Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C 282/2008

Urteil vom 2. Juni 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Hirschengraben 19, 6003 Luzern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 28. März 2008.

Sachverhalt:
Mit Entscheid vom 28. März 2008 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, welches S.________ in einer Beschwerde betreffend Leistungen der Invalidenversicherung gestellt hat, mangels Bedürftigkeit der Gesuchstellerin ab; zugleich verlangte es von der Beschwerdeführerin die Bezahlung eines Gerichtskostenvorschusses von Fr. 800.-, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werde.
S.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 28. März 2008 sei aufzuheben und es sei die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Verfahren zu bewilligen. Weiter wird darum ersucht, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei die unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren zu gewähren.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen Zwischenentscheid ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig, zumal die Vorinstanz nicht nur die unentgeltliche Rechtspflege verweigert, sondern zugleich auch die Anhandnahme des Rechtsmittels von der Bezahlung eines Kostenvorschusses durch die gesuchstellende Partei abhängig gemacht hat (Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG; Urteil 9C 881/2007 vom 22. Februar 2008, E. 1 mit Hinweisen). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

2.
Zu prüfen ist im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG) und aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde, ob der angefochtene Entscheid vor Bundesrecht standhält. Eine Verletzung von Grundrechten, kantonalem oder interkantonalem Recht wird weder gerügt noch begründet (Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG).

3.
Die Gesetzesbestimmung (Art. 61 lit. f
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG) und die Rechtsprechung zum Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verfahren sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Dies betrifft insbesondere auch die Anspruchsvoraussetzung der prozessualen Bedürftigkeit. Darauf wird verwiesen.

4.
Streitig und zu prüfen ist aufgrund des vorinstanzlichen Entscheides und der Vorbringen in der Beschwerde, ob das kantonale Gericht bei der Prüfung der Bedürftigkeit den sog. Notgroschen zu tief angesetzt hat.

4.1 Das kantonale Gericht hat den als Notgroschen zu betrachtenden Anteil des ausgewiesenen, in Kontoguthaben bestehenden Vermögens von gesamthaft Fr. 18'580.05 auf Fr. 10'000.- festgesetzt. Damit stehe der Differenzbetrag von Fr. 8580.05 für die Deckung der gegebenenfalls anfallenden Prozesskosten zur Verfügung.

4.2 Bei der Bestimmung des Notgroschens, welcher der gesuchstellenden Person belassen werden soll, sind die gesamten persönlichen und finanziellen Verhältnisse zu berücksichtigen. Gesichtspunkte, welche die Lebenssituation als besonders schwierig erscheinen lassen, können einen höheren Betrag rechtfertigen. Anderseits lässt eine einigermassen gesichert erscheinende Ausgangslage zu, die erforderliche Reserve für aussergewöhnliche Ausgaben niedriger anzusetzen.
Das kantonale Gericht hat zutreffend erwogen, dass es sich bei der Gesuchstellerin und ihrem Ehemann um ein mit 38 und 39 Jahren noch recht junges Paar handelt, welches durch den Mann über ein stabiles Berufseinkommen verfügt. Dieses genügt mit monatlich netto rund Fr. 5800.- zur Deckung des in etwa gleicher Höhe anzusetzenden zivilprozessualen Notbedarfs. Das vorhandene Vermögen muss somit zur Deckung der gewöhnlichen Lebenshaltungskosten nicht angezehrt werden. Zudem besteht, wie die Vorinstanz anführt, ein Vorsorgeschutz im Rahmen der zweiten Säule. Mit dem kantonalen Gericht ist in Anbetracht dieser Gesichtspunkte die ökonomische und soziale Situation der Gesuchstellerin nicht als so prekär zu betrachten, dass der ihr zu belassende Notgroschen in der Höhe der Kontoguthaben anzusetzen wäre. Dies gilt erst recht, wenn berücksichtigt wird, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann über zwei Autos verfügen. Von diesen, mit Wechselnummer betriebenen Fahrzeugen könnte höchstens eines Kompetenzcharakter aufweisen, indem es gegebenenfalls vom Ehemann für den Arbeitsweg benötigt wird. Dabei ist noch offen, ob dieser Weg nicht auch mit dem öffentlichen Verkehr zurückgelegt werden könnte. Jedenfalls ist der Beschwerdeführerin und ihrem
Ehemann zumutbar, zumindest das noch höherwertige der beiden Autos zu veräussern, womit das verfügbare Vermögen noch ansteigt.

4.3 Die Vorbringen in der Beschwerde rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Der allgemeine Hinweis auf bei einer vierköpfigen Familie zu erwartende Kosten für ärztliche Behandlungen und dergleichen genügt hiefür ebenso wenig wie die aufgelegte Abrechnung des Krankenversicherers über Selbstbehalte von insgesamt knapp Fr. 90.-. Und eine kantonale Praxis, wonach bei vergleichbaren Verhältnissen höhere Notgroschen angerechnet würden, ist nicht belegt. An konkret zu erwartenden Unkosten ist sodann lediglich eine zahnärztliche Schätzung ausgewiesen, wonach eine empfohlene Behandlung gut Fr. 1100.- kosten werde. Dies gestattet nicht, den angefochtenen Entscheid als rechtsfehlerhaft zu betrachten. Soweit geltend gemacht wird, die Beschwerdeführerin habe bei einem Unterliegen im kantonalen Verfahren Prozesskosten von rund Fr. 5000.- zu tragen, gilt dasselbe.

5.
Das Gesuch, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, ist mit dem vorliegenden Urteil hinfällig.

6.
Die gegebenen Umstände rechtfertigen, ausnahmsweise keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren ist mangels Bedürftigkeit, welche aus den bereits erwähnten Gründen zu verneinen ist, abzuweisen (Art. 64
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juni 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz