Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III
C-2490/2007 / 2491/2007 / 2492/2007
{T 0/2}

Urteil vom 5. März 2009

Besetzung
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richter Blaise Vuille, Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiberin Denise Kaufmann.

Parteien
1. A._______,
2. F._______,
3. P._______,

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person.

Sachverhalt:

A.
Bei den Beschwerdeführern 1 bis 3 handelt es sich um Geschwister. Sie sind 1980 (Beschwerdeführer 1 und 2; Zwillinge) bzw. 1981 (Beschwerdeführer 3) geboren und verfügen alle drei über die irakische Staatsbürgerschaft.

B.
Ende März 2001 stellten die Beschwerdeführer 1 bis 3 in der Schweiz ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 27. Mai 2002 lehnte das damals zuständige Bundesamt die Anträge ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an. Deren Vollzug wurde allerdings wegen Unzumutbarkeit ausgesetzt und die Beschwerdeführer 1 bis 3 wurden vorläufig aufgenommen.

C.
Am 5. Oktober 2006 erhielten die Beschwerdeführer 1 bis 3 Aufenthaltsbewilligungen im Kanton Bern, welche seither regelmässig erneuert wurden.

D.
Am 4. Dezember 2006 stellten die Beschwerdeführer 1 bis 3 mit separaten Gesuchen Antrag auf Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person. Dabei machten sie geltend, sie seien schriftenlos. Sie verfügten nicht über gültige heimatliche Reisepapiere und es sei ihnen als Angehörige der christlichen Minderheit im Irak auch von der Schweiz aus nicht zuzumuten, sich um den Erhalt solcher nationaler Reisepässe zu bemühen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Christen im Irak in allen Lebensbereichen von der muslimischen Mehrheit bedroht würden und diese Bedrohung selbst vom Personal irakischer Auslandsvertretungen ausgehen könne. Im Falle einer Kontaktnahme müssten sie mit Repressalien gegen im Irak zurückgebliebene Familienangehörige rechnen.

E.
Mit separaten Verfügungen vom 5. März 2007 lehnte es die Vorinstanz ab, Ersatzreisepapiere auszustellen. Zur Begründung wurde festgehalten, es liege im Falle der Gesuchsteller keine Schriftenlosigkeit vor. Die Beschaffung heimatlicher Reisepapiere sei möglich und könne von ihnen auch verlangt werden.

F.
Mit gemeinsamer Rechtsmitteleingabe vom 4. April 2007 beantragen die Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht, die verweigernden Verfügungen seien aufzuheben und es seien ihnen schweizerische Ersatzreisepapiere auszustellen. Zur Begründung bringen sie im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne von ihnen nicht verlangt werden, dass sie sich um Erhalt irakischer Reisepapiere bemühten. Es gelte die allgemeine Verfolgungssituation, der Christen im Irak ausgesetzt seien, zu berücksichtigen. Dessen unbesehen wären über die irakische Vertretung in der Schweiz bis auf weiteres sowieso nur Pässe alter Serien zu haben, die bald nicht mehr gültig seien.

G.
Die Vorinstanz schliesst in separaten Vernehmlassungen vom 29. Mai 2007 und 6. Juli 2007 auf Abweisung der Beschwerde.
Nach gesicherten Erkenntnissen des Amtes verfügten die irakischen Behörden über Reisepässe in einer Qualität, die allgemein anerkannt würde. Wenn solche über die Auslandvertretungen zurzeit noch nicht flächendeckend abgegeben würden, so liege das in der Verantwortung und Kompetenz des irakischen Staates und könne nicht schon zur Annahme einer Schriftenlosigkeit führen.
In der zum Verfahren des Beschwerdeführers 2 abgegebenen Vernehmlassung vom 6. Juli 2007 hält die Vorinstanz zudem fest, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass die irakischen Behörden ihren in der Schweiz wohnhaften Bürgern keine nationalen Reisepässe ausstellten, wenn sie christlichen Glaubens seien.

