Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung IV
D-4404/2006
spn/sts/dcl
{T 0/2}

Urteil vom 2. Mai 2008

Besetzung
Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz), Richterin Claudia Cotting-Schalch (Abteilungspräsidentin),
Richter Bendicht Tellenbach (Kammerpräsident),
Richter Bruno Huber, Richter Thomas Wespi,
Gerichtsschreiberin Sara Steiner.

Parteien
A._______, geboren _______, Irak, wohnhaft _______,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 2. November 2005 / N _______.

Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge im Oktober 2003 und gelangte nach einem zweimonatigen Aufenthalt in Syrien über Frankreich am 24. Dezember 2003 illegal in die Schweiz, wo er am 29. Dezember 2003 um Asyl ersuchte. Am 6. Januar 2004 wurde der Beschwerdeführer in der Empfangsstelle Z._______ (neu: Empfangs- und Verfahrenszentrum Z._______) summarisch zu seinen Asylgründen befragt. In der Folge wurde er für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton Y._______ zugewiesen. Die zuständige kantonale Behörde hörte ihn am 16. Februar 2004 zu seinen Asylgründen an.
B.
Zur Begründung seines Asylgesuches machte der Beschwerdeführer - arabischer Volks- und sunnitischer Glaubenzugehörigkeit vom Stamm der Al-Ubaidi - geltend, bis zum Einmarsch der amerikanischen Truppen im März 2003 mit seiner Familie in Bagdad gelebt zu haben. Wie viele Sunniten seien sowohl sein Vater als auch sein Bruder und er selbst zu Zeiten des Regimes von Saddam Hussein Mitglieder der Hizb al-Ba'th al-'Arabi al-Ishtiraki (Baath-Partei) gewesen. Er selbst und sein Bruder hätten diese Mitgliedschaft nicht aktiv ausgeübt, sondern sie seien in die Partei eingetreten, um ein Studium absolvieren zu können. Sein Vater hingegen sei als aktives Baath-Mitglied in ihrem Wohnquartier als Kommissionschef tätig und allgemein bekannt gewesen. Seine Hauptaufgabe habe darin bestanden, Quartierbewohnern bei Problemen zur Seite zu stehen. Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im März 2003 habe sich die Familie aufgrund der exponierten Tätigkeit des Vaters für dieses Regime nicht mehr sicher gefühlt. Zunächst habe sich daher der Vater und kurze Zeit später sein Bruder sicherheitshalber nach Bakuba begeben, da dort viele Stammesangehörige der Al-Ubaidi wohnhaft seien. Der Beschwerdeführer sei vorerst in Bagdad geblieben, um den Besitz der Familie zu sichern. Während dieser Zeit, von Juni bis August 2003, sei er mehrfach von Schiiten aufgesucht worden, die sich nach dem Aufenthaltsort des Vaters erkundigt hätten. In diesem Zusammenhang habe man ihm gedroht, man werde ihn anstelle des Vaters töten, sofern er dessen Aufenthaltsort nicht bekannt gebe. Darüber hinaus sei er ab Juni 2003 durch einen ihm namentlich bekannten Mittelsmann, B._______, von islamistischen Gruppierungen kontaktiert worden; man habe ihn zu überzeugen versucht, sich gegen Bezahlung an Sabotageakten gegen die amerikanischen Besatzer zu beteiligen. Dies habe er jedoch abgelehnt. Da sich die Lage immer weiter verschlechtert und sich die Familie zunehmend bedroht gefühlt habe, sei der Beschwerdeführer zusammen mit der Mutter und den beiden Schwestern im Oktober 2003 nach Syrien ausgereist. Seine Schwestern und die Mutter seien zunächst in Syrien geblieben. Er selbst sei von Damaskus mit einem gefälschten Pass nach Paris geflogen, von wo er sich direkt in die Schweiz begeben habe. Für den weiteren Inhalt der Aussagen wird auf die Akten verwiesen.
C.
Am 8. Januar 2004 wurde der Beschwerdeführer einer LINGUA-Analyse unterzogen. Im Analyseergebnis vom 12. Januar 2004 wurde die Herkunft des Beschwerdeführers aus der Region Bagdad zweifelsfrei bestätigt.
D.
Am 30. August 2005 teilte der Beschwerdeführer mit, dass sein Bruder C._______ Ende Juli 2005 ermordet worden sei. Vor der Ermordung sei dieser sowohl von US-Sicherheitskräften als auch von Milizen im Auftrag der irakischen Polizei verhört worden. Anlässlich dieser Verhöre habe man dem Bruder gegenüber mehrfach die Vermutung geäussert, dass der Beschwerdeführer sich im benachbarten Ausland befinde und die Gegner der US-Besatzung finanziell unterstütze. Man habe ihn aufgefordert, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers preiszugeben, was der Bruder jedoch verweigert habe. Die Täterschaft sei weiterhin unbekannt, und es werde von den Polizeibehörden auch nicht ermittelt. Zu vermuten sei, dass schiitische Milizen für die Ermordung seines Bruders verantwortlich seien. Zur Untermauerung dieses Ereignisses reichte der Beschwerdeführer eine CD-Rom mit Bildern des verstorbenen Bruders, eine Totenbescheinigung, die Kopie von dessen Identitätskarte sowie eine Kopie von dessen Nationalitätenausweis zu den Akten.
E.
Mit Verfügung vom 2. November 2005 - eröffnet am 8. November 2005 - verneinte das BFM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte die Vorinstanz die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz, und ordnete wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges die vorläufige Aufnahme an.
F.
Gegen diese Verfügungen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Mit Eingabe vom 7. Dezember 2005 (Datum des Poststempels) ersuchte der Beschwerdeführer bei der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK), die angefochtene Verfügung sei in den Ziffern 1-3 und 6 aufzuheben, und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht. Auf die Beschwerdebegründung im Einzelnen wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen Bezug genommen.
G.
Am 9. Dezember 2005 wurde eine Fürsorgebestätigung des kanto-nalen Sozialdienstens Y._______ gleichen Datums zu den Akten gereicht.
H.
Mit Verfügung vom 14. Dezember 2005 verzichtete die damals zuständige Instruktionsrichterin auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und verwies den Entscheid über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf einen späteren Zeitpunkt.
I.
Mit Vernehmlassung vom 23. Dezember 2005 hielt die Vorinstanz unter Berücksichtigung der Beschwerdevorbringen an den Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
J.
Der Beschwerdeführer nahm mit Eingabe vom 18. Januar 2006 zur vorinstanzlichen Vernehmlassung Stellung. In Kopie wurde ein den Gesundheitszustand des Vaters betreffender Bericht von Dr. D._______, ausgestellt am 19. Dezember 2005, zu den Akten gereicht. Am 24. Januar 2006 wurde das Original dieses Berichts nachgereicht.
K.
Mit Verfügung vom 25. Juli 2005 wurde dem Beschwerdeführer bis zum 28. August 2006 Frist gesetzt, konkrete Angaben zu den Personalien des Vaters zu machen und die Behelligungen des Vaters sowie allfällige Behelligungen der Mutter und der beiden Schwestern durch Beweismittel zu belegen.
L.
Am 22. August 2006 reichte der Beschwerdeführer die Identitätsdokumente seiner Familienangehörigen in Kopie samt Übersetzung zu den Akten und machte weitere Ausführungen zur Bedrohungslage der Familie, auf welche in den Erwägungen Bezug genommen wird.
M.
Am 29. Mai 2007 wurde dem Beschwerdeführer Mitteilung von der Übernahme des hängigen Verfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht per 1. Januar 2007 gemacht.
N.
Am 3. März 2008 wurde eine weitere Eingabe mit Beweismitteln zu den Akten gereicht, wobei auf die weiterhin bestehende Gefährdung hingewiesen wurde. Demnach habe die Familie des Beschwerdeführers Bagdad aufgrund der anhaltenden Bedrohungslage verlassen und sei nach Mosul gezogen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 31 Grundsatz - Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196819 über das Verwaltungsverfahren (VwVG).
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesamt für Migration (BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 33 Vorinstanzen - Die Beschwerde ist zulässig gegen Verfügungen:
a  des Bundesrates und der Organe der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals einschliesslich der Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung;
b  des Bundesrates betreffend:
b1  die Amtsenthebung eines Mitgliedes des Bankrats, des Direktoriums oder eines Stellvertreters oder einer Stellvertreterin nach dem Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 200325,
b10  die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Schweizerischen Trassenvergabestelle oder die Genehmigung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers durch den Verwaltungsrat nach dem Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 195743;
b2  die Abberufung eines Verwaltungsratsmitgliedes der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht oder die Genehmigung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Direktorin oder des Direktors durch den Verwaltungsrat nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 200726,
b3  die Sperrung von Vermögenswerten gestützt auf das Bundesgesetz vom 18. Dezember 201528 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen,
b4  das Verbot von Tätigkeiten nach dem NDG30,
b5bis  die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Eidgenössischen Instituts für Metrologie nach dem Bundesgesetz vom 17. Juni 201133 über das Eidgenössische Institut für Metrologie,
b6  die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde oder die Genehmigung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Direktorin oder des Direktors durch den Verwaltungsrat nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 200535,
b7  die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Schweizerischen Heilmittelinstituts nach dem Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 200037,
b8  die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Anstalt nach dem Ausgleichsfondsgesetz vom 16. Juni 201739,
b9  die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung nach dem Bundesgesetz vom 28. September 201841 über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung,
c  des Bundesstrafgerichts auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses seiner Richter und Richterinnen und seines Personals;
cbis  des Bundespatentgerichts auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses seiner Richter und Richterinnen und seines Personals;
cter  der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses der von der Vereinigten Bundesversammlung gewählten Mitglieder der Bundesanwaltschaft;
dquinquies  der Bundeskanzlei, der Departemente und der ihnen unterstellten oder administrativ zugeordneten Dienststellen der Bundesverwaltung;
e  der Anstalten und Betriebe des Bundes;
f  der eidgenössischen Kommissionen;
g  der Schiedsgerichte auf Grund öffentlich-rechtlicher Verträge des Bundes, seiner Anstalten und Betriebe;
h  der Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, die in Erfüllung ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen;
i  kantonaler Instanzen, soweit ein Bundesgesetz gegen ihre Verfügungen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorsieht.
VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 32 Ausnahmen
1    Die Beschwerde ist unzulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  Verfügungen betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie Volkswahlen und -abstimmungen;
c  Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals, soweit sie nicht die Gleichstellung der Geschlechter betreffen;
d  ...
e  Verfügungen auf dem Gebiet der Kernenergie betreffend:
e1  Rahmenbewilligungen von Kernanlagen,
e2  die Genehmigung des Entsorgungsprogramms,
e3  den Verschluss von geologischen Tiefenlagern,
e4  den Entsorgungsnachweis;
f  Verfügungen über die Erteilung oder Ausdehnung von Infrastrukturkonzessionen für Eisenbahnen;
g  Verfügungen der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen;
h  Verfügungen über die Erteilung von Konzessionen für Spielbanken;
i  Verfügungen über die Erteilung, Änderung oder Erneuerung der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG);
j  Verfügungen über die Beitragsberechtigung einer Hochschule oder einer anderen Institution des Hochschulbereichs.
2    Die Beschwerde ist auch unzulässig gegen:
a  Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Einsprache oder durch Beschwerde an eine Behörde im Sinne von Artikel 33 Buchstaben c-f anfechtbar sind;
b  Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Beschwerde an eine kantonale Behörde anfechtbar sind.
VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden.
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 83 Ausnahmen - Die Beschwerde ist unzulässig gegen:
a  Entscheide auf dem Gebiet der inneren oder äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  Entscheide über die ordentliche Einbürgerung;
c  Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend:
c1  die Einreise,
c2  Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt,
c3  die vorläufige Aufnahme,
c4  die Ausweisung gestützt auf Artikel 121 Absatz 2 der Bundesverfassung und die Wegweisung,
c5  Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen,
c6  die Verlängerung der Grenzgängerbewilligung, den Kantonswechsel, den Stellenwechsel von Personen mit Grenzgängerbewilligung sowie die Erteilung von Reisepapieren an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer;
d  Entscheide auf dem Gebiet des Asyls, die:
d1  vom Bundesverwaltungsgericht getroffen worden sind, ausser sie betreffen Personen, gegen die ein Auslieferungsersuchen des Staates vorliegt, vor welchem sie Schutz suchen,
d2  von einer kantonalen Vorinstanz getroffen worden sind und eine Bewilligung betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt;
e  Entscheide über die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Behördenmitgliedern oder von Bundespersonal;
f  Entscheide auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen, wenn:
fbis  Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über Verfügungen nach Artikel 32i des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 200963;
f1  sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt; vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Beschaffungen des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesstrafgerichts, des Bundespatentgerichts, der Bundesanwaltschaft sowie der oberen kantonalen Gerichtsinstanzen, oder
f2  der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrags den massgebenden Schwellenwert nach Artikel 52 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang 4 Ziffer 2 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 201961 über das öffentliche Beschaffungswesen nicht erreicht;
g  Entscheide auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse, wenn sie eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, nicht aber die Gleichstellung der Geschlechter betreffen;
h  Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen;
i  Entscheide auf dem Gebiet des Militär-, Zivil- und Zivilschutzdienstes;
j  Entscheide auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung, die bei schweren Mangellagen getroffen worden sind;
k  Entscheide betreffend Subventionen, auf die kein Anspruch besteht;
l  Entscheide über die Zollveranlagung, wenn diese auf Grund der Tarifierung oder des Gewichts der Ware erfolgt;
m  Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben; in Abweichung davon ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide über den Erlass der direkten Bundessteuer oder der kantonalen oder kommunalen Einkommens- und Gewinnsteuer, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt;
n  Entscheide auf dem Gebiet der Kernenergie betreffend:
n1  das Erfordernis einer Freigabe oder der Änderung einer Bewilligung oder Verfügung,
n2  die Genehmigung eines Plans für Rückstellungen für die vor Ausserbetriebnahme einer Kernanlage anfallenden Entsorgungskosten,
n3  Freigaben;
o  Entscheide über die Typengenehmigung von Fahrzeugen auf dem Gebiet des Strassenverkehrs;
p  Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Fernmeldeverkehrs, des Radios und des Fernsehens sowie der Post betreffend:68
p1  Konzessionen, die Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung waren,
p2  Streitigkeiten nach Artikel 11a des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199769,
p3  Streitigkeiten nach Artikel 8 des Postgesetzes vom 17. Dezember 201071;
q  Entscheide auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin betreffend:
q1  die Aufnahme in die Warteliste,
q2  die Zuteilung von Organen;
r  Entscheide auf dem Gebiet der Krankenversicherung, die das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf Artikel 3472 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200573 (VGG) getroffen hat;
s  Entscheide auf dem Gebiet der Landwirtschaft betreffend:
s1  ...
s2  die Abgrenzung der Zonen im Rahmen des Produktionskatasters;
t  Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen und anderen Fähigkeitsbewertungen, namentlich auf den Gebieten der Schule, der Weiterbildung und der Berufsausübung;
u  Entscheide auf dem Gebiet der öffentlichen Kaufangebote (Art. 125-141 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 201576);
v  Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden in der innerstaatlichen Amts- und Rechtshilfe;
w  Entscheide auf dem Gebiet des Elektrizitätsrechts betreffend die Plangenehmigung von Starkstromanlagen und Schwachstromanlagen und die Entscheide auf diesem Gebiet betreffend Enteignung der für den Bau oder Betrieb solcher Anlagen notwendigen Rechte, wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt;
x  Entscheide betreffend die Gewährung von Solidaritätsbeiträgen nach dem Bundesgesetz vom 30. September 201680 über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981, ausser wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt;
y  Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts in Verständigungsverfahren zur Vermeidung einer den anwendbaren internationalen Abkommen im Steuerbereich nicht entsprechenden Besteuerung;
z  Entscheide betreffend die in Artikel 71c Absatz 1 Buchstabe b des Energiegesetzes vom 30. September 201683 genannten Baubewilligungen und notwendigerweise damit zusammenhängenden in der Kompetenz der Kantone liegenden Bewilligungen für Windenergieanlagen von nationalem Interesse, wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt.
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurteilung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 53 Übergangsbestimmungen
1    Das Beschwerdeverfahren gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen sind und bisher beim Bundesgericht oder beim Bundesrat anfechtbar waren, richtet sich nach dem bisherigen Recht.
2    Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Beurteilung der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht.
VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht; der Beschwerdeführer ist - als Adressat der angefochtenen Verfügung - beschwerdelegitimiert (Art. 6
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 6 Verfahrensgrundsätze - Verfahren richten sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196810 (VwVG), dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200511 und dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200512, soweit das vorliegende Gesetz nichts anderes bestimmt.
AsylG i.V.m. Art. 48
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
und 50
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 50
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen.
2    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
ff. VwVG); auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.4 Nachdem der Beschwerdeführer mit Verfügung des BFM vom 2. November 2005 vorläufig in der Schweiz aufgenommen worden ist, bilden vorab die Dispositivziffern 1-3 Gegenstand der vorliegenden Beschwerde. Zu prüfen ist, ob das BFM zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint, das Asylgesuch abgelehnt und in der Folge die Wegweisung aus der Schweiz angeordnet hat.
2. Gemäss Art. 2 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 2 Asyl - 1 Die Schweiz gewährt Flüchtlingen auf Gesuch hin Asyl; massgebend ist dieses Gesetz.
1    Die Schweiz gewährt Flüchtlingen auf Gesuch hin Asyl; massgebend ist dieses Gesetz.
2    Asyl umfasst den Schutz und die Rechtsstellung, die Personen aufgrund ihrer Flüchtlingseigenschaft in der Schweiz gewährt werden. Es schliesst das Recht auf Anwesenheit in der Schweiz ein.
AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG).
3.
3.1 Das BFM lehnte das Asylgesuch des Beschwerdeführers im Wesentlichen mit der Begründung ab, die angegebenen Fluchtgründe hielten zum Teil den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG nicht stand und würden sich im Übrigen als asylrechtlich nicht relevant erweisen. Sofern der Beschwerdeführer eine Kontaktaufnahme seitens islamistischer Gruppierungen zum Zwecke des Anwerbens für Sabotageakte geltend mache, seien seine Angaben unterschiedlich ausgefallen. So habe er geltend gemacht, er sei von verschiedenen Gruppierungen kontaktiert worden, deren Bezeichnung er jedoch nicht kenne, da diese lediglich indirekt Kontakt gesucht hätten; anlässlich der kantonalen Anhörung habe er hingegen präzise Angaben gemacht. Die unterschiedlichen Angaben zur Art der Kontakte des Gesuchstellers würden zu Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Vorbringen führen. Bezweifelt werden müsse aufgrund der Wider-sprüche auch, dass der Beschwerdeführer wegen früherer Tätigkeiten seines Vaters im Irak gefährdet sei. Dieser sei ausserdem nach neusten Angaben des Beschwerdeführers mit seiner Familie nach Bagdad zurückgekehrt. Was die Vorbringen im Zusammenhang mit dem im Sommer 2005 durch einen Kopfschuss getöteten Bruder betreffe, würden die Vorbringen sich als nicht asylrelevant erweisen. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich angegeben, dass ver-mutlich schiitische Milizen die Täter seien, was auch durch die ein-gereichten Unterlagen bestätigt würde. Somit könne es sich bei die-sem tragischen Vorfall nicht um eine staatliche Verfolgung handeln, sondern es handle sich um die Tat einer einzelnen Person oder einer Gruppierung. Schliesslich stehe dem Beschwerdeführer eine inner-staatliche Fluchtalternative offen, da seine Familienangehörigen in Bakuba, wo viele Stammesangehörige der Al-Ubaidi leben würden, Schutz gefunden hätten.
3.2 In der Beschwerdeschrift hielt der Beschwerdeführer den vorin-stanzlichen Erwägungen entgegen, er sei zu Beginn der Empfang-stellenbefragung darauf hingewiesen worden, sich kurz zu fassen, da es sich um eine summarische Befragung handle. Aus diesem Grund habe er seine Fluchtgeschichte lediglich rudimentär wiedergegeben. Zudem habe er bezüglich der in Frage stehenden Kontaktaufnahme durch islamische Gruppierungen anlässlich beider Befragungen übereinstimmend erklärt, dass diese Kontaktaufnahme über Drittper-sonen erfolgt sei. Als er anlässlich der summarischen Befragung vorgebracht habe, islamistische Gruppierungen hätten ihn indirekt kontaktiert, habe er sich auf die Kontaktaufnahme durch B._______ bezogen. Es liege mithin kein Widerspruch vor, sondern seine Ausführungen bei der kantonalen Anhörung seien im Gegensatz zu denjenigen bei der ersten Befragung detaillierter ausgefallen. Dass sein Vater und sein Bruder, die aufgrund der Bedrohungssituation in Bagdad nach Bakuba geflüchtet seien, zwischenzeitlich wieder nach Bagdad hätten zurückkehren müssen, liege darin begründet, dass sie in Bakuba nur vorübergehend nicht aber dauerhaft bei Freunden hätten unterkommen und auch das Geschäft in Bagdad nicht länger habe unbeaufsichtigt bleiben können. Die Mutter und die Schwestern, die mit ihm zusammen nach Syrien geflohen seien, hätten aus finanziellen Gründen wieder nach Bagdad zurückkehren müssen, da die Aufenthaltskosten in Syrien sehr hoch gewesen seien und sich die Familie dies nicht länger habe leisten können. Die Ermordung des Bruders zeige die Bedrohungssituation auf, in welcher sich die Familie nach wie vor befinde. Eine Aufklärung durch die Polizei finde nicht statt. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den Tätern um schiitische Milizen handle, die die Familie aufgrund der höherrangigen Stellung des Vaters innerhalb der Baath-Partei verfolgen würden. Parteikollegen des Vaters seien bereits hingerichtet oder verhaftet worden. Sein Vater habe nach der Ermordung des Bruders einen Herzanfall erlitten, und es gehe ihm gesundheitlich zunehmend schlechter. Weder könne er sprechen, noch könne er gehen, er sei auf permanente Betreuung angewiesen. Dies sei auch der Grund, weshalb ihm persönlich mittlerweile keine Gefahr mehr drohe.

Die zur Untermauerung eingereichten Beweismittel habe die Vorinstanz nicht in genügendem Umfang gewürdigt. Was die Aus-führungen der Vorinstanz zur nichtstaatlichen Verfolgung im Zusam-menhang mit dem Mord des Bruders betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass der Irak im heutigen Zeitpunkt kein schutzfähiger Staat sei. Aus-serdem würde es ihm an der Schutzwilligkeit gegenüber ehemaligen höherrangigen Baath-Mitgliedern und deren Familien fehlen. Dies habe auch die Reaktion der Polizei nach der Ermordung des Bruders gezeigt. Eine inländische Fluchtalternative sei - entgegen der vor-instanzlichen Ansicht - aufgrund der im ganzen Land und insbe-sondere im Zentralirak herrschenden katastrophalen Sicherheitslage nicht gegeben. Auch in Bakuba könne er sich nicht über längere Zeit bei Freunden der Familie aufhalten, da diese sich um ihre eigenen Familien sorgen müssten.
3.3 In der Vernehmlassung hielt die Vorinstanz an ihren Erwägungen im Wesentlichen fest und führte ergänzend aus, da der Vater wieder in Bagdad wohne und nicht behelligt werde, habe auch der Beschwer-deführer kaum Verfolgung zu befürchten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Eltern wegen der Krankheit des Vaters nicht behelligt würden, wogegen der Beschwerdeführer, der nicht für die Baath-Partei tätig ge-wesen sei, im Falle der Rückkehr nach Bagdad aufgrund der früheren Tätigkeit seines Vaters an Leib und Leben gefährdet wäre.
3.4 In seiner Stellungnahme hielt der Beschwerdeführer dem im Wesentlichen entgegen, durch die Position des Vaters innerhalb der Baath-Partei werde die Familie von den schiitischen Milizen und den US-Soldaten verdächtigt, sich dem sunnitischen Widerstand ange-schlossen zu haben. Deshalb sei der Bruder mit einem Kopfschuss ermordet worden. Der Staat sei nicht gewillt, seiner Familie zu helfen; dies sei deutlich geworden, als sich die Polizei nach der Ermordung des Bruders geweigert habe, eine Untersuchung einzuleiten. Was die Möglichkeit des Aufbaus einer Existenzgrundlage in Bakuba betreffe, sei auf die kriegsbedingte, sehr hohe Arbeitslosigkeit und die Nichtgewährung einer Arbeitsstelle trotz guter Ausbildung hinzu-weisen. Aus dem Bericht von Dr. D._______ gehe bestätigend hervor, dass der Vater des Beschwerdeführers schwer krank und auf permanente Betreuung angewiesen sei. Aus diesen Gründen habe der Vater auch keine Behelligungen mehr zu befürchten.
4. Zunächst ist im Hinblick auf die vorzunehmende Prüfung, ob die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwer-deführers verneint und sein Asylgesuch abgewiesen hat, zu prüfen, ob die vorgetragenen Fluchtumstände, die zum Entschluss der Ausreise aus dem Heimatstaat geführt haben, geamthaft als glaubhaft gemacht zu erachten sind.
4.1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG). Der Begriff der Glaubhaftmachung von Fluchtgründen im Sinne von Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG orientiert sich im Gegensatz zum strikten Beweis an einem reduzierten Beweismass. Entscheidend ist, ob objektive Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht, wobei es einer Gesamtwürdigung bedarf im Hinblick auf die persönliche Glaubwürdigkeit der gesuch-stellenden Person sowie die Substanziiertheit und Schlüssigkeit des Sachvortrages (vgl. die nach wie vor gültige Praxis der ARK in Ent-scheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskom-mission [EMARK] 1996 Nr. 27).
4.2 Zunächst ist festzustellen, dass die Vorinstanz in der ange-fochtenen Verfügung die Bedrohung von Seiten der sunnitischen Widerstandsbewegung und derjenigen seitens der schiitischen Milizen nicht auseinander hielt, sondern diese beiden sehr unterschiedlichen Situationen miteinander vermischte. Dies lässt sich deutlich aus dem Sachverhalt ableiten, wo es heisst, der Beschwerdeführer sei zu Sa-botageakten aufgefordert worden, die Gruppierungen hätten sogar einmal versucht, seine Schwester zu entführen, er habe jedoch abgelehnt und sei deshalb mit dem Tod bedroht worden. Diese Sachverhaltsdarstellung lässt sich in keiner Weise mit den Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang bringen. Es erstaunt denn auch nicht, dass die Vorinstanz in den Ausführungen vermeintliche Widersprüche zu erkennen glaubte. Der Beschwerdeführer machte jedoch geltend, einerseits von schiitischen Milizen wegen der exponierten Tätigkeit des Vaters bei der Baath-Partei bedroht worden zu sein. Diese hätten versucht, seine Schwester zu entführen, und sie seien in einem Landcruiser aufgetaucht. Es sei der Eindruck ent-standen, es handle sich um vom Iran unterstützte Milizen. Andererseits sei er indirekt beziehungsweise von B._______ durch sunnitische Gruppierungen zu Sabotageakten gegen die multinationalen Truppen aufgefordert worden, was er jedoch abgelehnt habe. Diese Ausführungen sind im Folgenden auf ihre Glaubhaftigkeit zu prüfen.
