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Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i. S. A. gegen Bundesamt für Migration
D-812/2009 vom 19. September 2011

Asylverfahren. Entschuldbare Gründe für das Nichteinreichen von Reise- oder Identitätspapieren innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs. Aktenführungspflicht. Rechtliches Gehör zum Ergebnis einer Dokumentenprüfung. Begründungspflicht.

Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG. Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV. Art. 26
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 26
1    Die Partei oder ihr Vertreter hat Anspruch darauf, in ihrer Sache folgende Akten am Sitze der verfügenden oder einer durch diese zu bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen:
a  Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden;
b  alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke;
c  Niederschriften eröffneter Verfügungen.
1bis    Die Behörde kann die Aktenstücke auf elektronischem Weg zur Einsichtnahme zustellen, wenn die Partei oder ihr Vertreter damit einverstanden ist.66
2    Die verfügende Behörde kann eine Gebühr für die Einsichtnahme in die Akten einer erledigten Sache beziehen; der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühr.
, Art. 27
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 27
1    Die Behörde darf die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern, wenn:
a  wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern;
b  wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die Geheimhaltung erfordern;
c  das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert.
2    Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen.
3    Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf nicht, die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum Abschluss der Untersuchung verweigert werden.
, Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
, Art. 29
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 29 - Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
, Art. 30 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 30
1    Die Behörde hört die Parteien an, bevor sie verfügt.
2    Sie braucht die Parteien nicht anzuhören vor:
a  Zwischenverfügungen, die nicht selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind;
b  Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind;
c  Verfügungen, in denen die Behörde den Begehren der Parteien voll entspricht;
d  Vollstreckungsverfügungen;
e  anderen Verfügungen in einem erstinstanzlichen Verfahren, wenn Gefahr im Verzuge ist, den Parteien die Beschwerde gegen die Verfügung zusteht und ihnen keine andere Bestimmung des Bundesrechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung gewährleistet.
und Art. 35
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
VwVG.

1. Glaubhaft, dass die asylsuchende Person im Zeitpunkt der Einreise in die Schweiz keine authentischen Reise- oder Identitätspapiere auf sich getragen hat, die sie innerhalb von 48 Stunden seit Einreichung des Asylgesuchs hätte abgeben können (E. 3-5.3.3).

2. Die in einer Aktennotiz festgehaltenen Erkenntnisse zur Authentizität einer Identitätskarte unterliegen dem Akteneinsichtsrecht; sie sind aufgrund der Aktenführungspflicht vom Bundesamt für Migration (BFM) so zu dokumentieren, dass nachvollzogen werden kann, wie es zu seinen Informationen gelangt ist und aufgrund welcher Erkenntnisse auf bestimmte Fälschungsmerkmale geschlossen wird (E. 5.4.3).

3. Das BFM ist verpflichtet, der asylsuchenden Person vor seinem Entscheid Gelegenheit einzuräumen, zu den in einer Aktennotiz festgehaltenen Fälschungsmerkmalen ihrer Identitätskarte Stellung nehmen zu können, wenn es sich in seiner Verfügung auf die Aktennotiz stützt (E. 5.4.4).

4. Das BFM hat in der Verfügung die Gründe, aufgrund derer es eine Identitätskarte als nicht authentisch erachtet, nachvollziehbar darzulegen (E. 5.4.5).

Procédure d'asile. Motifs excusant la non-remise des documents de voyage ou pièces d'identité dans le délai de 48 heures après le dépôt de la demande d'asile. Obligation de constituer un dossier complet. Droit d'être entendu sur le résultat de l'examen de documents. Devoir de motivation.

Art. 32 al. 2 let. a LAsi. Art. 29 al. 2 Cst. Art. 26, art. 27, art. 28, art. 29, art. 30 al. 1 et art. 35 PA.

1. Il est vraisemblable que le requérant d'asile n'ait pas détenu, au moment de son entrée en Suisse, des documents de voyage ou pièces d'identité authentiques pouvant être remis dans les 48 heures qui ont suivi sa demande d'asile (consid. 3-5.3.3).

2. Les constatations relatives à l'authenticité d'une carte d'identité, consignées dans une note de dossier, sont soumises au droit d'accès au dossier; en raison des obligations incombant à l'Office fédéral des migrations (ODM) concernant la gestion du dossier, ces constatations doivent être consignées de manière à ce que l'on puisse reconnaître comment l'Office a obtenu ses informations et sur la base de quelles constatations il a conclu à l'existence d'indices de falsification (consid. 5.4.3).

3. Avant de prendre sa décision, l'ODM est tenu de donner au requérant l'occasion de prendre position sur les indices de falsification de sa carte d'identité consignés dans une note du dossier, s'il fonde sa décision sur cette note (consid. 5.4.4).

4. Dans sa décision, l'ODM doit exposer de manière compréhensible les motifs pour lesquels il estime que la carte d'identité n'est pas authentique (consid. 5.4.5).

Procedura d'asilo. Motivi scusabili per la mancata consegna di documenti di viaggio o d'identità entro 48 ore dalla presentazione della domanda. Obbligo di gestione degli atti. Diritto di audizione sull'esito dell'esame di documenti. Obbligo di motivare.

Art. 32 cpv. 2 lett. a LAsi. Art. 29 cpv. 2 Cost. Art. 26, art. 27, art. 28, art. 29, art. 30 cpv. 1 e art. 35 PA.

1. Verosimiglianza del mancato possesso da parte del richiedente al momento dell'entrata in Svizzera di documenti di viaggio o d'identità autentici da consegnare entro 48 ore dalla presentazione della domanda d'asilo (consid. 3-5.3.3).

2. Le risultanze annotate in un nota nell'incartamento, concernenti l'autenticità di una carta d'identità, soggiacciono al diritto di consultazione degli atti; in virtù dell'obbligo di gestione degli atti imposto all'Ufficio federale della migrazione (UFM), devono essere documentati in modo tale da poter capire quali riscontri fanno concludere all'esistenza di determinati indizi di falsificazione (consid. 5.4.3).

3. Se intende fondarsi su una nota per la propria decisione, prima di decidere l'UFM è tenuto a concedere al richiedente l'opportunità di esprimersi in merito agli indizi di falsificazione rilevati sulla sua carta d'identità e riportati in tale nota (consid. 5.4.4).

4. Nella propria decisione l'UFM deve esporre in modo intelligibile i motivi che lo portano a considerare non autentica una carta d'identità (consid. 5.4.5).


Der Beschwerdeführer reiste am 7. Dezember 2008 in die Schweiz ein und suchte am selben Tag um Asyl nach. Da er keine Ausweispapiere vorlegte, wurde er dort mit einem Informationsblatt, dessen Inhalt er mit seiner Unterschrift verstanden zu haben bestätigte, zur Herausgabe von allenfalls anderswo aufbewahrten Identitätsdokumenten innerhalb von 48 Stunden aufgefordert.

Am 6. Januar 2009 reichte der Beschwerdeführer durch die Thurgauer Rechtsberatungsstelle seine Identitätskarte inklusive Briefumschlag beim BFM ein.

Mit Verfügung vom 30. Januar 2009 trat das Bundesamt für Migration (BFM) in Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a und Art. 32 Abs. 3
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht ein. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung aus der Schweiz und forderte den Beschwerdeführer - unter Androhung von Zwangsmitteln im Unterlassungsfall - auf, die Schweiz am Tag nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung zu verlassen. Die eingereichte Identitätskarte zog das BFM ein.

Mit Eingabe vom 9. Februar 2009 erhob der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte, es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Verfahren zwecks materieller Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das BFM beantragte in seiner Vernehmlassung vom 25. März 2009 die Abweisung der Beschwerde.

