tage:
a  bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Rahmen der Wechselbetreibung;
b  bei Entscheiden der Kantonsregierungen über Beschwerden gegen eidgenössische Abstimmungen.
4    Bei Entscheiden der Kantonsregierungen über Beschwerden gegen die Nationalratswahlen beträgt die Beschwerdefrist drei Tage.
5    Bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte beginnt die Beschwerdefrist spätestens dann zu laufen, wenn in beiden Kantonen Entscheide getroffen worden sind, gegen welche beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden kann.
6    ...93
7    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines Entscheids kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
BGG ist die Beschwerde innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen. Diese gesetzliche Frist ist nicht erstreckbar (Art. 47 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 47 Erstreckung - 1 Gesetzlich bestimmte Fristen können nicht erstreckt werden.
1    Gesetzlich bestimmte Fristen können nicht erstreckt werden.
2    Richterlich bestimmte Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gesuch vor Ablauf der Frist gestellt worden ist.
BGG).

1.1 Der angefochtene Entscheid der Anklagekammer vom 6. November 2009 ist dem Beschwerdeführer am 20. November 2009 zugestellt worden. Also begann die Frist zur Anfechtung des Entscheids am 21. November 2009 zu laufen (Art. 44 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 44 Beginn - 1 Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen.
1    Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen.
2    Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten oder der Adressatin oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt.
BGG) und am Montag, 21. Dezember 2009 endete sie (Art. 45 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 45 Ende - 1 Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag.
1    Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag.
2    Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter beziehungsweise ihre Vertreterin den Wohnsitz oder den Sitz hat.
BGG). Die vorliegende Beschwerde hat der Beschwerdeführer am 30. Dezember 2009 der Post übergeben. Er beruft sich auf den Fristenstillstand gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 46 Stillstand - 1 Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
1    Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
a  vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
2    Absatz 1 gilt nicht in Verfahren betreffend:
a  die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen;
b  die Wechselbetreibung;
c  Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c);
d  die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die internationale Amtshilfe in Steuersachen;
e  die öffentlichen Beschaffungen.18
BGG.

1.2 In Fällen der strafprozessualen Haft gilt der Fristenstillstand gemäss Art. 46 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 46 Stillstand - 1 Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
1    Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
a  vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
2    Absatz 1 gilt nicht in Verfahren betreffend:
a  die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen;
b  die Wechselbetreibung;
c  Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c);
d  die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die internationale Amtshilfe in Steuersachen;
e  die öffentlichen Beschaffungen.18
BGG nicht (BGE 133 I 270 E. 1.2 S. 273 ff.). Die vorliegend umstrittene freiheitsbeschränkende Hinterlegung von Ausweisschriften ist als mildere Ersatzmassnahme anstelle der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft verfügt worden. Das kantonale Strafprozessgesetz sieht solche freiheitsbeschränkenden Ersatzmassnahmen anstelle der strafprozessualen Haft ausdrücklich vor (vgl. Art. 138 StP). Es ist evident, dass für die Ersatzmassnahme die gleiche Fristenregelung gilt wie für die Hauptmassnahme. Folglich kommt der Fristenstillstand von Art. 46 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 46 Stillstand - 1 Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
1    Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
a  vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
2    Absatz 1 gilt nicht in Verfahren betreffend:
a  die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen;
b  die Wechselbetreibung;
c  Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c);
d  die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die internationale Amtshilfe in Steuersachen;
e  die öffentlichen Beschaffungen.18
BGG nicht zur Anwendung. Die erst am 30. Dezember 2009 der Post übergebene Beschwerde ist daher klarerweise verspätet eingereicht worden, sodass auf sie nicht einzutreten ist.

2.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG)

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Untersuchungsamt und dem Kreisgericht St. Gallen sowie der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Februar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Pfäffli