4.3 Was die in Frage stehende Aussage des Beschwerdeführers be-züglich der Aufforderung zu Sabotageakten durch islamistische Grup-pierungen anbelangt, ist zunächst festzustellen, dass der Beschwer-deführer anlässlich der kantonalen Anhörung klare Angaben machte, insbesondere in Bezug auf den konkreten Hergang der Kontakt-aufnahme, deren Hintergründe und die vom Beschwerdeführer namen-tlich erwähnte Kontaktperson (vgl. A 19, S. 11 f.). In diesem Zusam-menhang führte der Beschwerdeführer auch aus, dass ihm die islamis-tischen Gruppierungen, in deren Interesse die Kontaktaufnahme er-folgt sei, nicht bekannt seien (vgl. A 19, S. 12). Gleiches, wenn auch im Umfang wesentlich reduziert, trug der Beschwerdeführer anlässlich der Anhörung im Empfangszentrum vor, wo er ausführte, verschiedene Gruppierungen hätten durch Drittpersonen versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen, um ihn für Sabotageakte zu gewinnen (vgl. A 1, S. 4). Die Frage, ob er diese Gruppierungen konkreter benennen könne, verneinte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die lediglich indirekt erfolgte Kontaktaufnahme im Rahmen der summarischen Befragung ebenso wie anlässlich der kantonalen Anhörung (vgl. A 1, S. 5; A 19, S. 12). Insofern ist ein Widerspruch, wie ihn die Vorinstanz erblickt, nicht auszumachen. Dass der Beschwerdeführer den Namen seiner Kontaktperson B._______ in der kantonalen Befragung konkret benannte, hingegen im Empfangszentrum nicht erwähnte, vermag ebenfalls keinen entscheidrelevanten Widerspruch zu begründen. Der Beschwerdeführer verweist in seinen Beschwerdeausführungen selbst darauf, im Empfangszentrum zu einer kurzen Schilderung seiner Fluchtgeschichte angehalten worden zu sein. In der Tat handelt es sich bei der Erstbefragung um eine lediglich summarische Befragung, die nicht die Abklärung der Flüchtlingseigenschaft bezweckt. Ein ent-scheidrelevanter Widerspruch lässt sich deshalb praxisgemäss nur dann bejahen, wenn Aussagen im Verhältnis zum summarischen An-hörungsprotokoll diametral voneinander abweichen, oder wenn be-stimmte Ereignisse oder Befürchtungen, die später als zentrale Asyl-gründe genannt werden, im Empfangszentrum nicht zumindest ansatz-weise zur Erwähnung gelangen. Im vorliegenden Fall erweist sich der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Kontaktperson anlässlich der Anhörung im Empfangszentrum nicht namentlich nannte, im Ver-gleich zu seiner späteren Aussage als blosse Unvollständigkeit, der keine entscheidrelevante Bedeutung zukommt. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Beschwerdeführer im Empfangszentrum zwar nach der Bezeichnung der im Hintergrund agierenden islamistischen Gruppierungen, nicht aber nach dem Namen der Kontaktperson ge-fragt wurde (vgl. A 1, S. 5).
4.4 Eine Abweichung von den Aussagen im kantonalen Protokoll stellt das Bundesverwaltungsgericht lediglich dahingehend fest, als der Beschwerdeführer dort klar zum Ausdruck brachte, die Kontaktaufnahme sei immer durch die selbe Person B._______ erfolgt (vgl. A 19, S. 12), hingegen im Protokoll des Empfangszentrums von "Drittpersonen" (Plural) die Rede ist (vgl. A 1, S. 4). Jedoch vermag diese Abweichung im Gesamtkontext und unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien und der nachfolgenden Erwägungen nicht zu einer Qualifizierung der Asylbegründung als unglaubhaft zu führen. Die entsprechende sprachliche Ungenauigkeit kann mithin vorliegend nicht ins Gewicht fallen, zumal sie lediglich einen eher unbedeutenden Aspekt der vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründe betrifft und es sich hierbei aller Wahrscheinlichkeit nach um eine ungenaue Protokollierung handeln dürfte.
4.5 Die geltend gemachten Drohungen durch schiitische Milizen bringt der Beschwerdeführer mit der Bekanntheit des Vaters als Kom-missionschef des Quartiers unter der Herrschaft von Saddam Hussein in Zusammenhang. Die Tätigkeit des Vaters für die Baath-Partei wird von der Vorinstanz nicht in Zweifel gezogen. Die entsprechenden Vor-bringen des Beschwerdeführers sind denn auch insgesamt detailliert ausgefallen und von seinem Bestreben geprägt, ein allumfassendes Bild der Umstände, wie sie sich zum Zeitpunkt seiner Ausreise dargestellt und nach erfolgter Ausreise entwickelt haben, zu zeichnen. Dabei wirken die Vorbringen in keiner Weise übertrieben; und sie sind insgesamt kohärent und nachvollziehbar. Es gibt auch zahlreiche Realkennzeichen, zum Beispiel in der Schilderung, wie und warum sich die Familie während der Flucht getrennt hat. Zudem räumt der Beschwerdeführer ein, dass die Familie zumindest bis im Sommer 2007 wieder in Bagdad lebte und sein Vater aufgrund seiner eigenen Tätigkeit im heutigen Zeitpunkt keine Verfolgung mehr zu gewärtigen habe. Die von der Vorinstanz nicht in Zweifel gezogene Ermordung des Bruders durch einen Kopfschuss im Juli 2005, für welche gemäss den eingereichten Unterlagen schiitische Milizen verantwortlich zu machen seien, fügt sich ebenfalls in den Kontext der Gesamtumstände, insbesondere vor dem Hintergrund der politischen Gegebenheiten zum Flucht- beziehungsweise Tatzeitpunkt. Der Beschwerdeführer war auch in der Lage, das Ereignis mit zahlreichen Unterlagen zu belegen. Der Beschwerdeführer untermauerte überdies seine Identität und Herkunft mit Identitätspapieren im Original, und die Herkunft des Beschwerdeführers aus Bagdad wird auch durch das Ergebnis der am 8. Januar 2004 durchgeführten LINGUA-Analyse vorbehaltlos gestützt. Seine Darstellungen der Sicherheits- und Bedrohungslage in Bagdad zum Zeitpunkt der Ausreise schliesslich lässt sich nahtlos in die damalige Situation gemäss nachfolgender Analyse einfügen. Die fluchtbegründenden Ereignisse erscheinen demnach insgesamt als glaubhaft.
4.6 An dieser Einschätzung vermag auch der Hinweis der Vorinstanz nichts zu ändern, der Vater des Beschwerdeführers sei nach Bagdad zurückgekehrt, weshalb eine aktuelle Bedrohung nicht glaubhaft erscheine. Der Umstand, dass der Vater und der Bruder Monate nach der Ausreise des Beschwerdeführers und nach eigener mehrmonatiger Abwesenheit nach Bagdad zurückgekehrt sind, vermag an der glaubhaft gemachten Bedrohungslage im Zeitpunkt der Ausreise nichts zu ändern, und dies umso weniger, als der Bruder nach seiner Rückkehr einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Allerdings wird sich unter dem Aspekt der Asylrelevanz die Frage stellen, ob angesichts des unbehelligten Aufenthaltes des Vaters nach wie vor von einer aktuellen Bedrohungslage für den Beschwerdeführer auszugehen ist.
4.7 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die überwiegende Übereinstimmung in den Aussagen und die ausführlichen Darlegungen des Beschwerdeführers klar für die Glaubhaftigkeit der geltend gemachten Fluchtumstände sprechen. Die im Asylverfahren vorgetragenen Fluchtgründe werden der nachfolgenden Beurteilung mithin vollumfänglich zugrunde gelegt. Demnach ist im Folgenden davon auszugehen, dass es sich beim Vater des Beschwerdeführers um einen unter dem Regime von Saddam Hussein als Kommissionschef tätig gewesenen Baath-Funktionär handelt. Weiter ist als glaubhaft anzusehen, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Vaters im Jahre 2003 in den Fokus schiitischer Milizen geriet und von diesen bedroht wurde. Ebenfalls belästigt sah sich der Beschwerdeführer durch islamistische Gruppierungen, die versuchten, ihn zum Widerstand zu mobilisieren. Der Vater und der Bruder hatten sich aufgrund der akuten Gefährdungslage durch die schiitischen Milizen nach Bakuba begeben, der Beschwerdeführer selbst floh etwas später zusammen mit seinen Schwestern und seiner Mutter ins Ausland. Nach seiner Ausreise kam der Bruder des Beschwerdeführers im Jahre 2005 durch schiitische Milizen in Bagdad ums Leben. Sein Vater ist inzwischen pflegebedürftig und lebte zusammen mit der Mutter und den Schwestern bis im Sommer 2007 in Bagdad.
5. Damit stellt sich die Frage der Asylrelevanz der glaubhaft gemachten Fluchtgründe.
5.1 Entsprechend der Lehre und Praxis ist für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass die asylsuchende Person ernsthafte Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat, beziehungsweise solche im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft befürchten muss. Die Nachteile müssen der asylsuchenden Person gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive drohen oder zugefügt worden sein. Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt zudem voraus, dass die betroffene Person einer landesweiten Verfolgung ausgesetzt ist und sich nicht in einem anderen Teil ihres Heimatstaates in Schutz bringen kann (EMARK 2006 Nr. 18).
5.2 Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist die Frage nach der im Zeitpunkt der Ausreise vorhandenen Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides ist jedoch im Rahmen der Prüfung nach der Aktualität der Verfolgungsfurcht ebenfalls wesentlich. Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und Asylentscheid sind deshalb zugunsten und zulasten der ein Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen (vgl. EMARK 2000 Nr. 2 E. 8b, EMARK 1994 Nr. 24 E. 8a; Walter Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a. M. 1990, S. 135 ff.)
5.3 Nach neuerer Rechtsprechung kann eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (vgl. den Grundsatzentscheid EMARK 2006 Nr. 18). Damit hat sich die Schweiz der überwiegenden Staatenpraxis angeschlossen, wonach nichtstaatliche Verfolgung als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu erachten ist, wenn der Staat unfähig oder nicht willens ist, Schutz vor besagter Verfolgung zu bieten. Es kann politische Verfolgung durch Dritte somit auch dann vorliegen, wenn der Staat trotz prinzipieller Schutzbereitschaft Personen oder Gruppen vor der Verfolgung durch Dritte nicht effektiv schützen kann.
5.4 Es ist mithin zu prüfen, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise individuellen, gezielt gegen ihn gerichteten, intensiven Verfolgungshandlungen aus asylrechtlich relevanten Gründen ausgesetzt war oder ob er eine begründete Furcht vor solchen Nachteilen hatte. Weiter ist massgeblich, ob die geltend gemachte Gefährdungslage noch aktuell ist. Geht die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren aus, ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer staatlichen Schutz beanspruchen kann. Schliesslich stellt sich die Frage, ob eine landesweite Verfolgung gegeben ist und ob der Beschwerdeführer einer solchen allenfalls hätte innerstaatlich ausweichen können.
6. Angesichts der sich stellenden Fragen drängt sich vorab eine Analyse der politischen Lage im Zentralirak - der Herkunftsregion des Beschwerdeführers - auf.
6.1 Der Begriff "Zentralirak" bezeichnet die Provinzen Anbar, Bagdad, Diyala, Ninive (einschliesslich der Stadt Mosul), Salah al-Din und Tameem (einschliesslich der Stadt Kirkuk). Diese Definition umfasst auch Gebietsteile im Irak, die nach Massgabe von Art. 53 (A) des Gesetzes über die Übergangsverwaltung (Transitional Administrativ Law), welches gemäss Art. 143 der irakischen Verfassung weiterhin Gültigkeit hat, unter Verwaltung der kurdischen Regionalregierung stehen (UNHCR's Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Iraqi Asylum Seekers, August 2007). Die Pro-vinzgrenzen stimmen nicht genau mit den Grenzen der kurdisch kon-trollierten Gebiete überein. Vorliegend sollen daher unter dem Begriff "Zentralirak" die oben genannten Provinzen nur insoweit verstanden werden, als sie nicht de-facto unter der Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen. Die kurdisch dominierten Gebietsteile der oben bezeichneten Provinzen werden also aufgrund ihrer Beson-derheiten im Verwaltungs- und Justizsystem nicht Gegenstand der nachfolgenden Beurteilung bilden. Ebenfalls der nachstehenden Analyse nicht zugänglich sind die drei Nordprovinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya, die in den folgenden Erwägungen unter dem Begriff "Nordirak" zusammengefasst werden und deren politische Situation das Bundesverwaltungsgericht eingehend analysiert hat (BVGE E-6982/2006 vom 22. Januar 2008). Sodann sind - in Abgrenzung zum Begriff "Zentralirak" - auch die als "Südirak" bezeichneten Gebiete, namentlich die Provinzen Babil, Basrah, Kerbala, Najaf, Missan, Muthanna, Quadissiya, Thi-Qar und Wassit nicht Gegenstand der Betrachtung.
6.2 Für die Analyse wurde im Wesentlichen auf die nachfolgend aufgeführten Quellen zurückgegriffen. Sofern andere Quellen in die Analyse einbezogen wurden, sind diese im Text benannt.
- Amnesty International, Jahresbericht Irak 2007, Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2006 [ai, 2006];
- European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Guidelines on the Treatment of Iraqi Asylum Seekers and Refugees in Europe, April 2007 [ECRE, 2007];
- International Crisis Group (ICG), Where is Iraq Heading? Lessons from Basra, Middle East Report Nr. 67, 25. Juni 2007 [ICG, 2007];
- United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Iraqi Asylum-Seekers, August 2007 [UNHCR Guidelines, 2007];
- UNHCR's, Hinweise zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs irakischer Asylbewerber, 26. September 2007 [UNHCR Schutzbedarf, 2007];
- UNHCR, Addendum to UNHCR's Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Iraqi Asylum-Seekers, Dezember 2007 [UNHCR Addendum, 2007];
- Guido Steinberg, Der Irak zwischen Föderalismus und Staatszerfall, Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP), Juli 2007 [Steinberg Staatszerfall, 2007];
- Guido Steinberg, Trägt die neue Strategie im Irak?, Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP), Januar 2008 [Steinberg Strategie, 2008];
- Michael Kirschner, Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Irak-Update, 22. Mai 2007 [SFH, 2007];
- UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI), Human Rights Report, 1. Januar - 31. März 2007 [UNAMI, März 2007];
- UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI), Human Rights Report, 1. Juli - 31. Dezember 2007 [UNAMI, Dezember 2007];
- UK Home Office, Country of Origin Information Report - Iraq, 8. Januar 2008 [UK-Home Office, 2008];
- International Crisis Group (ICG), Iraq's Civil War, the Sadrists and the Surge. Middle East Report Nr 72, 7. Februar 2008 [ICG, 2008].