Mit Eingabe vom 9. April 2009 reichte der Beschwerdeführer einen Familienausweis, ein Farbfoto und eine Postquittung sowie einen von ihm verfassten Brief in kurdischer Sprache inklusive dem Aramex-Umschlag ein. Im Begleitschreiben führte der Beschwerdeführer aus, dass die Postquittung (Stempel vom 19. Februar 2009) für ein Schreiben aus seiner Heimat sei, welches weitere wichtige Dokumente beinhalte. Leider sei es von der irakischen Post nach Schweden geschickt worden und er wisse nicht, wann es zurückkomme.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut.


Aus den Erwägungen:

3. Gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, wenn Asylsuchende den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere abgeben. Keine Anwendung findet diese Bestimmung, wenn Asylsuchende glaubhaft machen können, dass sie aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage sind, innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere abzugeben (Art. 32 Abs. 3 Bst. a
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
AsylG), wenn aufgrund der Anhörung sowie gestützt auf Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
und Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG die Flüchtlingseigenschaft festgestellt wird (Art. 32 Abs. 3 Bst. b
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG) oder wenn sich aufgrund der Anhörung erweist, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses nötig sind (Art. 32 Abs. 3 Bst. c
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG).

4.1 Das BFM trat auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers mit der Begründung nicht ein, der Beschwerdeführer habe den Asylbehörden innerhalb der eingeräumten Frist von 48 Stunden keine Reise- oder Identitätspapiere abgegeben. Zur Frage, ob der Beschwerdeführer entschuldbare Gründe im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. a
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
AsylG glaubhaft machen kann, führte das BFM aus, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass der (...)-jährige Beschwerdeführer über einen relevanten Identitätsausweis verfüge. Er habe im Verlauf des Asylverfahrens eine irakische Identitätskarte eingereicht, ausgestellt in Y. am (...). Auf dieser fehlten aber die für solche Dokumente üblichen Sicherheitsmerkmale; im Weiteren sei « ein behördlicher Einträge [sic]» nicht in jener Art vorgenommen worden, in welcher er in echten irakischen Identitätskarten vorgenommen werde. Das eingereichte Dokument sei aufgrund dieser Unstimmigkeiten nicht authentisch. Im Weiteren habe der Beschwerdeführer erklärt, er sei mit einem echten Pass aus dem Irak ausgereist, habe diesen aber in der Türkei weggeworfen, was nicht nachvollziehbar sei, zumal dem Beschwerdeführer hätte bewusst sein müssen, dass er sich im Rahmen seines bevorstehenden
Asylverfahrens auszuweisen habe. Aufgrund dieser Unstimmigkeiten sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über einen relevanten Identitätsausweis verfüge, aber davon absehe, diesen dem BFM abzugeben.

4.2 Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, es sei aufgrund der Akten offensichtlich, dass er aus X. komme, weshalb der Vollzug der Wegweisung nicht zumutbar sei. Dass im vorliegenden Fall ein Nichteintretensentscheid nicht gerechtfertigt sei, sei zudem vom an der Anhörung anwesenden Hilfswerkvertreter festgehalten worden. In der Annahme, die dem BFM zugestellte Identitätskarte sei genügend, habe er bis zum Entscheid des BFM weitere Bemühungen zum Erhalt von anderen Identitätsdokumenten unterlassen. Nun habe er zwecks Erhalts seines Soyat Kayit - ein Dokument, welches sämtliche Identitätsmerkmale des Inhabers beinhalte und aufgrund derer dann die Identitätskarte ausgestellt werde - mit seiner Familie Kontakt aufgenommen. Die Familie habe in der Zwischenzeit bei den lokalen Behörden das genannte Dokument im Original erhalten können. Der Umstand, dass er in der Annahme, bei seiner Identitätskarte handle es sich um ein ausreichendes Identitätsdokument, keine weiteren Schritte zum Erhalt weiterer Dokumente unternommen habe, und er mit seiner Familie zwecks Erhalt eines Soyat Kayit erst in Kontakt getreten sei, nachdem er mit Erhalt des angefochtenen Entscheides erfahren habe,
dass das BFM seine Identitätskarte als nicht authentisch einstufe, sei entschuldbar.

