Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RP.2016.19

Zwischenentscheid vom 4. Mai 2016 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Andreas J. Keller, Instruktionsrichter, Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A., vertreten durch die Rechtsanwälte Davide Corti und Andrea Simoni,

Gesuchsteller

gegen

Bundesanwaltschaft,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Vorsorgliche Massnahmen (Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
VwVG) und aufschiebende Wirkung (Art. 80l
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 80l Aufschiebende Wirkung - 1 Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
1    Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
2    Jede der Schlussverfügung vorangehende Zwischenverfügung ist sofort vollstreckbar.
3    Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts kann der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nach Absatz 2 die aufschiebende Wirkung erteilen, wenn der Berechtigte einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Artikel 80e Absatz 2 glaubhaft macht.139
IRSG)

Der Instruktionsrichter hält fest, dass:

- die Bundesanwaltschaft unter der Verfahrensnummer SV.15.0775 u. a. gegen A. eine Strafuntersuchung führt wegen des Verdachts der Bestechung, der Falschbeurkundung und der qualifizierten Geldwäscherei (vgl. RR.2016.77, act. 1.5);

- sie im Rahmen dieser Untersuchung die brasilianischen Strafverfolgungsbehörden am 16. Juli 2015 um Rechtshilfe ersuchte;

- sie dieses Ersuchen am 29. Februar 2016 ergänzte (vgl. RR.2016.77, act. 1.2, Ziff. 2);

- im Rahmen der rechtshilfeweise beantragten Untersuchungsmassnahmen auch die rechtshilfeweise Befragung von A. vorgesehen ist (vgl. RR.2016.77, act. 1.2, Ziff. 4);

- der in der Schweiz domizilierte Vertreter von A. mit Schreiben vom 8. April 2016 über das eingangs erwähnte Verfahren und die beantragten Schritte informiert wurde (vgl. RR.2016.77, act. 1.2);

- A. diesbezüglich mit Beschwerde vom 3. Mai 2016 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Aufhebung der Rechtshilfeersuchen an Brasilien verlangt (act. 1);

- er gleichzeitig die aufschiebende Wirkung bzw. den Erlass vorsorglicher Massnahmen beantragt, mit welchen sämtliche in Brasilien anberaumten rechtshilfeweise Einvernahmen abgesagt werden sollen (act. 1).

Der Instruktionsrichter zieht in Erwägung, dass:

- auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten die Bestimmungen des VwVG anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 39 Grundsatz - 1 Das Verfahren vor den Kammern des Bundesstrafgerichts richtet sich nach der StPO25 und nach diesem Gesetz.
1    Das Verfahren vor den Kammern des Bundesstrafgerichts richtet sich nach der StPO25 und nach diesem Gesetz.
2    Ausgenommen sind Fälle nach:
a  den Artikeln 35 Absatz 2 und 37 Absatz 2 Buchstabe b; auf sie ist das Bundesgesetz vom 22. März 197426 über das Verwaltungsstrafrecht anwendbar;
b  Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a; auf sie sind das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196827 sowie die Bestimmungen der einschlägigen Rechtshilfeerlasse anwendbar;
c  Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe c; auf sie sind das Bundespersonalgesetz vom 24. März 200028 und das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 anwendbar;
d  Artikel 37 Absatz 2 Buchstaben e-g; auf sie ist das Verwaltungsverfahrensgesetz anwendbar.29
i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (Art. 12 Abs. 1
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 12 Im Allgemeinen - 1 Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht.
1    Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht.
2    Die kantonalen und eidgenössischen Bestimmungen über den Stillstand von Fristen gelten nicht.44
IRSG);

- nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt, von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung haben (Art. 80l Abs. 1
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 80l Aufschiebende Wirkung - 1 Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
1    Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
2    Jede der Schlussverfügung vorangehende Zwischenverfügung ist sofort vollstreckbar.
3    Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts kann der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nach Absatz 2 die aufschiebende Wirkung erteilen, wenn der Berechtigte einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Artikel 80e Absatz 2 glaubhaft macht.139
IRSG);

- die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter nach Einreichung der Beschwerde von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen kann, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen (Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
VwVG);

- der Gesuchsteller im Rahmen seiner Beschwerde ausführt, die Ausführung der von der Gesuchsgegnerin rechtshilfeweise beantragten Untersuchungsmassnahmen seien als eine Form der «entraide déguisée» bzw. der «entraide sauvage» zu betrachten (dies u. a. mit Hinweis auf den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.236 vom 20. Januar 2016);

- im angeführten Entscheid lediglich die im konkreten Fall mit einem aktiven Rechtshilfeersuchen erfolgte Herausgabe von den Geheimbereich betreffenden Beweismitteln als eine Form der verpönten «entraide sauvage» taxiert worden ist (vgl. dort E. 5.5);

- sich die für die diesbezügliche Beschwerdelegitimation erforderliche persönliche und direkte Betroffenheit aus der Übermittlung von Unterlagen aus dem Geheimbereich der betroffenen Person ergibt und sich nicht nach der von der Gesuchsgegnerin rechtshilfeweise verlangten Einvernahme richtet (vgl. hierzu den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.236 vom 20. Januar 2016, E. 5.5);

- vorliegend weder vom Gesuchsteller geltend gemacht noch aus den Akten ersichtlich wird, dass mit den angefochtenen Rechtshilfeersuchen Unterlagen aus dem Geheimbereich des Gesuchstellers an die brasilianischen Behörden übermittelt werden bzw. worden sind;

- sich diesbezüglich daher weder die Gewährung der aufschiebenden Wirkung noch der Erlass vorsorglicher Massnahmen aufdrängt;

- selbst im Falle einer bereits erfolgten Übermittlung von Unterlagen dieser Art eine nachträgliche Heilung von hierzulande allenfalls erfolgten Verfahrensfehlern möglich ist (vgl. hierzu den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.236 vom 20. Januar 2016, E. 6.3);

- weiter nicht ersichtlich wird, wie auf Seiten des Gesuchstellers bei Durchführung der rechtshilfeweise beantragten Einvernahmen selbst bei einer Aufhebung der angefochtenen Rechtshilfeersuchen mit Entscheid in der Hauptsache ein nicht wieder gutzumachender Nachteil eintreten sollte;

- das Gesuch nach dem Gesagten abzuweisen ist;

- die Kosten dieses Entscheides bei der Hauptsache verbleiben;

und verfügt:

1. Das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung bzw. um Erlass von vorsorglichen Massnahmen wird abgewiesen.

2. Die Kosten des vorliegenden Entscheides verbleiben bei der Hauptsache.

Bellinzona, 4. Mai 2016

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Instruktionsrichter: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwälte Davide Corti und Andrea Simoni (vorab per Telefax)

- Bundesanwaltschaft (vorab per Telefax)

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe (vorab per Telefax)

Rechtsmittelbelehrung

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar (Art. 93 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
Satz 1 BGG).