6.3 Am 20. März 2003 griffen amerikanische und britische Truppen mit der Unterstützung der Verbände Australiens, Italiens, Spaniens, Polens und kleiner Einheiten anderer militärischer Alliierter den Irak an. Erklärtes Ziel war der Sturz des damaligen Diktators Saddam Hussein. Das zur Legitimation dieses Angriffs aufgezeigte Bedrohungsszenario des möglichen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch die irakische Diktatur erwies sich, wie im Bericht der Iraq-Survey-Group-Kommission vom September 2004 bestätigt (Iraq Survey Group, Final Report vom 30. September 2004), als nicht gegeben. Folge der Invasion war unter anderem der Zusammenbruch der staatlichen Verwaltungsstruktur im Irak und eine von politischen, religiösen, ethnischen und ökonomischen Konflikten geprägte Übergangsphase, die bis zum heutigen Tag anhält und je nach Region verschiedene Ausprägungen erfährt. Die Anzahl der bisherigen Opfer nach dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen und ihrer Verbündeten im Irak ist umstritten. Dies vor allem aufgrund der Uneinigkeit in Bezug auf die Zählweise und den Einbezug von Opfern krimineller Straftaten. Gemäss der regierungsunabhängigen privaten Organisation iraq-bodycount sind bisher zwischen 80'000 und 88'000 zivile Opfer zu beklagen (vgl. online auf der Website von iraqbodycount, besucht im Februar 2008, http://www.iraqbodycount.org). In einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der irakischen Regierung heisst es, die genaue Zahl liege zwischen 104'000 und 223'000 Todesopfern (vgl. zu den Ergebnissen dieser Studie: Iraq Family Health Survey Study Group, "Violence-Related Mortality in Iraq from 2002 to 2006", online auf der Website des New England Journal of Medicine, Past Issues, 2008, Jan 31, besucht am 4. April 2008, http://content.nejm.org). Bis zu zwei Millionen Iraker leben seit dem Sturz des Saddam-Regimes in den Nachbarstaaten (ECRE, 2007, S. 2; UNAMI, Dezember 2007, S. 19 f.). Mindestens genauso viele Iraker gelten als intern Vertriebene (SFH, 2007, S. 19).
6.4 Die Sicherheitslage im Zentralirak ist von einer weit verbreiteten Gewalt und signifikanter Instabilität gekennzeichnet. Die Region Bagdad gilt nach wie vor als Region mit sehr grosser Gewaltdichte (vgl. UNHCR Addendum, 2007, S. 31; vgl. auch UN Security Council [UNSC], Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 30 of resolution 1546 (2004), März 2007, S. 11 f.; Center for Strategic and International Studies [CSIS] Report vom 22. Juni 2006, S. 112 und 115). Gezielte Gewalttaten gegen Zivilisten, (Suizid-)Anschläge und Attentate sowie Entführungen und andere kriminelle Handlungen prägen den Alltag der Bevölkerung. Die Einordnung der Gewalthandlungen und Bedrohungsszenarien gestaltet sich insofern als äusserst schwierig und komplex, als einer Vielzahl von Akteuren einer ebenso grossen Zahl von potenziellen Opfern dieser Gewalthandlungen gegenübersteht. Interessen und Zielsetzungen der Akteure unterscheiden sich zum Teil massiv. Sie bewegen sich jedoch zunehmend entlang ethnischer, religiöser und tribaler Grenzen und scheinen zudem eng verknüpft mit der politischen Entwicklung im Land.
6.4.1 Ein Grossteil der Gewalttaten richtet sich gegen die im Irak stationierten, US-geführten multinationalen Truppen. Hauptakteure des Widerstandes sind sunnitische Araber, die das Land unter dem ehemaligen Regime Saddam Husseins weitestgehend dominierten. Obwohl sich der Widerstand aus verschiedenen Gruppierungen (frühere Baathisten, ehemalige Mitglieder des Sicherheitsapparates sowie einheimische und ausländische Extremisten) formiert und diese sich in den konkreten Zielsetzungen und den dabei angewandten Methoden unterscheiden, definieren sie als gemeinsames Ziel die Vertreibung der multinationalen Truppen aus dem Irak und die Unterminierung der neuen politischen Strukturen (UNHCR Schutz-bedarf, 2007, S. 2 und 4).
6.4.2 Personen, welche für bestimmte Institutionen im Irak arbeiten und deshalb von den Aufständischen als Unterstützer der US- geführten multinationalen Truppen im Irak wahrgenommen werden, sind ebenfalls potenzielle Opfer und zum Teil schwerwiegenden Angriffen ausgesetzt. Zum betroffenen Personenkreis zählen vor allem Iraker, die für die multinationalen Truppen und ausländische Unternehmen sowie internationale und humanitäre Organisationen tätig sind. Regierungsbeamte und andere Personen, die mit der gegenwärtigen irakischen Verwaltung und deren Institutionen in Verbindung stehen, gehören ebenso zum Kreis der Gefährdeten (UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 4 f.).
6.4.3 Nichtmuslimische Religionsangehörige wie beispielsweise Christen, Sabäer/Mandäer, Yeziden, Baha'i und Juden sind in der Vergangenheit ebenfalls in zunehmendem Masse Opfer konfessioneller Gewalt geworden. Die genannten Religionsgruppen werden als Bedrohung für den islamischen Charakter des Irak oder als Unterstützer der US-geführten Truppen und der gegenwärtigen irakischen Regierung angesehen. Angehörige dieser Religionsgemeinschaften sind nicht nur Diskriminierungen, Drohungen und Gewalt ausgesetzt, sie erleiden auch Einschränkungen in der Religionsausübung und in ihrer Bewegungsfreiheit. Dies betrifft vor allem auch weibliche Angehörige der genannten Religionsgemeinschaften, die zum Teil gezwungen sind, sich streng islamischen Verhaltens- und Bekleidungsvorschriften anzupassen und einer sehr weitgehenden Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit unterliegen (UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 3; UNAMI, Dezember 2007 S. 16). Beispielhaft für die Gewalt gegen religiöse Minderheiten steht der Anschlag vom 15. August 2007 westlich der Stadt Mossul, dem etwa 200 Angehörige der religiösen Minderheit der Yeziden zum Opfer fielen und welcher in den Verantwortungsbereich sunnitischer Rebellen oder Al-Qaida fallen soll (vgl. Howard Michael, in the Guardian, Grim search for bodies continues, 16. August 2007).
6.4.4 Zu verzeichnen sind sodann interethnische und interreligiöse Spannungen zwischen den im Irak lebenden ethnischen und religiösen Gruppierungen (z. B. Kurden, Turkmenen, Arabern, Roma, Yeziden, Shabak, Assyrern, Chaldäern, Armeniern). In Gebieten mit gemischt ethnischer oder religiöser Bevölkerungszusammensetzung berichten Angehörige der Minderheitsgruppen von Diskriminierung, erzwungener Assimilation und Gewalt. Die Spannungen betreffen namentlich auch Gebiete, die zuvor im Fokus der Zwangsarabisierungspolitik des ehemaligen irakischen Regimes standen, insbesondere die Provinzen Kirkuk, Ninive, Salah Al-Din oder Diyala, in denen sich kurdische Interessengruppen aktiv für eine Einbindung in die autonomen kurdischen Gebiete im Nordirak stark machen (UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 4; UNAMI, Dezember 2007, S. 16 f.).
6.4.5 Personen, die als Unterstützer des ehemaligen Regimes von Saddam Hussein gelten, sind seit dem Sturz des Regimes ebenfalls Drohungen ausgesetzt und Opfer von Gewalthandlungen, da sie für unter der Saddam-Diktatur verübte Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden und ehemals häufig Schlüsselpositionen in der früheren Armee oder den früheren Sicherheits- und Geheimdiensten inne hatten. Am ehesten betroffen sind Mitglieder der ehemaligen Baath-Partei oder dieser nahe stehende Personen. Täterschaft und Tatmotiv sind dabei vielschichtig und reichen von Racheakten vormals Unterdrückter und Verfolgter bis hin zu "lediglich" kriminellen Akten. Ehemalige Baathisten werden dabei unter Umständen pauschal und unabhängig von ihrer Position für Menschenrechtsverletzungen während des Saddam-Regimes verantwortlich gemacht oder der Unterstützung des andauernden Widerstandes verdächtigt. Zugeschrieben werden die Gewalthandlungen vor allem schiitischen Milizen, Angehörigen staatlicher Sicherheitskräfte, Kriminellen, Familienmitgliedern ehemaliger Baath-Opfer sowie Auftragstätern (UNHCR Guidelines, 2007, S. 96-102; UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 4 f.).
6.4.6 Auch haben im Zentralirak gezielte Übergriffe und Mordanschläge gegen Angehörige bestimmter Berufe zugenommen. Dem betroffenen Personenkreis zuzurechnen sind insbesondere Akademiker, Medienschaffende, Künstler, medizinisches Personal und Sportler. Opfer von Übergriffen werden sie zum einen wegen ihres gesellschaftlichen Status, aber auch wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Überzeugung, ihrer konfessionellen Zugehörigkeit oder ihrer Beteiligung an sogenannt westlichen beziehungsweise als unislamisch empfundenen Verhaltensweisen sowie ihres vermeintlichen Vermögens. Gefährdet sind auch Personen, insbesondere Frauen, die sich nicht an den islamischen Verhaltenskodex halten. Die entsprechende Gefahr geht sowohl von schiitischen als auch von sunnitischen Extremisten aus (UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 6).
6.4.7 Bedrohungen und Gewaltdelikte durch kriminelle Gruppierungen, die stark vom Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und Sicherheit profitieren, sind ebenfalls zu verzeichnen. Die Handlungen reichen von Erpressung bis zu Entführungen und Tötungen. Die kriminellen Akte werden oft durch Personen beeinflusst oder gar ausgelöst, die für politische oder konfessionell motivierte Gewalt verantwortlich sind. Die Auswahl der Opfer erfolgt häufig aufgrund ihrer religiösen oder konfessionellen Zugehörigkeit (z.B. Entführungen zum Zwecke der Lösegelderpressung von konfessionellen Gruppen) oder ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Rolle im öffentlichen Leben. Die kriminellen Gruppierungen werden immer häufiger in Absprache mit irakischen Sicherheitskräften aktiv, gehören diesen an oder tragen Uniformen staatlicher Sicherheitskräfte sowie Kennzeichen gegnerischer Gruppen (UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 2-3; SFH, 2007, S. 6).
6.4.8 Stand im Zentralirak anfänglich der Kampf gegen die amerikanischen Truppen und ihre Verbündeten im Vordergrund, bildet den Schwerpunkt der Konflikte nunmehr deutlich die konfessionelle Gewalt zwischen sunnitischen und schiitischen Teilen der Bevölkerung (UNHCR Guidelines, 2007 S. 48; UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 2 ff.). Dieser wird vor allem zwischen sunnitischen und schiitischen extremistischen Gruppierungen und den verschiedenen Milizen geführt, wobei Hauptziele der Auseinandersetzungen die Kontrolle über die Region Bagdad, die Schaffung von Enklaven für die jeweilige Glaubensgruppe, die Umverteilung wirtschaftlicher Ressourcen und nicht zuletzt die Durchsetzung politischer und religiöser Forderungen sind. Ihren Höhepunkt erreichte die konfessionelle Gewalt zwischen beiden Glaubensgruppen mit dem Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra am 22. Februar 2006, eines der wichtigsten schiitischen Heiligtümer im Irak. Der Anschlag heizte den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten weiter an und führte zu einer Gewaltspirale bisher unbekannten Ausmasses (vgl. International Crisis Group [ICG] vom 27. Februar 2006; U.S. Department of State [USSD], Iraq International Religious Freedom Report 2007 vom 14. September 2007; UNHCR Guidelines, 2007, S. 48-55). Aber auch innerhalb der verschiedenen konfes-sionellen Gruppierungen führen unterschiedliche Interessen zuneh-mend zu Spannungen und Gewalttaten.
6.4.8.1 Die schiitischen Milizen und extremistischen Gruppierungen stellen eines der grössten Sicherheitsprobleme im Zentralirak dar. Die Gewalttaten sind insbesondere den beiden grossen rivalisierenden schiitischen Milizen, der Mahdi-Miliz unter Führung des radikalen Predigers Muqtada as-Sadr und den Badr-Brigaden des Obersten Islamischen Rates im Irak (SIIC; auch "Irakische Islamische Hohe Rat") unter der Führung von Abdalaziz al-Hakim, zuzurechnen. Sie verfolgen unterschiedliche Interessen. So strebt der Oberste Islamische Rat (vor der Umbenennung im Mai 2007 bekannt als Hoher Rat für die islamische Revolution [SCIRI]) nach einer weitgehenden schiitischen Autonomie im Süden, wo ein Grossteil der mit etwa 60 % die Mehrheit der irakischen Bevölkerung bildenden Schiiten lebt und die Badr-Brigaden militärisch eine sehr dominierende Macht sind. Dass in diesen Regionen etwa 50 % des irakischen Ölvorkommens zu finden sind, ist einer der wichtigsten Gründe für die Autonomiebestrebungen. Muqtada as-Sadr hingegen strebt nach einem irakischen Einheitsstaat; seine Mahdi-Miliz, welche Anfang des Jahres 2007 mit etwa 60'000 Mann die wahrscheinlich schlagkräftigste und am schnellsten wachsende Miliz im Irak darstellte (Steinberg Staatszerfall, 2007, S. 11-16 mit weiteren Nachweisen), kooperiert mit Teilen des sunnitischen Widerstands gegen die US-geführten Besatzungstruppen; Gruppierungen aus dem Umfeld Sadr's werden verantwortlich gemacht für Anschläge auf die stationierten multinationalen Truppen. Gleichzeitig soll die Mahdi-Miliz im Raum Bagdad seit Februar 2006 für die Verschärfung der Gewaltspirale durch Anschläge gegen die sunnitische Bevölkerung gesorgt haben. Die Miliz ist sodann verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, die zu Recht oder zu Unrecht dem Widerstand zugeordnet werden. Regelmässig kommt es auch zum Kräftemessen und zu Gewalthandlungen zwischen den schiitischen Milizen, beispielsweise der Mahdi-Miliz und anderen schiitischen Gruppierungen wie den Milizen der Fadhila-Partei oder selbst innerhalb der Mahdi-Miliz (vgl. Inga Rogg, Anschlag auf den irakischen Vize-Regierungschef, Neue Zürcher Zeitung [NZZ] vom 23. März 2007). Im Januar 2007 töteten schiitische Sicherheitskräfte hunderte bewaffneter Anhänger der schiitischen Gruppierung Jund-al Sama, die den beiden etablierten Mahdi- und Badr-Milizen als Bedrohung galt (Institute for War and Peace Reporting [IWPR] Iraqi Crisis Report, Shia Rivalry Sparked Battle of Zarqa vom 15. Februar 2007).