5.1 Der Beschwerdeführer hat bei der Einreichung seines Asylgesuchs im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) Kreuzlingen am 7. Dezember 2008 keine Reise- oder Identitätspapiere abgegeben. Auch in den folgenden 48 Stunden hat er kein entsprechendes Dokument eingereicht. Damit ist die Nichtabgabe von Reise- und Identitätspapieren innert 48 Stunden ab Einreichung des Asylgesuchs als Grundtatbestand für die Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG gegeben.

5.2 Bei der Befragung im EVZ am 11. Dezember 2008 gab der Beschwerdeführer betreffend Besitz von Ausweispapieren an, er habe einen regulären Pass besessen, der Anfang Oktober 2008 in Bagdad ausgestellt worden sei und noch bis Oktober 2016 gültig wäre. Er sei mit diesem Pass, welcher mit einem Touristenvisum versehen gewesen sei, welches ihm Anfang November 2008 von der türkischen Vertretung in X. ausgestellt worden sei, in die Türkei gereist. Dort habe ihn der Schlepper aufgefordert, den Pass wegzuwerfen. Er habe zudem im Sommer 2006 eine Identitätskarte in Y. ausstellen lassen, welche er bei der Mutter im Irak zurückgelassen habe. Einen Nationalitätenausweis habe er nie gehabt. Auf die Frage, warum er der Aufforderung Identitätsdokumente abzugeben, nicht nachgekommen sei, erklärte er, er habe seit er in der Schweiz sei, keinen Kontakt mit seiner Mutter gehabt, da er kein Geld gehabt habe, um sie anzurufen. In der Türkei habe er noch Kontakt mit ihr gehabt. Er habe aber zur Kenntnis genommen, dass er Ausweispapiere beschaffen solle. Als er sieben Tage nach der Befragung im EVZ und elf Tage nach der Einreise anlässlich der Anhörung am 18. Dezember 2008 erneut gefragt wurde, ob er
Dokumente oder Ausweispapiere abzugeben habe, verneinte der Beschwerdeführer die Frage, fügte jedoch an, seine Angehörigen hätten seine Identitätskarte geschickt, er habe diese aber noch nicht erhalten. Am 6. Januar 2009 stellte der Beschwerdeführer die Identitätskarte dem BFM über die Thurgauer Rechtsberatungsstelle zu.

5.3.1 Entschuldbare Gründe im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. a
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
AsylG liegen grundsätzlich dann vor, wenn dem Umstand, dass die asylsuchende Person nicht in der Lage ist, innerhalb von 48 Stunden Reise- oder Identitätspapiere abzugeben, nicht die Absicht zugrunde liegt, den Aufenthalt in der Schweiz unrechtmässig zu verlängern. Vermag die asylsuchende Person glaubhaft darzutun, dass sie beispielsweise deshalb nicht in der Lage ist, Reise- oder Identitätspapiere innerhalb von 48 Stunden seit Einreichung des Gesuchs abzugeben, weil sie ihre Reise- oder Identitätspapiere im Heimatstaat zurückgelassen hat, und bemüht sie sich umgehend und ernsthaft um deren Beschaffung innert angemessener Frist, ist die Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG ausgeschlossen (vgl. BVGE 2010/2 E. 5.6 und E. 6).