H.
Die Beschwerdeführer machten von dem ihnen eingeräumten Recht auf Replik keinen Gebrauch.

I.
Mit Schreiben vom 4. bzw. 5 März 2008 informierte der zuständige Instruktionsrichter die Beschwerdeführer über die Erkenntnis, dass die inzwischen neu eröffnete Botschaft Iraks in Bern Gesuche um Ausstellung nationaler Reisepässe der (allgemein anerkannten) Serie G entgegen nehme. Die Beschwerdeführer wurden eingeladen, dazu Stellung zu nehmen und allfällige Bemühungen offenzulegen.

J.
In einer Eingabe vom 25. März 2008 teilten die Beschwerdeführer mit, sie hätten sich zur irakischen Vertretung in Bern begeben, dort aber weder einen Reisepass noch das entsprechende Antragsformular erhalten. Es sei nicht einmal möglich gewesen, eine schriftliche Bestätigung für diese erfolglosen Bemühungen zu erhalten.

K.
Mit einer weiteren Eingabe vom 21. November 2008 reichten die Beschwerdeführer unaufgefordert ein Dokument zu den Akten, aus dem sich ergebe, dass die irakische Botschaft in Bern bis jetzt noch keine nationalen Reisepässe abgegeben habe.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Aufgrund des engen persönlichen und sachlichen Zusammenhangs werden die Verfahren der Beschwerdeführer 1 bis 3 (C-2490/2007, C-2491/2007 und C-2492/2007) vereinigt.

2.
2.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht (unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des BFM gestützt auf die Verordnung vom 27. Oktober 2004 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5). Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

2.2 Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

2.3 Die Beschwerdeführer sind zur Beschwerde legitimiert; auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 48 ff . VwVG).

3.
3.1 Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person haben nach dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40) als staatenlos anerkannte ausländische Personen sowie schriftenlose ausländische Personen mit Niederlassungsbewilligung (vgl. Art. 4 Abs. 1 RDV). Sofern sie als schriftenlos gelten, kann ein solcher Pass auch an ausländische Personen mit Jahresaufenthaltsbewilligung abgegeben werden (vgl. Art. 4 Abs. 2 RDV).

3.2 Als schriftenlos gilt eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt und von der nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht (Art. 7 Abs. 1 Bst. a RDV), oder für welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (Art. 7 Abs. 1 Bst. b RDV).

4.
4.1 Wie sich aus vorstehender Prozessgeschichte ergibt, halten die Beschwerdeführer in der Zwischenzeit nicht mehr an ihrem ursprünglichen Einwand fest, wonach von ihnen gar nicht erwartet werden könne, dass sie sich mit der heimatlichen Vertretung in der Schweiz in Verbindung setzten, um über diese Stelle nationale Reisepässe erhältlich machen zu können. Dies völlig zu Recht, denn die Tatsache allein, dass sie seinerzeit wegen Unzumutbarkeit eines Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen worden waren, rechtfertigt nicht schon eine Dispensierung analog zu den in Art. 7 Abs. 2 RDV aufgezählten Konstellationen. Die geltend gemachte Gefahr, dass durch eine solche Kontaktnahme Angehörige im Heimatland in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht würden, lässt sich weder generell noch im Einzelfall bestätigen.