6.4.8.2 Der Widerstand sunnitischer Milizen formiert sich in erster Linie gegen die Besatzungsmacht im Irak und deren (vermeintliche) Unterstützer. Darüber hinaus richten sich die Gewalthandlungen gegen schiitisch dominierte Basen der irakischen Sicherheitskräfte und deren Rekrutierungszentren sowie schiitische Heiligtümer und religiöse Einrichtungen. Opfer gezielter Anschläge sind aber auch schiitische Zivilisten und Religionsführer. Der sunnitische Widerstand formiert sich aus verschiedenen Gruppierungen, wobei die Trennlinie zwischen dem sunnitischen Widerstand (ehemalige Angehörige der Baath und andere sunnitische säkuläre Gruppen), der sich gegen die US-geführten Besatzer und den mit dem Sturz des Saddam-Regimes einhergehenden Machtverlust richtet, und dem sunnitischen Terrorismus (z.B. Al-Qaida, Ansar Al-Sunnah Army, Muhamad's Army, Islamic Army in Iraq) verschwommen sind. Was die Terrorgruppe Al-Qaida anbelangt, ist diese aufgrund der selbst für irakische Verhältnisse brutalen Vorgehensweise und ihrer über den Irak hinausreichenden Ziele innerhalb der sunnitischen Aufständischen zunehmend isoliert. Die Gewalttaten im Zentralirak, für die Al-Qaida verantwortlich ist, richten sich nicht nur gegen Schiiten, sondern auch gegen Sunniten, wenn diese sich den Machtansprüchen widersetzen oder vermeintlich mit den Besatzungstruppen oder dem neuen irakischen Staat kooperieren. Seit 2006 ist es daher auch innerhalb des sunnitischen Widerstandes zu ethnischen Kämpfen zwischen Stämmen und Terroristen gekommen.
6.5 Für einen gewissen Rückgang insbesondere der ethnisch-konfessionellen Gewaltdelikte zwischen Sunniten und Schiiten hat die amerikanische Offensive im Januar 2007 gesorgt, welche vor allem die Regionen Bagdad und Anbar betraf (vgl. Steinberg Strategie, 2008, S. 2 ff.).
6.5.1 Die Offensive beinhaltete eine Verstärkung der US-Truppen in den Monaten Februar bis Dezember 2007 um etwa 28'000 auf 160'000 und die Änderung der Strategie, welche eine Verstärkung der Militärpräsenz in den genannten Regionen und ein offensiveres Vorgehen gegen Aufständische bezweckte. Die Mahdi-Miliz, welche eine offene Konfrontation mit den zahlenmässig überlegenen US-Truppen scheute, zog sich in der Folge aus ihrer Hochburg Sadr-City im Osten Bagdads zurück und verlegte sich zu einem Grossteil in die südlichen Regionen. Im August 2007 erklärte Sadr einen auf sechs Monate befristeten Waffenstillstand der Mahdi-Miliz gegenüber den Besatzungstruppen, sunnitischen Aufständischen und anderen konkurrierenden Milizen. Er wird weitgehend eingehalten, auch wenn einige militante Mahdi-Gruppierungen weiterhin an einer unnachgiebigen Ablehnung jeglicher Übereinkommen mit den Besatzungstruppen festhalten und für während des Waffenstillstandes begangene Anschläge verantwortlich sind (vgl. UNAMI, Dezember 2007, S. 2 und 16-20).
6.5.2 Ein weiteres Element der neuen amerikanischen Sicherheitsoffensive stellen die Verhandlungen mit gemässigteren sunnitischen Aufständischen dar, mit dem Ziel, sie zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes gegen die Besatzungsmacht zu bewegen. Die Verhandlungen haben zwar zur Verschärfung der innerethnischen Auseinandersetzungen geführt. Es scheint aber gelungen zu sein, Teile der sunnitischen Aufständischen zur Aufgabe des Kampfes gegen die Besatzungstruppen zu bewegen und sich gegen terroristische, sunnitische Gruppierungen, wie Al-Qaida, zu wenden. Diese Vorgehensweise soll entscheidend dazu beigetragen haben, Al-Qaida im Irak zu schwächen, obgleich von einem Scheitern Al-Qaida's im Irak noch nicht ausgegangen werden kann; die Zahl ihrer Guerillaaktionen hat abgenommen.
6.5.3 Sodann beinhaltet die Sicherheitsoffensive die verstärkte Einbindung sunnitischer Stämme in die Reihen der irakischen Sicherheitskräfte, in erster Linie der Polizei. Die Aufnahme von Angehörigen der Stammesmilizen in die Polizei der Provinzen Anbar und nunmehr auch in Bagdad und Umgebung soll insbesondere dem Kampf gegen terroristische Gruppierungen dienlich sein und zur Verbesserung der Sicherheitslage in den genannten Provinzen beigetragen haben. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang jedoch auf die Gefahr, dass derartige Stammesverbände, deren Angehörige aktuell auf 70'000 Personen geschätzt werden, als bewaffnete Einheiten das ohnehin nur rudimentär bestehende staatliche Gewaltmonopol untergraben, wie dies bereits bei schiitischen und kurdischen Stammesmilizen der Fall ist.
6.5.4 Als Folge der amerikanischen Offensive sowie der konfessionellen Trennung vieler Viertel Bagdads ist gegenüber dem Jahre 2006 vor allem im Raum Bagdad ein Rückgang der ethnisch-konfessionellen Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten zu verzeichnen. Die Zahl der zivilen Opfer, die im Jahr 2007 etwa einem Viertel der Opferzahlen von 2006 entsprochen hat, ist jedoch nach wie vor hoch; man geht von zirka 25 zivilen irakischen Opfern pro Tag aus (Steinberg Strategie, 2008, S. 1). Demnach besteht insgesamt nach wie vor eine Situation, die stark von Gewalt geprägt ist.
6.6 Ob der Erfolg der Sicherheitsoffensive nachhaltig zur Stabilisierung der Sicherheitslage beizutragen vermag, ist fraglich und vor allem von der Entwicklung des politischen Prozesses im Irak abhängig.

Die politische Neuordnung gestaltete sich seit dem Sturz des Saddam-Regimes in verschiedenen Etappen. Zu den Errungenschaften zählt die Annahme einer neuen irakischen Verfassung am 15. Oktober 2005, die ersten freien Wahlen im Dezember 2005, an der sich 228 Parteien beziehungsweise Koalitionen zur Wahl stellten, sowie die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit im Mai 2006. In der gewählten Regierung und im Parlament sind Mitglieder aller ethnischen und religiösen Gruppen vertreten, wobei von 275 Parlamentssitzen die schiitische United Iraqi Alliance 128 Sitze errang, gefolgt von der Kurdistan Coalition mit 53 Sitzen und der sunnitischen Iraqi Accordance Front mit 44 Sitzen. Zum Präsidenten wurde der Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Jalal Talabani gewählt; Premierminister ist der aus dem Exil zurückgekehrte Schiite Nouri Jawad al-Maliki von der Daawa-Partei. Der politische Aufbauprozess nach der Regierungsbildung muss jedoch als schleppend bezeichnet werden. Die politische Lähmung ist insbesondere bedingt durch die gegensätzlichen Interessen der Gruppierungen im Hinblick auf die politische Neuordnung des Landes, die Verteilung der natürlichen Ressourcen und den Umgang mit den US-Truppen und ihren Alliierten. Seit Sommer 2007 besteht die Regierung der nationalen Einheit faktisch nur noch aus einer Koalition, die sich aus dem Obersten Islamischen Rat im Irak (SIIC), der schiitischen Daawa-Partei und den Kurdenparteien KDP und PUK bildet und deren Legitimität sich auf die Region Bagdad und die kurdisch besiedelten Gebiete beschränkt. Dieser Viererkoalition, deren Hauptanliegen es ist, ihre Föderalismusprojekte im Norden (Anschluss der Provinz und Stadt Kirkuk an die Kurdenregion) und im Süden des Landes (eine vom Obersten Islamischen Rat kontrollierte föderale Region in den schiitischen Südprovinzen) durchzusetzen, stehen die anderen politischen Kräfte (unter anderem die Sadr-Bewegung, die irakische Liste Allawis und die im Parlament vertretenen sunnitischen Parteien) gegenüber, die primär gegen die Vorhaben der Koalition opponieren, jedoch keinen einheitlichen Kurs verfolgen und untereinander zerstritten sind (vgl. Steinberg Strategie, 2008, S. 7-9; SFH, 2007, S. 2). Nachdem die Minister dieser Opponenten aus der Regierung ausgetreten sind, gilt das Parlament als nahezu vollständig gelähmt. Wichtige Gesetzesvorhaben, die zur nationalen Aussöhnung beitragen würden, etwa die im Entwurf vorliegende Neuordnung des Ressourcensektors (Ölgesetz), die Revision der Verfassung beispielsweise zu Fragen des föderalen Charakters des Irak und des Status von Kirkuk sowie die Frage betreffend der Handhabung der Entbaathifizierungsmassnahmen kommen nicht voran (Steinberg Strategie, 2008, S. 7 f.).
6.7 Die Verbesserung der Sicherheitslage in den Regionen Bagdad und Anbar sowie die politisch zögerlichen Fortschritte haben bisher nicht zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung im Zentralirak geführt (vgl. UNHCR Addendum, 2007, S. 7). Vielmehr widerspiegeln sich die Probleme auch in den Feststellungen, die im Hinblick auf den Justiz- und Sicherheitsapparat im Zentralirak zu treffen sind.
6.7.1 Am 23. Mai 2003 wurden die Streitkräfte des alten Regimes durch die Übergangsverwaltung aufgelöst und eine grosse Anzahl der militärischen Hinterlassenschaften zerstört. Mit Unterstützung der USA und ihrer Koalitionspartner wurden die neuen irakischen Sicherheitskräfte (Iraqi Security Forces [ISF]) formiert, welche neben Seestreitkräften, Luftwaffe, Grenzpolizei, Sicherheitsdienst zum Schutz der Infrastruktur und den Geheimdiensten auch die Armee und Polizei umfassen. Auch wenn die Ausgaben der USA für den Aufbau und die Ausbildung der Sicherheitskräfte bis Ende 2006 etwa zehn Milliarden Dollar betrugen und etwa 300'000 Mann als ausgebildet gelten, sind die Sicherheitskräfte von einem effektiven Funktionieren weit entfernt und sieht sich die Zentralregierung mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Nicht bekannt ist beispielsweise, wie viele Sicherheitskräfte tatsächlich aktuell Dienst leisten und wie gross die Zahl derer ist, die aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage vom Dienst desertiert sind. Sicherheitskräfte, insbesondere Polizisten und Polizeianwärter, sind vermehrt Opfer von Anschlägen seitens Aufständischer geworden. In den Jahren 2005 und 2006 wurden rund 4'000 irakische Polizisten getötet und 8'000 verwundet (Aussage des US-Kommandanten des Civilian Police Assistance Training Team im Iraq vom 8. Oktober 2006, zitiert nach Radio Free Europe RFE/RL Iraq Report, Vol. 9, Nr. 36, 12. Oktober 2006). Ein hohes Mass an Korruption innerhalb der Sicherheitskräfte und der Mangel an Ausrüstung haben zu einem Sicherheitsvakuum geführt, welches durch die Zentralregierung bisher nicht ausgefüllt werden konnte. Ein ernstzunehmendes Sicherheitsproblem stellt sodann die Unterwanderung der staatlichen Sicherheitskräfte durch schiitische und sunnitische Milizen sowie die Milizen politischer Parteien dar (UNHCR Guidelines, 2007, S. 25). Aber auch Banden und kriminelle Gruppierungen unterhalten Verbindungen zu Sicherheitskräften. Als sehr problematisch ist die Bevorzugung bestimmter ethnischer oder religiöser Gruppen bei der Zusammenstellung von Einheiten der Sicherheitskräfte zu erachten (SFH, 2007, S. 8 f.). Nach wie vor sind vor allem schiitische Milizen, die in staatliche Sicherheitskräfte und Regierungseinrichtungen infiltriert sind, für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (Center for strategic & international studies [CSIS], Iraq's Sectarian and Ethnic Violence and its Evolving Insurgency, Developments through Spring 2007, vom 2. April 2007, S. 102 ff.; UNAMI, Dezember 2007, S. 67-90). So gilt beispielsweise das Innenministerium als von schiitischen Milizen unterwandert, die in ihrer behördlichen Funktion Menschenrechtsverletzungen (Entführungen, ungesetzliche
Inhaftierungen, Folter, Ermordungen etc.) begehen oder tolerieren. Zwar wird vereinzelt gegen korrupte und ihre Machtstellung missbrauchende Sicherheitskräfte vorgegangen. So wurde im Oktober 2006 eine Polizeieinheit des Innenministeriums, 600 Angehörige umfassend, aufgelöst, da sie teilweise zu den Todesschwadronen zu zählen war oder deren Vorgehen zumindest billigte; aus dem gleichen Grund wurden 3000 Polizisten aus dem Dienst entlassen (vgl. SFH, 2007, S. 9 mit weiteren Nachweisen). Von einer Durchsetzung des staatlichen Machtmonopols ist man insgesamt jedoch weit entfernt. Ein wesentliches Konfliktpotenzial dürfte auch die Rolle von Milizen und Bürgerwehren sein, die sich das Misstrauen der Zivilbevölkerung in die Sicherheitskräfte zu Nutze machen und quasi ein Parallelsystem dazu bilden. So agieren seit Februar 2006 zunehmend lokale Bürgerwehren oder Stammesmilizen zum Schutz gegen Todesschwadronen oder korrupte Sicherheitskräfte. Wie bereits ausgeführt, wird seitens der US-amerikanischen Truppen die Übernahme der Kontrolle in bestimmten Gebieten durch Stammesmilizen toleriert und sogar gefördert (vgl. Steinberg Strategie, 2008, S. 4 f.), was insofern pro-blematisch ist, als auch sunnitische Stammesmilizen in den Sicher-heitsapparat integriert werden sollen, ein Vorhaben, dem die derzeitige Regierung ablehnend gegenübersteht, da sie die Schaffung eines neuen Konfliktherdes befürchtet (vgl. Steinberg Strategie, 2008, S. 6). Die partielle Unterwanderung der Sicherheitskräfte durch Milizen be-einträchtigt deren Einsatzfähigkeit. Dies hat zur Folge, dass die jeweilige Bevölkerungsgruppe, zu der die Miliz oder die bewaffnete Gruppe gehört, diese als alleinigen Schutz gegenüber den Übergriffen der anderen Seite ansieht und ihnen dementsprechend auch Unter-stützung gewährt, wodurch die Ethnisierung des Konflikts weiter be-günstigt wird.