5.3.2 Der Beschwerdeführer vermochte anlässlich der Befragung im EVZ seinen Reiseweg, welcher ihn vom Irak in die Türkei und schliesslich ab Istanbul in einem LKW in die Schweiz führte, anschaulich und plausibel zu beschreiben. Das BFM unterstellt zwar, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seinen Pass in der Türkei weggeworfen habe, da ihm bewusst gewesen sein musste, dass er sich im Rahmen seines bevorstehenden Asylverfahrens auszuweisen haben würde. Es ist jedoch eine Tatsache, dass Schlepper ihre « Kundschaft » häufig dazu drängen, Identitätspapiere zu entsorgen oder dieser die vorhandenen Reisepapiere abnehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach er seinen Pass in der Türkei weggeworfen habe, nachdem ihn der Schlepper dazu aufgefordert habe, durchaus nicht realitätsfremd. Realistischerweise muss zudem angenommen werden, dass der Beschwerdeführer in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Schlepper stand, und er - um seine Weiterreise nicht zu gefährden - in seiner Entscheidung, den Anweisungen des Schleppers Folge zu leisten oder nicht, nicht frei war. Es ist deshalb nachvollziehbar und insofern entschuldbar, wenn er der Aufforderung des
Schleppers, den Pass wegzuwerfen, nachgekommen ist. Ferner ist davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer zurückgelegte Reise ab der Türkei ohne Reisepapiere - insbesondere mit Hilfe von Schleppern - tatsächlich in der von ihm beschriebenen Art und Weise zurückgelegt werden kann, ohne dabei kontrolliert zu werden. Hierfür spricht insbesondere auch, dass er von keiner europäischen Behörde angehalten und daktyloskopiert worden ist. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers ist deshalb entgegen der Auffassung des BFM davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Einreise in die Schweiz tatsächlich keine authentischen Reise- oder Identitätspapiere mehr auf sich getragen hat, die er innerhalb von 48 Stunden seit Einreichung des Asylgesuchs hätte abgeben können.

5.3.3 Anlässlich der Befragung im EVZ am 11. Dezember 2008 nahm der Beschwerdeführer zur Kenntnis, dass er Ausweispapiere beschaffen soll. An der Anhörung am 18. Dezember 2008 erklärte er, er habe mit seiner Mutter darüber gesprochen. Sie habe die Identitätskarte abgeschickt. Er habe sie aber noch nicht erhalten. Gemäss dem beim BFM eingereichten Briefumschlag wurde die Identitätskarte umgehend, das heisst vier Tage nach der Anhörung (Poststempel vom 22. Dezember 2008), in W. der Post übergeben und ins EVZ geschickt. Diese Identitätskarte beurteilte das BFM in der angefochtenen Verfügung als nicht authentisch.

5.4.1 Das rechtliche Gehör, welches in Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) verankert und in den Art. 29 ff
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 29 - Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
. des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) für das Verwaltungsverfahren konkretisiert wird, dient einerseits der Aufklärung des Sachverhalts, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Parteien dar. Gemäss Art. 30 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 30
1    Die Behörde hört die Parteien an, bevor sie verfügt.
2    Sie braucht die Parteien nicht anzuhören vor:
a  Zwischenverfügungen, die nicht selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind;
b  Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind;
c  Verfügungen, in denen die Behörde den Begehren der Parteien voll entspricht;
d  Vollstreckungsverfügungen;
e  anderen Verfügungen in einem erstinstanzlichen Verfahren, wenn Gefahr im Verzuge ist, den Parteien die Beschwerde gegen die Verfügung zusteht und ihnen keine andere Bestimmung des Bundesrechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung gewährleistet.
VwVG hört die Behörde die Parteien an, bevor sie verfügt. Der Anspruch auf vorgängige Anhörung beinhaltet insbesondere, dass die Behörde sich beim Erlass ihrer Verfügung nicht auf Tatsachen abstützen darf, zu denen sich die von der Verfügung betroffene Person nicht vorgängig äussern und diesbezüglich Beweis führen konnte.

