Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III

C-3401/2012

Urteil vom2. Juli 2014

Richter Andreas Trommer (Vorsitz),

Besetzung Richterin Ruth Beutler, Richter Antonio Imoberdorf,

Gerichtsschreiber Julius Longauer.

A._______,

Parteien Beschwerdeführerin,

vertreten durch Claude Hentz, Rechtsanwalt,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass die romastämmige Beschwerdeführerin (geb. 1975), die das serbische Staatsbürgerrecht besitzt und in Österreich aufenthaltsberechtigt ist, am 24. Mai 2012 im Kanton Zug wegen des Verdachts strafbarer Handlungen festgenommen wurde,

dass gemäss Polizeirapport gleichen Datums die Beschwerdeführerin an diesem Tag von einer Fahndungspatrouille beobachtet wurde, wie sie in der Stadt Zug auf der Strasse diverse Personen ansprach und schliesslich eine 79-jährige Frau in ein längeres Gespräch verwickelte,

dass die beiden Frauen sich anschliessend in eine Nachbargemeinde begaben, wo die ältere Frau eine Bank aufsuchte, während die Beschwerdeführerin in unmittelbarer Nähe wartete,

dass die ältere Frau in der Bank von einem Zivilfahnder angesprochen wurde, und sie diesem mitteilte, die Beschwerdeführerin habe sie in der Stadt Zug wegen Lebenskrisen dringend um einen hohen Geldbetrag gebeten,

dass sie der Beschwerdeführerin 100 Franken gegeben habe, womit diese jedoch nicht zufrieden gewesen sei und weitere 1'000 Franken verlangt habe, die sie gerade bei ihrer Bank habe abheben wollen,

dass der Zivilfahnder mit der älteren Frau vereinbarte, der Beschwerdeführerin lediglich 500 Franken in markierten Geldscheinen auszuhändigen,

dass dieser Plan unmittelbar nach der Besprechung ausgeführt und die Beschwerdeführerin nach der Bargeldübergabe durch die Fahnder der Zuger Polizei kontrolliert und verhaftet wurde,

dass die Beschwerdeführerin mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 25. Mai 2012 wegen rechtswidriger Bettelei zu einer Busse von 300 Franken verurteilt wurde,

dass dieser Sachverhalt die Vorinstanz veranlasste, gegen die Beschwerdeführerin am 25. Mai 2012 ein Einreiseverbot von drei Jahren Dauer zu verhängen und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu entziehen,

dass die Beschwerdeführerin gegen die Verfügung der Vorinstanz am 25. Juni 2012 Rechtsmittel einlegte und für das Rechtsmittelverfahren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchte,

dass die Verfahrensanträge mit Zwischenverfügung vom 13. Juli 2012 abgewiesen wurden,

dass das Bundesverwaltungsgericht des Weiteren am 20. Juli 2012 die Akten eines durch das Untersuchungsamt St. Gallen gegen die Beschwerdeführerin geführten Strafverfahrens beizog,

dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 27. August 2012 auf eine inhaltliche Stellungnahme verzichtete und die Abweisung der Beschwerde beantragt,

dass der Beschwerdeführerin am 26. Oktober 2012 auf entsprechendes Gesuch hin Einsicht in die Akten des Untersuchungsamts St. Gallen gewährt und ihr Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, wovon sie aber keinen Gebrauch machte,

und zieht in Erwägung,

dass Einreiseverbote des BFM der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (Art. 31 , 32 und 33 Bst. d des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]),

dass sich das Verfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) richtet, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG),

dass die Beschwerdeführerin zur Beschwerde legitimiert und auf ihr frist- und formgerecht eingereichtes Rechtsmittel einzutreten ist (Art. 49 ff . VwVG),

dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden kann (Art. 49 VwVG),

dass das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und die Beschwerde aus anderen als von den Parteien bzw. der Vorinstanz genannten Gründen gutheissen oder abweisen kann (vgl. BVGE 2009/61 E. 6.1 mit Hinweisen),