6.7.2 Es gestaltet sich nach wie vor schwierig, ein umfassendes und gesichertes Bild der Justiz im Zentralirak nach dem Sturz des Saddam-Regimes zu zeichnen. Insbesondere erweist sich das diffuse Nebeneinander von alter und neuer irakischer Gesetzgebung sowie tribaler und religiöser Rechtsprechung als problematisch. Weiterhin herrscht Unklarheit, was die aktuelle Gesetzeslage anbelangt. Während einige Gesetze und einzelne Paragraphen durch den von den USA eingesetzten Zivilverwalter Paul Bremer in den Jahren 2003 und 2004 aufgehoben wurden (vgl. dazu Coalition Provisional Authority [CPA] Orders von 2003/2004: online auf der Website von CPA, besucht am 4. April 2008, http://www.cpa-iraq.org/regulations/), blieb beispielsweise das alte irakische Strafgesetz von 1969 im Zentralirak weitgehend in Kraft. Die durch die CPA im Juni 2003 ausser Kraft gesetzte Todesstrafe führte die Interimsregierung am 8. August 2004 für die Tatbestände Mord, Drogenhandel und Menschenraub wieder ein. Neben der mangelnden Ausstattung der Justizbehörden mit Materialien stellt der Mangel an qualifiziertem Personal - der vor allem aus dem Klima der allgemeinen Gewalt und der damit verbundenen Flucht von Richtern und Juristen ins Ausland resultiert - ein besonders grosses Problem dar. Zwar sind Bestrebungen zu verzeichnen, die weit verbreitete Straflosigkeit für Verbrechen zu bekämpfen. So sollen etwa die untersuchungsrichterlichen Kapazitäten verbessert, die Zahl der Richter erhöht und das Funktionieren der Gerichtsinstitutionen verbessert werden. Die verschiedenen Reformen, denen das Justizsystem unterzogen wird, sind aber aufgrund der politischen Situation erheblich gehemmt. Gemäss Art. 19 der irakischen Verfassung ist die Justiz unabhängig, jedoch unterliegen Richter und Justizbeamte offensichtlich politischen Einflussnahmen (US Department of State, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor, Iraq-Country Report Human Rights Practices - 2004, Februar 2005). Die im Land verbliebenen Richter und Justizbeamten sehen sich in Fällen des organisierten Verbrechens, der Korruption, des Terrorismus und von Aktivitäten bewaffneter Milizen mit Gewaltakten und Einschüchterungsversuchen konfrontiert. Sie berichten beispielsweise von öffentlich durch Milizen ausgeübtem Druck auf ihre Person (vgl. Integrated Regional Information Networks [IRIN], Iraq: Judical system far from independent, November 2006). Rechtsspezialisten verweisen zudem auf das Problem, unparteiische Richter zu finden, die von allen Parteien und Interessengruppen akzeptiert sind (IRIN, Iraq: Judical system far from independent, November 2006). Die vorhandenen Schutzmassnahmen für das Justiz-personal sind unzureichend. Bis Ende des Jahres 2006 wurden mindestens 11 Richter
ermordet. Aufgrund der unzureichenden Durch-setzung der Rechtsstaatlichkeit gewinnen Stammesstrukturen zuneh-mend an Bedeutung. Das Law on Criminal Proceedings bietet für die Anwendung der Stammesjustiz in den Bereichen Heirat, Scheidung, Eigentum, Weideland- und Wasserstreitigkeiten Raum für aus-sergerichtliche Lösungen, jedoch darf der Rückgriff auf die Stam-mesjustiz im Falle von Gewalttaten nicht erfolgen, was jedoch vor al-lem in Fällen von Morden und Ehrenmorden praktiziert wird, da es den staatlichen Institutionen nicht gelingt, die Verantwortlichen für Gewalt-delikte und Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zu bringen (SFH, 2007, S. 13; UNHCR Schutzbedarf, 2007, S. 1).
6.7.3 Die vorstehenden Ausführungen führen zu dem Schluss, dass angesichts der aktuellen Situation im Zentralirak von einem Fehlen eines staatlichen Gewaltmonopols auszugehen ist. Die Sicherheitskräfte sind oft nicht in der Lage, effektiven Schutz zu gewähren. Milizen und kriminelle Gruppierungen unterhalten Verbindungen zu Teilen der Sicherheitskräfte oder sind in diese infiltriert, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Unterwanderung der Sicherheitskräfte hat zur Folge, dass sie in ihrer Funktions- und Einsatzfähigkeit erheblich eingeschränkt sind und teilweise selbst Akteure von erheblichen Menschenrechtsverletzungen sind. Die Differenzierung zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung ist damit praktisch unmöglich. Das Justizsystem krankt neben einem Mangel an materiellen Ressourcen und fachlich qualifizierten Personen an einem diffusen Nebeneinander von Gesetzesbestimmungen, Korruption und politischen Einflussnahmen. Es fehlt mithin gerade in schweren Fällen an einer effizienten Ahndung von Verbrechen. Der Justiz- und Sicherheitsapparat muss demnach insgesamt als nicht schutzfähig erachtet werden.
6.8 Zusammenfassend kann für die Lage im Zentralirak mithin festgestellt werden, dass zwar eine Verbesserung der Sicherheitslage im Vergleich zum Jahr 2006 zu verzeichnen ist, diese aber nach wie vor von allgegenwärtiger Gewalt und signifikanter Instabilität gekenn-zeichnet ist. Die Zentralregierung ist vielfach nicht in der Lage, Personen vor Verfolgung zu schützen. Zwar ist festzuhalten, dass es keinem Staat gelingt, eine absolute Sicherheit aller seiner Bürger je-derzeit und überall zu garantieren und es mithin eine faktische Ga-rantie der Schutzgewährung für langfristigen individuellen Schutz nicht geben kann (vgl. EMARK 1996 Nr. 28). Erforderlich für die Bejahung der Schutzfähigkeit ist jedoch eine funktionierende und effiziente Schutzinfrastruktur, das heisst ein Rechts- und Justizsystem, das der betroffenen Person einerseits objektiv zugänglich ist und deren Inan-spruchnahme andererseits für die schutzbedürftige Person auch indi-viduell zumutbar ist. Von einer solchen Schutzinfrastruktur ist jedoch nach den obigen Feststellungen momentan nicht auszugehen. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Sicherheitskräfte bei gegebener Schutzfähigkeit auch schutzwillig wären. An der ungenügenden Schutzinfrastruktur kann auch die Präsenz der inter-nationalen Truppen nichts ändern, zumal deren Mandat sich aus-drücklich auf die Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage beschränkt und nicht die individuelle Schutzgewährung in Einzelfällen umfasst (vgl. Corinne Troxler/Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei, 27. Januar 2006, S. 8).
7. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist im Weiteren auf die Frage einzugehen, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise asylrechtlich relevanten Nachteilen ausgesetzt war und ob eine entsprechende Verfolgungsgefahr nach wie vor aktuell erscheint.

Der Beschwerdeführer muss dabei darlegen können, dass er zum Zeitpunkt der Ausreise selbst von einer konkreten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung betroffen war oder begründete Furcht hatte, Opfer einer Verfolgungshandlung zu werden. Individuell gezielte, von asylrechtlich relevanter Verfolgungsmotivation getragene Nachteile sind dann anzuerkennen, wenn eine Person nicht lediglich den gleichen Risiken und Einschränkungen wie die gesamte Bevölkerung ihres Heimatstaates ausgesetzt ist und somit von den Ereignissen nicht lediglich "reflexartig" im Sinne ungezielter "Nebenfolgen" von Krieg oder kriegsähnlichen Situationen betroffen ist, sondern als individuelle Person im klassischen Sinn wegen ihrer politischen Anschauung, ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder eines anderen relevanten Grundes in asylrechtlich relevanter Intensität belangt wird (EMARK 1998 Nr. 17 S. 153 E. 4 c, bb).
7.1 Der Beschwerdeführer stützt sich in seiner Asylbegründung zunächst auf eine mehrfach erfolgte Kontaktaufnahme durch sunnitische Gruppierungen, die ihn - als Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung - zum Zwecke von Sabotagehandlungen und Anschlägen vor allem gegen die US-amerikanischen Truppen hätten anwerben wollen. Die Kontaktaufnahme erfolgte mithin aus den Reihen des eigenen Glaubens, auch wenn es dem Beschwerdeführer nicht möglich war, genaue Angaben darüber zu machen. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers ergeben sich jedoch keine Hinweise darauf, dass er aufgrund der Ablehnung dieses Angebotes ernsthafte Nachteile im Heimatstaat zu gewärtigen hatte, zumal er eigenem Bekunden gemäss seiner Vermittlerperson B._______ gegenüber mehrfach ein entsprechendes Angebot abgelehnt und für den Fall weiterer Kontaktaufnahmen mit einer Anzeige gedroht haben will. Dieses Vorgehen des Beschwerdeführers führte offensichtlich bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise zu keinen Nachteilen oder Bedrohungshandlungen ihm gegenüber. Eine konkrete und gezielte Verfolgung, die auf einem der in Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG genannten Verfolgungsmotiven beruht, lässt sich daher aus diesem Vorbringen nicht bejahen.
7.2 Der Beschwerdeführer machte zum wesentlichen Grund seiner Ausreise geltend, aufgrund der früheren Mitgliedschaft in der Baath-Partei und insbesondere der exponierten Stellung seines Vaters Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen zu sein.
7.2.1 Zum Zeitpunkt der amerikanischen Invasion im März 2003 waren bis zu 2,5 Millionen Iraker (annähernd 10 % der Staatsangehörigen) Mitglied der Baath-Partei. Ohne Mitgliedschaft in der Baath-Partei war es praktisch unmöglich, eine wichtige Position in den oberen Kadern der Verwaltung und der Sicherheitsbehörden zu erringen. Nicht einmal die Zulassung zur Universität oder zu anderen höheren Ausbildungen war ohne Parteimitgliedschaft möglich. Nach dem Verbot der Baath-Partei am 16. Mai 2003 kann als Kernstück der von Zivilverwalter Paul Bremer unverzüglich eingeleiteten Politik der "Entbaathifizierung", die Auflösung der Armee, paramilitärischer Streitkräfte sowie der Geheimdienste, die Entfernung ranghöherer Militärs (vom Oberst aufwärts), Angehöriger der vier obersten Parteiränge sowie Beamter aus dem Staatsdienst, das heisst die Entlassung von etwa 120'000 Regierungsangestellten angesehen werden (vgl. SFH, 2007, S. 14). Die Baathisten wurden fast vollständig aus dem öffentlichen Dienst verdrängt, weitergehenden Nachteilen im Sinne von staatlichen Verfol-gungshandlungen wurden sie jedoch nicht pauschal ausgesetzt. Nach dieser ersten Periode der Verdrängung öffnete man im Jahr 2004 allmählich den Zugang zum Staatsdienst wieder für untere Chargen, da die Politik der "Entbaathifizierung" zu einem gewaltigen verwal-tungstechnischen Vakuum geführt hatte und man sich von der Wieder-einbindung ehemaliger Baath-Angehöriger insbesondere die Aufgabe des sunnitischen Widerstandes versprach. Mit einem vom irakischen Parlament am 12. Januar 2008 verabschiedeten Gesetz wird nunmehr ein neuer Prozess der Einbindung ehemaliger Baathisten in das ver-waltungstechnische Gefüge in Gang gesetzt. Das neue Gesetz beschränkt den Ausschluss vom Staatsdienst auf die drei obersten Kategorien und Baathisten, denen individuelle Verbrechen gerichtlich nachzuweisen sind. "Die kollektive Bestrafung wegen der früheren Parteizugehörigkeit ist demnach weitgehend aufgehoben. Wer nicht als Verbrecher identifiziert wird, hat das Recht auf eine Wieder-anstellung oder zumindest eine Pension." Die Beurteilung obliegt der Justiz (Neue Zürcher Zeitung, Unklares Versöhnungsgesetz im Irak, 15. Januar 2008). Von einer staatlichen Kollektivverfolgung in dem Sin-ne, dass jedes ehemalige Parteimitglied ernsthaften Nachteilen aus-gesetzt wäre, kann mithin nicht ausgegangen werden.