Eng mit dem Äusserungsrecht ist der verfahrensrechtliche Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 26
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 26
1    Die Partei oder ihr Vertreter hat Anspruch darauf, in ihrer Sache folgende Akten am Sitze der verfügenden oder einer durch diese zu bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen:
a  Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden;
b  alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke;
c  Niederschriften eröffneter Verfügungen.
1bis    Die Behörde kann die Aktenstücke auf elektronischem Weg zur Einsichtnahme zustellen, wenn die Partei oder ihr Vertreter damit einverstanden ist.66
2    Die verfügende Behörde kann eine Gebühr für die Einsichtnahme in die Akten einer erledigten Sache beziehen; der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühr.
VwVG) verbunden. In jedem Verfahren können sich die Betroffenen nur dann wirksam zur Sache äussern und geeignet Beweise führen beziehungsweise Beweismittel bezeichnen, wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf welche sich die Behörde stützt. Vom Akteneinsichtsrecht ausgeschlossen sind verwaltungsinterne Unterlagen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1994 Nr. 1 E. 3a S. 8f.). Gilt es den Umfang des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen, kommt es jedoch auf die im konkreten Fall objektive Bedeutung eines Aktenstückes für die entscheidwesentliche Sachverhaltsfeststellung an und nicht auf die Einstufung des Beweismittels durch die Behörden als internes oder gar geheimes Papier. Keine internen Akten sind daher zum Beispiel verwaltungsintern erstellte Berichte und Gutachten zu streitigen Sachverhaltsfragen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet auch, dass die Behörden alles in den Akten festzuhalten haben, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann. Daraus resultiert die Pflicht, Abklärungen, Befragungen, Zeugeneinvernahmen und Verhandlungen
zu protokollieren, diese zu den Akten zu nehmen und aufzubewahren (BGE 130 II 473 E. 4.2). Die Aktenführung hat geordnet, übersichtlich und vollständig zu sein und es muss ersichtlich sein, wer sie erstellt hat und wie sie zustande gekommen sind (vgl. Marc Häusler/Reto Ferrari-Visca, Das Recht auf Akteneinsicht im Verwaltungs- und Verwaltungsjustizverfahren, in: Jusletter 8. August 2011, S. 4f.; René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss/Daniela Thurnherr/Denise Brühl-Moser, Öffentliches Prozessrecht. Grundlagen und Bundesrechtspflege, 2. Aufl., Basel 2010, Rz. 339 ff.). Das Recht auf Akteneinsicht kann im Übrigen eingeschränkt werden, wenn ein überwiegendes Interesse an deren Geheimhaltung vorhanden ist. Dies muss indes aufgrund einer konkreten, sorgfältigen und umfassenden Abwägung der entgegenstehenden Interessen beurteilt werden, wobei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Je stärker das Verfahrensergebnis von der Stellungnahme der Betroffenen zum konkreten Dokument abhängt und je stärker auf ein Dokument bei der Entscheidfindung (zum Nachteil der Betroffenen) abgestellt wird, desto intensiver ist dem Akteneinsichtsrecht Rechnung zu tragen (vgl. Art. 27
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 27
1    Die Behörde darf die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern, wenn:
a  wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern;
b  wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die Geheimhaltung erfordern;
c  das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert.
2    Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen.
3    Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf nicht, die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum Abschluss der Untersuchung verweigert werden.
und Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
VwVG sowie zum Ganzen Häusler/Ferrari-
Visca, a. a.O., S. 2 mit weiteren Hinweisen).

Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergibt sich schliesslich, dass die Abfassung der Begründung dem Betroffenen ermöglichen soll, den Entscheid sachgerecht anfechten zu können, was nur der Fall ist, wenn sich sowohl der Betroffene als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. Die Begründungsdichte richtet sich dabei nach dem Verfügungsgegenstand, den Verfahrensumständen und den Interessen des Betroffenen, wobei bei schwerwiegenden Eingriffen in die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen - und um solche geht es bei der Frage des Eintretens auf ein Asylgesuch - eine sorgfältige Begründung verlangt wird (BVGE 2008/47 E. 3.2 S. 674f.; EMARK 2006 Nr. 24 E. 5.1. S. 256).