dass der Vorinstanz entgegen der offensichtlich unbegründeten Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch des Grundsatzes der Unschuldsvermutung vorgehalten werden kann, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Zwischenverfügung vom 13. Juli 2012 festhielt,

dass eine ausländische Person, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat oder diese gefährdet, mit einem Einreiseverbot belegt werden kann (Art. 67 Abs. 2 Bst. a des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 [AuG, SR 142.20]),

dass gemäss Art. 80 Abs. 1 Bst. a
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung insbesondere bei einer Missachtung gesetzlicher Vorschriften gegeben ist,

dass nach Art. 80 Abs. 2
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VZAE eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt der ausländischen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen wird,

dass ein Einreiseverbot für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verhängt wird, es sei denn, von der ausländischen Person gehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus (Art. 67 Abs. 3
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG),

dass es die Beschwerdeführerin gemäss den Akten über Jahre hinweg immer wieder verstanden hat, die Hilfsbereitschaft und Leichtgläubigkeit von Personen auszunutzen und sie durch erfundene Notlagen zu bewegen, ihr teilweise grosse Bargeldbeträge zu überlassen,

dass ein solcher Vorfall, der sich am 24. Mai 2012 im Kanton Zug zutrug und in der Prozessgeschichte beschrieben wird, unmittelbaren Anlass für den Erlass der angefochtenen Verfügung bildete,

dass sich weitere gleich- bzw. ähnlich gelagerte Fälle im November 2011 in der Stadt St. Gallen (Schadenssumme Fr. 46'300.-), im Juli 2008 im Kanton Basel-Landschaft (Schadenssumme 40'200.-) und im Juli 2004 in Winterthur (Schadenssumme Fr. 40'100.-) ereigneten,

dass die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts ähnlicher Machenschaften und sonstiger Vermögensdelikte wiederholt kurzzeitig festgenommen bzw. erkennungsdienstlich behandelt wurde (2002 und 2003 im Kanton Zürich, 2004 und 2005 im Kanton Bern, 2008 im Kanton Basel-Stadt),

dass schliesslich gegen sie bereits im Jahr 1994 ein zweijähriges Einreiseverbot verhängt worden war, weil sie Personen aus der Hand gelesen, ihnen unmittelbar bevorstehende Unglücksfälle vorhergesagt und sich gegen Bezahlung anerboten hatte, diese durch übernatürliche Kräfte abzuwenden,

dass zudem diverse Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beschwerdeführerin nicht als Einzelperson, sondern im Rahmen einer Organisation handelte, die mit gleichen bzw. ähnlichen Vorgehensweisen systematisch in mehreren Ländern aktiv ist,

dass unter den gegebenen Umständen unabhängig von der Frage der Strafbarkeit festzuhalten ist, dass von der Beschwerdeführerin eine erhebliche Gefahr für Rechtsgüter Dritter ausgeht, der Fernhaltegrund von Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG mithin gegeben ist,

dass aus den genannten Gründen ein beträchtliches öffentliches Interesse an der Fernhaltung der Beschwerdeführerin besteht, dem keine relevanten privaten Interessen entgegengehalten werden,

dass namentlich nicht ersichtlich ist, warum das nicht im Schengener Informationssystem ausgeschriebene Einreiseverbot Reisen der Beschwerdeführerin in andere Schengen-Staaten beeinträchtigen sollte,

dass sich daher das gegen die Beschwerdeführerin verhängte Einreiseverbot von drei Jahren Dauer als verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erweist,

dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden und die Beschwerde demzufolge abzuweisen ist,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VwVG),

dass dieses Urteil endgültig ist (Art. 83 Bst. c Ziff. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
des Bundesgerichts-gesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 1'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.

3.
Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführerin (...)

- die Vorinstanz (...)

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Andreas Trommer Julius Longauer

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