7.2.2 Dennoch gehören die ehemaligen Mitglieder der Baath-Partei im Zentralirak zu einem der Personenkreise mit erhöhtem Gefährdungspotenzial, wobei die Akteure der Gewalthandlungen von schiitischen Milizen, ehemals Unterdrückten oder Opfern des Baath-Regimes bis hin zu sunnitischen Gruppierungen, welche nach Vergeltung für Überläufer und vermeintliche Verräter trachten, reichen. Übergriffe gegen frühere Baathisten haben seit den Parlamentswahlen Ende 2005, welche die schiitischen Parteien gewannen, zugenommen (vgl. UNHCR Guidelines, 2007, S. 101). Eine allgemeingültige Aussage über die konkrete Gefährdung der betroffenen Personen lässt sich weder zuverlässig nach dem ehemaligen Rang (Mitglied, aktives Mitglied, mittleres Kader, Senior-Kader), der Funktion und Zugehörigkeit (Revolutionary Command Council, Nationalversammlung, Sicherheits- und Geheimdienste, Militär, paramilitärische Gruppen, Verwaltung) noch nach der religiösen Zugehörigkeit der ehemaligen Baath-Mitglieder vornehmen (vgl. Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung einer Person, die früher Funktionär einer Baath-Jugendorganisation an einer Universität in Bagdad war, 4. Dezember 2007, S. 2). In jedem Fall gilt es zu differenzieren und hängt die Frage, ob eine konkrete Verfol-gungsgefahr aufgrund der ehemaligen Mitgliedschaft droht, von ver-schiedenen Kriterien ab wie beispielsweise dem Bekanntheitsgrad der Person, deren ehemaligem Tatbeitrag und dem aktuellen Wohnumfeld (vgl. UNHCR Guidelines, 2007, S. 100). Nicht davon ausgegangen wird, dass die einfache Mitgliedschaft automatisch bereits zu Be-drohungen oder Belästigungen im Ausmass einer Verfolgung führt (vgl. UNHCR Guidelines Relating to the Eligiblity of Iraq Asylum-Seekers, Oktober 2005, S. 16; vgl. auch für weitere Nachweise zur Thematik: Corinne Troxler/Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei, 27. Januar 2006, S. 11). Eine Kollektiv- beziehungsweise Gruppenverfolgung aller ehemaligen Baathmitglieder durch nichtstaatliche Akteure ist somit ebenfalls zu verneinen. Dennoch ist aufgrund der Entwicklung seit 2005/2006 die in den Jahren 2003 sowie 2004 geläufige Argumentation, wonach einzig Baath-Mitglieder, die ihre Macht missbracht hätten, zum Ziel von Anschlägen würden, nicht mehr haltbar (vgl. Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung einer Person, die früher Funktionär einer Baath-Jugendorganisation an einer Universität in Bagdad war, 4. Dezember 2007, S. 2). Eine Verfolgungsgefahr kann zum Beispiel dann gegeben sein, wenn die asylsuchende Person in den Fokus der schiitischen Milizen gelangt ist, sei es wegen des Verdachts auf begangene Menschenrechtsverletzungen oder der aktuellen Unterstützung des Widerstandes (vgl. UNHCR Guidelines,
2007, S. 100).
7.2.3 Der Beschwerdeführer vermochte glaubhaft darzulegen, dass er von schiitischen Milizen mit dem Tod bedroht worden war. Sein Vater wie sein Bruder hatten sich in Bakuba in Sicherheit gebracht, weshalb er sich als einziges in Bagdad wohnhaftes männliches Mitglied der Familie konkreten Drohungen und Übergriffen ausgesetzt sah. Aus diesem Grund flüchtete er mit den Schwestern und der Mutter im Oktober 2003 nach Syrien. Die Drohungen richteten sich dabei wegen der politischen Tätigkeit des Vaters gezielt gegen ihn und seine Familie. Damit war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise konkreten individuellen Nachteilen aufgrund asylrechtlich relevanter Motive ausgesetzt. Die Nachteile waren auch als ernsthaft zu bezeichnen, hatte doch der Beschwerdeführer angesichts der zahlreichen Ermordungen ehemaliger Baathisten und der allgemein instabilen Sicherheitslage gute Gründe, davon auszugehen, die schiitischen Milizen würden ihre Drohungen wahr machen (vgl. Corinne Troxler/Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei, 27. Januar 2006, S. 6). Auch der Umstand dass der Vater und der Bruder einige Monate nach der Ausreise des Beschwerdeführers nach Bagdad zurückkehrten, vermag an diesen Erwägungen nichts zu ändern. Dies hat jedoch allenfalls auf die Frage der nach wie vor bestehenden Aktualität der Verfolgung Einfluss.
7.2.4 Wie in den vorausgehenden Erwägungen festgestellt wurde, ist im Zentralirak nicht von einer adäquaten Schutzinfrastruktur auszugehen, weshalb der Beschwerdeführer in Bagdad den Schutz des Heimatstaates nicht hätte beanspruchen können. Dementsprechend kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die schiitischen Milizen im Auftrag oder im Einverständnis der irakischen Sicherheitskräfte handeln, zumal sich eine entsprechende Differenzierung angesichts der aktuellen politischen Gegebenheiten ohnehin als äusserst schwierig erweist.
7.2.5 Aufgrund des langen Zeitablaufs seit der Flucht im Jahre 2003 und der politischen Veränderungen, die im Irak stattgefunden haben, stellt sich die Frage, ob eine drohende Gefährdungslage auch im heutigen Zeitpunkt noch als aktuell zu bezeichnen ist. Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und Asylentscheid sind wie erwähnt zugunsten und zulasten der ein Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen. Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang an sich nicht ganz zu Unrecht aus, eine nach wie vor aktuelle Verfolgung könne ausgeschlossen werden, nachdem der Vater ebenso wie die Mutter und die Schwestern nach Bagdad zurückgekehrt seien. Auch scheint unbestritten, dass Dank der etwas verbesserten Sicherheitslage für viele Baathisten keine Gefährdungslage mehr besteht. Es weisen denn auch einige Berichte darauf hin, dass gerade Familienangehörige von ehemaligen Baath-Mitgliedern in der heutigen politischen Lage nicht mehr generell gefährdet seien (vgl. Corinne Troxler/Michael Kirschner, SFH, Irak: Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei, 27. Januar 2006, S. 11). Dieser Argumentation kann für den vorliegenden Fall jedoch letztlich nicht gefolgt werden. Wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, sind die Gewaltdelikte gegen ehemalige Baath-Angehörige in der jüngsten Zeit zwar etwas zurückgegangen, nach wie vor ist aber von gezielter Gewalt gegen Baathisten auszugehen (vgl. UNHCR Guidelines, 2007, S. 101 und Annex III, UNAMI, Dezember 2007, S. 127). Auch wenn in casu die Rache am ehemaligen Kadermitglied der Baath-Partei - dem Vater des Beschwerdeführers - nicht mehr im Vordergrund steht, ist doch die Familie des Beschwerdeführers offenbar derart in den Fokus der schiitischen Milizen geraten, dass der Bruder des Beschwer-deführers Jahre nach der Ausreise des Beschwerdeführers und nach eigener monatelanger Abwesenheit Opfer eines gezielten Gewalt-deliktes durch die schiitischen Milizen wurde. Wie die Vorinstanz dabei von einem zufälligen Gewaltdelikt auszugehen, kann den gegebenen Umständen nicht gerecht werden, zumal der Bruder gemäss den Angaben des Beschwerdeführers vor seiner Ermordung von den US-Behörden wie auch von den Milizen mehrfach verhört worden sei. Dabei sei er der Beteiligung am Widerstand verdächtigt worden. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers vermögen zu überzeugen, dass nämlich das Verfolgungsinteresse am alten und pflegebedürftigen Vater zwar nicht mehr aktuell ist, die Söhne, die offenbar als potenzielle Widerstandskämpfer registriert wurden, aber nach wie vor gefährdet sind. Die gezielte Ermordung des Bruders im Sommer 2005 lässt die diesbezügliche Furcht des Beschwerdeführers jedenfalls auch in Anbetracht der
gegebenen politischen Situation im Zentralirak als begründet erscheinen. Die Familie des Beschwer-deführers habe denn auch aufgrund der anhaltenden Bedrohungslage in Bagdad nach Mosul ausweichen müssen. Demzufolge ist im vorlie-genden Fall auch aktuell noch von einer begründeten Furcht vor asyl-rechtlich relevanten Nachteilen in Bagdad auszugehen.
7.2.6 Die Vorinstanz wies in der angefochtenen Verfügung sodann darauf hin, der Vater und der Bruder hätten in Bakuba, Provinz Diyala, wo viele Stammesangehörige der al-Ubaidi wohnen, Schutz gefunden und sie verweist damit implizit auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative beziehungsweise auf das Fehlen einer landesweiten Verfolgungsgefahr.
7.2.6.1 Während sich bei staatlicher Verfolgung nur selten die Frage stellt, ob es sich um nur regional beschränkte Verfolgungshandlungen handle, ist im Zusammenhang mit privater Verfolgung die Frage der bestehenden landesweiten Gefährdung vertieft zu prüfen. Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst geklärt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass der Verfolger die asylsuchende Person in einem anderen Gebiet verfolgt, um dann zu klären, ob dort Schutz vor dem befürchteten Schaden vorhanden ist. Im Rahmen einer Gesamt-beurteilung sind die Beweggründe des Verfolgers und dessen Fä-higkeit, die asylsuchende Person im ins Auge gefassten Gebiet zu verfolgen, zu prüfen (vgl. UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zu-sammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 be-ziehungsweise des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK], 23. Juli 2003, S. 3 ff.).

Vorliegend ging die Bedrohung von schiitischen Milizen aus, die überregional relativ gut organisiert und landesweit vernetzt sind. Hinzu kommt, dass gerade im Zusammenhang mit der Bekämpfung des sunnitischen Widerstandes Verbindungen zu staatlichen Sicherheits-kräften bestehen können. Damit ist vorliegend grundsätzlich vom Bestehen einer landesweiten Verfolgung auszugehen. Auch waren die Übergriffe gegen ehemalige Baath-Mitglieder in keiner Weise auf Bagdad beschränkt, sondern sie weiteten sich auch auf andere Landesgebiete aus. Gerade wenn man davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer von den schiitischen Milizen aufgrund eines Ver-dachts zur Unterstützung des Widerstandes verfolgt wird, ist vor-liegend auch auf ein landesweites Verfolgungsinteresse zu schliessen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer nur aufgrund der regionalen Bekanntheit des Vaters überhaupt in den Fokus der schiitischen Milizen gelangt war. Es ist denn auch bekannt geworden, dass die schiitischen Milizen mit sogenannten Todeslisten arbeiteten (vgl. UNHCR Guidelines, 2007, S. 100). Damit stellt sich im Folgenden die Frage nach dem verfügbaren Schutz in anderen Gebieten.
7.2.6.2 Gemäss Wortlaut von Art. 1A Ziff. 2 FK setzt die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der betroffene Asylsuchende den Schutz seines Heimatlandes nicht beanspruchen kann oder wegen der Furcht vor Verfolgung nicht beanspruchen will. Diese Formulierung beschreibt den Grundsatz der Subsidiarität des asylrechtlichen Schutzes (vgl. EMARK 2000 Nr. 15). Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines subsidiären adäquaten Schutzes vor Verfolgung sind insbesondere in Bezug auf die Fragen, wer ausreichend Schutz gewähren kann und welche Art respektive welcher Grad von Schutz ausreicht, um den Asylstaat von seiner völkerrechtlichen Schutzverpflichtung zu entbinden, hoch anzusetzen. In Bezug auf die Definition des Schutzgewährers im Heimatland kann vorab auf die bisherige, in Bezug auf die innerstaatliche Fluchtalternative entwickelte Praxis der ARK verwiesen werden. Diese hat unter anderem festgestellt, dass die in Art. 1A Ziff. 2 FK verwendete Formulierung "Schutz im Heimatstaat" neben dem engeren Wortsinn auch den Schutz durch einen Quasi-Staat beinhalten kann, falls bei diesem - insbesondere aufgrund seiner ausgeprägten Dauerhaftigkeit und Stabilität respektive der internationalen Absicherung des Bestandes der Körperschaft - von einer besonders ausgeprägten Schutzfähigkeit auszugehen ist (vgl. EMARK 2000 Nr. 15). Diese Praxis ist auch bei privater Verfolgung in dem Sinne weiterzuführen, als von einer besonders ausgeprägten Schutzfähigkeit ausgegangen werden muss. Demnach muss die schutzgewährende Körperschaft hohe Anforderungen an Organisation, Stabilität und Dauerhaftigkeit erfüllen (EMARK 2006 Nr. 18). In diesem Sinne als nicht adäquat zu beurteilen, wäre der Schutz eines örtlichen Clans oder einer örtlichen Miliz, wenn diese Gruppierung in dem Gebiet nicht die anerkannte Autorität ist beziehungsweise wenn deren Kontrolle über das Gebiet möglicherweise nur vorübergehend ist. Adäquater Schutz kann nur von einer stabilen und organisierten Autorität gewährt werden, die das betreffende Gebiet und dessen Bevölkerung uneingeschränkt kontrolliert (vgl. UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansie-dlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Ab-kommens von 1951 beziehungsweise des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 23. Juli 2003, S. 6 ff).