5.4.2 Das BFM stellte in der angefochtenen Verfügung fest, die angeblich am (...) in Y. ausgestellte Identitätskarte sei aufgrund von Unstimmigkeiten nicht authentisch und zog diese ein. Es führt in seiner Begründung aus, auf der eingereichten Identitätskarte würden die für solche Dokumente üblichen Sicherheitsmerkmale fehlen und « ein behördlicher Einträge » sei nicht in jener Art vorgenommen worden, in welcher er in echten irakischen Identitätskarten vorgenommen werde. In der Begründung lässt es jedoch offen, um was für einen Eintrag es sich handeln und inwiefern dieser falsch sein soll. Aufgrund der Schreibweise « ein behördlicher Einträge » wird nicht einmal klar, ob nach Ansicht des BFM bloss ein oder aber mehrere inkorrekte Einträge vorhanden sein sollen.

5.4.3 Aus den Akten geht hervor, dass die durch die Thurgauer Rechtsberatungsstelle am 6. Januar 2009 inklusive Briefumschlag übermittelte Identitätskarte des Beschwerdeführers am 7. Januar 2009 beim BFM einging. Ferner ist den Akten zu entnehmen, dass am 28. Januar 2009 - mithin zwei Tage vor Versand der angefochtenen Verfügung - von einem Mitarbeiter des BFM eine Aktennotiz verfasst wurde, worin dieser festhielt, dass die eingereichte Identitätskarte, welche angeblich am (...) in Y. ausgestellt worden sei, aufgrund dreier unstimmiger Merkmale offensichtlich nicht echt sei. Die Aktennotiz wird im Aktenverzeichnis als « interne Akte » mit dem Vermerk « nicht zur Edition » bezeichnet. Das BFM stützte sich in der Verfügung offenbar auf die in der Aktennotiz betreffend die Identitätskarte des Beschwerdeführers enthaltenen Informationen. Aufgrund der Bedeutung des Inhalts für den Entscheid, auf das Asylgesuch wegen fehlender Identitätspapiere nicht einzutreten, kann es sich bei der Aktennotiz nicht, wie im Aktenverzeichnis vermerkt, um eine « interne Akte » handeln. Die in der Notiz enthaltenen Informationen sind für den Entscheid von solcher Relevanz, dass diese vorbehältlich von
Geheimhaltungsinteressen dem Akteneinsichtsrecht unterstehen. Aufgrund der Aktenführungspflicht wäre das BFM zudem gehalten gewesen, die Abklärungen zur Authentizität der Identitätskarte in den Akten so zu dokumentieren, dass jederzeit nachvollzogen werden kann, wie das BFM zu seinen diesbezüglichen Erkenntnissen gelangt ist. Aus der Aktennotiz geht indessen nicht hervor, wie der Mitarbeiter des BFM an die von ihm festgehaltenen Informationen gelangt ist und aufgrund welcher Erkenntnisse diese ihrerseits zustande gekommen sind. Da dies aus der Aktennotiz nicht hervorgeht, hat das BFM die Aktenführungspflicht verletzt.