4.2 Die Beschwerdeführer berufen sich auf die fehlende Möglichkeit, über die irakische Vertretung in der Schweiz nationale Reisepässe anerkannter Qualität beschaffen zu können. Sie begründen dies damit, dass bis dato von der irakischen Vertretung in Bern noch keine Reisepässe der allgemein anerkannten neuen Serien ausgestellt worden seien.
4.2.1 Dass irakischen Staatsbürgern christlichen Glaubens generell keine Reisepässe ausgestellt würden, ist weder gerichtsnotorisch noch lässt sich solches aus den Vorbringen und Belegen der Beschwerdeführer schlüssig ableiten.
4.2.2 Gestützt auf mit der irakischen Vertretung in der Schweiz informell geführte Kontakte ist der Vorinstanz schon seit längerem bekannt, dass diese Auslandvertretung Gesuche hier ansässiger irakischer Staatsbürger entgegen nimmt und an die zuständigen nationalen Instanzen im Irak weiterleitet. Dessen unbesehen kann offenbar immer wieder beobachtet werden, dass irakische Staatsbürger von der Schweiz aus Reisepässe der allgemein anerkannten Serien erhältlich machen können. Das Gegenteil ist mit dem von den Beschwerdeführern am 21. November 2008 (in Form einer unvollständigen Kopie) eingereichten Dokument nicht zu beweisen. Vielmehr bestätigt die irakische Botschaft in Bern damit, dass eine bestimmte Person zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt ein Gesuch zur Ausstellung eines nationalen Reisepasses der Serie G gestellt habe und sich gedulden müsse, weil die zuständigen Ämter in Bagdad momentan mit Anträgen im Zusammenhang mit geplanten Pilgerreisen nach Saudi Arabien beschäftigt seien. Das (undatierte) Dokument bestätigt demnach lediglich einen vorübergehenden Engpass der irakischen Passbehörden. Eine Unmöglichkeit kann daraus weder generell noch im Falle der Beschwerdeführer im Speziellen abgeleitet werden. Es lässt sich aus der Bestätigung entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer auch nicht schliessen, dass über die irakische Vertretung in Bern bisher überhaupt noch nie hätten Reisepässe erhältlich gemacht werden können.

4.3 Als unmöglich im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Bst. b RDV gilt die Beschaffung eines Reisepasses ohnehin grundsätzlich nur dann, wenn sich der ausländische Staatsangehörige bei den Behörden seines Heimatstaates um einen Reisepass bemüht, diese die Ausstellung aber ohne zureichende Gründe verweigern. Aus der völkerrechtlich verankerten Passhoheit jedes Staates über seine Staatsangehörigen, in welche die schweizerischen Behörden nicht leichtfertig eingreifen dürfen, folgt einerseits, dass an die Ernsthaftigkeit der Bemühungen des Ausländers strenge Anforderungen zu stellen sind, und andererseits, dass dem Heimatstaat bei der Ausübung seiner Passhoheit ein erheblicher Gestaltungsspielraum zusteht, der respektiert werden muss. Technisch oder organisatorisch bedingte Verzögerungen bei der Passausstellung sind jedenfalls regelmässig nicht geeignet, die Unmöglichkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Bst. b RDV und damit die Schriftenlosigkeit des ausländischen Staatsangehörigen zu begründen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-4253/2007 vom 19. November 2007 E. 4.1).

4.4 Es kann nach dem bisher Gesagten nicht davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführer hätten sich bisher ernsthaft um Ausstellung nationaler Reisepässe bemüht und deren Beschaffung sei unmöglich. Damit fehlt es aber an zwingenden Voraussetzungen (Art. 7 Abs. 1 Bst. a und b RDV) zur Ausstellung eines schweizerischen Ersatzpapiers.

5.
Aus den voranstehenden Ausführungen folgt, dass die Vorinstanz die Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person zu Recht verweigert hat. Sie hat damit kein Bundesrecht verletzt. Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde richtig und vollständig festgestellt. Ferner hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäss und zutreffend ausgeübt (Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

6.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die unterliegenden Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 900.- festzusetzen (Art. 1, Art. 2 und Art. 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]) und von den geleisteten Kostenvorschüssen von insgesamt Fr. 1'800.- in Abzug zu bringen. Der Restbetrag von Fr. 900.- (je Fr. 300.-) ist den Beschwerdeführern zurückzuerstatten.
(Dispositiv S. 8)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerdeverfahren unter den Referenzen C-2490/2007, C-2491/2007 und C-2492/2007 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 900.- werden den Beschwerdeführern 1 bis 3 auferlegt. Sie werden von den geleisteten Kostenvorschüssen im Betrag von insgesamt Fr. 1'800.- in Abzug gebracht. Der Restbetrag von Fr. 900.-- wird den Beschwerdeführern anteilsmässig (je Fr. 300.-) zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführer 1 bis 3 (Einschreiben; 3 Expl., Beilage: 3 Formulare Zahlungsadresse)
die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. [...] retour)
den Migrationsdienst des Kantons Bern.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

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