7.2.6.3 Im Folgenden ist zunächst auf die von der Vorinstanz erwähnte relative Sicherheit in Bakuba einzugehen, haben sich doch der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers dort während Monaten in Sicherheit gebracht. Zwar haben sich die sunnitischen Milizen tatsächlich unter anderem in die Region Bakuba zurückgezogen, weshalb von einer stärkeren Präsenz der Sunniten in dieser Region ausgegangen werden kann (vgl. Neue Zürcher Zeitung, Ethnische Säuberung als Waffe im irakischen Machtkampf, 20. Mai 2006). Von Dauerhaftigkeit und Stabilität im Sinne einer Schutzinfrastruktur kann aber unter den gegebenen Umständen nicht die Rede sein (vgl. UNAMI, Dezember 2007, S. 2). Der Beschwerdeführer führte diesbezüglich anlässlich der Befragung auch aus, in Bakuba habe keine hundertprozentige Sicherheit bestanden. Obwohl dies impliziert, dass die Sicherheitssituation für die Familie des Beschwerdeführers in Bakuba etwas besser gewesen sein dürfte, kann dies nicht genügen, um dem Beschwerdeführer diese Region als innerstaatliche Fluchtalternative vorzuhalten. Die Provinz Diyala gehört nach der vorliegenden Definition zum Zentralirak, und die Behörden sind den vorausgehenden Erwägungen gemäss nicht in der Lage, adäquaten Schutz zu gewähren. Der Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung auf tiefem institutionellen Niveau, wie vorliegend durch den Familienclan des Beschwerdeführers, vermag den Anforderungen an Organisation, Stabilität und Dauerhaftigkeit offensichtlich nicht zu genügen, und ein allenfalls gewährter Schutz kann nicht als ausreichend im Sinne der Praxis beurteilt werden (vgl. EMARK 2006 Nr. 18 E. 10.2.3). Dies wird umso deutlicher, als der Familienclan des Beschwerdeführers im Vergleich zu den als Verfolger auftretenden schiitischen Milizen kaum Einfluss hat, und eine Veränderung der regionalen Machtverhältnisse jederzeit möglich ist. Damit ist auch in Bakuba vom Fehlen einer adäquaten Schutz-infrastruktur auszugehen, weshalb dem Beschwerdeführer diese Re-gion des Zentraliraks nicht als sichere Fluchtalternative im Sinne der Praxis der Asylbehörden vorgehalten werden kann.
7.2.6.4 Damit bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer aus heutiger Sicht die Möglichkeit hätte, in einem anderen Teil des Iraks, insbesondere im Nordirak, Schutz zu finden. Das Bundesverwaltungsgericht kommt in einem neuen Entscheid in Bezug auf die Sicherheitslage im Nordirak zum Schluss, dass die staatlichen Behörden in diesem Teilgebiet des Staates grundsätzlich in der Lage sind, adäquaten Schutz vor Verfolgung zu gewähren (vgl. BVGE E-6982/2006 vom 22. Januar 2008). Unter Bezugnahme auf die Schutztheorie wird dabei festgehalten, dass die nordirakischen Sicherheitsbehörden grundsätzlich in der Lage sind, Hinweisen auf Übergriffe nachzugehen und nötigenfalls eine Strafverfolgung einzuleiten. Die Sicherheits- und Polizeikräfte sind gut dotiert und gelten als gut und straff organisiert. Das Rechts- und Justizsystem ist zwar parallel strukturiert und wird teilweise durch die traditionelle Stammesjustiz konkurrenziert, trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass Streitigkeiten im Regelfall gerichtlich beigelegt werden können. In Bezug auf die drei kurdischen Nordprovinzen könne entsprechend von einer funktionierenden Schutzinfrastruktur gesprochen werden. Die kurdischen Behörden vermögen damit den Anforderungen an einen stabilen und dauerhaften Schutzgewährer zu entsprechen.
Weiter ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner konkreten Situation auch effektiven Schutz erlangen kann. Zunächst ist festzustellen, dass ehemalige Baathisten seitens der kurdischen Behörden offenbar nicht einer generellen Gefährdung ausgesetzt sind (vgl. BVGE E-6982/2006 E. 6.6.4). So entziehen sich auch ehemalige Regimeangehörige den antibaathistischen Tendenzen anderswo im Irak durch einen Wegzug nach Kurdistan, auch wenn dieser Zustrom von Arabern bei den Kurden unterschiedliche Gefühle auslöste (vgl. BVGE E-6982/2006 E. 6.6.1). Es sind viele Fälle bekannt, wo arabischen ehemaligen Baath-Mitgliedern in den kurdischen Gebieten Zuflucht gewährt wurde (SFH, Irak: Rückkehrgefährdung früherer kurdischer KollaborateurInnen in die Autonome Region Kurdistan, 7. Dezember 2006; ECRE, 2007, S. 18). Aus Furcht vor terroristischen Aktivitäten wird der Zugang von Nicht-Kurden in die Nordprovinzen in Bezug auf Einreise und Niederlassung allerdings streng kontrolliert. Für die drei Provinzen bestehen dabei je unterschiedliche Regelungen: Während die Einreise in die Provinz Sulaimaniya ohne Restriktionen möglich ist, bedarf es in Erbil einer Gewährsperson. Diese gibt ihre Identität und Adresse an und informiert die kurdischen Behörden im Rahmen einer Befragung über allfällige sicherheitsrelevante Umstände. Die Gewährsperson kann eine natürliche oder juristische Person sein, sollte ihrerseits in der entsprechenden Provinz registriert sein und über einen guten Leumund verfügen. In Dohuk schliesslich wird nur bei alleinstehenden Männern eine Gewährsperson im beschriebenen Sinne verlangt (vgl. UNHCR, Guidelines, 2007, S. 165 f.). In allen drei Provinzen - in Dohuk allerdings nur bei alleinstehenden Männern - braucht es für eine definitive Niederlassung ebenfalls grundsätzlich eine Gewährsperson. Die Behörden prüfen im Rahmen der Registrierung allfällige Sicherheitsrisiken, die von der intern vertriebenen Person ausgehen, und den Grund der Vertreibung. Personen ohne Gewährsperson wird die Niederlassung in der Regel verweigert. Insbesondere in Sulaimaniya sind gewisse Berufsgruppen allerdings von dieser Pflicht ausgenommen. In der Praxis wurde sodann auch auf eine Gewährsperson verzichtet, wenn Abklärungen ergaben, dass die intern vertriebene Person kein Sicherheitsrisiko darstellt und an ihrem Herkunftsort gefährdet war (vgl. UNHCR, Guidelines, 2007, S. 167). In diesem Zusammenhang ist bei jeder Einzelfallprüfung beachtlich, dass eine abwehrende Haltung der kurdischen Behörden insbesondere gegenüber kritischen Medienschaffenden und oppositionellen Politikern besteht. Auch gegenüber Personen, die das ehemalige Regime aktiv unterstützt haben oder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu machen
sind, ist der Schutzwille der kurdischen Behörden zu bezweifeln. Schliesslich ist auch zu prüfen, ob die intern vertriebene Person einer möglicherweise diskriminierten Bevölkerungsgruppe angehört (vgl. BVGE E-6982/2006 vom 22. Januar 2008).
Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Beschwerdeführer um ein einfaches, politisch nicht aktives Mitglied der Baath-Partei. Er kann in keiner Weise mit begangenen Verletzungen der Menschenrechte in der Vergangenheit oder mit terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang gebracht werden. Auch im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer kein Profil, das ihn in den Augen der kurdischen Behörden als potenziellen politischen Gegner erscheinen lassen könnte. Es kann deshalb offen gelassen werden, ob der Beschwerdeführer im Norden über eine Gewährsperson verfügt beziehungsweise allenfalls mit Hilfe seines Familienclans oder seiner in Mosul wohnhaften Verwandtschaft mütterlicherseits - eine Tante ist offenbar Professorin an der Universität in Mosul - zu einer solchen kommen könnte. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Heimatregion politischer Verfolgung ausgesetzt ist und wie erwähnt keine Hinweise auf ein möglicherweise bestehendes Sicherheitsrisiko vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Einreise in den Norden und die dortige Niederlassung möglich sind. Aufgrund seines Profils ist auch nicht von der Gefahr einer Diskriminierung aus anderem Grund auszugehen. Der Beschwerdeführer könnte demnach in einer der drei Nordprovinzen des Iraks effektiven Schutz vor Verfolgung erlangen. Ebenfalls offen bleiben kann demnach die Frage, ob ein effektiver Schutz allenfalls auch in Mosul, wo die Familie des Beschwerdeführers heute offenbar lebt, gewährt werden könnte.
7.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zwar in seiner Herkunftsregion nach wie vor begründete Furcht vor Verfolgung hat, er aber im kurdisch kontrollierten Teil des Iraks um effektiven Schutz nachsuchen kann. Der Beschwerdeführer erfüllt die Flüchtlingseigenschaft demzufolge nicht, weshalb das Asylgesuch abzuweisen ist. Die Frage der Zumutbarkeit des Verbleibs am Zufluchtort, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit, sich dort eine Existenzgrundlage aufzubauen, ist gemäss geltender Praxis nicht im Rahmen des Bestehens der Flüchtlingseigenschaft, sondern unter dem Aspekt des Vorliegens von Wegweisungsvollgzugshindernissen zu prüfen (vgl. EMARK 1996 Nr. 1; kritisch dazu: UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 4 "Interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative", 23. Juli 2003, S. 7 ff.; anders auch EU-Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge in Art. 8 Abs. 1: "....und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält"). An dieser Stelle ist aber der Vollständigkeit halber zu bemerken, dass gemäss herrschender Praxis der Wegweisungsvollzug in die Nordprovinzen grundsätzlich als unzumutbar angesehen wird, wenn die betreffende Person nicht ursprünglich aus dieser Region stammt oder eine längere Zeit dort gelebt hat und über ein soziales Netz verfügt (vgl. BVGE E-4243/2007 vom 14. März 2008).
8. Lehnt das BFM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 44 Wegweisung und vorläufige Aufnahme - Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie. Im Übrigen finden für die Anordnung des Vollzugs der Wegweisung die Artikel 83 und 84 des AIG127 Anwendung.
AsylG). Nachdem die Beschwerde im Asylpunkt abzuweisen ist und der Beschwerdeführer - abgesehen vom bisherigen Asylbewerberstatus - über keinen Aufenthaltstitel für die Schweiz verfügt, erfolgte die Anordnung der Wegweisung (vgl. Ziffer 3 des Dispositivs der vorinstanzlichen Verfügung) zu Recht und ist zu bestätigen.
9. Da der Beschwerdeführer mit Verfügung des BFM vom 2. November 2005 in der Schweiz vorläufig aufgenommen wurde, erübrigen sich - wie bereits festgestellt - Ausführungen zur Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Vollzugs der Wegweisung. Die vom Beschwerdeführer ebenfalls angefochtene Dispositivziffer 6 ist unter den gegebenen Umständen ebenfalls zu bestätigen.
10. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
AsylG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
11. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten des Verfahrens (Art. 16 Abs. 1 Bst. a
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 16 Gesamtgericht
1    Das Gesamtgericht ist zuständig für:
a  den Erlass von Reglementen über die Organisation und Verwaltung des Gerichts, die Geschäftsverteilung, die Information, die Gerichtsgebühren sowie die Entschädigungen an Parteien, amtliche Vertreter und Vertreterinnen, Sachverständige sowie Zeugen und Zeuginnen;
b  Wahlen, soweit diese nicht durch Reglement einem anderen Organ des Gerichts zugewiesen werden;
c  Entscheide über Veränderungen des Beschäftigungsgrades der Richter und Richterinnen während der Amtsdauer;
d  die Verabschiedung des Geschäftsberichts;
e  die Bestellung der Abteilungen und die Wahl ihrer Präsidenten und Präsidentinnen auf Antrag der Verwaltungskommission;
f  den Vorschlag an die Bundesversammlung für die Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin;
g  die Anstellung des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin und des Stellvertreters oder der Stellvertreterin auf Antrag der Verwaltungskommission;
h  Beschlüsse betreffend den Beitritt zu internationalen Vereinigungen;
i  andere Aufgaben, die ihm durch Gesetz zugewiesen werden.
2    Beschlüsse des Gesamtgerichts sind gültig, wenn an der Sitzung oder am Zirkulationsverfahren mindestens zwei Drittel aller Richter und Richterinnen teilnehmen.
3    Die für ein Teilpensum gewählten Richter und Richterinnen haben volles Stimmrecht.
VGG i.V.m. Art. 2
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 2 Bemessung der Gerichtsgebühr
1    Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Kostenregelungen.
2    Das Gericht kann bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge nach den Artikeln 3 und 4 hinausgehen, wenn besondere Gründe, namentlich mutwillige Prozessführung oder ausserordentlicher Aufwand, es rechtfertigen.2
3    Bei wenig aufwändigen Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, Ausstand, Wiederherstellung der Frist, Revision oder Erläuterung sowie bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide kann die Gerichtsgebühr herabgesetzt werden. Der Mindestbetrag nach Artikel 3 oder 4 darf nicht unterschritten werden.
und 3
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 3 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse - In Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
a  bei einzelrichterlicher Streiterledigung: 200-3000 Franken;
b  in den übrigen Fällen: 200-5000 Franken.
des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 63
1    Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden.
2    Keine Verfahrenskosten werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden und unterliegenden Bundesbehörden auferlegt; anderen als Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, werden Verfahrenskosten auferlegt, soweit sich der Streit um vermögensrechtliche Interessen von Körperschaften oder autonomen Anstalten dreht.
3    Einer obsiegenden Partei dürfen nur Verfahrenskosten auferlegt werden, die sie durch Verletzung von Verfahrenspflichten verursacht hat.
4    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter erhebt vom Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten. Zu dessen Leistung ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist anzusetzen unter Androhung des Nichteintretens. Wenn besondere Gründe vorliegen, kann auf die Erhebung des Kostenvorschusses ganz oder teilweise verzichtet werden.102
4bis    Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Sie beträgt:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 100-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 100-50 000 Franken.103
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühren im Einzelnen.104 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005105 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010106.107
VwVG). Nachdem jedoch die Beschwerde nicht als aussichtslos erscheint und der Beschwerdeführer gemäss den Akten bedürftig ist, sind in Gutheissung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 65 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 65
1    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt.113
3    Die Haftung für Kosten und Honorar des Anwalts bestimmt sich nach Artikel 64 Absätze 2-4.
4    Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts an die Körperschaft oder autonome Anstalt zu vergüten, die sie bezahlt hat.
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung von Honorar und Kosten.114 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005115 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010116.117
VwVG).

(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
In Gutheissung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 65
1    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt.113
3    Die Haftung für Kosten und Honorar des Anwalts bestimmt sich nach Artikel 64 Absätze 2-4.
4    Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts an die Körperschaft oder autonome Anstalt zu vergüten, die sie bezahlt hat.
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung von Honorar und Kosten.114 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005115 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010116.117
VwVG werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben)
- die Vorinstanz, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit deren Akten (Ref.-Nr. N _______)
- _______

Die Abteilungspräsidentin: Die Gerichtsschreiberin:

Claudia Cotting-Schalch Sara Steiner

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