5.4.4 Darüber hinaus hat es das BFM unterlassen, dem Beschwerdeführer vor dem Erlass der Verfügung Gelegenheit zu geben, sich zu den in der Aktennotiz festgehaltenen Fälschungsmerkmalen seiner Identitätskarte zu äussern. Der Umstand, dass bei einer vollständigen Offenlegung aller Einzelheiten von behördlichen Fälschungserkenntnissen gewisser Dokumente deren missbräuchliche Verwendung durch den Gesuchsteller oder Dritte zu befürchten ist, kann zwar rechtfertigen, die Einsicht in ein Aktenstück ganz oder teilweise zu verweigern (vgl. EMARK 1994 Nr. 1 E. 4c). Da das BFM in seiner Verfügung jedoch zum Nachteil des Beschwerdeführers gestützt auf die in der Aktennotiz enthaltenen Informationen davon ausgeht, die eingereichte Identitätskarte sei nicht authentisch, wäre es gemäss Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
VwVG gehalten gewesen, den Beschwerdeführer über die festgestellten Fälschungsmerkmale in einer Art und Weise in Kenntnis zu setzen, welche es ihm ermöglicht, vor Erlass der Verfügung konkrete Einwände gegen die vom BFM in Bezug auf die Identitätskarte gewonnenen Erkenntnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen anzubringen. Indem das BFM dies unterlassen hat, hat es den Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör gemäss Art. 30 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 30
1    Die Behörde hört die Parteien an, bevor sie verfügt.
2    Sie braucht die Parteien nicht anzuhören vor:
a  Zwischenverfügungen, die nicht selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind;
b  Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind;
c  Verfügungen, in denen die Behörde den Begehren der Parteien voll entspricht;
d  Vollstreckungsverfügungen;
e  anderen Verfügungen in einem erstinstanzlichen Verfahren, wenn Gefahr im Verzuge ist, den Parteien die Beschwerde gegen die Verfügung zusteht und ihnen keine andere Bestimmung des Bundesrechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung gewährleistet.
und Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
VwVG verletzt.

5.4.5 Wie bereits festgehalten (vgl. E. 5.4.2 f.), wird in den Akten des BFM nicht dokumentiert, wie der Mitarbeiter an die von ihm in der Aktennotiz festgehaltenen Informationen betreffend die Identitätskarte des Beschwerdeführers gelangt ist und aufgrund welcher Erkenntnisse diese ihrerseits zustande gekommen sind. Auch in der angefochtenen Verfügung schweigt sich das BFM diesbezüglich aus. Die Begründung der Verfügung lässt deshalb - auch für das Bundesverwaltungsgericht - nicht hinreichend nachvollziehbar erkennen, aus welchen Gründen das BFM zur Feststellung gelangt ist, die Identitätskarte sei nicht authentisch. Bei den vom BFM in der Verfügung bezüglich der Identitätskarte festgestellten Unstimmigkeiten handelt es sich daher letztlich um nicht nachvollziehbare Behauptungen, zumal auch offen gelassen wird, welcher behördliche Eintrag auf der Identitätskarte nicht korrekt vorgenommen worden sein soll. Das BFM hat insofern auch die ihm obliegende Begründungspflicht verletzt.

5.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das BFM den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör mehrfach verletzt hat, indem es ihm nicht zur Kenntnis brachte, dass und weshalb es seine Identitätskarte als nicht authentisch erachtet und ihm keine Gelegenheit bot, sich vorgängig dazu zu äussern, und indem es seiner Aktenführungs- und Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
, Art. 29
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 29 - Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
, Art. 30 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 30
1    Die Behörde hört die Parteien an, bevor sie verfügt.
2    Sie braucht die Parteien nicht anzuhören vor:
a  Zwischenverfügungen, die nicht selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind;
b  Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind;
c  Verfügungen, in denen die Behörde den Begehren der Parteien voll entspricht;
d  Vollstreckungsverfügungen;
e  anderen Verfügungen in einem erstinstanzlichen Verfahren, wenn Gefahr im Verzuge ist, den Parteien die Beschwerde gegen die Verfügung zusteht und ihnen keine andere Bestimmung des Bundesrechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung gewährleistet.
und Art. 35
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 35
1    Schriftliche Verfügungen sind, auch wenn die Behörde sie in Briefform eröffnet, als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
2    Die Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen.
3    Die Behörde kann auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt.
VwVG).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 2011/37
Date : 19. September 2011
Published : 08. August 2012
Source : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2011/37
Subject area : Abteilung IV (Asylrecht)
Subject : Nichteintreten auf Asylgesuch (Papierlosigkeit) und Wegweisung


Legislation register
AsylG: 3  7  32
BV: 29
VwVG: 26  27  28  29  30  35
BGE-register
130-II-473
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